Bundessozialgericht, Urteil vom 18.07.2019, Az. B 8 SO 2/18 R

8. Senat | REWIS RS 2019, 5302

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialhilfe - Eingliederungshilfe - Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung - Schulbegleitung - Bestimmung des Kernbereichs pädagogischer Arbeit - Förderschule - Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers bei Nichterbringung von Leistungen durch den Schulträger


Leitsatz

Der Kernbereich der pädagogischen Verantwortung der Schule bestimmt sich gleichermaßen für Regelschulen wie für Schulen mit besonderem Förderschwerpunkt ausschließlich nach Maßgabe des Sozialhilferechts.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] ist die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer nur im Umfang von 13 Stunden pro Woche bewilligten Schulbegleitung im Schuljahr 2014/2015.

2

Der 2003 geborene Kläger leidet an frühkindlichem Autismus in Verbindung mit einer mittelgradigen Intelligenzminderung sowie einer Störung des Sozialverhaltens, die sich in ausgeprägten stereotypen und ritualisierten Verhaltensmustern sowie hoher Impulsivität mit regelmäßigen Kontrollverlusten äußert. Seine Kommunikationsfähigkeit ist eingeschränkt; Aufmerksamkeit fordert er häufig durch sozialinadäquate Handlungen ein. Des Weiteren bestehen eine Störung des [X.] sowie [X.]. Aufgrund eingeschränkter grob- und feinmotorischer Fähigkeiten benötigt der Kläger Hilfe bei zahlreichen Alltagsverrichtungen wie beispielsweise Toilettengang, An- und Ausziehen und Essen mit Messer und Gabel. Entsprechend der Zuweisung der Schulaufsichtsbehörde besucht er ein sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Ab November 2013 übernahm der Beklagte die Kosten für eine Schulbegleitung im Umfang von elf Stunden, später im Umfang von 13 Stunden pro Woche. Für das Schuljahr 2014/2015 übernahm der Beklagte die Kosten der Schulbegleitung zur pädagogischen Betreuung "in Vorleistung und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" weiterhin im Umfang von 13 Stunden pro Woche durch von ihm angestellte [X.] (Bescheide vom [X.] und 5.12.2014; Widerspruchsbescheid vom 26.5.2015). Ab Dezember 2015 bis zum Ende des Schuljahres 2015/2016 und im Schuljahr 2017/2018 erhielt der Kläger aufgrund einstweiliger Anordnungen des Sozialgerichts ([X.]) [X.] Schulbegleitung im Umfang von 20 bzw 34 Unterrichtsstunden pro Woche. Im Schuljahr 2016/2017 hatte er keine Schulassistenz.

3

Das [X.] hat die Klage gegen die Bescheide vom [X.] und 5.12.2014 abgewiesen (Urteil vom 13.7.2016). Das [X.] (L[X.]) [X.] hat auf die als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführte Klage das Urteil des [X.] aufgehoben und festgestellt, dass die Bescheide des Beklagten rechtswidrig waren (Urteil vom 6.12.2017). Der Kernbereich pädagogischer Tätigkeit werde durch die Maßnahme nicht berührt. Die [X.] hätten ausschließlich integrierende, beaufsichtigende und fördernde Assistenzdienste erbracht. Auch im Bereich der Anpassung des Unterrichts in der Klasse an die speziellen Bedürfnisse des [X.] und die inhaltliche Begleitung des [X.] hätten die Unterstützungsleistungen nur darin bestanden, die Aufmerksamkeit des [X.] auf die gerade zu erledigende Aufgabe zu lenken und Arbeitsunterlagen entsprechend dem auf ihn angepassten Lernziel zu benutzen. Dass für die Erfüllung dieser Aufgaben pädagogische Kenntnisse und Fertigkeiten angewandt worden seien, zB in den Phasen, in denen der Kläger mit der Schulbegleitung in einem separaten Raum die dort von den Lehrern vorbereiteten Aufgaben bearbeitete, sei qualitativ für die Beurteilung der Erforderlichkeit und Eignung der Hilfe ohne Bedeutung. Aus dem Landesrecht resultierende, jedoch nicht erfüllte Verpflichtungen der Schulverwaltung im Hinblick auf die Ausstattung der Schulen mindere nicht den sozialhilferechtlichen Hilfebedarf des [X.].

