Bundessozialgericht, Urteil vom 21.09.2017, Az. B 8 SO 24/15 R

8. Senat | REWIS RS 2017, 4963

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialhilfe - Eingliederungshilfe - Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung - Übernahme der Kosten für den Besuch einer niedersächsischen Tagesbildungsstätte durch ein in Nordrhein-Westfalen wohnendes Kind - Kernbereich der schulischen Ausbildung


Leitsatz

Bedarfe für den Kernbereich der schulischen Ausbildung gehören auch dann nicht zu den Bedarfen der Eingliederungshilfe, wenn ein Bundesland seiner Verpflichtung zur Gewährung einer kostenfreien Bildung im Einzelfall überhaupt nicht nachkommen sollte.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. August 2015 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.] ist die Übernahme der Kosten für den Besuch einer [X.] seit der Einschulung des [X.] im Schuljahr 2008/2009.

2

Der 2001 geborene Kläger lebt im Kreisgebiet des [X.] zu 3 in [X.] ([X.]). Er ist schwerbehindert; bei ihm besteht eine Intelligenzminderung mit starker Beeinträchtigung der intellektuellen, sprachlichen und motorischen Fähigkeiten und eine generalisierende Angststörung. Das zu 1 beigeladene Schulamt als untere staatliche Schulaufsichtsbehörde für den [X.] zu 3 stellte bei ihm einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Förderschwerpunkt "Geistige Entwicklung" fest, der den Besuch einer Förderschule notwendig mache (Bescheid vom 11.6.2008).

3

Der Kläger besucht seit dem Schuljahr 2008/2009 die 14,5 km von seinem Wohnort entfernte, in [X.] gelegene anerkannte [X.] des [X.] zu 2 und beantragte beim Beklagten die Übernahme der Kosten für deren Besuch. Die an den [X.] zu 2 zu entrichtenden Kosten betrugen zunächst rund 2100 Euro monatlich und seit Januar 2013 rund 2200 Euro monatlich; damit waren sämtliche Leistungen einschließlich der Beförderung des [X.] abgegolten. Der beklagte überörtliche Träger der Sozialhilfe lehnte die Kostenübernahme ab, weil in der vom Wohnort 27 km entfernt gelegenen öffentlichen Förderschule, deren Träger der Beigeladene zu 3 ist, der klägerische Bedarf gedeckt werden könne und Kosten für den Sozialhilfeträger hierfür nicht entstünden (Bescheid vom 17.7.2008; Widerspruchsbescheid unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter vom 5.11.2008).

4

Die Klage hat in beiden Instanzen Erfolg gehabt (Urteil des Sozialgerichts Detmold vom [X.]; Urteil des Landessozialgerichts <[X.]> [X.] vom 11.8.2015). Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch nach §§ 53, 54 Abs 1 Satz 1 [X.] Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ([X.]) iVm § 12 [X.] (Eingliederungshilfe-VO) auf Übernahme der Kosten als Hilfe für eine angemessene Schulbildung. Er erfülle die personenbezogenen Voraussetzungen; mit der von ihm besuchten [X.] besuche er zudem eine geeignete Schule im Sinne dieser Norm. Ausnahmsweise seien für den hier betroffenen Kernbereich der Schulbildung die Leistungen der Eingliederungshilfe eröffnet. Die für den Kläger in Betracht kommenden Bildungsziele könnten mit den Möglichkeiten, die das öffentliche Schulsystem in [X.] biete, nach Würdigung der beiden im Laufe des Verfahrens eingeholten Sachverständigengutachten nicht in zumutbarer Weise verfolgt werden. Zwar sei das Förderkonzept insbesondere in der am nächsten gelegenen öffentlichen Förderschule im Grundsatz ebenso geeignet; der Schulbesuch dort komme aber für den Kläger, der schon den Kindergarten des [X.] zu 2 besucht habe, wegen seiner geringen Umstellungsfähigkeit nicht in Betracht.

