Bundessozialgericht, Urteil vom 14.04.2011, Az. B 8 SO 23/09 R

8. Senat | REWIS RS 2011, 7456

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Gegenstand

(Sozialhilfe - Rückerstattung zu Unrecht erstatteter Sozialhilfeleistungen für aus dem Ausland übergetretene Hilfebedürftige - Kostenerstattungspflicht gem § 108 BSHG - Übergangsregelung des § 147 BSHG bzw § 115 SGB 12 - Eintritt des Erstattungsfalls vor dem 1.1.1994)


Leitsatz

Die bis zum 31.12.1993 geltende Regelung, wonach unter weiteren Voraussetzungen Sozialhilfeaufwendungen des örtlichen Sozialhilfeträgers für Hilfebedürftige nach deren Übertritt aus dem Ausland durch den überörtlichen Träger der Sozialhilfe zu erstatten waren (§ 108 BSHG aF), ist für Sozialhilfeaufwendungen, die für die Zeit ab 1.1.1994 erbracht wurden, weiterhin anzuwenden, wenn der Erstattungsfall vor dem 1.1.1994 eingetreten ist. Insoweit gilt nicht die ab 1.1.1994 in der Norm enthaltene Ausnahme für in Deutschland Geborene.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. August 2009 - [X.] [X.]/08 - aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Der Streitwert wird auf 14 244,55 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

[X.] vom Kläger dem [X.]n erstatteter Sozialhilfeaufwendungen in Höhe von 14 244,55 Euro.

2

[X.]m 14.10.1991 beantragte die in [X.] ([X.]) geborene [X.] ([X.]) im [X.]nschluss an einen ca 18 Jahre dauernden [X.]ufenthalt in der [X.] nach ihrer Wiedereinreise in die [X.] (am 28.9.1991) für sich, ihre Tochter [X.] und ihren Sohn [X.]r Hilfe zum Lebensunterhalt, die neben Krankenhilfe ab [X.]ntragstellung von dem [X.]n gewährt wurde. Der Kläger erkannte für die [X.] ab 14.10.1991 eine Kostenerstattungspflicht gemäß § 108 Bundessozialhilfegesetz ([X.]) an und erstattete dem [X.]n im Jahr 2004 Sozialhilfeaufwendungen in Höhe von insgesamt 14 244,55 Euro für die [X.] vom 1.1.2000 bis 31.12.2001.

3

Im November 2005 machte der Kläger gegenüber dem [X.]n ein Rückerstattungsbegehren geltend, weil nach dem ab [X.] geltenden § 108 [X.] eine Erstattungspflicht für Personen, die im Geltungsbereich des [X.] geboren seien oder bei Eintritt des Bedarfs an Sozialhilfe mit einer solchen Person als Verwandte zusammenlebten, entfallen und damit die Erstattung zu Unrecht erfolgt sei. Der [X.] lehnte dieses Begehren unter Hinweis auf die Übergangsregelung des § 147 [X.] ab; danach bleibe die Pflicht zur Kostenerstattung auch für die [X.] ab [X.] bestehen.

4

Das Sozialgericht ([X.]) [X.] hat den [X.]n verurteilt, an den Kläger 14 244,55 Euro zu erstatten (Urteil vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, der [X.] sei gemäß § 112 [X.] - ([X.]B X) zur Rückerstattung der zuvor von dem Kläger erstatteten Sozialhilfeleistungen verpflichtet, weil die Erstattung zu Unrecht erfolgt sei. Nach § 108 [X.]bs 1 Satz 1 [X.] in der ab [X.] geltenden Fassung scheide ein Kostenerstattungsanspruch aus, wenn Personen betroffen seien, die - wie die Hilfeempfängerin ([X.]) - im Geltungsbereich des [X.] geboren seien oder bei Eintritt des Bedarfs an Sozialhilfe - wie die Kinder - mit einer solchen Person als Ehegatte, Verwandte oder Verschwägerte zusammenlebten. Eine [X.]nwendung von § 108 [X.] in der bis zum 31.12.1993 geltenden, insoweit anders lautenden Fassung scheide nach der Übergangsregelung des § 147 [X.] aus, wonach die Pflicht zur Kostenerstattung, die nach der vor dem [X.] geltenden Fassung des § 108 [X.] entstanden sei, bestehen bleibe. Eine Pflicht zur Kostenerstattung entstehe aber erst, wenn vom erstattungsberechtigten Sozialleistungsträger Kosten für einen Hilfeempfänger aufgewendet würden. Daher könne die Übergangsregelung nur die Erstattungsansprüche bis 31.12.1993 erfassen. Die Übergangsregelung sei insbesondere nicht dahin auszulegen, dass eine Fortgeltung des § 108 [X.] aF für Fälle bestimmt werde, in denen schon für die [X.] vor dem [X.] eine Kostenerstattung erfolgt sei.

