Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.04.2016, Az. I ZR 276/14

1. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 12558

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Wettbewerbsverstoß: Eingeschränkter Schadensersatzanspruch bei unerlaubtem Telefonanruf - Lebens-Kost


Leitsatz

Lebens-Kost

1. Ein auf eine unzulässige Telefonwerbung gemäß § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG gestützter Schadensersatzanspruch erfasst nur solche Schäden, die vom Schutzbereich dieser Bestimmung erfasst sind.

2. Gegenstand des Schutzes gemäß § 7 Abs. 1 UWG ist die Verhinderung des Eindringens des Werbenden in die Privatsphäre des Verbrauchers und die geschäftliche Sphäre, insbesondere die Ungestörtheit der Betriebsabläufe des sonstigen Marktteilnehmers; es soll verhindert werden, dass dem Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer Werbemaßnahmen gegen seinen erkennbaren oder mutmaßlichen Willen aufgedrängt werden. Verhindert werden soll darüber hinaus, dass die belästigende Werbung zu einer Bindung von Ressourcen des Empfängers (z.B. Zeitaufwand, Kosten für Faxpapier, Vorhaltekosten von Empfangseinrichtungen, Entsorgungskosten) führt.

3. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG bezweckt nicht den Schutz der Entscheidungsfreiheit der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer vor Belästigungen durch Werbeanrufe.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 8. Zivilkammer des [X.] vom 5. August 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin betreibt im [X.] unter dem Domainnamen "www.  .de" ein elektronisches Branchenverzeichnis. Die Beklagte bietet in ihrem Ladengeschäft mit angeschlossenem Restaurant unter der Firma "[X.]" Bio-Produkte an. Sie verfügt über eine [X.]-Homepage, auf der ihre telefonischen und postalischen Kontaktdaten aufgeführt sind.

2

Am 3. Mai 2013 rief ein Mitarbeiter der Klägerin von sich aus und ohne vorangegangenen Kontakt bei der [X.] in ihrem Ladengeschäft an und bot ihr einen Eintrag in das elektronische Branchenverzeichnis der Klägerin mit einer Laufzeit von 36 Monaten (beginnend am 3. Mai 2013) zu einem Gesamtpreis von 728,28 € einschließlich Umsatzsteuer an. Die Beklagte bekundete in dem Gespräch ihr grundsätzliches Interesse an einem solchen Eintrag. Die Beteiligten kamen überein, dass es zu einem weiteren Gespräch zur Absprache der Details der Vertragsbedingungen kommen sollte. Am selben Tag rief eine Mitarbeiterin der Klägerin die Beklagte [X.] an; dieses Gespräch wurde mit Zustimmung der [X.] aufgezeichnet. Die Mitarbeiterin der Klägerin bezog sich auf das vorangegangene Telefonat und die hierbei grundsätzlich bereits erzielte Einigung über eine entgeltliche Eintragung zu den genannten Konditionen; dies bejahte die Beklagte. Die Beklagte bestätigte ihre bereits im ersten Gespräch mitgeteilten Firmendaten, die gewünschten Eintragungsrubriken, die Laufzeit des Vertrages und die Vergütung in Höhe von 632 € netto (728,28 € brutto), wobei eine monatliche Zahlungsweise mit Raten zu je 17 € netto (20,23 € brutto) vereinbart wurde. Die Beklagte bestätigte ferner die Angaben für die Rechnungsadresse und gab an, dass sie persönlich die Inhaberin der Firma "[X.]" sei. Die Beklagte wurde darauf hingewiesen, dass die Rechnung den Gesamtbetrag der Kosten enthalten werde und dass die [X.] ([X.]) gälten, welche auf der [X.]seite der Klägerin abrufbar seien.

3

In den [X.] der Klägerin ist in § 6 eine Vorleistungspflicht des Kunden festgelegt; ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht sehen die Bedingungen nicht vor.

4

Die Beklagte hat die Rechnung der Klägerin über 728,28 € spätestens am 8. Mai 2013 erhalten, hierauf jedoch trotz einer Mahnung vom 24. Mai 2013 keine Zahlungen geleistet. Eine Eintragung der Daten des Unternehmens der [X.] in das Branchenverzeichnis der Klägerin ist jedenfalls bis zur mündlichen Berufungsverhandlung am 1. Juli 2014 nicht erfolgt. Mit [X.] vom 24. Mai 2013 hat die Beklagte die Anfechtung des mit der Klägerin geschlossenen Vertrags erklärt.

5

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 728,28 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Juni 2013 zu zahlen;

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an sie 182,07 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei dem 1. Februar 2014, und im Zeitraum von Februar 2014 bis April 2016 monatlich 20,23 € zu zahlen.

6

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat hilfsweise mit einem Schadensersatzanspruch wegen eines gemäß § 7 UWG unlauteren Werbeanrufs aufgerechnet.

