Bundessozialgericht, Urteil vom 15.11.2012, Az. B 8 SO 10/11 R

8. Senat | REWIS RS 2012, 1341

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Gegenstand

Sozialhilfe - Eingliederungshilfe - Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung - keine Übernahme des Schulgeldes für den Besuch einer privaten Ersatzschule - Nachrang der Sozialhilfe - Betroffensein des Kernbereichs pädagogischer Arbeit


Leitsatz

Die Übernahme von Schulgeld für eine private Ersatzschule ist als eine vom Kernbereich der pädagogischen Arbeit umfasste Leistung keine im Rahmen der Eingliederungshilfe vom Sozialhilfeträger zu erbringende Hilfe für eine angemessene Schulbildung.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 22. November 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] ist die Übernahme von Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro monatlich für die [X.] bis 18.10.2009 nach dem [X.] - ([X.]B XII).

2

Der 1997 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an dem sogenannten [X.] mit Absence-Epilepsie, verzögerter Entwicklung, Minderwuchs und geistiger Behinderung, verbunden mit Hyperaktivität und teilweiser Aggressivität. Er lebt seit seinem 4. Lebensmonat in einer Pflegefamilie, in die er direkt nach dem Klinikaufenthalt nach seiner Geburt aufgenommen wurde. Das staatliche Schulamt für den [X.] und den [X.] stellte beim Kläger einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Sinne des Besuchs einer Schule für praktisch Bildbare fest und wies ihn zum [X.] der staatlichen M.-Schule in [X.] zu. Da die Pflegeeltern die sonderpädagogische Förderung des [X.] an der nach den Grundsätzen der anthroposophischen Heilpädagogik und der Waldorfpädagogik unterrichtenden privaten B.-Schule wünschten, erklärte das staatliche Schulamt gleichzeitig sein Einverständnis, den sonderpädagogischen Förderbedarf dort zu erfüllen, sofern die Frage der Kostenübernahme mit dem Schulverwaltungsamt des Kreisausschusses des Landkreises [X.] geklärt sei (Bescheid vom 31.5.2005). Nachdem die Pflegeeltern für den Kläger mit dem Träger der B.-Schule einen Schulvertrag ab [X.] abgeschlossen und dabei ein monatliches Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro vereinbart hatten, wurde der Kläger am 5.9.2005 in die B.-Schule eingeschult. Den vom Träger der Schule - nach den Feststellungen des [X.] ([X.]) - namens und im Auftrag der Pflegeeltern gestellten Antrag auf Übernahme des Schulgelds lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]).