4

Der Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung der §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ([X.]B XII). Durch die Schule sei bereits keine individuelle und auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten des [X.] angepasste Abstimmung der Lerninhalte erfolgt. Dies habe das L[X.] verkannt. Die intensive pädagogische Betreuung des [X.] durch die Schulbegleitung bewege sich in dem - außerhalb der [X.] höchstrichterlich noch nicht bestimmten - Kernbereich pädagogischer Verantwortung der Schule. Schulbildung an einem Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum umfasse auch die Vermittlung von Basiskompetenzen. Zudem habe der Kläger zB außerhalb des [X.] Einzelunterricht durch die [X.] erhalten. Die Schulbegleitung übernehme daher Aufgaben, die dazu dienten, die staatlichen Lernziele zu erreichen. Aus §§ 53 f [X.]B XII folge nicht die Verpflichtung, fehlendes schulisches Personal mit Sozialhilfemitteln aufzustocken.

5

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.]s [X.] vom 6. Dezember 2017 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts [X.] vom 13. Juli 2016 zurückzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält die Entscheidung des L[X.] für zutreffend.

8

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]>). Zu Recht hat das [X.] festgestellt, dass die angefochtenen Bescheide des Beklagten rechtswidrig waren. Der [X.]läger hatte im Schuljahr 2014/2015 einen Anspruch auf Schulbegleitung im Umfang von mehr als 13 Stunden.

Die [X.]lage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Nach § 131 Abs 1 Satz 3 [X.] spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn er sich nach [X.]lageerhebung vor der gerichtlichen Entscheidung durch Zurücknahme oder anders erledigt hat, sofern der [X.]läger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Diese Regelung gilt zwar ausdrücklich nur für [X.], ist aber entsprechend auf kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen anzuwenden (stRspr; vgl zB [X.] vom 25.10.2012 - [X.] SB 1/12 R - [X.] 4-3250 § 145 [X.], Rd[X.] 18 mwN).

Die ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakte (Bescheide vom [X.] und 5.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.5.2015) haben sie sich mit Ablauf des Schuljahres 2014/2015 auf andere Weise - nämlich durch Zeitablauf - erledigt (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ; vgl BSG vom 25.10.2012 - [X.] SB 1/12 R - [X.] 4-3250 § 145 [X.] Rd[X.] 21). Das erforderliche Interesse des [X.]lägers an der Feststellung, dass die Verwaltungsakte vom [X.] und 5.12.2014 rechtswidrig waren, begründet sich mit einer konkreten Wiederholungsgefahr. Eine solche ist gegeben, wenn die nicht entfernt liegende Möglichkeit eines wiederholten Auftretens der Rechtsfrage zwischen den Beteiligten besteht, etwa, wenn sich konkret abzeichnet, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen ein gleichartiges Leistungsbegehren wieder auftreten kann (vgl BSG vom 25.10.2012 - [X.] SB 1/12 R - [X.] 4-3250 § 145 [X.] Rd[X.] 22; BSG vom 8.11.2011 - B 1 [X.]R 19/10 R - [X.], 211 = [X.] 4-2500 § 31 [X.], Rd[X.] 9 mwN). So liegt der Fall hier. Der [X.]läger hat auch für die Folgejahre individuelle Schulbegleitung im Umfang von jeweils mehr als 13 Stunden beantragt. Eine Entscheidung des Beklagten über diese Anträge steht noch aus. Diese Anträge haben sich im Hinblick auf die im einstweiligen Rechtsschutz ausgesprochene Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der [X.] für die Schuljahre 2015/2016 und 2017/2018 auch nicht erledigt.