5

Mit der Revision rügt der [X.] einen Verstoß gegen § 147 [X.]. Danach sollten laufende Erstattungsfälle unangetastet bleiben. Hierfür spreche auch die Übernahme des bisherigen § 147 [X.] in das [X.] - ([X.]B XII).

6

Der [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Sprungrevision des Beklagten ist zulässig. Sie scheitert insbesondere nicht daran, dass der Kläger "einem Revisionsverfahren nach § 161 Sozialgerichtsgesetz ([X.])" zugestimmt hat. Diese nach Zustellung des Urteils abgegebene Erklärung ist so auszulegen, dass der Kläger - wie erforderlich - seine Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision erklärt hat (vgl dazu: [X.], 252 ff Rd[X.] 9 ff = [X.] 4-3500 § 28 [X.] 3; B[X.] [X.] 3-3300 § 39 [X.] 2 S 3 f; [X.] 3-4100 § 249c [X.] 2 S 3).

Die Revision des Beklagten ist auch im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]). Entgegen der Ansicht des [X.] ist die Erstattung der Sozialhilfeaufwendungen in Höhe von 14 244,55 [X.] nicht deshalb zu Unrecht erfolgt, weil die Leistungen des Beklagten für die [X.] nach dem 31.12.1993 erbracht worden sind und § 108 [X.] ab [X.] wegen der Geburt von [X.] in [X.] eine Erstattungspflicht nicht mehr vorsah. Ob die Erstattung ggf jedoch aus anderen Gründen zu Unrecht erfolgt ist, kann der Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen (§ 163 [X.]) nicht beurteilen.

Richtiger Beklagter ist vorliegend der beteiligtenfähige (§ 70 [X.] 3 [X.]) Oberbürgermeister der [X.]. Nach § 70 [X.] 3 [X.] sind Behörden beteiligtenfähig, sofern das Landesrecht dies bestimmt. § 2 des [X.] Landesgesetzes zur Ausführung des [X.] vom 2.10.1954 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das [X.]) regelt die [X.] von Behörden; Behörde in diesem Sinne ist der Bürgermeister. Für den Kläger - das Land - gilt dies nicht, weil insoweit keine Behörde im Sinne des [X.] tätig geworden ist. Behörden in diesem Sinne sind nur solche Stellen, die durch organisationsrechtliche Rechtssätze gebildet, vom Wechsel ihrer Amtsinhaber unabhängig und nach der einschlägigen Zuständigkeitsregelung berufen sind, unter eigenem Namen für den Staat oder einen Träger öffentlicher Verwaltung Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen (vgl nur: [X.] in Lehr- und Praxiskommentar [X.]B X , 3. Aufl 2011, § 1 Rd[X.] 8 mwN; Bier in [X.]/[X.]/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, § 61 Rd[X.] 8, Stand Mai 2010). Hieran fehlt es.

Nach § 112 [X.]B X (in der Normfassung des Gesetzes zur Einführung des [X.] im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften - 4. [X.]-Einführungsgesetz - vom 21.12.2000 - [X.] 1983) sind gezahlte Beträge zurückzuerstatten, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Von § 112 [X.]B X werden nicht nur die Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff [X.]B X, sondern auch sonstige, diesen vergleichbare, in den besonderen Teilen des [X.]B, auch dem [X.] (§ 68 [X.] 11 Sozialgesetzbuch [X.] <[X.]B I> in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung des [X.] behinderter Menschen - <[X.]B IX> vom 19.6.2001 - [X.] 1046), geregelte Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern erfasst (B[X.] [X.] 3-3100 § 81a [X.] 1 S 2; Roller in von [X.], [X.]B X, 7. Aufl 2010, § 112 Rd[X.] 4 mwN). § 112 [X.]B XII gilt als allgemeiner Rechtsgedanke (B[X.] aaO) deshalb auch für Erstattungsansprüche nach § 108 [X.].

