Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.08.2010, Az. X ZB 3/09

10. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 3720

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Gegenstand

Gegenstandswert der Terminsgebühr des Klägervertreters: Tilgung der Klageforderung kurz vor dem Verhandlungstermin


Leitsatz

Tilgt der Beklagte die zu titulierende Verbindlichkeit erst kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung, bemisst sich die Terminsgebühr des Klägervertreters nach den bis dahin entstandenen Kosten und nicht nach dem Streitwert der Hauptsache, wenn es trotz der Kürze der Zeit noch möglich gewesen wäre, vor Aufruf der Sache einen die Erledigung der Hauptsache erklärenden Schriftsatz beim Prozessgericht einzureichen .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des [X.] vom 13. März 2009 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 432 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger hat im Hauptsacheverfahren mit seiner Klage vom 17. Juni 2008 die Beklagte aus einem Vergleich auf Zahlung von Lizenzgebühren in Höhe von 48.720 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juni 2008 in Anspruch genommen. Das [X.] bestimmte den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 10. September 2008. Die Klage und die Ladung zum Termin wurden der Beklagten am 29. Juli 2008 zugestellt. Am Abend des 8. September 2008 sandte die - anwaltlich nicht vertretene - Beklagte an den Kläger und das [X.] jeweils per Fax ein Schreiben, in dem sie mitteilte, dass sie am 8. September 2008 einen "Betrag von 48.720 € inkl. Verzugszins 5%" an den Kläger überwiesen habe und die [X.]utschrift bei ihm nach [X.] ihrer Bank am 9. September 2008 eintreffen solle. Entsprechende [X.] über die Buchung fügte die Beklagte ihren Fax-Schreiben vom 8. September 2008 bei. Weiter kündigte sie an, bei der Verhandlung vom 10. September 2008 nicht anwesend zu sein.

2

Im Termin vom 10. September 2008 war die Beklagte nicht vertreten. Nach Feststellung der [X.] und Bekanntgabe der schriftlichen Erklärung der Beklagten über die von ihr veranlasste Zahlung erörterte das [X.] mit dem Prozessbevollmächtigten des [X.] die Schlüssigkeit der Klage. Auf Nachfrage des [X.]erichts bestätigte der Prozessbevollmächtigte des [X.], dass bei dem Kläger ein Betrag in Höhe von 49.176,65 € eingegangen sei, der allerdings zu niedrig sei, da bei den Zinsen nur 5% und nicht fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz gezahlt worden seien. Nach weiterer Erörterung, ob eine Änderung des Klageantrags in der Säumnislage trotz der Regelung des § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO möglich sei, erklärte der Klägervertreter die Hauptsache über 48.720 € vollen Umfangs und die Zinsforderung in Höhe eines Teils von 465,65 € für erledigt. Er beantragte insoweit im Weg des Versäumnisurteils Feststellung der teilweisen Erledigung und im Übrigen Verurteilung zur Zinszahlung über 505,33 €. Das [X.] hat antragsgemäß erkannt.

3

Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat der Klägervertreter unter anderem beantragt, für die Wahrnehmung des Termins, in dem das Versäumnisurteil ergangen war, eine 1,2-fache Terminsgebühr nach Nr. 3104 [X.] [X.] festzusetzen. Mit seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 19. September 2008 hat er insoweit unter Zugrundlegung eines Streitwerts von 48.720 € eine [X.]ebühr in Höhe von 1.255,20 € geltend gemacht.

4

Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13. November 2008 hat die Rechtspflegerin beim [X.] die dem Kläger zu erstattenden Kosten (einschließlich [X.]erichtskosten) auf 3.571 € festgesetzt und dabei die 1,2-fache Terminsgebühr lediglich aus dem halben Hauptsachestreitwert mit einem Betrag von 823,20 € angesetzt unter Berufung auf eine Kostenrechtsprechung des [X.], wonach der Streitwert der einseitigen Erledigungserklärung 50% des Werts der ursprünglichen Leistungsklage betrage. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des [X.] ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Festsetzung einer 1,2-fachen Terminsgebühr aus dem vollen Hauptsachestreitwert weiter.

5

II. Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Sie ist jedoch nicht begründet.

6

1. Das [X.] hat angenommen, dass bei Beginn der mündlichen Verhandlung das für den [X.]egenstandswert maßgebliche Interesse des [X.] nur noch in Höhe der Prozesskosten und des noch nicht getilgten Zinsbetrags von 505,33 € habe bestehen können, nachdem die Klageforderung durch Erfüllung erloschen und dies dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten vor dem Termin auch bekannt gewesen sei. Der Kläger habe gewusst, dass seine Klage daher ohne Erledigungserklärung weitestgehend abweisungsreif gewesen sei. Es erscheine mit dem [X.]rundsatz von [X.] und [X.]lauben nicht vereinbar, es ins Belieben einer [X.] zu stellen, ob sie bei der hier gegebenen Sachlage sogleich zu Beginn der Verhandlung die (Teil-)Erledigung erkläre oder erst noch Überlegungen über die ursprüngliche Schlüssigkeit anstelle.

