Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.02.2024, Az. 8 AZR 359/22

8. Senat | REWIS RS 2024, 1963

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Gegenstand

Schadensersatz - Nichtbeschäftigung als Eishockeyspieler


Leitsatz

Die für den Bereich der Bühnenkünstler entwickelte Rechtsprechung zum pauschalierten Schadensersatz von bis zu sechs Monatsgagen pro Spielzeit bei einer Verletzung des Beschäftigungsanspruchs kann nicht auf den Profimannschaftssport übertragen werden.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 1. Juli 2022 - 4 [X.]/22 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch über einen Schadensersatzanspruch wegen der Nichtbeschäftigung des [X.] als Eishockeyspieler.

2

Der Kläger war seit der Saison 2017/2018 bei der Beklagten als Eishockeyprofi in der [X.] 2, zuletzt auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 26. Februar 2019, beschäftigt. Danach hatten die Parteien eine monatliche Nettovergütung iHv. 3.250,00 [X.] sowie einen monatlichen Sachbezug für die dem Kläger zur Verfügung gestellte Wohnung iHv. 1.300,00 [X.] sowie ein persönliches Ausrüstungsbudget iHv. 2.500,00 [X.] [X.] gesetzlicher Mehrwertsteuer pro Saison vereinbart. Nach dem unbestrittenen Vortrag des [X.] belief sich seine monatliche Bruttovergütung auf 6.371,13 [X.]. Der Kläger war Kapitän der Mannschaft und in der Spielsaison 2019/2020, die aufgrund der Coronapandemie am 10. März 2020 abgebrochen wurde, einer ihrer sog. Topscorer.

3

Mit Schreiben vom 3. Juni 2020 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung aus. Gleichzeitig bot sie ihm an, das Arbeitsverhältnis mit einer verringerten Vergütung fortzusetzen. Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der [X.] Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen an und erhob eine Änderungsschutzklage. Mit Schreiben vom 17. September 2020 stellte die Beklagte den Kläger von dem am 21. September 2020 beginnenden Mannschaftstraining frei. Die Saison in der [X.] 2 begann am 6. November 2020. Durch einstweilige Verfügung erstritt der Kläger die Zulassung zum Trainingsbetrieb, längstens bis zum 31. März 2021. Nach der Verkündung dieses erstinstanzlichen Urteils im einstweiligen Verfügungsverfahren am 5. November 2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 6. November 2020 außerordentlich fristlos. Das Arbeitsgericht stellte mit Urteil vom 3. Dezember 2020 fest, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 3. Juni 2020 rechtsunwirksam war. Mit Urteil vom 9. März 2021 stellte das Arbeitsgericht aufgrund eines Anerkenntnisses der Beklagten fest, dass die fristlose Kündigung vom 6. November 2020 rechtsunwirksam war.

4

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, aufgrund der Weigerung der Beklagten, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen, habe er einen Anspruch auf Schadensersatz. Durch die unterbliebene Beschäftigung sei ihm ein Schaden in seinem beruflichen Fortkommen entstanden. Der Schaden sei nach den von der Rechtsprechung für Bühnenkünstler entwickelten Grundsätzen zu bemessen, die auf [X.] zu übertragen seien. Er habe als Eishockeyprofi seine beruflichen Fertigkeiten nicht im Mannschaftstraining weiterentwickeln und verbessern können. Dadurch habe sein Marktwert gelitten, denn ein [X.] bedürfe der ständigen Trainingspraxis. Die Beklagte habe sich ihm gegenüber durchgängig unlauter verhalten. Nachdem er seinen [X.] gerichtlich durchgesetzt habe, habe sie mit einer willkürlichen fristlosen Kündigung reagiert, deren Unwirksamkeit sie letztlich anerkannt habe. Hintergrund der Suspendierung sei ausschließlich gewesen, dass er eine Entgeltkürzung infolge der Coronapandemie nicht akzeptiert habe. Dies habe die Beklagte auch gegenüber der Presse verlautbart. Hierdurch sei er moralisch an den Pranger gestellt und sein berufliches Fortkommen erheblich erschwert worden. Nach den von der Rechtsprechung für Bühnenkünstler entwickelten Rechtsgrundsätzen sei sein Schaden pauschal mit sechs Bruttomonatsvergütungen zu bemessen.