Grundlage für die Kostenerstattung ist hier § 108 Abs 1 [X.] in der bis 31.12.1993 geltenden Normfassung (aF) der Bekanntmachung der Neufassung des [X.] vom 10.1.1991 ([X.] 94). § 108 [X.] in der ab [X.] geltenden Fassung des [X.] [X.] ([X.] vom 23.6.1993 - [X.] 944) findet entgegen der Auffassung des [X.] nach der Übergangsregelung des § 147 [X.] (idF des [X.]) keine Anwendung.

Nach § 147 [X.] bleibt die Pflicht eines Trägers der Sozialhilfe zur Kostenerstattung bestehen, die nach der vor dem [X.] geltenden Fassung des § 108 [X.] entstanden oder von der [X.] bestimmt worden ist. Hiervon sind nicht nur Ansprüche betroffen, die bis zum 31.12.1993 entstanden sind, sondern alle laufenden Sozialhilfefälle, die - wie hier - vor dem 31.12.1993 ihren Beginn hatten und nicht für einen zusammenhängenden [X.]raum von mehr als drei Monaten (siehe dazu unten) unterbrochen wurden (so wohl auch [X.]/ [X.], [X.], 16. Aufl 2002, § 147 Rd[X.] 5 f; ebenso zu § 115 [X.]B XII [X.] in juris Praxiskommentar [X.]B XII , § 115 [X.]B XII Rd[X.] 21). Richtig ist zwar, dass der eigentliche Anspruch auf Kostenerstattung erst in dem [X.]punkt der tatsächlichen Zuwendung entsteht; § 147 [X.] stellt nach Wortlaut, Systematik, Teleologie und historischer Entwicklung aber nicht auf die Anspruchsentstehung im engeren Sinn, sondern auf die "Pflicht" zur Kostenerstattung ab, mit der die einmal dem Grunde nach entstandene Pflicht, Kosten zu erstatten, also der eigentliche Kostenerstattungsfall gemeint ist.

Schon die Gesetzesbegründung spricht nicht von dem "Entstehen des Erstattungsanspruchs", sondern von "eingetretenen Kostenerstattungspflichten" (BT-Drucks 12/4401, [X.] zu [X.] 32) und lehnt sich damit an die Wortwahl des § 108 [X.] aF an, der - wie sich aus seiner Struktur und Systematik ergibt - die Kostenerstattungspflicht als Pflicht zur Erstattung laufender Sozialhilfeaufwendungen verstanden wissen will. So sollte etwa nach § 108 Abs 5 [X.] aF die "Verpflichtung zur Erstattung der für einen Hilfeempfänger aufgewendeten Kosten" entfallen, wenn ihm inzwischen für einen zusammenhängenden [X.]raum von drei Monaten Sozialhilfe nicht zu gewähren war. Damit wollte der Gesetzgeber nicht zum Ausdruck bringen, dass bereits entstandene Ansprüche (ex tunc) untergehen, sondern dass die dem Grunde nach bestehende Verpflichtung zur Erstattung der Sozialhilfe bei längerer Unterbrechung der Leistung für die Zukunft im Sinne einer Beendigung der dem Grunde nach bestehenden Kostenerstattungspflicht entfällt (vgl dazu auch: [X.]/[X.], [X.], 16. Aufl 2002, § 108 Rd[X.] 21; [X.]/Zink, [X.], § 147 Rd[X.] 4, Stand März 2000). Der (dem Grunde nach) erstattungspflichtige überörtliche Träger wurde ab diesem [X.]punkt also frei; bereits vor Unterbrechung der Leistung entstandene Erstattungsansprüche blieben unangetastet.