7

2. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde im Ergebnis stand.

8

Zutreffend ist das [X.] zunächst davon ausgegangen, dass sich bei einer einseitigen Erledigungserklärung des [X.] der Streitwert regelmäßig auf die bis dahin entstandenen Kosten reduziert. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.] ([X.]Z 57, 301, 303; 106, 359, 366; [X.], Beschluss vom 9. Mai 1996 - [X.], NJW-RR 1996, 1210; Beschluss vom 13. Juli 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 1728; Beschluss vom 15. November 2007 - [X.], [X.], 35) sowie der ganz überwiegenden Meinung in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. mit jeweils umfassenden Nachw. K[X.], Beschluss vom 3. Juli 2003 - 12 W 128/03, [X.], 116; [X.], Beschluss vom 11. Oktober 2004 - 8 W 24/04, [X.], 19; [X.], Beschluss vom 12. Mai 2005 - 24 U 7/05) und Literatur (vgl. [X.]/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 91a Rn. 48; Musielak/Wolst, ZPO, 7. Aufl., § 91a Rn. 47; Hausherr, in: [X.], ZPO, § 91a Rn. 61; [X.]/[X.], in: [X.], [X.], 19. Aufl., Teil [X.] Rn. 128). Nach der vorgenannten ständigen Rechtsprechung des [X.] und der herrschenden Auffassung tritt eine Streitwertreduzierung jedoch nicht schon mit Eintritt des erledigenden Ereignisses, sondern erst ein, wenn der Kläger im Wege einseitiger Prozesshandlung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Daran ist entgegen einer vereinzelt im Schrifttum vertretenen Ansicht (vgl. [X.]/[X.], aaO, Rn. 131), der sich für die Bemessung der Höhe einer Terminsgebühr bei einem [X.] im Sinne von [X.]erkung 3 Abs. 3 Fall 1 [X.] [X.] auch das OL[X.] München angeschlossen hat (Beschluss vom 22. Mai 2007 - 11 W 1387/07, OL[X.]R 2007, 917; a.A. K[X.], Beschluss vom 21. Februar 2007 - 5 W 24/06, [X.]. 2007, 384), festzuhalten. Die Tatsache einer durch Zahlung bewirkten Erfüllung der mit der Leistungsklage geltend gemachten Hauptforderung vermag für sich den Streitwert nicht zu beeinflussen, weil dieser wesentlich von dem Klageantrag abhängt, über den zu disponieren dem Beklagten nicht zusteht. Bis zur Erledigungserklärung des [X.] bleibt danach der Streitwert der Hauptsache maßgeblich (vgl. auch [X.], Beschluss vom 18. Juli 2001 - [X.]; OL[X.] Düsseldorf, Beschluss vom 10. Januar 2007 - 18 W 38/06, OL[X.]R 2007, 321 mwN; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., [X.] Teil 3 [X.]. 3 Rn. 33 mwN).

9

Entgegen der Auffassung des [X.]s kam es für die Höhe der Terminsgebühr allerdings nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt in der mündlichen Verhandlung die Erledigungserklärung des [X.] abgegeben worden ist. Nach § 2 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit Absatz 3 der [X.]erkung 3 zum Teil 3 des [X.] entsteht die Terminsgebühr u.a. für die Vertretung in einem Verhandlungs- oder Erörterungstermin. Hierfür genügt nach allgemeiner Ansicht allein die Terminswahrnehmung durch den Rechtsanwalt, der in dem Termin lediglich vertretungsbereit anwesend sein muss, ohne dass es darauf ankommt, ob tatsächlich Anträge gestellt werden oder eine Erörterung stattfindet (vgl. auch OL[X.] Zweibrücken, Beschluss vom 6. Februar 2007 - 4 W 13/07, BeckRS 2007, 04335; [X.], Beschluss vom 16. Februar 2006 - 17 W 28/06, OL[X.]R 2006, 884; Beschluss vom 8. März 2007 - 17 W 37/07, BeckRS 15438; [X.], [X.], 3. Aufl., Nr. 3104 [X.] Rn. 20, 22; [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., [X.]. 3 [X.] Rn. 28, 31; [X.]/[X.], aaO, [X.]. 3 [X.] Rn. 29, 61; Onderka/[X.], in: [X.]Wolf, [X.], 5. Aufl., [X.]. 3 [X.] Rn. 99). Danach wäre bei Abgabe der Erledigungserklärung im Termin vom 10. September 2008 die Terminsgebühr grundsätzlich bereits in voller Höhe aus dem ursprünglichen Streitwert angefallen und bliebe gemäß § 15 Abs. 4 [X.] erhalten, nachdem die Verhandlung mit dem [X.] begonnen hatte, § 220 Abs. 1 ZPO (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Februar 2006 - 17 W 28/06, OL[X.]R 2006, 884; OL[X.] Koblenz, Beschluss vom 19. Januar 2009 - 14 W 30/09, OL[X.]R 2009, 504; [X.]/[X.]/[X.], aaO Rn. 51; Onderka/[X.], aaO Rn. 181; [X.], [X.] 2005, 113 f.).