5

Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten. Er rügt die Verletzung von § 54 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] iVm § 12 [X.] Eingliederungshilfe-VO. Erfasst würden von Eingliederungshilfeleistungen nur unterstützende und begleitende Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich seien, nicht aber die Kosten der Schulbildung selbst. Im Übrigen sei Art 20 Abs 3 Grundgesetz (GG) verletzt, weil das [X.] nicht beachtet habe, dass der Kostenübernahme schon die Bindungswirkung der Entscheidung der [X.] zu 1 entgegenstehe, wonach eine Förderschule zu besuchen sei, sodass der Kläger seiner Schulpflicht an der [X.] nicht nachkomme. Schließlich rügt er die Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 Sozialgerichtsgesetz ), weil das [X.] nicht geprüft habe, wie sich die Zumutbarkeit des Schulbesuchs allein unter Berücksichtigung der Fahrzeit darstellen würde.

6

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts [X.] vom 11. August 2015 und des [X.] vom 26. Juni 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

9

Die [X.] stellen keine Anträge.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.]n ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]).

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 17.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.11.2008 (§ 95 [X.]), mit dem der [X.] die Übernahme der beantragten Kosten abgelehnt hat. Im Streit sind dabei - nach ausdrücklicher Erklärung durch den Kläger zuletzt im Berufungsverfahren - lediglich Leistungen der Eingliederungshilfe, nicht auch laufende Leistungen für den Lebensunterhalt. Die Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage ist allerdings richtigerweise auf den Erlass eines Verwaltungsakts zu richten, mit dem der [X.] erklären soll, der Schuld des [X.] aus dem zivilrechtlichen Vertrag mit dem Beigeladenen zu 2 beizutreten. Dies wird das [X.] bei erneuter Prüfung des klägerischen Begehrens zu beachten haben.

In der Sache kommen auf Grundlage der Feststellungen des [X.] Ansprüche auf Leistungen wegen des geltend gemachten [X.] nur gegenüber dem beklagten überörtlichen Träger der Sozialhilfe, nicht aber dem beigeladenen Kreis als örtlichem Träger der Sozialhilfe (vgl § 97 Abs 1 [X.] iVm § 1 [X.]ausführungsgesetz zum [X.] vom 16.12.2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt [X.], 816), in Betracht unabhängig davon, ob es sich bei den geltend gemachten Bedarfen der Hilfe zur angemessenen Schulbildung ggf um Eingliederungshilfe in einer ambulanten oder teilstationären Einrichtung handelt, was nach den Feststellungen des [X.] die "eigentliche" landesrechtliche Zuständigkeit bestimmt. Jedenfalls ist der [X.] der zuerst angegangene Rehabilitationsträger iS des § [X.] behinderter Menschen - ([X.]), der wegen nicht rechtzeitiger Weiterleitung des Antrags innerhalb von zwei Wochen nach Antragstellung für die Leistungserbringung nach § 14 Abs 2 Satz 1 [X.] örtlich und sachlich zuständig geworden ist (dazu grundlegend [X.], 283 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.]).

Als Rechtsgrundlage für die begehrte Leistung kommt nur § 19 Abs 3 [X.] iVm §§ 53, 54 Abs 1 [X.] [X.] und § 12 [X.] Eingliederungshilfe-VO (alle in der Fassung, die die Normen durch das Gesetz zur Einordnung des [X.] in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - [X.] 3022 - erhalten haben) in Betracht. Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 [X.] für eine Pflichtleistung; denn bei ihm besteht nach den bindenden Feststellungen des [X.] eine geistige Behinderung, die sich in einer Intelligenzminderung mit starker Beeinträchtigung der intellektuellen, sprachlichen und motorischen Fähigkeiten und einer Angststörung zeigt. Diese ist auch "wesentlich" iS des § 2 Eingliederungshilfe-VO; denn sie machte von seiner Einschulung an einen sonderpädagogischen Förderbedarf notwendig, um die Ziele einer Schulbildung zu erreichen (im Einzelnen dazu [X.], 301 = [X.]-3500 § 54 [X.], Rd[X.]9 und [X.], 196 = [X.]-3500 § 54 [X.]0, Rd[X.]).

