Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.07.2022, Az. VIII ZB 33/21

8. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 4960

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Gegenstand

Kostenfestsetzung: Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des [X.] - 11. Zivilsenat - vom 29. Juni 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 316,50 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger nahm die beklagte Leasing-Gesellschaft zunächst vor dem [X.] auf Rückabwicklung eines Leasingvertrags in Anspruch. Die Beklagte beauftragte mit ihrer Vertretung in diesem Verfahren eine in [X.]  ansässige Rechtsanwaltskanzlei.

2

Nach Abgabe des Verfahrens an das [X.], in dessen Bezirk die Beklagte ihren Sitz hat, wies dieses die Klage ab und legte dem Kläger die Kosten des Verfahrens auf. Die hiergegen eingelegte Berufung wies das [X.] mit Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO auf Kosten des [X.] zurück.

3

Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die zum Vorsteuerabzug berechtigte Beklagte im Hinblick auf das erstinstanzliche Verfahren unter anderem die Festsetzung von Reisekosten ihrer aus [X.]   angereisten Prozessbevollmächtigten in Höhe von 361,30 € begehrt.

4

Das [X.] hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 4. März 2021 der [X.] als Reisekosten lediglich Fahrtkosten in Höhe von 19,80 € und eine Abwesenheitspauschale in Höhe von 25 € zuerkannt. Die mit dem Ziel der antragsgemäßen Festsetzung der Reisekosten ihrer aus [X.]   angereisten Prozessbevollmächtigten eingelegte sofortige Beschwerde der [X.] hat das [X.] zurückgewiesen.

5

Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihr Kostenfestsetzungsbegehren weiter, soweit es in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben ist.

II.

6

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, § 575 ZPO). Der [X.] ist gemäß § 8 Abs. 2 [X.] für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde der [X.] zuständig, weil im vorliegenden Fall ausschließlich Bundesrecht Anwendung findet (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Juni 2019 - [X.]/19, NJW 2020, 691 Rn. 6). Die entgegen § 7 Abs. 1 Satz 1 EGZPO in Verbindung mit § 8 Abs. 1 [X.] und Art. 11 Abs. 1 des [X.] zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes ([X.]) durch das Beschwerdegericht unterbliebene Bestimmung des zuständigen [X.] muss daher - anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint - auch in Ansehung des grundrechtsgleichen Rechts auf [X.] aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht nachgeholt werden (vgl. [X.], Urteile vom 15. April 2021 - [X.], [X.], 1079 Rn. 9, insoweit in [X.]Z 229, 299 nicht abgedruckt; vom 18. Februar 2021 - [X.]/19, juris Rn. 11 [jeweils zur Revision]; [X.], Beschlüsse vom 6. Juni 2019 - [X.]/18, aaO; vom 20. März 2003 - [X.] 598/02, juris Rn. 2; vgl. auch [X.]/[X.], ZPO, 34. Aufl., § 7 EGZPO Rn. 4; aA MünchKommZPO/[X.], 6. Aufl., § 7 EGZPO Rn. 8).

7

Dem steht nicht die von der Rechtsbeschwerdeerwiderung angeführte Entscheidung des I[X.] des [X.]s vom 18. Februar 2021 ([X.], NJW-RR 2021, 507 Rn. 6) entgegen. Denn in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall bildeten landesrechtliche Normen - anders als hier - den Schwerpunkt des Rechtsstreits. Vor diesem Hintergrund hat der I[X.] es als zulässig angesehen, dass das [X.] den Urteilstenor hinsichtlich der versehentlich unterbliebenen Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 319 Abs. 1 ZPO mit Bindungswirkung für den [X.] und das [X.] berichtigte (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Februar 2021 - [X.], aaO Rn. 8).

8

2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

9

a) Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte zwar nicht gehalten gewesen sei, für die Vielzahl von im gesamten [X.] zu führenden ähnlich gelagerten Prozessen jeweils erneut einen Prozessbevollmächtigten am Prozessort zu beauftragen und diesen neu zu instruieren. Damit liege ein Ausnahmefall im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO vor mit der Folge, dass kostenrechtlich die Hinzuziehung eines weder am Gerichtsort noch am Sitz der [X.] ansässigen Anwalts akzeptiert werde. Soweit nach diesen Grundsätzen die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts am dritten Ort als notwendig und damit verbundene Mehrkosten als grundsätzlich erstattungsfähig anzusehen seien, stelle sich jedoch die Frage, ob die hierdurch ausgelösten Mehrkosten automatisch in voller Höhe erstattungsfähig seien. Nach Ansicht des [X.] gehe dies zu weit. Wenn am Geschäftssitz der [X.] - wie hier - ebenfalls Rechtsanwälte vorhanden seien, die in der Lage wären, die Funktion "als Hausanwalt" zu übernehmen, seien lediglich die Reisekosten eines (fiktiven) Anwalts erstattungsfähig, dessen - wiederum fiktiver - Kanzleisitz an dem vom Gerichtsgebäude am weitesten entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirks liege.