Im vorliegenden Fall hat das entsprechende Festsetzungsverlangen des [X.] jedoch gegen [X.] und [X.]lauben verstoßen. Als Ausfluss dieses auch das gesamte Kostenrecht beherrschenden [X.]rundsatzes ist die Verpflichtung jeder Prozesspartei allgemein anerkannt, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom [X.]egner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt (vgl. [X.], Beschluss vom 2. Mai 2007 - XII ZB 156/06, [X.], 2257 mwN; Beschluss vom 10. Mai 2010 - [X.], [X.], 1323; OL[X.] Düsseldorf, Beschluss vom 6. November 2006 - 24 W 79/06, OL[X.]R 2007, 326; [X.], Beschluss vom 5. Februar 2009 - 17 W 28/09, OL[X.]R 2009, 779; [X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl., § 91 Rn. 12 mwN).

Nach diesem Maßstab ist es nicht als sachlich veranlasst, sondern als treuwidrig anzusehen, dass der Kläger erst im Termin vom 10. September 2008 und nicht schon zuvor schriftsätzlich eine einseitige Erledigungserklärung abgegeben hat, obgleich er bereits vor dem Termin wusste, dass seine Klageforderung in der Hauptsache erloschen war und seine Klage daher ohne eine Erledigungserklärung insoweit abzuweisen gewesen wäre. Das nach wirtschaftlichen [X.]esichtspunkten zu bewertende Interesse des [X.] an der Fortsetzung des Rechtsstreits hatte sich bereits auf die verbliebene Zinsforderung und die Kosten reduziert.

Zwar hätte für den Kläger angesichts der Kurzfristigkeit, mit der die Beklagte geleistet und darüber informiert hatte, keine [X.]elegenheit mehr bestanden, eine prozessual wirksame Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch übereinstimmende Erledigungserklärungen vor dem Verhandlungstermin herbeizuführen. Denn ein entsprechender Schriftsatz des [X.] hätte der Beklagten aus Zeitgründen bereits nicht mehr rechtzeitig zugestellt werden können.

Nach der Regelung des § 40 [X.]K[X.], nach der sich gemäß § 23 Abs. 1 [X.] auch der für die Rechtsanwaltsvergütung zugrunde zu legende [X.]egenstandswert bemisst, bewirkt aber grundsätzlich bereits die schriftsätzliche Ankündigung einer Klageänderung eine entsprechende gebührenrelevante Streitwertänderung, wobei es allein auf den Eingang des Schriftsatzes bei [X.]ericht ankommt (vgl. OL[X.] Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 1999 - 10 W 124/99, [X.], 1594; OL[X.] Düsseldorf, Beschluss vom 27. Januar 2009 - 24 W 87/08, OL[X.]R 2009, 338; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]K[X.], 2. Aufl., § 40 Rn. 3). Eine einseitige schriftsätzliche Erklärung der Erledigung in einem vorbereitenden Schriftsatz, durch die schon eine Änderung des Streitwerts eingetreten wäre (vgl. auch [X.], Beschluss vom 15. November 2007 - [X.], [X.], 35; OL[X.] Koblenz, aaO; ebenso für den Fall einer Klageerweiterung OL[X.] Düsseldorf, Beschluss vom 27. Januar 2009 - 24 W 87/08, aaO), vor [X.] beim Prozessgericht einzureichen wäre dem Kläger hier zur Vermeidung unnötiger Mehrkosten seiner Prozessführung ohne weiteres möglich und nach [X.] und [X.]lauben zuzumuten gewesen. Berechtigte Interessen des [X.], die einer solchen rechtzeitigen Erklärung hätten entgegenstehen können, sind nicht erkennbar.

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

VRi[X.] Scharen
ist in Ruhestand getreten und deshalb
an der Unterschrift gehindert.

        

[X.]röning     

        

Berger

[X.]röning

                                   
        

     [X.]rabinski     

        

Hoffmann     

        

Meta

X ZB 3/09

31.08.2010

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 13. März 2009, Az: 6 W 693/09, Beschluss

§ 91a ZPO, Nr 3104 RVG-VV, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.08.2010, Az. X ZB 3/09 (REWIS RS 2010, 3720)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3720

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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