Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.11.2013, Az. 5 AZR 776/12

5. Senat | REWIS RS 2013, 1005

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Gegenstand

Arbeitnehmerüberlassung - Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt (equal pay) - Verjährung


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 19. Juli 2012 - 6 [X.]/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über [X.] unter dem Gesichtspunkt des equal pay.

2

Der Kläger war vom 1. März bis zum 6. September 2006 bei der [X.], die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Leiharbeitnehmer zu einem Bruttostundenlohn von 7,41 [X.] beschäftigt. [X.] war die Anwendung des [X.] zwischen der [X.] und [X.] ([X.]) und dem [X.] ([X.]) vereinbart. Der Kläger wurde der [X.] (fortan: [X.]) zur Arbeitsleistung überlassen. Mitarbeiter der [X.] erhalten bei einer Wochenarbeitszeit von 42,5 Stunden eine jeweils individuell ausgehandelte Vergütung.

3

Mit seiner am 10. Juni 2011 bei Gericht eingereichten und der [X.] am 23. Juni 2011 zugestellten Klage hat der Kläger unter Berufung auf § 10 Abs. 4 [X.] die Differenz zwischen der von der [X.] erhaltenen Vergütung und dem Arbeitsentgelt verlangt, das die [X.] im Streitzeitraum vergleichbaren Stammarbeitnehmern gezahlt haben soll. Der Kläger hat ausgehend von einer Auskunft der [X.] behauptet, er hätte als Stammarbeitnehmer ein Bruttomonatsentgelt iHv. 2.000,00 [X.] erhalten. Jedenfalls sei er nach Qualifikation und Tätigkeit mit dem Mitarbeiter S vergleichbar, der - dies ist zwischen den Parteien unstreitig - im Jahr 2006 von der [X.] eingestellt wurde und ein Bruttomonatsentgelt iHv. 1.900,00 [X.] erhält.

4

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Anspruch sei nicht verjährt, denn bis zur [X.]-Entscheidung des [X.] vom 14. Dezember 2010 (- 1 [X.] -) sei die Rechtslage unklar gewesen. Bis dahin sei ihm eine Klage unzumutbar gewesen.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.229,11 [X.] brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat sich auf Verjährung berufen.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

I. Die Revision des [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat die Berufung des [X.] gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der Anspruch des [X.] ist verjährt.

9

1. Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 [X.] ist ein die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch, der mit der Überlassung entsteht und mit dem arbeitsvertraglich für die Vergütung bestimmten Zeitpunkt fällig wird. Mangels Eingreifens der besonderen Tatbestände der §§ 196, 197 BGB unterliegt er der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB ([X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 22).

2. [X.]ür den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist kommt es - neben dem Entstehen des Anspruchs - nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB darauf an, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des [X.]chuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe [X.]ahrlässigkeit erlangen müsste.

a) Die von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geforderte Kenntnis des Gläubigers ist vorhanden, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Klage, sei es auch nur eine [X.]eststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie dem Gläubiger zumutbar ist. Die erforderliche Kenntnis setzt keine zutreffende rechtliche Würdigung voraus, es genügt vielmehr die Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände ([X.] 26. [X.]eptember 2012 - [X.]/11 - zu [X.] 3 b [X.] (2) (b) der Gründe; [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 24 [X.]).

b) Danach hat der Leiharbeitnehmer von dem Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 [X.] ausreichende Kenntnis i[X.]v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, wenn er Kenntnis von der Tatsache hat, dass vergleichbare [X.]tammarbeitnehmer des Entleihers mehr verdienen als er. Dagegen kommt es nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung der arbeitsvertraglichen Klausel an, mit der der Verleiher von der in § 9 Nr. 2, § 10 Abs. 4 [X.]atz 2 [X.] eröffneten Möglichkeit, von dem Gebot der Gleichbehandlung abzuweichen, Gebrauch macht. Vertraut der Leiharbeitnehmer auf deren Rechtswirksamkeit und in diesem Zusammenhang auf die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition, ist dieses Vertrauen ebenso wenig geschützt wie das des Verleihers. Etwas anderes gilt nur dann, wenn und solange dem Leiharbeitnehmer die Erhebung einer die Verjährung hemmenden Klage (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) unzumutbar war ([X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 25 [X.]).