3

Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts <[X.]> Gießen vom 11.11.2008; Urteil des Hessischen [X.] vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, der Besuch der B.-Schule sei keine für eine angemessene Schulbildung des [X.] erforderliche Maßnahme. Hieran ändere auch die schulrechtliche Einstufung durch das staatliche Schulamt, an die der Sozialhilfeträger gebunden sei, nichts, weil eine Zuweisung nur an die staatliche M.-Schule erfolgt sei, während der Besuch der B.-Schule ausschließlich als mögliche Beschulungsalternative gestattet worden sei. Beide Schulen seien geeignete Förderschulen zur Erfüllung des besonderen sonderpädagogischen Bedarfs des [X.]. Auch das Elternrecht aus Art 6 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) biete als Abwehrrecht keinen Anspruch auf Vermittlung pädagogischer Lehrinhalte und Bildungsziele außerhalb öffentlicher Schulen. Ein Anspruch könne auch nicht aus Art 7 Abs 4 Satz 1 GG hergeleitet werden, weil insoweit nur das private [X.] geschützt werde, nicht jedoch auch das Recht der Eltern, eine private Ersatzschule kostenfrei zu wählen.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 54 Abs 1 Satz 1 [X.] und § 12 [X.] ([X.]) und macht Verfahrensfehler geltend. Zu Unrecht gehe das [X.] davon aus, dass der Besuch einer privaten Förderschule und der damit verbundene Schulgeldaufwand bei Bestehen einer gleichwertigen kostenfreien Beschulungsmöglichkeit nicht erforderlich iS von § 12 [X.] sei. Zwar hätte sein schulischer Förderbedarf auch durch den Besuch der M.-Schule sichergestellt werden können; das Berufungsgericht lasse aber unberücksichtigt, dass die Pflegeeltern mit ihrer Auswahlentscheidung den von den staatlichen Schulbehörden eingeräumten Rahmen mit einer für den beklagten Sozialhilfeträger ebenso verbindlichen Weise ausgefüllt hätten, wie dies durch eine förmliche Zuweisung der Schulbehörden geschehen wäre. Folge man der Auffassung des [X.] liefen das eingeräumte Wahlrecht und letztlich die Bestimmung des § 54 Abs 1 Satz 1 [X.]B XII leer, wenn Eltern die mit dem Schulbesuch verbundenen Kosten nicht aufbringen könnten. Sei schulrechtlich eine Wahlfreiheit zwischen öffentlicher Förder- und privater Ersatzschule eröffnet, setze eine generelle Beschränkung der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung auf den Besuch öffentlicher Schulen nach der Rechtsprechung des 6. Senats des [X.] (Urteil vom [X.] [X.] 5/10) verfassungsrechtlich eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers voraus. Durch den unterlassenen Hinweis, dem 6. Senat nicht folgen zu wollen, habe das [X.] das rechtliche Gehör verletzt (Überraschungsentscheidung). Auch habe sich das [X.] nicht mit dem Vortrag auseinandergesetzt, dass der Beklagte mit seiner (des [X.]) Beschulung in der B.-Schule einverstanden gewesen sei und sich hieraus die Verpflichtung ableite, auch für die entstehenden [X.] einzustehen. [X.] sei schließlich die Prüfung, ob eine Aufnahme in die M.-Schule nicht an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre.

5

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] und des [X.] sowie den Bescheid des Beklagten vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 303,92 Euro monatlich für die [X.] bis 18.10.2009 zu zahlen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält die Auffassung des [X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des [X.] ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ). Der [X.]läger hat keinen Anspruch auf Zahlung des monatlichen Schulgelds in Höhe von 303,92 Euro bzw in Höhe des für Oktober 2009 maßgeblichen Teils davon für den Besuch der B.-Schule.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zulässigerweise nur der Bescheid des [X.]n vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] (§ 95 SGG) über die Ablehnung der Übernahme des Schulgelds als abgrenzbaren Streitgegenstand im Rahmen der Eingliederungshilfe. Gegen diesen Bescheid wendet sich der [X.]läger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG). Sozial erfahrene Dritte waren vor Erlass des Widerspruchsbescheids nicht zu beteiligen (§ 116 Abs 2 [X.] in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des [X.] in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - [X.] 3022 iVm § 8 Abs 2 des [X.] zum [X.] <[X.]/[X.]> vom 20.12.2004 - GVBl 488). Nicht Streitgegenstand sind Leistungen für den Lebensunterhalt, auch nicht im Rahmen des sog Meistbegünstigungsprinzips, wonach zur Sicherstellung einer möglichst weitgehenden Verwirklichung [X.] Rechte (§ 2 Abs 2 Sozialgesetzbuch [X.] - <[X.]>; vgl dazu: [X.] in juris [X.], 2. Aufl 2011 - online -, § 2 Rd[X.]6; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 2 Rd[X.] 44, Stand Dezember 2005), Anträge bzw Rechtsbehelfe ohne Bindung an den Wortlaut nach dem wirklichen Willen des Antragstellers auszulegen sind ([X.]-3500 § 44 [X.] Rd[X.]3); denn eine abweichende Festlegung des Bedarfs wegen der Verpflichtung zur Zahlung des Schulgelds (§ 28 Abs 1 Satz 2 [X.]) kommt ohnedies nicht in Betracht (siehe dazu unten).

Nach § 53 Abs 1 Satz 1 (in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des [X.] in das Sozialgesetzbuch) iVm § 54 Abs 1 [X.] (in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des [X.] in das Sozialgesetzbuch; für die [X.] ab 5.8.2009 in der Normfassung des [X.] [X.] im [X.]rankenhaus vom 30.7.2009 - [X.] 2495) erhalten Personen, die durch eine Behinderung iS von § 2 Abs 1 Satz 1 des [X.] Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - ([X.]X) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der [X.] teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.