In diesem Sinne ist auch die Regelung des § 108 Abs 2 [X.] aF zu verstehen; danach wird der zur Kostenerstattung verpflichtete überörtliche Träger der Sozialhilfe von einer [X.] bestimmt, wenn der Geburtsort des Hilfesuchenden nicht im Geltungsbereich des [X.] liegt oder nicht zu ermitteln ist. Die Bestimmung durch die [X.] betrifft erkennbar nicht einen in der Vergangenheit (bereits) entstandenen Erstattungsanspruch im engeren Sinn, sondern den laufenden Sozialhilfefall bis zu dessen Beendigung ([X.]/[X.], [X.], 16. Aufl 2002, § 108 Rd[X.] 17; [X.] in jurisPK-[X.]B XII, § 108 Rd[X.] 85). Andernfalls müsste die [X.] angesichts neu entstehender Erstattungsansprüche in regelmäßigen zeitlichen Abständen den zur Kostenerstattung verpflichteten überörtlichen Träger der Sozialhilfe immer wieder neu bestimmen; denn bei wiederkehrenden Leistungen entsteht nach jedem Bewilligungsabschnitt jeweils ein gesonderter Erstattungsanspruch (B[X.]E 65, 27 ff = [X.] 1300 § 111 [X.] 4). Dies war ganz offensichtlich nicht gewollt.

Dass mit der Pflicht eines Trägers der Sozialhilfe zur Kostenerstattung nicht der konkrete Anspruch, sondern die Erstattungspflicht dem Grunde nach gemeint ist, ergibt sich auch aus der zweiten Alternative des § 147 [X.]; danach bleibt die Pflicht eines Trägers der Sozialhilfe zur Kostenerstattung bestehen, die (vor dem 1.1.2004) "von der [X.] bestimmt worden" ist ([X.]/[X.], [X.], 16. Aufl 2002, § 147 Rd[X.] 5). Abgesehen davon, dass die Regelung unter einer ungenauen Formulierung leidet, weil die [X.] nicht die Verpflichtung zur Kostenerstattung verbindlich regelt, sondern bei bestehender Kostenerstattungspflicht (nur) den erstattungspflichtigen Sozialhilfeträger in den in § 108 [X.] aF geregelten Fällen bestimmt, kann sich die Bestimmung durch die [X.] denknotwendig nicht auf einen bereits entstandenen konkreten (zeitlich begrenzten) Anspruch beschränken, sondern erstreckt sich auf die Pflicht dem Grunde nach, also auf den laufenden Sozialhilfefall ([X.]/[X.], aaO, § 108 Rd[X.] 17; [X.] in jurisPK-[X.]B XII, § 108 Rd[X.] 85).

Von einer solchen Auslegung ist offensichtlich auch das [X.] ([X.]) in seiner Entscheidung vom [X.] ([X.]E 124, 265 ff) ausgegangen. Die dortige Fallgestaltung betraf die Erstattung von Sozialhilfekosten, die in der [X.] ab [X.] erbracht worden waren. Das [X.] hat einen Erstattungsanspruch ua nach § 108 [X.] aF iVm § 147 [X.] mit der Begründung verneint, dass die materiellen Voraussetzungen eines solchen Anspruchs nach § 108 [X.] aF nicht gegeben seien. Dass aber eine Kostenerstattungspflicht nach § 108 [X.] aF auch für Sozialhilfeleistungen bestehen kann, die erst für [X.]en nach dem [X.] erbracht wurden, hat das [X.] unausgesprochen angenommen, ohne dies jedoch zu problematisieren.

Diese Auslegung des § 147 [X.] wird durch die spätere Gesetzesentwicklung bestätigt; denn das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch hat in der ab dem 1.1.2005 geltenden Fassung des § 115 [X.]B XII § 147 [X.] inhaltsgleich übertragen (BT-Drucks 15/1514, [X.] zu § 110). Wollte man die Regelung des § 147 [X.] so verstanden wissen, dass nur bis zum 31.12.1993 erfolgte Zuwendungen erstattungsfähig nach § 108 [X.] aF gewesen sind, wäre eine § 147 [X.] entsprechende Regelung im [X.]B XII überflüssig. Dies gilt selbst dann, wenn [X.], die vor dem [X.] entstanden waren, bis zum Inkrafttreten des [X.]B XII im Jahre 2005 noch nicht geltend gemacht worden sind; denn der Geltendmachung stünde die Ausschlussfrist des § 111 [X.]B X entgegen oder die Erstattungsansprüche wären bei rechtzeitiger Geltendmachung nach § 113 [X.]B X verjährt (vgl auch [X.] in jurisPK-[X.]B XII, § 115 [X.]B XII Rd[X.] 25). Einen erkennbaren Anwendungsbereich hätte die Regelung, die wegen [X.]ablaufs ohnehin nur geringe Bedeutung hat ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]B XII, 18. Aufl 2010, § 115 [X.]B XII Rd[X.] 1), nicht mehr.