b) Diese Beurteilung hält in einem entscheidenden Punkt rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des [X.] können, wenn die Hinzuziehung eines weder am Gerichtsort noch am Sitz der [X.] ansässigen Rechtsanwalts ("Rechtsanwalt am dritten Ort“) notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO war, die erstattungsfähigen Reisekosten nicht auf die Kosten beschränkt werden, die einem Rechtsanwalt entstanden wären, der in dem vom Gericht am weitest entfernt gelegenen Ort im Gerichtsbezirk ansässig ist. Eine solche Begrenzung der für den auswärtigen Rechtsanwalt zu erstattenden Reisekosten über die sich aus § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO ergebenden Einschränkungen hinaus sieht die Zivilprozessordnung nicht vor.

aa) Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind Reisekosten eines Rechtsanwalts der obsiegenden [X.], der nicht in dem Bezirk des [X.] niedergelassen ist und am Ort des [X.] auch nicht wohnt, nur insoweit zu erstatten, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig war.

(1) Bei der Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren, kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig handelnde [X.] die kostenauslösende Maßnahme aus der Sicht ex ante als sachdienlich ansehen durfte (vgl. [X.], Beschlüsse vom 13. September 2005 - [X.], [X.], 1072; vom 12. Dezember 2012 - [X.], NJW-RR 2013, 242 Rn. 10; vom 27. Februar 2018 - [X.], NJW 2018, 1693 Rn. 10, vom 14. September 2021 - [X.]/20, NJW 2021, 3663 Rn. 10). Dabei darf die [X.] ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Februar 2018 - [X.], aaO). Sie ist lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 12. Dezember 2012 - [X.], aaO; vom 27. Februar 2018 - [X.], aaO; vom 14. September 2021 - [X.]/20, aaO). Unter diesen Voraussetzungen kann unter Umständen auch die Beauftragung eines auswärtigen Anwalts als notwendig anzuerkennen sein.

(a) Allerdings ist die Einschaltung eines auswärtigen Anwalts regelmäßig nicht notwendig, wenn die [X.] ihren Sitz innerhalb des Gerichtsbezirks hat und nicht einen dort tätigen, sondern einen außerhalb des Bezirks ansässigen Rechtsanwalt beauftragt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. Dezember 2011 - [X.], NJW-RR 2012, 697 Rn. 7; vom 4. Dezember 2018 - [X.] 37/18, NJW 2019, 681 Rn. 11; vom 14. September 2021 - [X.]/20, aaO Rn. 11). In diesen Fällen kann die [X.] Reisekosten nur insoweit beanspruchen, als sie entstanden wären, wenn sie einen Rechtsanwalt mit Niederlassung am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks mandatiert hätte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. Dezember 2018 - [X.] 37/18, aaO Rn. 14; vom 14. September 2021 - [X.]/20, aaO).

(b) Dies schließt jedoch auf den Einzelfall bezogene Erwägungen zur sachlichen Rechtfertigung der Beauftragung eines nicht am Sitz des [X.] ansässigen Rechtsanwalts nicht aus, etwa, wenn sich diese aus der Komplexität der jeweiligen Rechtsstreitigkeit ergibt oder weil mehrere gleichgelagerte Rechtsstreitigkeiten bei verschiedenen Gerichten zu führen sind und die [X.] aus diesem Grund die Wahrnehmung ihrer Belange durch einen Rechtsanwalt als sachdienlich ansehen kann ([X.], Beschluss vom 27. Februar 2018 - [X.], NJW 2018, 1693 Rn. 11). Auch die Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts ist ausnahmsweise notwendig, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. Dezember 2011 - [X.], NJW-RR 2012, 697 Rn. 9; vom 14. September 2021 - [X.]/20, aaO Rn. 12).

(2) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei die Zuziehung der nicht am Sitz der [X.] ansässigen Prozessbevollmächtigten mit der Begründung als notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO bewertet, die Beklagte sei nicht gehalten gewesen, für die Vielzahl von im gesamten [X.] zu führenden ähnlich gelagerten Prozessen jeweils gesondert einen Prozessbevollmächtigten am Prozessort zu beauftragen und neu zu instruieren.