Vorliegend ist es schon fraglich, ob der [X.] als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 3 Abs 1 [X.]/[X.] idF des [X.]) für den streitigen Anspruch auf Übernahme des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe der sachlich zuständige Sozialhilfeträger ist. Abweichend von § 100 [X.] ([X.]; in der nach Art 68 Abs 2 des Gesetzes zur Einordnung des [X.] in das Sozialgesetzbuch bis 31.12.2006 fortgeltenden Fassung) bzw ab 1.7.2007 § 97 Abs 3 [X.] (Art 70 Abs 2 S 6 des Gesetzes zur Einordnung des [X.] in das Sozialgesetzbuch) regelt § 97 Abs 2 Satz 1 [X.] iVm § 2 Abs 1 [X.] [X.]/[X.] (bis [X.] in der nach § 13 Abs 3 [X.]/[X.] bestimmten Fassung) die sachliche Zuständigkeit von örtlichem bzw überörtlichem Sozialhilfeträger. Danach ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe für Leistungen nach dem Sechsten [X.]apitel des [X.] nur sachlich zuständig, sofern diese in einer Einrichtung zur stationären oder teilstationären Betreuung zu gewähren sind. Eine (teilstationäre) "Einrichtung" im Sinne des [X.] (§ 13 [X.]) ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und Leistungen der Sozialhilfe erbringt ([X.]E 95, 149, 152; [X.] <[X.]>, Urteil vom [X.] - 5 C 42/91 -, [X.], 52 ff; Urteil vom [X.] - 5 C 13/91 -, [X.], 183 ff; Urteil vom [X.] - 5 C 17/91 -, [X.]/SGB 1995, 535 ff; [X.], 264 ff Rd[X.]3 = [X.]-3500 § 19 [X.]).

Ob eine Schule (anders als etwa die der Schule angegliederte Behinderteneinrichtung) eine teilstationäre Einrichtung in diesem Sinne ist, insbesondere Leistungen der Sozialhilfe erbringt (vgl dazu [X.]E 48, 228, 231, das zwischen allgemeinen Schulen und Schulen unterscheidet, in denen über die bloße Vermittlung des Lernstoffs hinaus ein besonderes Maß an Betreuung erforderlich ist), ist zweifelhaft, wobei es für die Ablehnung der Leistung wegen Unzuständigkeit genügt, dass Sozialhilfeleistungen geltend gemacht werden. Für die Begründung der sachlichen Zuständigkeit ist es jedenfalls nicht - wie der [X.] meint - ausreichend, dass er aufgrund langjähriger Praxis bei Pflegefamilienverhältnissen (im Rahmen des § 97 Abs 5 [X.]) auch die [X.] übernimmt, sofern diese übernahmefähig sind. Eine solche Annex-[X.]ompetenz, wie sie etwa § 2 Abs 2 [X.]/[X.] (in der bis 31.12.2006 geltenden Fassung) vorsieht, setzt nämlich die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers für die im Rahmen eines Pflegefamilienverhältnisses zu erbringende Eingliederungshilfe voraus, an der es vorliegend fehlen könnte. Im Ergebnis kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, weil der [X.]läger auch bei unterstellter sachlicher Zuständigkeit des [X.]n keinen Anspruch auf die im Streit stehende Leistung hat.

Der [X.]läger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 [X.] für eine Pflichtleistung. Die Voraussetzungen für eine Behinderung nach § 2 Abs 1 [X.]X sind erfüllt, wenn die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und die Teilhabe am Leben in der [X.] beeinträchtigt ist. Nach den Feststellungen des [X.] liegt eine solche Behinderung vor.

