Bundessozialgericht, Beschluss vom 29.04.2020, Az. B 4 AS 55/20 B

4. Senat | REWIS RS 2020, 2580

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - keine ausreichende Darlegung der erneuten Klärungsbedürftigkeit - Arbeitslosengeld II - Mietkaution - Zuschuss statt Darlehen - Tilgung des Darlehens durch Aufrechnung - Verfassungsmäßigkeit


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 25. September 2019 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Mietkaution als Zuschuss statt als Darlehen zu übernehmen ist und über die Aufrechnung des [X.] mit dem Regelbedarf. Das [X.] hat den klageabweisenden Gerichtsbescheid des [X.] mit Hinweis auf die Rechtsprechung des B[X.] bestätigt. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.

2

II. [X.] ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 [X.]G zu verwerfen. Seine Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des ausdrücklich geltend gemachten Zulassungsgrundes der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) und des sinngemäß geltend gemachten Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G).

3

Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des [X.] von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des B[X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) oder des [X.] abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das B[X.], der [X.] oder das [X.] aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das [X.] diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa B[X.] vom [X.] [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.] 34; [X.] in [X.]/[X.], jurisPK-[X.]G, 1. Aufl 2017, § 160 Rd[X.] 119).

4

Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht, weil den beiden als Fragen formulierten rechtlichen Aussagen des [X.], "ob eine Minderung von gesetzlich vorgesehenen Leistungen des Existenzminimums durch die Aufrechnung mit Raten eines Kautionsdarlehens zulässig ist" und "ob bei einer absehbaren Tilgungsdauer eines [X.] gemäß § 22 VI [X.]B II von 21 Monaten ein atypischer Fall im Sinne dieser Vorschrift anzunehmen ist, welcher die gebundene Regelrechtsfolge der Gewährung der Leistung als Darlehen, statt als Zuschuss, ausschließt", kein entscheidungstragender abstrakter Rechtssatz aus der von ihm zitierten Entscheidung des [X.] vom 5.11.2019 (1 BvL 7/16) gegenübergestellt wird. Der Kläger bezieht sich vielmehr auf einzelne Passagen aus der Begründung des [X.] und macht geltend, dass bei den von ihm aufgeworfenen Fragen nunmehr andere rechtliche Maßstäbe als in der vom [X.] herangezogenen Entscheidung des B[X.] vom 28.11.2018 ([X.] [X.]/17 R - [X.] 4-4200 § 42a [X.], zur [X.] vorgesehen auch in B[X.]E) zugrunde zu legen seien.

5

Allerdings kann in seinem Vortrag die Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G) gesehen werden, von dem der Zulassungsgrund der Divergenz einen Unterfall darstellt (vgl B[X.] vom [X.] - B 1 KR 26/18 B - Rd[X.] 9). Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa B[X.] vom [X.] [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.] 34 S 70 mwN). Eine Rechtsfrage, die das B[X.] - hier bezogen auf die Tilgung von [X.] - bereits entschieden hat, ist nicht mehr klärungsbedürftig und kann somit keine grundsätzliche Bedeutung mehr haben, es sei denn, die Beantwortung der Frage ist aus besonderen Gründen klärungsbedürftig geblieben oder erneut geworden; dies muss substantiiert vorgetragen werden (B[X.] vom 13.5.1997 - 13 BJ 271/96 - [X.] 3-1500 § 160a [X.]1, juris Rd[X.] 12).

6

Dass in diesem Sinne die von dem Kläger aufgeworfene Rechtsfrage zur Tilgung von [X.] nach dem Urteil des B[X.] vom 28.11.2018 ([X.] [X.]/17 R - [X.] 4-4200 § 42a [X.], zur [X.] vorgesehen auch in B[X.]E) durch das Urteil des [X.] vom 5.11.2019 (1 BvL 7/16) erneut klärungsbedürftig geworden ist, hat der Kläger aber nicht ausreichend dargelegt. Soweit er sich auf Rz 157 der Entscheidung des [X.] vom 5.11.2019 (1 BvL 7/16) bezieht, enthält diese Passage eine Klarstellung des [X.] zur Rechtsprechung eines Senats des [X.] Nordrhein-Westfalen zu geminderten Leistungen nach dem [X.]. Das Berufungsgericht hatte jedoch über die abweichende Konstellation der Rückabwicklung eines bestandskräftig bewilligten Darlehens für eine Mietkaution durch Aufrechnung nach § 42a Abs 2 [X.]B II in deutlich geringerer Höhe von [X.] der Regelleistung in Form einer Leistungsmodalität zu entscheiden. Zu einer Vergleichbarkeit beider Konstellationen trägt der Kläger nicht ausreichend vor. Weiter sieht er einen erneuten Klärungsbedarf mit Hinweis auf Rz 160 der Entscheidung des [X.]. Allerdings bezieht sich das [X.] hier nicht auf die Entscheidung des 14. Senats vom 28.11.2018 (aaO), sondern auf diejenige vom [X.] ([X.] [X.]/15 R - B[X.]E 121, 55 - [X.] 4-4200 § 43 [X.] 1) zur Aufrechnung mit [X.] gegen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von [X.] des Regelbedarfs. Weshalb sich aus der Differenzierung des [X.] zwischen einer Minderung nach § 31a Abs 1 [X.]B II und einer Aufrechnung mit [X.] ein erneuter grundsätzlicher Klärungsbedarf auch zur Aufrechnung mit [X.] ergeben soll, ist vor diesem Hintergrund nicht schlüssig dargetan.