Eingliederungshilfe als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung (im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht) umfasst nach §§ 53, 54 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] § 12 [X.] Eingliederungshilfe-VO heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahme erforderlich und geeignet ist, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern. Eine Übernahme als Kosten der Eingliederungshilfe käme auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des [X.] allerdings nur insoweit in Betracht, als es sich um solche Bedarfe handelt, die nicht in der Deckung des unmittelbaren Ausbildungsbedarfs im Rahmen der Schulpflicht bestehen; die Kosten für die Ausbildung selbst als Kosten des "Kernbereichs" der pädagogischen Tätigkeit sind dagegen keine Kosten der Eingliederungshilfe (stRspr [X.], 301 = [X.]-3500 § 54 [X.], RdNr 21; [X.], 196 = [X.]-3500 § 54 [X.]0, Rd[X.]5; BSG [X.]-1500 § 130 [X.] Rd[X.]8; [X.] vom 9.12.2016 - [X.] [X.] 8/15 R - [X.]-3500 § 53 [X.] RdNr 22, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen; [X.]E 145, 1 juris RdNr 37; vgl auch [X.] 47, 46, 71 f; 98, 218, 241). Dies gilt auch dann, wenn solche Kosten allein darauf zurückzuführen sind, dass der Schulbesuch zumutbar nur an der [X.] des Beigeladenen zu 2 durchgeführt werden kann.

Bei der Beschulung an der [X.] des Beigeladenen zu 2 handelt es sich um eine für den Kläger "angemessene Schulbildung". Dabei geht der [X.] wie das [X.] auf Grundlage der revisionsgerichtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen zum Inhalt der Bescheide des Beigeladenen zu 1 als zuständige untere Schulaufsichtsbehörde davon aus, dass dieser den Kläger mit Bescheid vom 11.6.2008 für das Schuljahr 2008/2009 nicht in die nächstgelegene Förderschule des [X.] iS des § 46 Abs 6 (nunmehr Abs 7) Schulgesetz für das [X.] ([X.]) zugewiesen und damit nicht schon abschließend konkretisiert hat, dass nur dort eine "angemessene Schulbildung" für den Kläger in Betracht kommt (vgl zur Bedeutung von Entscheidungen der Schulverwaltung für den Begriff der "angemessenen Schulbildung" zuletzt [X.] vom 9.12.2016 - [X.] [X.] 8/15 R - aaO RdNr 23 mwN, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Er hat vielmehr den Eltern die Auswahl der Schule überlassen, solange diese geeignet ist, den festgestellten sozialpädagogischen Förderbedarf zu decken und die Schulpflicht des [X.] zu erfüllen. Dass den Bescheiden eine Bindungswirkung über den darin festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf hinaus zukommt, wie der [X.] meint, ist nicht erkennbar. Der Bescheid enthält, wie das [X.] im Einzelnen ausgeführt hat, insbesondere Hinweise, bei Besuch einer anderen Schule sei dies mitzuteilen, was einer bindenden Zuweisung an eine bestimmte Schule entgegensteht.

Die von den Eltern gewählte, in [X.] gelegene [X.] des Beigeladenen zu 2 ist auf Grundlage der weiteren Feststellungen des [X.] für die Beschulung des [X.] bei dessen sonderpädagogischem Förderbedarf geeignet. Diese Prüfung hat das [X.] rechtsfehlerfrei durchgeführt; insbesondere war der Kläger entgegen der Auffassung des [X.]n nicht ohne weitere Prüfung uneingeschränkt auf den Besuch einer "Förderschule" nach [X.] Recht zu verweisen. Sofern durch das Schulamt nicht auch eine Zuweisung auf eine bestimmte Schule erfolgt, ist von der Frage des individuell bestehenden Förderbedarfs, über den das Schulamt dann entscheidet, die Frage zu trennen, ob eine von den Eltern gewählte Schule diese Bildung auch vermittelt. Die von den Schulämtern getroffenen Entscheidungen geben in solchen Fällen nur den Rahmen vor, nach welchem Bildungskonzept die Beschulung zu erfolgen hat. An den Besuch einer Schule der vom Schulamt genannten Schulform, die sich nach jeweiligem [X.]recht ggf nur in Begriffen, nicht aber in der Art und Weise der Beschulung unterscheiden mag, ist der Leistungsberechtigte im Rahmen seines Wunsch- und Wahlrechts dagegen nicht von vornherein gebunden. Im Bildungssystem der [X.] besteht gerade keine einheitliche Schulform für Kinder und Jugendliche, die in ihren Bildungs-, Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten eingeschränkt sind, sodass es auf die nach [X.]recht vorgesehenen Bezeichnungen für Schulen, an denen ein Kind das jeweilige Bildungsziel erfüllen kann, unter Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes im Rahmen der bundesrechtlichen Auslegung des § 54 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] nicht allein ankommen kann (ebenso zum Begriff der "allgemeinbildenden Schule" im Anwendungsbereich des § [X.] - BSG [X.]-4200 § 24a [X.] Rd[X.]6). Die zur Gleichwertigkeit des Bildungskonzepts der [X.] mit dem einer Förderschule nach [X.] Recht vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat der [X.] aber nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen. Das [X.] hat zudem ausgeführt, aus welchen Gründen der Kläger seiner Schulpflicht (unter Berücksichtigung des bestehenden sozialpädagogischen Förderbedarfs), die sich nach den von ihm festgestellten Vorschriften des [X.] richtet, auch auf einer in [X.] anerkannten [X.] nachkommen kann; die Verletzung dieser Vorschriften (§ 34 Abs 1 iVm Abs 5 des [X.]), die der [X.] geltend macht, ist einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht zugänglich (§ 162 [X.]).