3. Dem Kläger waren die Tatsachen bekannt, aus denen er im vorliegenden Rechtsstreit gefolgert hat, vergleichbare [X.]tammarbeitnehmer der [X.] hätten mehr verdient als er. [X.]o hat er den Anspruch auf Vergütungsnachzahlung gegenüber der Beklagten dem Grunde nach geltend gemacht, bevor er von der [X.] die Auskunft über die Vergütung vergleichbarer [X.]tammarbeitnehmer erhielt. Dementsprechend begründete er sein Auskunftsbegehren gegenüber der [X.] damit, dass er seinen „Anspruch auf höheres Entgelt“ gegenüber der Beklagten geltend machen wolle. Zudem wusste er - nach den nicht angegriffenen [X.]eststellungen des Berufungsgerichts -, dass die Beklagte mittels der einzelvertraglichen Bezugnahme auf den Tarifvertrag den gesetzlichen Anspruch des [X.] auf eine höhere als die vereinbarte Vergütung ausschließen wollte. Darüber hinaus hat sich der Kläger nicht mit einfachen Lagerarbeitern, sondern mit „besser verdienenden“ [X.]tammarbeitnehmern der [X.] - wie dem Mitarbeiter [X.] - verglichen. Damit übereinstimmend hat er gerichtlich gar nicht in Abrede gestellt, von Anfang an Kenntnis von der höheren Vergütung vergleichbarer [X.]tammarbeitnehmer gehabt zu haben, sondern seine fehlende Kenntnis mit seiner [X.]ehleinschätzung der Tarifunfähigkeit der [X.] begründet.

4. Dem Kläger war eine Klage auf gleiches Arbeitsentgelt vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die fehlende Tariffähigkeit der [X.] auch nicht unzumutbar. Eine solche hätte hinreichende Erfolgsaussicht gehabt (vgl. zum [X.]olgenden bereits: [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 27 ff.).

a) Nach einer von [X.]chüren an allen [X.] Arbeitsgerichten durchgeführten Befragung, an der sich 83 % der Arbeitsgerichte beteiligten ([X.]tand: August 2007), bezweifelten Arbeitsgerichte in [X.] seit 2003 nahezu ausnahmslos die Tariffähigkeit der [X.]. Leiharbeitnehmer, die den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt einklagten, hatten damit regelmäßig ganz oder teilweise Erfolg, nur eine einzige Klage wurde abgewiesen ([X.]chüren NZA 2007, 1213). Auch im [X.]chrifttum ist die Tariffähigkeit der [X.] seit deren erstem Tarifvertragsabschluss im Jahre 2003 in [X.]rage gestellt und ihr der Vorwurf gemacht worden, Leiharbeitsunternehmen mit „billigen“ Tarifverträgen „zu versorgen“ (vgl. nur [X.] NZA 2003, 421; [X.]chüren in [X.]chüren/[X.] [X.] 4. Aufl. § 9 Rn. 107 ff. [X.]). [X.]elbst wenn eine entsprechende Zahlungsklage nach § 97 Abs. 5 [X.]atz 1 ArbGG ausgesetzt worden wäre und der Kläger von der Antragsbefugnis des § 97 Abs. 5 [X.]atz 2 ArbGG hätte Gebrauch machen müssen, hätte dies keine Unzumutbarkeit der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs bewirkt. Ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Klärung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage ist stets zumutbar. Zuwarten allein lässt keine Klärung der Rechtslage erwarten ([X.]/[X.] (2009) § 199 BGB Rn. 62). Überdies hatten zum frühesten Ablauf der Verjährungsfrist am 31. Dezember 2009 bereits zwei Instanzen in dem dafür nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 iVm. § 97 ArbGG vorgesehenen Verfahren die fehlende Tariffähigkeit der [X.] festgestellt ([X.] 1. April 2009 - 35 BV 17008/08 -; [X.] 7. Dezember 2009 - 23 [X.] 1016/09 -).

b) Das Argument, bis zur [X.]-Entscheidung des [X.] habe der Kläger den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt wegen § 13 Halbsatz 2 [X.] nicht beziffern können, greift nicht durch. Unbeschadet der [X.]rage, ob der Auskunftsanspruch gegen den Entleiher nach dem [X.]inn und Zweck der Norm bereits bei berechtigten Zweifeln an der Wirksamkeit eines Tarifvertrags, dessen Geltung nach § 9 Nr. 2 [X.] vereinbart worden ist, besteht (so die herrschende Meinung im [X.]chrifttum, vgl. nur [X.]/[X.] [X.] 3. Aufl. § 13 Rn. 10; [X.] in [X.]chüren/[X.] [X.] 4. Aufl. § 13 Rn. 7 - jeweils [X.]), hätte der Kläger jedenfalls zunächst eine [X.]eststellungsklage erheben und so die Hemmung der Verjährung herbeiführen können (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

5. Danach hat die Verjährungsfrist für den streitgegenständlichen Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt am 31. Dezember 2006 zu laufen begonnen, § 199 Abs. 1 BGB. Bei Erhebung der Klage war die regelmäßige Verjährungsfrist abgelaufen.

II. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Dombrowsky    

        

    Mattausch    

                 

Meta

5 AZR 776/12

20.11.2013

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Leipzig, 18. Januar 2012, Az: 11 Ca 2115/11, Urteil

§ 10 Abs 4 AÜG, § 195 BGB, § 196 BGB, § 197 BGB, § 199 Abs 1 Nr 2 BGB, § 9 Nr 2 AÜG, § 13 Halbs 2 AÜG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.11.2013, Az. 5 AZR 776/12 (REWIS RS 2013, 1005)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1005

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