7

Weiter entnimmt der Kläger der Entscheidung des [X.], dass dieses Gericht eine dauerhafte Minderung ("verstanden als nicht kompensierbarer Verlust des Existenzminimums") nur dann für gerechtfertigt hält, wenn dies durch den verfassungskonformen Leistungsvorbehalt des Nachrangs gerechtfertigt sei. Liege diese tatbestandliche Rechtfertigung vor, wäre im Übrigen zu prüfen, ob die konkrete Minderung im Sinne eines Rechtsverlustes verhältnismäßig sei. Hier bezieht er sich nicht auf bezeichnete Passagen in der Entscheidung des [X.], sodass nicht ausreichend konkret dargelegt ist, warum sich aus den Ausführungen des [X.] zum Nachranggrundsatz bezogen auf [X.] zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit und eine Sanktion durch Minderung der Regelleistung um [X.] ein erneuter Klärungsbedarf zur Minderung des Regelbedarfs um [X.] insbesondere auch unter Berücksichtigung der vom B[X.] in seiner Entscheidung vom 28.11.2018 (aaO, Rd[X.] 46) aufgenommenen Korrekturmöglichkeiten ergeben soll.

8

Weiter macht der Kläger geltend, bei der Minderung der Regelleistung wegen eines [X.] handele es sich um eine solche von regelmäßig nicht bestimmbarer Dauer bis zu einer denkbaren Kompensation durch Rückzahlung der Kaution durch den Zahlungsempfänger. Der allgemein typische Sachverhalt bei Mietverhältnissen sei daher nicht vergleichbar mit der zeitnahen Rückzahlung einer zuvor erhaltenen Überzahlung oder dem Ansparen eines zuvor nach § 24 [X.]B II erhaltenen Darlehens, welches laufend gezahlte [X.] voraussetze. Mit diesem Vortrag greift der Kläger keinen erneuten Klärungsbedarf im Grundsätzlichen auf, etwa mit Bezug auf eine abweichende instanzgerichtliche Rechtsprechung oder Kritik in der Literatur. Vielmehr kritisiert er im Ergebnis und mit Bezug auf die ständige Rechtsprechung des [X.] zur Fälligkeit der Rückzahlung der Mietsicherheit die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts und derjenigen des B[X.] zur laufenden Tilgung wegen [X.]. Dies kann jedoch nicht zu einer Revisionszulassung wegen eines weiterhin bestehenden oder erneuten Klärungsbedarfs führen.

9

Die weitere, von dem Kläger formulierte Rechtsfrage zur Tilgungsdauer eines [X.] von 21 Monaten als atypische Fallgestaltung war nicht Streitgegenstand der Entscheidung des B[X.] vom 28.11.2018 ([X.] [X.]/17 R - [X.] 4-4200 § 42a [X.], zur [X.] auch in B[X.]E vorgesehen). Der Kläger legt insoweit nicht ausreichend dar, weshalb sich aus der bereits vorhandenen, vom B[X.] in der Entscheidung vom 28.11.2018 (aaO, Rd[X.] 40) auszugsweise zitierten Rechtsprechung des B[X.] zu atypischen Fallgestaltungen bzw Ermessenserwägungen des Jobcenters ein Klärungsbedarf hinsichtlich grundsätzlich bedeutsamer Rechtsfragen ergeben soll, es sich also nicht nur um eine Rechtsanwendung im Einzelfall handelt. Bedeutsam ist insofern auch, dass das [X.] aufgrund der von ihm festgestellten und für das B[X.] bindenden (§ 163 [X.]G) Sachverhaltselemente (kein zu erwartender längerfristiger Leistungsbezug, kein Fehlen von Eigenmitteln, selbstständige Tätigkeit des [X.]) eine Atypik verneint hat. Der Kläger hätte deshalb auch dazu vortragen müssen, warum dennoch unter Berücksichtigung dieses festgestellten Sachverhalts eine konkrete Klärungsfähigkeit der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage gegeben ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 4 AS 55/20 B

29.04.2020

Bundessozialgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Bremen, 2. November 2015, Az: S 37 AS 414/14, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 22 Abs 6 S 1 Halbs 2 Alt 1 SGB 2, § 22 Abs 6 S 3 SGB 2, § 42a Abs 2 S 1 SGB 2, Art 1 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 29.04.2020, Az. B 4 AS 55/20 B (REWIS RS 2020, 2580)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2580

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1 BvL 7/16

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