Der Beklagte ist für den vom [X.]läger geltend gemachten [X.] der örtlich (§ 98 Abs 1 Satz 1 [X.]) und sachlich (§ 97 Abs 1 [X.] iVm § 2 Gesetz zur Ausführung des [X.] vom 1.7.2004 - Gesetzblatt 534) zuständige Sozialhilfeträger. Im Verhältnis zum [X.]läger ist er für die Leistungserbringung im Übrigen schon nach § 14 Abs 2 Satz 1 [X.] behinderter Menschen - ([X.]) als erstangegangener Rehabilitationsträger wegen der unterbliebenen Weiterleitung des Antrags innerhalb von zwei Wochen nach Antragstellung zuständig geworden (dazu grundlegend BSG vom 26.10.2004 - B 7 [X.] 16/04 R - [X.], 283 = [X.] 4-3250 § 14 [X.] 1; BSG vom [X.] [X.] 24/15 R - [X.] 4-3500 § 54 [X.] 16 Rd[X.] 12).

Der [X.]läger hatte gegen den Beklagten einen Anspruch auf die Schulbegleitung als Hilfe zur angemessenen Schulbildung im Sinne des [X.]. Der [X.]ernbereich pädagogischer Tätigkeit war hiervon nicht berührt. Rechtsgrundlage für die vom [X.]läger geltend gemachte und vom Einkommen und Vermögen unabhängige (§ 92 Abs 2 Satz 1 [X.] 2 [X.]) Hilfe ist § 19 Abs 3 [X.] (in der Normfassung des Gesetzes zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] vom 24.3.2011 - [X.]) iVm § 53 Abs 1 Satz 1 [X.] (in der Normfassung des Gesetztes zur Einordnung des [X.] in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - [X.]), § 54 Abs 1 Satz 1 [X.] 1 [X.] (in der Fassung des [X.] in der [X.]inder- und Jugendhilfe vom [X.] - BGBl I 3464) iVm § 12 [X.] 1 Eingliederungshilfe-Verordnung (Eingliederungshilfe-VO; in der Normfassung des [X.]). Der [X.]läger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 [X.] für eine Pflichtleistung; die vom [X.] für das Revisionsgericht bindend festgestellten (§ 163 [X.]) Beeinträchtigungen begründen eine wesentliche körperliche und geistige Behinderung iS von § 2 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm §§ 1, 2 Eingliederungshilfe-VO, weil infolge dieser Behinderung seine Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der [X.] in erheblichem Umfang eingeschränkt ist (zum Maßstab für die Wesentlichkeit der Behinderung BSG vom 15.11.2012 - [X.] [X.] 10/11 R - [X.], 196 = [X.] 4-3500 § 54 [X.] 10, Rd[X.] 14). Ob daneben auch eine seelische Behinderung vorliegt, ist angesichts des Vorrangs von Leistungen der Eingliederungshilfe gegenüber Leistungen der Jugendhilfe (§ 10 Abs 4 [X.] - ) ohne Belang.

Eingliederungshilfe als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung umfasst nach § 54 Abs 1 Satz 1 [X.] 1 [X.] iVm § 12 Eingliederungshilfe-VO auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter [X.]inder und Jugendlicher, wenn die Maßnahme erforderlich und geeignet ist, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern. Dies ist hier der Fall. Wie bereits § 53 Abs 1 Satz 1 [X.] verdeutlicht ("nach der Besonderheit des Einzelfalles"), liegt § 54 Abs 1 Satz 1 [X.] 1 [X.] iVm § 12 [X.] 1 Eingliederungshilfe-VO ein individualisiertes Förderverständnis zugrunde (BSG vom [X.] - [X.] [X.] 30/10 R - [X.], 301 = [X.] 4-3500 § 54 [X.] 8, Rd[X.] 21; BSG vom 23.8.2013 - [X.] [X.] 10/12 R - [X.] 4-1500 § 130 [X.] Rd[X.] 18; BSG vom 9.12.2016 - [X.] [X.] 8/15 R - [X.], 154 = [X.] 4-3500 § 53 [X.] 5, Rd[X.] 26). Es kommen grundsätzlich alle Maßnahmen in Betracht, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSG vom [X.] 11b [X.] - [X.], 79 = [X.] 4-3500 § 54 [X.] 1, Rd[X.] 27 mwN).