5

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz iHv. 38.226,78 [X.] nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der [X.] seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

7

Das Arbeitsgericht hat der Schadensersatzklage des [X.] iHv. 12.742,26 [X.] entsprechend zwei Bruttomonatsvergütungen teilweise stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die ausschließlich vom Kläger geführte Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag iHv. weiteren 25.484,52 [X.] [X.] Zinsen weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des [X.] hat in der Sache keinen Erfolg. Zwar hat das [X.] im Rahmen seiner Schadensschätzung rechtsfehlerhaft einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt. Die Entscheidung des [X.]s erweist sich jedoch - soweit in der Revision über den Schadensersatzanspruch des [X.] noch zu entscheiden ist - als im Ergebnis zutreffend, weshalb nach § 561 ZPO die Revision des [X.] zurückzuweisen ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weiteren Schadensersatz iHv. 25.484,52 Euro wegen der Verletzung seines [X.] aus § 280 Abs. 1, §§ 249 ff. [X.].

9

I. Das Berufungsurteil unterliegt keiner revisionsgerichtlichen Überprüfung, soweit das Arbeitsgericht dem Kläger Schadensersatz iHv. 12.742,26 Euro entsprechend zwei Bruttomonatsvergütungen [X.] Zinsen zugesprochen hat. Insoweit ist bereits das Urteil des Arbeitsgerichts rechtskräftig geworden, da die [X.] keine Berufung eingelegt hat.

II. Die Klage ist unbegründet, soweit über sie in der Revision noch zu entscheiden ist. Dem Kläger steht jedenfalls kein weiterer Schadensersatzanspruch gegen die [X.] nach § 280 Abs. 1, §§ 249 ff. [X.] zu.

1. Zutreffend hat das [X.] erkannt, dass die [X.] die ihr aus dem Arbeitsverhältnis obliegende Pflicht iSv. § 280 Abs. 1 Satz 1 [X.] verletzt hat, den Kläger entsprechend seinem Arbeitsvertrag zu beschäftigen.

a) Im Arbeitsverhältnis besteht grundsätzlich ein von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelter Anspruch des Arbeitnehmers auf vertragsgemäße Beschäftigung und damit korrespondierend eine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, wenn dieser es verlangt. Rechtsgrundlage hierfür ist § 611a Abs. 1 Satz 1, § 613 [X.] iVm. der Generalklausel des § 242 [X.], die durch die Wertentscheidungen der Art. 1 und 2 GG ausgefüllt wird (grundlegend [X.] 27. Februar 1985 - [X.] 1/84 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 48, 122; seither st. Rspr., vgl. nur [X.] 1. Juni 2022 - 5 [X.] - Rn. 17; 24. März 2021 - 10 [X.] - Rn. 33, [X.]E 174, 294; 21. Februar 2017 - 1 [X.] - Rn. 19, [X.]E 158, 148 - jeweils mwN; im Ergebnis ganz [X.], vgl. - statt vieler - [X.]/Preis 24. Aufl. [X.] § 611a Rn. 614 ff.; [X.]/Thüsing 10. Aufl. § 611a [X.] Rn. 321 ff.; [X.]/[X.] 5. Aufl. § 92 Rn. 4 ff.; [X.] ArbR-HdB/[X.] 20. Aufl. § 109 Rn. 5). Der Arbeitnehmer soll - als Ausdruck und in Achtung seiner Persönlichkeit und seines Entfaltungsrechts - tatsächlich arbeiten können ([X.] 1. Juni 2022 - 5 [X.] - aaO). Der Kläger hatte danach während der Saison 2020/2021 einen arbeitsvertraglichen Anspruch gegen die [X.] auf vertragsgemäße Beschäftigung als Eishockeyspieler.

b) Die [X.] hat den Beschäftigungsanspruch des [X.] verletzt, indem sie ihn vom Mannschaftstraining suspendiert hat. Der [X.] in einer Mannschaftssportart umfasst insbesondere die Teilnahme am Mannschaftstraining ([X.] 28. November 2011 - 11 [X.]/11 -; [X.] 20. November 2008 - 11 [X.]/08 - zu [X.] 2 b der Gründe; [X.] 16. Februar 2016 - 5 Ga 9/16 - zu II 2 der Gründe; [X.] 21. Dezember 2015 - 23 Ga 15642/15 - zu I 1 b der Gründe; Schütz [X.] 2021, 266, 267; [X.]/[X.]/[X.] 2014, 187, 188).