Zudem steht auf Grundlage der Feststellungen des [X.] fest, dass der Besuch der anerkannten [X.] des Beigeladenen zu 2 im Fall des [X.] erforderlich ist. Auch mit dem Besuch der nächstgelegenen öffentlichen Förderschule würde zwar nach den Feststellungen des [X.] der gesamte individuelle Förderbedarf abgedeckt. Der Besuch der nächstgelegenen öffentlichen Förderschule oder einer anderen Förderschule im [X.] ist für den Kläger aber nach den den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) nicht zumutbar, weil er nicht über die notwendige Umstellungsfähigkeit für eine Einschulung bzw spätere Umschulung in eine andere Schule als die [X.] verfügt. Soweit der [X.] ausführt, das [X.] habe seiner Amtsermittlungspflicht nicht genügt, (sinngemäß) weil es nicht geprüft habe, ob allein die Fahrzeiten den Besuch einer anderen Schule unzumutbar gemacht hätten, rügt er nicht die unzureichende Feststellung von Tatsachen (vgl § 103 [X.]), sondern deren Würdigung (vgl § 128 Abs 1 Satz 1 [X.]). Das [X.] hat auf Grundlage der im Laufe des Verfahrens eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten im Einzelnen ausgeführt, dass die eingeschränkte Umstellungsfähigkeit, nicht dagegen die Fahrzeiten, für die Beurteilung des Sachverhalts von entscheidender Bedeutung ist. Die revisionsrechtlich relevanten Grenzen dieser Beweiswürdigung wären aber erst dann überschritten, wenn das [X.] gegen gesetzliche Beweisregeln, gegen Denkgesetze, Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wenn das Gericht das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend berücksichtigt hätte (stRspr, zB BSG [X.] 3-4100 § 128 [X.]5; BSG [X.]-5671 Anl 1 [X.] RdNr 24, jeweils mwN; [X.] vom [X.] - B 13 R 101/08 R - juris Rd[X.]5; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 128 Rd[X.]0 ff mwN). Das behauptet der [X.] nicht einmal.