Die Beschulung in dem vom [X.]läger besuchten Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung stellt für den [X.]läger eine "angemessene Schulbildung" dar. Der Beklagte ist insoweit an die Entscheidung der Schulverwaltung über die Erfüllung der Schulpflicht gebunden (vgl BSG vom 23.8.2013 - [X.] [X.] 10/12 R - [X.] 4-1500 § 130 [X.] Rd[X.] 21; [X.] in jurisP[X.]-[X.], 2. Aufl 2014, § 54 [X.] Rd[X.] 57; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 19. Aufl 2015, § 54 [X.] Rd[X.] 54).

Der Beklagte war zu einer Übernahme der [X.]osten einer Schulbegleitung auch in einem über die bereits bewilligten 13 Wochenstunden hinausgehenden Umfang verpflichtet, weil es sich - ausgehend von den bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) - auch insoweit um geeignete und erforderliche Hilfen zur angemessenen Schulbildung handelte, die den [X.]ernbereich pädagogischer Tätigkeit nicht berührten. Dieser [X.]ernbereich, der nach Sinn und Zweck der §§ 53, 54 [X.] gänzlich außerhalb der Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers liegt (BSG vom 9.12.2016 - [X.] [X.] 8/15 R - [X.], 154 = [X.] 4-3500 § 53 [X.] 5, Rd[X.] 24), bestimmt sich schon aus systematischen Gründen nach Maßgabe des [X.] (BSG aaO) und beschränkt sich eng auf die Unterrichtsgestaltung selbst, dh die Vorgabe und Vermittlung der Lerninhalte, die Bestimmung der Unterrichtsinhalte, das pädagogische [X.]onzept der Wissensvermittlung und die Bewertung der Schülerleistungen. Dies ist den Lehrkräften vorbehalten. Der Leistungspflicht im Rahmen der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung unterfallen dagegen sowohl unterrichtsbegleitende als auch sonstige pädagogische Maßnahmen, die nur unterstützenden Charakter haben, sowie nichtpädagogische Maßnahmen. Der [X.]ernbereich pädagogischer Tätigkeit ist nicht betroffen, wenn die Schulbegleitung die eigentliche pädagogische Arbeit der Lehrkraft nur absichert ("begleitet"). Ihn berühren deshalb alle integrierenden, beaufsichtigenden und fördernden [X.] nicht, die flankierend zum Unterricht erforderlich sind, damit der behinderte Mensch das pädagogische Angebot der Schule überhaupt wahrnehmen kann. Eine landesrechtlich abweichende Abgrenzung des [X.]ernbereichs der schulischen Bildung bindet bei der Auslegung, welche Leistungen in Auslegung des bundesrechtlich geregelten Begriffs der Eingliederungshilfe zur angemessenen schulischen Ausbildung gehören, nicht (vgl zum Ganzen: BSG vom [X.] - [X.] [X.] 30/10 R - [X.], 301 = [X.] 4-3500 § 54 [X.] 8; BSG vom 9.12.2016 - [X.] [X.] 8/15 R - [X.], 154 = [X.] 4-3500 § 53 [X.] 5; BSG vom [X.] [X.] 24/15 R - [X.] 4-3500 § 54 [X.] 16; [X.] [X.] [X.] 4/17 R - juris Rd[X.] 23; [X.] in [X.]/[X.], [X.], Stand November 2018, [X.] § 54 Rd[X.]6, der Hilfen für den Besuch von Sonderschulen regelmäßig für ausgeschlossen hält, weil es nach den jeweiligen schulrechtlichen Vorschriften grundsätzlich Aufgabe der jeweiligen Schulform sei, die Betreuung, Erziehung und Unterrichtung sicherzustellen). Außerhalb des [X.]ernbereichs der pädagogischen Arbeit ist eine (nachrangige) Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers zu bejahen, solange und soweit der Schulträger seiner (ggf durch Landesrecht begründeten) Pflicht zur Deckung der Bedarfe im Einzelfall nicht nachkommt (BSG vom [X.] [X.] 24/15 R - [X.] 4-3500 § 54 [X.] 16, Rd[X.] 20), auch wenn davon pädagogische Aufgaben mit umfasst sind.