c) Die unterbliebene Beschäftigung des [X.] durch den Ausschluss vom Mannschaftstraining und die anschließende außerordentliche fristlose Kündigung hat das [X.] rechtsfehlerfrei als eine Maßregelung iSv. § 612a [X.] angesehen. Nach § 612a [X.] darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht deshalb bei einer Maßnahme benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a [X.] liegt vor, wenn die zulässige Rechtsausübung des Arbeitnehmers der tragende Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist (vgl. [X.] 30. März 2023 - 2 [X.] - Rn. 10; 18. November 2021 - 2 [X.] - Rn. 28). Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung oder Nichtüberzeugung des Berufungsgerichts für die Kausalität zwischen der zulässigen Rechtsausübung und der benachteiligenden Maßnahme kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt ([X.] 18. November 2021 - 2 [X.] - Rn. 29; 18. Oktober 2017 - 10 [X.] - Rn. 42, [X.]E 160, 296). Ausgehend hiervon hat das [X.] in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise den tragenden Beweggrund für die Nichtbeschäftigung des [X.] darin gesehen, dass dieser sich - in zulässiger Weise - geweigert hat, eine Reduzierung seines Arbeitsentgelts vorbehaltlos zu akzeptieren.

2. Die [X.] hat die Verletzung ihrer Pflicht aus dem Schuldverhältnis, den Kläger entsprechend seines Arbeitsvertrags zu beschäftigen, iSv. §§ 276, 278 [X.] zu vertreten. Sie hat sich hinsichtlich ihres Verschuldens nicht entlastet, was ihr als Anspruchsgegnerin nach § 280 Abs. 1 Satz 2 [X.] oblegen hätte ([X.] 12. September 2022 - 6 [X.] - Rn. 30; [X.] 5. April 2017 - IV ZR 437/15 - Rn. 19).

3. Einem Anspruch des [X.] auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1, §§ 249 ff. [X.] steht die Rechtsprechung des [X.] des [X.] zum Verhältnis von möglichen Schadensersatzansprüchen wegen einer Verletzung des [X.] und Ansprüchen auf Annahmeverzugsentgelt aus § 615 Satz 1 [X.] nicht entgegen (vgl. [X.] 1. Juni 2022 - 5 [X.] - Rn. 20; 24. Juni 2015 - 5 [X.] ua. - Rn. 35, [X.]E 152, 65).

a) Schutzzweck des [X.] des Arbeitnehmers - und damit korrespondierend der Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers - ist ausschließlich das jedenfalls über die Generalklausel des § 242 [X.] zu achtende Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und dessen Interesse an tatsächlicher Beschäftigung ([X.] 24. Juni 2015 - 5 [X.] ua. - Rn. 35, [X.]E 152, 65). Für die finanzielle Absicherung bei Nichtbeschäftigung sorgt dagegen grundsätzlich § 615 Satz 1 [X.], der dem Arbeitnehmer unter den Voraussetzungen der §§ 293 ff. [X.] den Entgeltanspruch trotz Nichtarbeit aufrechterhält ([X.] 1. Juni 2022 - 5 [X.] - Rn. 20; 27. Mai 2020 - 5 [X.] - Rn. 26, [X.]E 170, 311).

b) Vorliegend streiten die Parteien nicht mehr über den Ersatz für entgangenes Entgelt für den Zeitraum, in dem die [X.] ihre Beschäftigungspflicht verletzt hat. Der Kläger begehrt lediglich noch den Ersatz eines neben dem Anspruch auf Annahmeverzug stehenden materiellen Schadens in Form eines entgangenen Gewinns, der den Zeitraum nach dem Ende des Annahmeverzugs betrifft. Gerade die Verletzung des vom Schutzzweck der Beschäftigungspflicht erfassten Interesses des [X.] an seiner tatsächlichen Beschäftigung wird hier zur Begründung des geltend gemachten materiellen Schadens herangezogen. Ein derartiger Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, §§ 249 ff. [X.] bleibt neben § 615 [X.] bestehen (vgl. [X.] 18. März 1999 - 8 [X.] - zu I der Gründe; zu einem Anspruch auf materiellen Schadensersatz aufgrund einer Verletzung des [X.] vgl. auch [X.] 12. September 2022 - 6 [X.] - Rn. 26 ff.).