Die geistige Behinderung ist auch wesentlich. Wann dies der Fall ist, ist § 2 Eingliederungshilfe-VO zu entnehmen, wonach eine wesentliche Behinderung vorliegt, wenn infolge einer Schwäche der geistigen [X.]räfte in erheblichem Umfang die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der [X.] eingeschränkt ist. Dies richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls und hängt deshalb von sehr unterschiedlichen, durch die individuelle Behinderung geprägten Umständen ab ([X.] [X.] 436.0 § 39 [X.] [X.]2 S 2). Insoweit ist wie bei der Prüfung der Behinderung auch ihre Wesentlichkeit wertend auszurichten, insbesondere an den Auswirkungen für die Eingliederung in die [X.]. Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen [X.]räfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt (vgl [X.], 301 ff Rd[X.]9 = [X.]-3500 § 54 [X.] 8). Stehen - wie hier - die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme des [X.] am Unterricht in einer allgemeinen ([X.] entgegen (vgl auch [X.], Beschluss vom 2.9.2003 - 5 [X.]/02), weil Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht aufgenommen und verarbeitet werden können, und erfordert die geistige Behinderung deshalb einen sonderpädagogischen Förderbedarf, um die mögliche Vermittlung praktischer [X.]enntnisse und Fähigkeiten überhaupt erst zu ermöglichen, ist die Behinderung nach den oben aufgezeigten Grundsätzen wesentlich; denn eine Grundschulbildung bildet die essentielle Basis für jegliche weitere Schullaufbahn (vgl: [X.], 301 ff Rd[X.]9 = [X.]-3500 § 54 [X.] 8; [X.], 199 ff Rd[X.]2 = [X.]-2500 § 33 [X.] 37).

Gehört der [X.]läger danach zwar zu dem leistungsberechtigten Personenkreis, scheitert ein Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds aber daran, dass es sich insoweit nicht um eine Leistung der Eingliederungshilfe handelt. Nach § 54 Abs 1 Satz 1 [X.] sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 [X.]X auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Erfasst sind von dem Wortlaut der Vorschrift ("Hilfen") nur Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern ([X.], 301 ff Rd[X.]0 = [X.]-3500 § 54 [X.] 8). Dies bestätigt auch § 12 Eingliederungshilfe-VO, der seinerseits nur von "Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung" spricht. Die von dieser Hilfe nach § 12 Eingliederungshilfe-VO (auch) erfassten Regelbeispiele betreffen dementsprechend nur die Schulbildung begleitende Maßnahmen. Die Schulbildung selbst, also der [X.]ernbereich der pädagogischen Arbeit, der sich nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen bestimmt, obliegt hingegen allein den Schulträgern. Art 7 Abs 1 GG überträgt dem Staat einen (außerhalb des [X.] liegenden) eigenständigen Unterrichts- und Bildungsauftrag im Schulbereich (BSG, aaO, Rd[X.]1; [X.] 47, 46, 71 f; 98, 218, 241).

Dass der [X.]ernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule den Regelungen über die Eingliederungshilfe entzogen ist, bestätigt § 54 Abs 1 Satz 1 [X.] dadurch, dass die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht (hier: Art 56 ff [X.] iVm dem [X.] idF vom 14.6.2005 - GVBl 441) unberührt bleiben sollen. Die schulrechtlichen Verpflichtungen bestehen also grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen ([X.]). Auch das [X.] hat in seiner Entscheidung vom [X.] - ([X.] 436.0 § 11 [X.] [X.]6 S 3) ausgeführt, dass der Staat mit der Einrichtung der öffentlichen Grundschulen seinen Bildungs- und Erziehungsauftrag aus Art 7 Abs 1 GG nachkomme und die Schulgeldfreiheit aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des [X.] gefunden habe, sodass für einen Rechtsanspruch gegen den Sozialhilfeträger zur Deckung eines im Grundschulalter angemessenen Bildungsbedarfs Aufnahmebeiträge und monatliches Schulgeld für den Besuch einer privaten Grundschule als Sozialhilfeleistung nicht zu übernehmen seien. Dabei ist das [X.] in Bezug auf die erforderliche Hilfe nicht von einer nach Maßgabe des Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe zu lösenden Anspruchskonkurrenz, sondern von einem Verhältnis der "Spezialität" ausgegangen, wobei es eine Ausnahme von diesem Grundsatz für möglich hielt, wenn der Besuch einer öffentlichen Grundschule aus objektiven Gründen (zB wegen ihrer räumlichen Entfernung vom Wohnort) oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Diese Rechtsprechung hat das [X.] auch für Leistungen der Eingliederungshilfe bestätigt (Beschluss vom 2.9.2003 - 5 [X.]/02) und ausdrücklich ausgeführt, dass ein nachrangiges Eintreten der Sozialhilfe (nur) für solche Bedarfe nicht ausgeschlossen sei, die nicht in der Deckung des unmittelbaren Ausbildungsbedarfs im Rahmen der Schulpflicht bestünden, sondern damit lediglich - mehr oder weniger eng - zusammenhingen, etwa wie bei der Bereitstellung eines Integrationshelfers für behinderte [X.]inder an Regelschulen.