Diese Bestimmung des [X.]ernbereichs pädagogischer Arbeit gilt gleichermaßen für [X.]n wie für Schulen mit besonderem Förderschwerpunkt. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum der [X.]ernbereich, der sich - wie oben dargestellt - eng auf die Unterrichtsgestaltung beschränkt, dort anders bestimmt werden sollte. Auch bei einem Unterricht mit auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schüler abgestimmten Lerninhalten, der in Sonderschulen insbesondere auch die Vermittlung lebenspraktischer Fertigkeiten umfasst, können in gleicher Weise wie in der [X.] flankierende [X.] erforderlich sein, um eine Teilnahme des jeweiligen Schülers am Unterricht zu ermöglichen und abzusichern. Der dem sonderpädagogischen Förderbedarf geschuldete Unterrichtsinhalt ist deshalb für die Abgrenzung des [X.]ernbereichs ungeeignet.

Ausgehend von diesen Grundsätzen übernahmen die im Schuljahr 2014/2015 eingesetzten Schulbegleiterinnen keine Aufgaben im [X.]ernbereich der pädagogischen Verantwortung der Schule, sondern nur den Unterricht begleitende [X.] und zwar auch dann, wenn sie den [X.]läger außerhalb des [X.] bei [X.] betreute und unterstützte. Denn das [X.] hat dazu für den Senat bindend (§ 163 [X.]) festgestellt, dass die dort bearbeiteten Aufgaben und Arbeitsmaterialien von der Lehrkraft vorbereitet worden waren. Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich dabei also um die Absicherung der Teilnahme des [X.]lägers am Unterrichtsgeschehen, während die eigentliche pädagogische Gestaltung - nämlich die Auswahl der Aufgaben und die Art und Weise der Vermittlung der Lerninhalte - bei der Lehrkraft verblieb. Soweit der Beklagte hier fehlerhafte Feststellungen des [X.] rügt, erfüllt sein Vorbringen nicht die Anforderungen an eine zulässige Verfahrensrüge (vgl zu den Anforderungen: [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 164 Rd[X.] 12c). Die Einwände des [X.]lägers betreffen die Beweiswürdigung durch das [X.], die grundsätzlich nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt (vgl § 160 Abs 2 [X.] 3 [X.]). Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob das [X.] bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen und ob es das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt hat (so schon BSG vom 15.8.1960 - 4 RJ 291/59 - [X.] [X.] 56 zu § 128 [X.], juris Rd[X.] 7; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 128 Rd[X.] 10). Vorliegend ergibt sich jedoch kein Anhalt, dass das Berufungsgericht gegen diese Grundsätze verstoßen hat. Dies wäre nämlich nur der Fall, wenn - woran es hier fehlt - ein tatsächlicher Schluss aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann, nicht aber schon dann, wenn das [X.] einen nach Meinung des Revisionsführers unrichtigen oder fernliegenden, gleichwohl aber möglichen Schluss gezogen hat (vgl [X.] <[X.]> vom 6.2.1975 - [X.] 68.73 - [X.]E 47, 330 - juris Rd[X.] 110; [X.] [X.]a/9 V 8/03 R - [X.], 244 = [X.] 4-3100 § 1a [X.] 1, Rd[X.] 54; zum Ganzen [X.] in [X.], [X.], § 128 Rd[X.] 24 f mwN, Stand Dezember 2018).