Der weitere (rechtliche) Schluss des [X.], es handele sich bei den Kosten, die an der [X.] entstehen, deshalb insgesamt um Kosten der Eingliederungshilfe, weil eine kostenfreie Beschulung nach [X.] Recht aus beachtlichen personenbezogenen Gründen nicht stattfinden könne, hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Der [X.] wie bereits das [X.] (<[X.]> vgl zur Rechtsprechung des [X.] zum Bundessozialhilfegesetz <[X.]> zusammenfassend [X.] Beschluss vom 2.9.2003 - 5 [X.]/02 - juris Rd[X.]7 mwN) haben stets herausgestellt, dass Eingliederungshilfeleistungen zulasten des Sozialhilfeträgers lediglich dort zu gewähren sind, wo es nicht um die Deckung des unmittelbaren [X.] geht. Der [X.] hat insoweit eine Abgrenzung an einem (sozialhilferechtlich zu bestimmenden) Kernbereich der pädagogischen Arbeit in der Schule vorgenommen (zuletzt zusammenfassend BSG [X.]-3500 § 53 [X.] RdNr 23 mwN, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen); das [X.] hat sich dem im Grundsatz angeschlossen, allerdings offengelassen, wie dieser Kernbereich seiner Auffassung nach im Einzelnen zu bestimmen wäre ([X.]E 145, 1 Rd[X.]7). Eine Ausnahme hiervon kommt auch dann nicht in Betracht, soweit ein Land seiner Verpflichtung zur Gewährung einer kostenfreien Bildung im Einzelfall überhaupt nicht nachkommen sollte, wie es vorliegend das [X.] festgestellt hat. Bedarfe für den Kernbereich der schulischen Ausbildung, die dann anderweitig gedeckt werden müssen, werden auch in diesem Fall nicht zu Bedarfen der Eingliederungshilfe. Art 7 Abs 1 GG überträgt dem Staat einen außerhalb des [X.] liegenden eigenständigen Unterrichts- und Bildungsauftrag, für den der Sozialhilfeträger auch nicht nachrangig als Träger der Eingliederungshilfe zuständig werden kann. Sollten dem Kind gleichwohl unabweisbare Kosten für den Kernbereich der Bildung entstehen, verpflichtet dies den Sozialhilfeträger (nur) zu einer abweichenden Bemessung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (vgl bereits [X.] [X.] 436.0 § 11 [X.] [X.]6 juris Rd[X.]0). Soweit der [X.] die zuletzt genannte Entscheidung des [X.] in missverständlichem Zusammenhang zitiert hat (vgl [X.], 196 = [X.]-3500 § 54 [X.]0, Rd[X.]6), ist klarzustellen, dass an der dargelegten Abgrenzung von Leistungen der Eingliederungshilfe zu Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausnahmslos festzuhalten ist. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind vorliegend aber nicht im Streit.

Nichts anderes ergibt sich daraus, dass - wie der Beigeladene zu 2 im Revisionsverfahren vorgetragen hat, wozu Feststellungen des [X.] im angefochtenen Urteil indes ohnehin fehlen - der [X.] [X.]gesetzgeber von der Abgrenzung nach dem Kernbereich, der die Auslegung des Bundesrechts bestimmt, offenbar abgewichen ist und (wohl vor allem aus historischen Gründen) eine Finanzierung der [X.] in [X.] gänzlich über Eingliederungshilfeleistungen gewählt hat, obwohl an solchen [X.]n nach [X.]m Recht zugleich die Schulpflicht erfüllt wird. Dies bindet den Sozialhilfeträger eines anderen [X.] nicht dahin, welche Leistungen in Auslegung des bundesrechtlich geregelten Begriffs der Eingliederungshilfe zur angemessenen schulischen Ausbildung gehören. Soweit der Beigeladene zu 2 mit dem [X.] eine Vergütungsvereinbarung iS des § 75 Abs 3 [X.] [X.] über Leistungen nach dem [X.] 2.1.2.1. ("Anerkannte [X.]") auf Grundlage der in [X.] geschlossenen "Vereinbarung zur Fortführung der Inhalte und Regelungen der mit Wirkung ab 1. Januar 2002 abgeschlossenen Verträge", der "Vereinbarung zur Fortgeltung des so genannten Niedersächsischen [X.]rahmenvertrages nach § 93d Abs 2 [X.]" und dem [X.] hierzu abgeschlossen hat, bindet dies andere Träger nur insoweit, als tatsächlich Eingliederungsleistungen erbracht werden. Im Übrigen (soweit Leistungen betroffen sind, die dem Kernbereich pädagogischer Tätigkeit unterfallen) dienen die Verträge nicht der Erfüllung der Aufgaben der Sozialhilfe (vgl §§ 1, 75 Abs 2 Satz 1 [X.]) und sind insoweit als gemischte Verträge auch nicht als (den [X.]n bindende) Vereinbarungen nach § 75 [X.] zu qualifizieren. Sozialhilfeträger können contra legem keine Vereinbarungen mit Einrichtungen über Leistungen und ihre Vergütung zulasten anderer Sozialhilfeträger schließen, die ihrem Aufgabenbereich nicht zugeordnet werden können.