Nach diesen Maßstäben hat der [X.]läger keinen Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe. Zu dem [X.]ernbereich der Schule gehören alle schulischen Maßnahmen, die dazu dienen, die staatlichen [X.] zu erreichen, in erster Linie also der (unentgeltliche) Unterricht, der die für den erfolgreichen Abschluss notwendigen [X.]enntnisse vermitteln soll. Damit unterliegt auch das vom [X.]läger begehrte Schulgeld unmittelbar diesem [X.]ernbereich, weil die Übernahme des Schulgelds die von der Schule selbst zu erbringende Leistung, also den Unterricht, finanziert, mithin den schulischen Bildungsauftrag erfüllt und keine bloß unterstützende Leistung im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung darstellt. Wie die Entscheidung des Schulamts auszulegen ist und inwieweit sie auch für den [X.]n Bindungswirkung entfaltet (vgl dazu [X.]E 130, 1 ff), ist danach ohne Belang. Ebenso spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass sich der [X.] mit der Beschulung in die B.-Schule einverstanden erklärt hat. Die Ausübung eines Wahlrechts, welche Schule besucht wird, hat nicht zur Folge, dass der Sozialhilfeträger ein etwaiges Schulgeld zahlen müsste.

Schulgeld wäre - abgesehen davon, dass es hier nicht Streitgegenstand ist (siehe oben) - auch nicht nach den Regelungen des [X.] bzw Vierten [X.]apitels des [X.] zu erbringen. Entsprechende Leistungen könnten ggf zwar durch eine abweichende Festlegung des Regelsatzes nach § 28 Abs 1 Satz 2 [X.] in der bis 31.12.2010 geltenden alten Fassung erbracht werden, dies würde aber voraussetzen, dass der Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abwiche. Der auf das Schulgeld gerichtete höhere Bedarf des [X.] wäre aber nicht unabweisbar. Nach den Feststellungen des [X.] besteht für den [X.]läger eine gleichwertige und unentgeltliche Möglichkeit des Schulbesuchs an der Schule für praktisch Bildbare.

Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht schon darin zu sehen, dass das [X.] - ohne ausdrücklichen Hinweis - einer Entscheidung eines anderen Senats desselben Gerichts nicht folgt. Da der [X.]läger unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung des Schulgelds hat, erübrigt sich im Übrigen - weil absolute Revisionsgründe nicht geltend gemacht werden - ein weiteres Eingehen auf den vermeintlichen Verfahrensfehler. Gleiches gilt für die behauptete Gehörsverletzung durch Übergehen des Vortrags, der [X.] habe sich mit der Beschulung in der B.-Schule einverstanden erklärt (dazu auch oben). Soweit schließlich moniert wird, das [X.] habe nicht geprüft, ob die Aufnahme in der M.-Schule an [X.]apazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre (Verletzung der Amtsaufklärungspflicht; § 103 SGG), hätte dargelegt werden müssen (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG), warum sich das [X.] - trotz Zuweisung des [X.] in die M.-Schule und Streitgegenstandsbegrenzung auf die Eingliederungshilfe - hätte gedrängt fühlen müssen, entsprechende Ermittlungen anzustellen. Für die Eingliederungshilfe wäre jedenfalls eine entsprechende [X.]lärung ohne Bedeutung.

Die [X.]ostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Meta

B 8 SO 10/11 R

15.11.2012

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Gießen, 11. November 2008, Az: S 18 SO 79/06, Urteil

§ 53 Abs 1 S 1 SGB 12, § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 12, § 2 Abs 1 SGB 12, § 2 Abs 1 S 1 SGB 9, § 2 BSHG§47V, § 12 BSHG§47V, Art 7 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 15.11.2012, Az. B 8 SO 10/11 R (REWIS RS 2012, 1341)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1341

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