Die vom [X.]läger begehrte Hilfe ist zur Erreichung des Eingliederungsziels einer angemessenen Schulbildung auch geeignet (§ 53 Abs 1 Satz 1 [X.]) und der Sache nach erforderlich. Entscheidend im Sinne einer personenzentrierten Betrachtungsweise (vgl zuletzt [X.] [X.] [X.] 7/17 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen - juris Rd[X.] 17) ist es, ob aufgrund des konkret beim [X.]läger bestehenden sonderpädagogischen Förderbedarfs die spezifischen Fördermaßnahmen geeignet sind, ihm den Schulbesuch zu ermöglichen oder zu erleichtern und hierfür die Unterstützung eines [X.] benötigt wird. Erforderlich ist eine Rehabilitationsmaßnahme dann, wenn sie, ausgehend von Art und Schwere der Behinderung und den hieraus resultierenden Einschränkungen, unter prognostischer Betrachtung geeignet und notwendig ist, die infrage stehenden Rehabilitationsziele zu erreichen (vgl zuletzt BSG, aaO, juris Rd[X.] 22).

Auf Grundlage der Feststellungen des [X.] steht fest, dass die Begleitung des [X.]lägers durch eine [X.] jedenfalls für mehr als die bewilligten 13 Stunden wöchentlich erforderlich war. Der [X.]läger hatte einen weit überdurchschnittlichen Unterstützungsbedarf in praktischen Dingen, der insbesondere in der Verhaltenssteuerung und in der Vermeidung von Eskalation lag und immer dann bestand, wenn der [X.]läger sich in einer Gruppe bewegen musste. Erst die ständige (umfassende) Begleitung im Unterricht durch einen Schulbegleiter ermöglichte dem [X.]läger eine gewinnbringende Teilnahme am Unterricht. Dass zur Erfüllung dieser Aufgabe ggf pädagogische [X.]enntnisse und Fertigkeiten notwendig waren und zur Anwendung kamen, zB indem dem [X.]läger eine von der Lehrerin gestellte Aufgabe durch die Schulbegleitung nochmals in einer für ihn besser verständlichen Art und Weise erklärt worden ist, ist qualitativ für die Beurteilung der Erforderlichkeit und Eignung der Hilfe ohne Bedeutung (BSG vom 9.12.2016 - [X.] [X.] 8/15 R - [X.], 154 = [X.] 4-3500 § 53 [X.] 5, Rd[X.] 28).

Der Beklagte kann den [X.]läger auch nicht darauf verweisen, dass es vorrangig Aufgabe der Schule als Sonderpädagogisches Bildungszentrum mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung gewesen sei, alle notwendigen (personellen) Maßnahmen zu ergreifen, um seinen Schulbesuch sicherzustellen. Eine Nachrangigkeit der Sozialhilfe kommt nur dann in Betracht, wenn die anderweitige Verpflichtung der Schule tatsächlich erfüllt wird oder zumindest ohne Weiteres realisierbar ist (vgl BSG vom [X.] - [X.] [X.] 30/10 R - [X.], 301 = [X.] 4-3500 § 54 [X.] 8, Rd[X.] 25; [X.] vom 18.10.2012 - 5 C 21/11 - [X.]E 145, 1 - juris Rd[X.] 39). Denn außerhalb des [X.]ernbereichs besteht - selbst wenn die Maßnahme (auch) zum schulischen Aufgabenbereich der Schulverwaltung gehört - jedenfalls eine nachrangige Verpflichtung zur Erbringung unterstützender Hilfen, wenn der [X.] tatsächlich nicht durch die Schule gedeckt wird. Der Sozialhilfeträger muss ggf mittels einer Überleitungsanzeige (§ 93 [X.]) beim zuständigen Schulträger Rückgriff nehmen (BSG vom [X.] - [X.] [X.] 30/10 R - aaO Rd[X.] 25; [X.] in jurisP[X.]-[X.], 2. Aufl 2014, § 54 [X.] Rd[X.] 54).

Die [X.]ostenentscheidung folgt aus § 193 [X.].

Meta

B 8 SO 2/18 R

18.07.2019

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 13. Juli 2016, Az: S 7 SO 2573/15, Urteil

§ 53 Abs 1 S 1 SGB 12, § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 12, § 2 SGB 12, § 12 Nr 1 BSHG§47V

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.07.2019, Az. B 8 SO 2/18 R (REWIS RS 2019, 5302)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5302

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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