4. Der Kläger hat jedoch trotz der schuldhaften Verletzung der Beschäftigungspflicht iSv. § 280 Abs. 1 Satz 1 [X.] keinen Anspruch auf weiteren Schadensersatz gegen die [X.]. Der Kläger hat schon nicht ausreichend dargelegt, dass ihm infolge der Verletzung der Beschäftigungspflicht ein Schaden iSv. §§ 249 ff. [X.] entstanden ist.

a) Nach § 249 Abs. 1 [X.] hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (sog. Naturalrestitution). Ist die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen, § 251 Abs. 1 [X.]. Ob ein Vermögensschaden vorliegt, ist nach der Differenzhypothese durch Vergleich der infolge des [X.] eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen. Nach § 252 [X.] umfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte ([X.] 19. Dezember 2018 - 10 [X.] - Rn. 61, [X.]E 165, 19; 30. Mai 2018 - 10 [X.] - Rn. 26).

aa) Aufgrund von § 287 Abs. 1 ZPO entscheidet der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch dieser ist. Die Norm dehnt das richterliche Ermessen für die Feststellung der Schadenshöhe über die Schranken des § 286 ZPO aus. Das Gesetz nimmt in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt; allerdings soll die Schätzung möglichst nahe an diese heranführen. Der Tatrichter muss nach pflichtgemäßem Ermessen auch beurteilen, ob § 287 Abs. 1 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens ermöglicht. Eine Schätzung darf nur dann unterbleiben, wenn sie mangels konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre. Eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens, auch in Form der Schätzung eines Mindestschadens, lässt § 287 ZPO grundsätzlich nicht zu ([X.] 19. Dezember 2018 - 10 [X.] - Rn. 62, [X.]E 165, 19; 16. Januar 2013 - 10 [X.] - Rn. 25).

bb) Der Geschädigte muss die Umstände darlegen und in den Grenzen des § 287 ZPO beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Da die Beweiserleichterung des § 252 [X.] und des § 287 ZPO auch die Darlegungslast des Geschädigten mindert, der Ersatz entgangenen Gewinns verlangt, dürfen keine strengen Anforderungen gestellt werden. Der Geschädigte muss jedoch greifbare Anknüpfungstatsachen darlegen und beweisen, die für eine Schadensschätzung unabdingbar sind ([X.] 19. Dezember 2018 - 10 [X.] - Rn. 63 mwN, [X.]E 165, 19).

cc) Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatsachengerichts. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Tatsachengericht Rechtsgrundsätze der [X.] verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat ([X.] 28. November 2019 - 8 [X.] - Rn. 32 mwN, [X.]E 169, 1; [X.] 20. September 2023 - [X.] 177/22 - Rn. 38).

dd) Diesem eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil des [X.]s nicht stand. Das [X.] hat seiner Entscheidung einen unrichtigen Maßstab zugrunde gelegt, soweit es davon ausgegangen ist, Schadensersatzansprüche von [X.]n seien in Anlehnung an die Rechtsprechung für Bühnenkünstler pauschalierend festzusetzen. Für eine Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO, der einem [X.] infolge seines Ausschlusses vom Mannschaftstraining entsteht, bedarf es greifbarer Anknüpfungstatsachen.