Die danach notwendigen Feststellungen, ob und welche Bedarfe mit dem an den Beigeladenen zu 2 entrichteten Entgelt nicht für die Ausbildung selbst, sondern für Hilfen im Zusammenhang mit der Ermöglichung des eigentlichen Schulbesuchs abgedeckt worden sind, wird das [X.] nachzuholen haben. Nach der dargestellten Abgrenzung kommen alle Maßnahmen, die an der [X.] durchgeführt werden, als Kosten der Eingliederungshilfe in Betracht, solange sie nicht dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen sind; dieser beschränkt sich nach der Rechtsprechung des [X.]s eng auf die Unterrichtsgestaltung selbst ([X.], 196 = [X.]-3500 § 54 [X.]0, Rd[X.]7; [X.] vom 9.12.2016 - [X.] [X.] 8/15 R - [X.]-3500 § 53 [X.] RdNr 29, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Der (ggf nachrangigen) Leistungspflicht des [X.]n im Rahmen der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung unterfallen damit sowohl unterrichtsbegleitende als auch sonstige pädagogische Maßnahmen, die nur unterstützenden Charakter haben, und nicht-pädagogische Maßnahmen. Der zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 2 vereinbarte Betrag deckt zwar unterschiedslos alle Leistungen für eine Förderung des [X.] "aus einer Hand" ab. Diese Vertragsgestaltung allein muss indes nicht dazu führen, dass eine Aufteilung der Kosten in Kosten der Eingliederungshilfe und Kosten der eigentlichen Schulbildung ausgeschlossen ist. Unerheblich ist auch, dass ein entsprechendes Konzept der Leistungserbringung aus einer Hand wohl auch an den öffentlichen Förderschulen im [X.] besteht; der Hinweis des [X.]n auf den Nachranggrundsatz (vgl § 2 Abs 1 [X.]) geht insoweit fehl. Kommt der Schulträger seiner (ggf durch [X.]recht begründeten) Pflicht zur Deckung der Bedarfe im Einzelfall nicht nach, wie es das [X.] hier bindend festgestellt hat, obwohl er Kosten (auch) für Leistungen außerhalb des Kernbereichs decken müsste und/oder diese bei einem Großteil der anderen Kinder abdeckt, ist dies für die Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers (außerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Arbeit) unerheblich (vgl erneut [X.], 301 = [X.]-3500 § 54 [X.], RdNr 25). Auch auf die vom [X.]n im Einzelnen dargestellten "Alternativüberlegungen" wegen einer Leistungspflicht des Schulträgers für Leistungen, die der Kläger überhaupt nicht in Anspruch genommen hat, kommt es nicht an ([X.] aaO RdNr 26).

Für die Ermittlung der Kosten, die für Therapien oder sonstige Maßnahmen der Eingliederungshilfe anzusetzen sind, können die nach § 75 [X.] abgeschlossenen Verträge oder auch die ortsüblich für Einzelleistungen zu erbringenden Entgelte Anhaltspunkte sein, ohne dass es allein auf ihren Inhalt ankommt (vgl [X.], 301 = [X.]-3500 § 54 [X.] RdNr 24). Soweit die Grundlagen der Berechnung im Einzelnen im Rahmen der Vertragsverhandlungen zwischen dem [X.] und dem Beigeladenen zu 2 vorgelegen haben, können diese für die Bestimmung der hier streitigen Kosten herangezogen werden. Dies kommt etwa für die Kosten der Schülerbeförderung in Betracht, auch wenn solche Kosten in [X.] wegen der dort bestehenden kostenfreien Schülerbeförderung nicht als Kosten der Eingliederungshilfe anfallen. Schließlich kommt eine Bestimmung der in den Gesamtkosten enthaltenen Kosten für Leistungen der Eingliederungshilfe ggf auch im Wege einer abschließenden Schätzung (§ 202 [X.] iVm § 287 Abs 2 Zivilprozessordnung ) in Betracht. Vor einer abschließenden Entscheidung mag das [X.] auch prüfen, ob anstelle der bislang zu 1 beigeladenen Behörde eine iS des § 70 [X.] beteiligtenfähige juristische Person beizuladen ist und welche dies nach [X.] [X.]recht wäre.

Das [X.] wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 8 SO 24/15 R

21.09.2017

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Detmold, 26. Juni 2012, Az: S 16 SO 32/08, Urteil

§ 53 Abs 1 S 1 SGB 12, § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 12, § 12 Nr 1 BSHG§47V

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 21.09.2017, Az. B 8 SO 24/15 R (REWIS RS 2017, 4963)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4963

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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