(a) Wie das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen angenommen hat, ist eine nennenswerte Kostenersparnis durch die Einschaltung einer am Prozessort oder an dem Geschäftssitz der [X.] niedergelassenen Rechtsanwaltskanzlei - bei fehlendem persönlichen Besprechungsbedarf - nicht zu erwarten, wenn - wie hier - ein Unternehmen bundesweit in einer Vielzahl von Fällen verklagt wird.

(b) Soweit die Rechtsbeschwerdeerwiderung rügt, bereits die Annahme des [X.], die Beklagte führe eine Vielzahl von Prozessen im gesamten [X.], beruhe auf einer nicht tragfähigen tatsächlichen Grundlage, weil die Beklagte hierzu nicht substantiiert vorgetragen habe, überspannt sie die an ein substantiiertes Vorbringen zu stellenden Anforderungen.

(aa) Die Beklagte hat (noch) hinreichend substantiiert zu der Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten vorgetragen, indem sie in der Beschwerdebegründung dargelegt hat, sie sei ein Unternehmen, das bundesweit gerichtliche Verfahren abwickele und sich hierfür seit vielen Jahren ihrer auf Leasingfragen spezialisierten Prozessbevollmächtigten bediene. Diese verfügten über einen profunden Einblick in die Struktur, die Organisation und die Vertragsabläufe bei der [X.] und seien daher als deren "[X.]" anzusehen. Es bestehe ein tiefes Vertrauensverhältnis. Aufgrund ihres Einblicks in das Unternehmen der [X.] und das entstandene Vertrauensverhältnis seien die Prozessbevollmächtigten in der Lage, die übergebenen Fälle ohne beziehungsweise mit nur einer kurzen Besprechung bei der [X.] umfassend und sachgerecht zu bearbeiten, was bei der Beauftragung einer Vielzahl von Anwälten in der ganzen [X.] nicht möglich wäre.

([X.]) Damit war dem Vorbringen der [X.] sowohl zu entnehmen, dass sie bundesweit - vertreten durch die in [X.]   ansässigen Rechtsanwälte - Prozesse führt, als auch, dass es sich um eine Vielzahl von Verfahren handelt. Einer näheren Darlegung, in welchem konkreten quantitativen Verhältnis die in [X.] geführten Prozesse zu den auswärtigen stehen, bedurfte es insofern entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdeerwiderung zur Begründung der Höhe des [X.] gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO nicht.

([X.]) Soweit die Rechtsbeschwerdeerwiderung im Hinblick auf die Verweisung des Rechtsstreits an das [X.] und den im Bezirk dieses Gerichts befindlichen Sitz der [X.] die Vermutung geäußert hat, dass der Schwerpunkt der "leasingrechtlichen Prozessserie, in die die Beklagte verwickelt" sei, nicht im gesamten [X.], sondern in [X.] liege, fehlt es an dementsprechenden Feststellungen des [X.]. Der Beurteilung des [X.] unterliegt jedoch nur der in den Tatsacheninstanzen festgestellte sowie der auf eine Verfahrensrüge zu beachtende Sachverhalt (vgl. § 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO; siehe auch [X.], Beschluss vom 23. Oktober 2003 - [X.], [X.], 367 unter [X.]). Übergangenen Sachvortrag des [X.] zeigt die Rechtsbeschwerdeerwiderung insoweit nicht auf.

(c) Auch hat die Beklagte entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerdeerwiderung (substantiiert) dargelegt, dass es sich bei den Verfahren um ähnlich gelagerte Prozesse handelt, indem sie darauf verwiesen hat, dass die Prozessbevollmächtigten überwiegend im [X.] mandatiert würden.

(aa) Anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, bedarf es für die sachliche Rechtfertigung der Beauftragung eines weder am Sitz der [X.] noch des Gerichts ansässigen Rechtsanwalts nicht zwingend vollständig gleich gelagerter Verfahren. Entscheidend ist vielmehr, dass - wie bereits ausgeführt - die verständig und wirtschaftlich denkende [X.] die Beauftragung im Rahmen einer ex ante-Betrachtung auch unter dem Gesichtspunkt der Kostenersparnis als sachdienlich ansehen durfte.