(1) Wird ein Bühnenkünstler nicht beschäftigt, so kann ihm dadurch in seinem beruflichen Fortkommen ein Schaden erwachsen (§ 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1, § 252 [X.]). Typischerweise lässt er sich im Einzelfall nicht näher belegen, ergibt sich aber trotzdem aufgrund folgender Erwägungen: Dem Künstler wird die Möglichkeit genommen, seine Kunst öffentlich zu zeigen und sein Können zu beweisen. Er kann seine künstlerischen Fähigkeiten nicht weiterbilden und erweitern. Dadurch können ungünstige Urteile in der Fachöffentlichkeit entstehen (vgl. [X.] 18. März 1999 - 8 [X.] - zu I 5 a der Gründe; 12. November 1985 - 3 [X.] - zu II 2 a der Gründe). Der dem Bühnenkünstler entstandene Schaden ist nach § 287 ZPO zu schätzen. Dafür bedarf es keiner weiteren Anhaltspunkte. Das ergibt sich aus der besonderen Situation der Bühnenkünstler. Anders als in anderen Berufen bedürfen sie nicht nur der ständigen Berufspraxis. Sie sind darüber hinaus in sonst unvergleichlicher Weise auf Kontakte und Bekanntheit in der Fachöffentlichkeit und Popularität beim Publikum angewiesen. Diese besonderen Umstände weisen deutlich auf einen Schaden bei mangelndem Einsatz hin. Zugleich steht diese besondere Situation einer genauen Bezifferung des Schadens entgegen. Die Maßstäbe müssen deshalb aus der Erfahrungswelt der Bühnenkünstler gewonnen werden. Die [X.] hat in jahrzehntelanger Praxis Maßstäbe für eine angemessene Schätzung nach § 287 ZPO entwickelt (vgl. [X.] 18. März 1999 - 8 [X.] - zu I 5 b der Gründe). Für eine Spielzeit, während derer der Künstler nicht beschäftigt wurde, wird nach der Rechtsprechung des [X.] ein Schadensbetrag von bis zu sechs Monatsgagen festgesetzt ([X.] 18. März 1999 - 8 [X.] - aaO; 12. November 1985 - 3 [X.] - zu II 3 b der Gründe). Je nach den Umständen des Einzelfalls kann die Höhe des Schadensersatzes auf einen Bruchteil von sechs Monatsgagen festgesetzt werden (vgl. [X.] 18. März 1999 - 8 [X.] - zu I 5 c der Gründe; 12. November 1985 - 3 [X.] - aaO).

(2) Diese auf die besondere Situation von Bühnenkünstlern zugeschnittene, von der [X.] entwickelte und vom [X.] gebilligte, stark pauschalierende Anwendung von § 287 ZPO kann nicht auf professionelle Mannschaftssportler übertragen werden.

(a) Zwar weist das [X.] zutreffend darauf hin, dass durchaus Gesichtspunkte erkennbar sind, die für eine Übertragung der Rechtsprechung für Bühnenkünstler auf [X.] sprechen könnten. Wird ein [X.] nicht beschäftigt, kann ihm in ähnlicher Weise wie einem Bühnenkünstler ein Schaden in seinem beruflichen Fortkommen entstehen. So können [X.], die für einen längeren Zeitraum vom Training ausgeschlossen werden, regelmäßig ihre sportliche Leistungsfähigkeit nicht weiterentwickeln (vgl. [X.] 28. November 2011 - 11 [X.]/11 -; [X.] 20. November 2008 - 11 [X.]/08 - zu [X.] 2 b der Gründe; [X.]/[X.]/[X.] 2014, 187, 188; [X.]/Strauf NZA 2011, 843, 844 f.). Bei Mannschaftssportarten ist die Teilnahme am Mannschaftstraining entscheidend, um die technische und taktische Qualifikation zu fördern (vgl. [X.] 28. November 2011 - 11 [X.]/11 -; [X.]/Strauf aaO).

(b) Allerdings bestehen in Bezug auf einen möglichen Schaden infolge pflichtwidrig unterbliebener Beschäftigung zwischen Bühnenkünstlern und [X.]n gleichwohl Unterschiede, die einer Übertragung der auf Bühnenkünstler zugeschnittenen Rechtsprechung entgegenstehen. Insbesondere haben [X.] - im Unterschied zu Bühnenkünstlern (vgl. [X.] 12. November 1985 - 3 [X.] - zu II 1 a der Gründe) - regelmäßig gerade keinen Anspruch darauf, öffentlich aufzutreten. [X.] Berufssportler haben idR kein Recht auf einen Spieleinsatz. Vielmehr entscheiden eine Vielzahl von Umständen, und zwar von Spiel zu Spiel neu, darüber, ob sie vom Trainer im Spielbetrieb eingesetzt werden. Dabei können neben dem individuellen Leistungsvermögen des Spielers oder anderer Spieler auch andere Umstände wie etwa die Teamfähigkeit, Einsatzbereitschaft und das Verhalten des Spielers oder mannschaftstaktische Erwägungen von Bedeutung sein ([X.] 16. Januar 2018 - 7 [X.] - Rn. 33, [X.]E 161, 283; 22. August 1984 - 5 [X.] - zu I 2 b der Gründe). [X.] Berufssportler können somit im Unterschied zu Bühnenkünstlern von vornherein nicht darauf vertrauen, aufgrund ihres Arbeitsvertrags öffentlich auftreten zu können.