Der Einwand, dass die Gründe für die Übertragung in das [X.]B XII in den Motiven nicht näher dargelegt sind, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Er unterstellt dem Gesetzgeber zu Unrecht Gedankenlosigkeit oder Unverstand. Dass der Gesetzgeber bei der Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch bestehende Übergangsregelungen einer individuellen Prüfung unterzogen hat, ist nämlich schon daran zu erkennen, dass andere Übergangsregelungen bewusst nicht übernommen (§ 144 [X.], § 23 Abs 1 Satz 2 [X.]) oder modifiziert wurden (§ 147b [X.]). Dem Gesetzgeber kann daher nicht unterstellt werden, unbewusst eine obsolet gewordene Übergangsregelung inhaltsgleich in das [X.]B XII übernommen zu haben. Im Übrigen hätte schon § 147 [X.], wollte man eine andere Auffassung vertreten, keine eigenständige, sondern allenfalls deklaratorische Bedeutung; denn § 108 [X.] nF wäre nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts grundsätzlich nicht auf solche Sachverhalte (Erstattungsansprüche) anwendbar, die bereits vor ihrem Inkrafttreten verwirklicht (entstanden) waren (B[X.]E 103, 34 ff Rd[X.] 12 mwN = [X.] 4-5910 § 108 [X.] 1). Diese Auslegung entspricht schließlich auch Sinn und Zweck der Vorschrift, die den mit einer Neubearbeitung der Fälle verbundenen Verwaltungsaufwand ausschließen wollte (BT-Drucks 12/4401 aaO).

Ob die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 108 Abs 1 Satz 1 [X.] aF vorliegen, kann allerdings nicht abschließend beurteilt werden. Nach § 108 Abs 1 Satz 1 [X.] aF hat der Sozialhilfeträger einen Anspruch auf Erstattung aufgewandter Sozialhilfekosten für jemanden, der weder im Ausland noch im Geltungsbereich dieses Gesetzes einen gewöhnlichen Aufenthalt hat, aus dem Ausland in den Geltungsbereich dieses Gesetzes übertritt und innerhalb eines Monats nach seinem Übertritt der Sozialhilfe bedarf. [X.] ist vorliegend der überörtliche Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Hilfesuchende geboren ist. Leben Verwandte bei Eintritt des Bedarfs an Sozialhilfe zusammen, richtet sich der erstattungspflichtige Träger nach dem ältesten von ihnen, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes geboren ist (§ 108 Abs 3 Satz 1 [X.] aF).

Feststellungen des [X.], die den Senat in die Lage versetzen würden, die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs zu prüfen, fehlen gänzlich. Diese wird das [X.] ggf nachzuholen haben. Dabei wird es insbesondere beachten müssen, dass es nach dem Wortlaut der Norm nicht entscheidend ist, ob die Sozialhilfe durch Bescheid festgestellt und tatsächlich gezahlt wird, sondern ob ein Sozialhilfeanspruch bestand, die Leistung also - auch in ihrer Höhe - rechtmäßig war. Dies zeigt § 111 Abs 1 [X.], wonach die aufgewandten Kosten (nur) zu erstatten sind, "soweit die Hilfe diesem Gesetz entspricht" (B[X.]E 103, 34 ff Rd[X.] 14, 19 = [X.] 4-5910 § 108 [X.] 1).

Das [X.] wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs 1 und 3, § 63 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz.

Meta

B 8 SO 23/09 R

14.04.2011

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Mainz, 17. August 2009, Az: S 14 SO 96/08, Urteil

§ 112 SGB 10 vom 21.12.2000, § 108 Abs 1 S 1 BSHG vom 10.01.1991, § 108 Abs 1 S 1 BSHG vom 23.03.1994, § 108 Abs 1 S 3 BSHG vom 23.03.1994, § 147 BSHG vom 23.06.1993, § 115 SGB 12 vom 27.12.2003

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 14.04.2011, Az. B 8 SO 23/09 R (REWIS RS 2011, 7456)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7456

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