([X.]) Ausgehend hiervon ist es nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die Beauftragung der auf [X.] spezialisierten Prozessbevollmächtigten mit bundesweit geführten Leasingverfahren als ausreichend angesehen hat, um die Voraussetzungen der Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu bejahen. Bei [X.] handelt es sich häufig um Massenverfahren, denen erfahrungsgemäß oft ähnlich gelagerte Sachverhalte und vergleichbare Problemstellungen - wie auch die Rechtsbeschwerdeerwiderung nicht verkennt - zugrunde liegen. Insofern hat die Beklagte ein anerkennenswertes Interesse, lediglich eine Kanzlei mit der Führung dieser Prozesse zu beauftragen, wobei angesichts der Verteilung der Verfahren auf das gesamte [X.] auch nicht die Beauftragung eines am Sitz der [X.] ansässigen Rechtsanwaltsbüros aus Gründen der Kostenersparnis als geboten anzusehen ist.

([X.]) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Rechtsbeschwerdeerwiderung angeführten Beschluss des [X.] des [X.]s vom 27. Februar 2018 ([X.], NJW 2018, 1693). Dieser Entscheidung ist nicht zu entnehmen, dass lediglich bei Ansprüchen aus einem zeitlich und räumlich einheitlichen Lebenssachverhalt und bei Bestehen einer rechtlichen "Interdependenz" der verschiedenen Verfahren eine Notwendigkeit der Zuziehung des Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung bejaht werden kann. Der [X.] hat in dieser Entscheidung vielmehr darauf verwiesen, dass auf den Einzelfall bezogene Erwägungen zur sachlichen Rechtfertigung der Beauftragung eines nicht am Sitz des [X.] ansässigen Rechtsanwalts nicht ausgeschlossen sind (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Februar 2018 - [X.], aaO Rn. 11; siehe hierzu bereits Senatsbeschluss vom 14. September 2021 - [X.]/20, NJW 2021, 3663 Rn. 12).

[X.]) War die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten der [X.] jedoch im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO notwendig, können entgegen der Ansicht des [X.] die zu erstattenden Kosten bei der Vertretung der [X.] vor dem Gericht an ihrem Gesellschaftssitz nicht auf die fiktiven Kosten eines Anwalts begrenzt werden, dessen Kanzleisitz sich an dem von dem Gericht am weitest entfernt Ort innerhalb des Gerichtsbezirks befindet (Senatsbeschluss vom 14. September 2021 - [X.]/20, aaO Rn. 15). Die Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO verlangt im Fall der notwendigen Einschaltung eines auswärtigen Anwalts regelmäßig keine zusätzliche Prüfung, ob im konkreten Einzelfall auch die Wahrnehmung des [X.] gerade durch diesen Rechtsanwalt unbedingt erforderlich war oder auch durch einen im Gerichtsbezirk ansässigen Anwalt hätte erfolgen können (Senatsbeschluss vom 14. September 2021 - [X.]/20, aaO mwN).

(1) Denn bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme ist eine typisierende Betrachtungsweise geboten (vgl. hierzu [X.], Beschlüsse vom 28. Januar 2010 - [X.], juris Rn. 7; vom 25. Oktober 2011 - [X.] 93/10, aaO Rn. 13; vom 27. Februar 2018 - [X.], NJW 2018, 1693 Rn. 10; vom 14. September 2021 - [X.]/20, aaO Rn. 16). Der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Beurteilung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich ergebenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall darum gestritten werden kann, ob die Kosten zu erstatten sind oder nicht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. Januar 2010 - [X.], aaO; vom 25. Oktober 2011 - [X.] 93/10, aaO; vom 27. Februar 2018 - [X.], aaO; vom 14. September 2021 - [X.]/20, aaO).

Vor diesem Hintergrund bedarf es zur Beurteilung der Erstattungsfähigkeit von Reisekosten grundsätzlich nicht zusätzlich der gesonderten Feststellung, ob die mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts am dritten Ort verbundenen Mehrkosten in voller Höhe erstattungsfähig sind, wenn das Beschwerdegericht die Notwendigkeit der Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung - wie hier - rechtsfehlerfrei bejaht hat (vgl. Senatsbeschluss vom 14. September 2021 - [X.]/20, aaO Rn. 17).