(c) Eine Übertragung der Rechtsprechung für Bühnenkünstler auf [X.] lässt sich im Übrigen nicht damit rechtfertigen, dass sich beide Gruppen ähnlichen Schwierigkeiten ausgesetzt sehen, wenn es darum geht, den durch die unterbliebene Beschäftigung entstandenen Schaden zu beziffern. Diesen Schwierigkeiten sind Arbeitnehmer verschiedenster Berufe und mit ganz unterschiedlichen Tätigkeiten in vergleichbarer Weise ausgesetzt. Dem ist bereits mit den allgemein nach § 252 [X.] und § 287 ZPO geltenden Erleichterungen bei der Darlegungs- und Beweislast Rechnung getragen.

(d) Im Übrigen handelt es sich bei den in freier Anwendung von § 287 ZPO entwickelten Grundsätzen zur Bemessung des infolge einer pflichtwidrig unterbliebenen Beschäftigung entstandenen Schadens von Bühnenkünstlern um eine von den [X.] entwickelte Rechtsprechung. Sie nimmt speziell die Verhältnisse der Bühnenkünstler in den Blick. Aus dem Umstand, dass die staatliche Gerichtsbarkeit diese Handhabung durch die [X.] gebilligt hat, kann nicht geschlossen werden, dass die Rechtsprechung auf andere Arbeitsverhältnisse zu übertragen wäre. Die Überprüfung der Entscheidungen der [X.] durch die staatlichen Gerichte erfolgt nur eingeschränkt. Das [X.] nach § 110 Abs. 1 ArbGG ist in allen drei Instanzen der staatlichen Gerichtsbarkeit ein revisionsähnliches Verfahren, in dem Schiedssprüche letztlich auf Rechtsfehler überprüft werden ([X.] 20. März 2019 - 7 [X.] - Rn. 26 mwN, [X.]E 166, 202). Bei der Überprüfung von [X.] im [X.] ist der [X.] ein weiter Beurteilungsspielraum einzuräumen ([X.] 16. Dezember 2010 - 6 [X.] - Rn. 18, [X.]E 136, 340; speziell zu § 287 ZPO vgl. [X.] 17. Oktober 1997 - 11 [X.]/97 - zu I 1 der Gründe).

b) Der Kläger hat bislang weder greifbare Anknüpfungstatsachen, die eine Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO ermöglichen, noch ausreichend Vortrag gehalten, der eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und eine Zurückverweisung der Sache an das [X.] nach § 563 Abs. 1 ZPO zur Ermöglichung weiteren Vortrags rechtfertigen könnte.

aa) Ausreichende Anknüpfungstatsachen für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO ergeben sich nicht aus dem Vortrag des [X.] zu der Vergütung, die er als Eishockeyprofi bei der [X.]n sowie bei anderen Vereinen vor und nach seiner Tätigkeit für die [X.] erzielt hat. Mangels konkreter Anhaltspunkte könnte nur eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens erfolgen, die vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre.

(1) Soweit der Kläger vorträgt, im [X.] an seine Tätigkeit für die [X.] bei seinem Heimatverein in der [X.] Süd eine geringere Vergütung als bei der [X.]n erhalten zu haben, ergeben sich hieraus keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung. Der Kläger gibt an, zuletzt eine geringfügig niedrigere Nettovergütung als bei der [X.]n erhalten zu haben. Aus seinem Vortrag ergibt sich jedoch nicht, inwieweit die Vergütungen vergleichbar sind, insbesondere ob die unterschiedliche Höhe auf verschiedenen Steuerklassen beruht. Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass er bei der [X.]n als Sachbezug eine möblierte Wohnung habe nutzen können, ergibt sich nicht, ob sich aus deren Wegfall für den Kläger überhaupt ein Schaden ergibt, oder ob es sich um eine berufsbedingte Zweitwohnung handelte, die er während seines späteren Engagements bei seinem Heimatverein nicht mehr benötigte. Soweit der Kläger geltend macht, bei der [X.]n einen PKW zur privaten Nutzung zur Verfügung gehabt zu haben, handelte es sich nach den vertraglichen Abreden nicht um eine Sachleistung der [X.]n.