(2) Soweit das Beschwerdegericht seine abweichende Auffassung auf die Entscheidung des [X.]s Düsseldorf vom 15. März 2007 (10 [X.]/06) stützt, hat dieses bereits die Notwendigkeit der Einschaltung eines nicht am Gerichtsort ansässigen "[X.]“ im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO - anders als das Beschwerdegericht - verneint und nicht eine zweistufige Prüfung (Notwendigkeit der Einschaltung, Höhe der erstattungsfähigen Reisekosten) vorgenommen. Das [X.] Düsseldorf hat zur Begründung der fehlenden Notwendigkeit einer Beauftragung eines auswärtigen Anwalts darauf verwiesen, dass keine Gründe vorgetragen oder ersichtlich seien, weshalb die dortige Klägerin keinen am Ort ihres Geschäftssitzes ansässigen Anwalt ihres Vertrauens ausgewählt habe ([X.], Beschluss vom 15. März 2007 - 10 [X.]/06, juris Rn. 3 f.). Abgesehen von den unterschiedlichen Prüfungsmaßstäben, die das [X.] Düsseldorf und das Beschwerdegericht angelegt haben, liegen die Dinge vorliegend auch anders als in dem vom [X.] Düsseldorf entschiedenen Fall. Die Beklagte hat unwiderlegt geltend gemacht, dass die von ihr beauftragte auswärtige Anwaltskanzlei auf das [X.] spezialisiert sei. Da das [X.] deutlich anderen Regeln folgt als das Bankrecht, trägt der vom Beschwerdegericht erfolgte Hinweis auf eine mögliche Vertretung durch in [X.] niedergelassene, im Bankrecht spezialisierte Anwälte nicht.

(3) In der vom Beschwerdegericht weiterhin angeführten Entscheidung des [X.]s vom 9. Mai 2018 ([X.]/17) hat sich der [X.] ebenfalls lediglich mit der Frage befasst, welche Reisekosten eine [X.] erstattet bekommen kann, wenn die Hinzuziehung eines auswärtigen Rechtsanwalts - anders als im vorliegenden Fall - nicht notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO war (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Mai 2018 - [X.]/17, NJW 2018, 2572 Rn. 12).

III.

Das Beschwerdegericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zur Höhe der den Prozessbevollmächtigten der [X.] im erstinstanzlichen Verfahren entstandenen weiteren Reisekosten getroffen. Im Rechtsbeschwerdeverfahren können diese Feststellungen nicht nachgeholt werden (§ 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO iVm § 559 ZPO). Der angefochtene Beschluss ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO), damit die erforderlichen Feststellungen zur Höhe der über den Betrag von 44,80 € hinaus festzusetzenden Reisekosten getroffen werden können.

Dr. Bünger     

      

Kosziol     

      

Dr. Schmidt

      

Wiegand     

      

Dr. Matussek     

      

Berichtigungsbeschluss vom 30. August 2022

Tenor:

Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 5. Juli 2022 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Senatsbeschluss vom 5. Juli 2022 wird gemäß § 319 ZPO dahingehend berichtigt, dass es unter Randnummer 6 statt "[X.]/19" richtig heißt: "[X.]/18".

Gründe:

Die gemäß § 321a ZPO statthafte und innerhalb der Frist des § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO eingelegte Anhörungsrüge des Klägers, über die der Senat in der nach seinen Mitwirkungsgrundsätzen gemäß § 21g [X.] berufenen regulären [X.] und nicht in derselben Besetzung wie in der angegriffenen Entscheidung zu entscheiden hat (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 18. Februar 2020 - 1 BvR 1750/19, juris Rn. 13 mwN), ist unbegründet.

Anders als die Anhörungsrüge meint, hat der Senat die Ausführungen des Klägers zu der Verfügung der Berichterstatterin vom 6. Dezember 2021 in dem Verfahren [X.]/21 in vollem Umfang zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, aber nicht für durchgreifend erachtet. Eine Gehörsverletzung liegt deshalb nicht vor. Der Senat war insofern nicht gehalten, sich ausdrücklich mit dieser - einen nicht einschlägigen Sachverhalt betreffenden - Verfügung zu befassen, die weder eine von der Entscheidung des Senats abweichende Entscheidung eines anderen Senats im Sinne von § 132 Abs. 2, 3 [X.] darstellt (vgl. [X.], ZPO, 23. Aufl., § 132 [X.] Rn. 3) noch zu der der Kläger im Rechtsbeschwerdeverfahren substantiiert vorgetragen hat. Insbesondere fehlt es in der Rechtsbeschwerdeerwiderung an jeglichen Ausführungen zu den in der Verfügung angestellten Erwägungen.

[X.]     

  

Dr. Bünger     

  

Kosziol

  

Dr. Schmidt     

  

Dr. Matussek     

  

Meta

VIII ZB 33/21

05.07.2022

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 29. Juni 2021, Az: 11 W 905/21

§ 91 Abs 2 S 1 Halbs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.07.2022, Az. VIII ZB 33/21 (REWIS RS 2022, 4960)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4960

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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