(2) Soweit der Kläger vorträgt, dass er vor seinem Engagement bei der [X.]n bei einem Verein in der [X.] eine höhere Vergütung als im Laufe seiner weiteren Karriere in niedrigeren Ligen erhalten habe, ergeben sich hieraus keine Anhaltspunkte für den zu schätzenden Schaden. Der Kläger hat nach seiner Zeit in der [X.] bei der [X.]n in der [X.] 2 bereits vor seiner Suspendierung vom Mannschaftstraining weniger verdient als zuvor. Es erschließt sich nicht, aus welchen Gründen eine in der Vergangenheit bezogene Vergütung eine maßgebliche Schätzgrundlage für den durch den Ausschluss vom Mannschaftstraining erlittenen Schaden darstellen könnte. Das gilt insbesondere, weil der Kläger bei der [X.]n durchgängig eine wesentlich niedrigere Vergütung erhalten hat als zuvor in der [X.]. Der Kläger hat keinerlei Umstände vorgetragen, aus welchen Gründen er davon ausgeht, dass er bei einer Teilnahme am Mannschaftstraining in der Saison 2020/2021 - ohne Anspruch auf Spieleinsätze - für die Saison 2021/2022 einen Vertrag mit einer wesentlich höheren Vergütung hätte abschließen können. Ausreichende Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung ergeben sich insbesondere nicht aus der Behauptung des [X.], sein Spielervermittler hätte ihn problemlos wieder mit der früheren Vergütung in die [X.] vermitteln können. Insoweit fehlt jeder Vortrag, aufgrund welcher Tatsachen, etwa bereits erfolgter Gespräche mit anderen Vereinen der [X.] oder [X.] 2 er von einer solchen Möglichkeit ausgehen konnte. Es handelt sich vielmehr um eine willkürliche Behauptung „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“, sodass ein darauf gerichteter Beweisantritt nicht dem Beweis vorgetragener Tatsachen zu dienen bestimmt ist, sondern stattdessen die Ausforschung von Tatsachen bezweckt (vgl. [X.] 24. Januar 2012 - 1 BvR 1819/10 - Rn. 15; [X.] 23. April 2015 - V ZR 200/14 - Rn. 12).

bb) [X.] ist nicht nach § 563 Abs. 1 ZPO an das [X.] zurückzuverweisen, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, hierzu weiter ergänzend vorzutragen. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass die Vorinstanzen eine pauschalierende Schadensschätzung nach den für Bühnenkünstler geltenden Grundsätzen vorgenommen haben. Der Kläger hätte gleichwohl ohne gerichtlichen Hinweis in Betracht ziehen müssen, dass das Gericht die vom Kläger befürwortete Übertragung der Rechtsprechung für Bühnenkünstler auf [X.] ablehnen könnte und nähere Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO erforderlich sein könnten (vgl. [X.] 27. September 2018 - 1 BvR 426/13 - Rn. 2; [X.] 20. März 2008 - 8 [X.] 1062/07 - Rn. 10). Unabhängig davon hat der Senat vor der mündlichen Revisionsverhandlung darauf hingewiesen, dass dem Gericht ausreichend Tatsachen für eine auf § 287 ZPO aufbauende Schätzung dargelegt werden müssten. Aus der Einlassung des [X.] in der Revisionsinstanz ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass er im Fall einer Zurückverweisung ausreichende Anknüpfungstatsachen für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO vortragen könnte.

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Spinner    

        

    Krumbiegel    

        

    Pulz    

        

        

        

    Gothe    

        

    Dr. Felderhoff    

                 

Meta

8 AZR 359/22

29.02.2024

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Dresden, 4. November 2021, Az: 11 Ca 588/21, Urteil

§ 280 Abs 1 BGB, § 249 BGB, § 611a Abs 1 S 1 BGB, § 613 BGB, § 242 BGB, Art 1 GG, Art 2 GG, § 615 S 1 BGB, § 287 ZPO, § 612a BGB, § 252 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.02.2024, Az. 8 AZR 359/22 (REWIS RS 2024, 1963)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1963

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XII ZB 177/22

11 SaGa 23/08

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