7

Das Amtsgericht hat der Klage im Umfang einer Zahlungspflicht in Höhe von 20,23 € monatlich für den Zeitraum von Februar 2014 bis April 2016 stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen ([X.], Urteil vom 5. August 2014 - 8 S 46/14, juris). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

8

A. Das Berufungsgericht hat angenommen, ein Vergütungsanspruch der Klägerin sei zwar zunächst wirksam entstanden, infolge der von der [X.] hilfsweise erklärten Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG aber erloschen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

9

Zwischen den Parteien sei im Rahmen des zweiten Anrufs ein Vertrag über die einmalige Einstellung der Daten des Unternehmens der [X.] in das Branchenverzeichnis der Klägerin sowie über das Aufrechterhalten und Pflegen des Eintrags (Dienstvertrag mit werkvertraglichen Elementen) zustande gekommen. Der Vertrag sei auch wirksam. Er sei nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 [X.] in Verbindung mit Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb), wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 [X.] oder wegen der von der [X.] erklärten Anfechtung (§ 142 [X.]) nichtig. Es greife aber die Hilfsaufrechnung der [X.] durch. Da diese zum Erlöschen der Forderung führe, gehe diese einer etwaigen Hemmung wegen der Einrede des nicht erfüllten Vertrags nach § 320 [X.] vor. Der [X.] stehe ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG in Höhe des Vergütungsanspruchs der Klägerin zu. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG sei ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 [X.]. Eine unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 UWG sei ebenfalls gegeben. Die Voraussetzungen einer mutmaßlichen Einwilligung der [X.] in den ersten Anruf des Mitarbeiters der Klägerin seien nicht gegeben. Die Klägerin habe nicht von einem mutmaßlichen Interesse der [X.] am Erhalt des entgeltlichen Eintragungsangebots auf dem Telefonwege ausgehen dürfen. Der erste Anruf, auf den es allein ankomme, sei auch kausal für die Eingehung der Verbindlichkeit durch die Beklagte gewesen, so dass dieser ein Schaden in Höhe des Vergütungsanspruchs der Klägerin entstanden sei. Der [X.] sei es wegen des wirksamen Vertragsschlusses über die entgeltliche Eintragung nicht nach [X.] und Glauben im Sinne von § 242 [X.] verwehrt, sich auf den Schadensersatzanspruch zu berufen. Der Vertragsschluss beruhe auf einer von der Klägerin gezielt geschaffenen rechtswidrigen Überrumpelungssituation.

B. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts steht der [X.] kein Schadensersatzanspruch zu, den sie dem wirksam entstandenen und nicht erloschenen oder in seiner Durchsetzung gehemmten Vergütungsanspruch der Klägerin entgegenhalten kann. Es kommt damit auf die vom Berufungsgericht offengelassene und in der neuen Berufungsverhandlung zu klärende Frage an, ob und gegebenenfalls für welchen [X.]raum sich die Beklagte auf die Einrede des nichterfüllten Vertrags gemäß § 320 Abs. 1 [X.] berufen kann.

I. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass sich die Beklagte gegenüber der Klägerin rechtswirksam zur Zahlung von 728,28 € einschließlich Umsatzsteuer für einen Eintrag in das elektronische Branchenverzeichnis der Klägerin mit einer Laufzeit von 36 Monaten (beginnend am 3. Mai 2013) verpflichtet hat und die Zahlungsforderung nicht durch Anfechtung der Willenserklärung der [X.] gemäß §§ 119, 123 Abs. 1, § 142 Abs. 1 [X.] erloschen ist. Diese Beurteilung nimmt die Revision als für ihren Standpunkt günstig hin. Sie lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.

II. Der [X.] steht entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein Schadensersatzanspruch wegen einer unzumutbaren Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu, den sie der Klageforderung gemäß § 242 [X.] wegen einer sofortigen Rückgewährverpflichtung (dolo agit, [X.], quod statim redditurus est) oder - wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist - im Wege der hilfsweise erklärten Aufrechnung gemäß § 389 [X.] entgegenhalten kann.

1. Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG liegt eine unzumutbare Belästigung vor, wenn gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung mit einem Telefonanruf geworben wird.

2. Ein auf eine Verletzung dieser Bestimmung in Verbindung mit § 823 Abs. 1 [X.] (vgl. zur unverlangten Zusendung von E-Mails [X.], Beschluss vom 20. Mai 2009 - [X.], [X.], 980 Rn. 10 ff. = [X.], 1246 - E-Mail-Werbung II; Urteil vom 12. September 2013 - [X.], [X.], 1259 Rn. 15 ff. = [X.], 1579 - Empfehlungs-E-Mail; zu Werbeanrufen [X.] in [X.]/[X.], 34. Aufl. § 7 Rn. 14, 119; [X.] in [X.], [X.], 3. Aufl., § 7 Rn. 263; [X.] in [X.].UWG, 2. Aufl., § 7 UWG Rn. 40) oder § 823 Abs. 2 [X.] (vgl. dazu [X.] in [X.]/[X.] aaO Einl. Rn. 7.5 mwN) gestützter Schadensersatzanspruch der [X.] scheidet im Streitfall bereits deshalb aus, weil es an einem vom Schutzbereich des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG erfassten Schaden fehlt.

a) Ersatzfähig ist nur der Schaden, der vom Schutzbereich der verletzten Norm erfasst ist ([X.], Urteil vom 22. September 1999 - [X.], [X.], 226, 227 = [X.], 101 - Planungsmappe; Urteil vom 4. Juli 2014 - [X.], NJW 2014, 3727 Rn. 15; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 9 Rn. 1.13; [X.] in [X.].[X.], 7. Aufl., § 249 Rn. 122 ff.; [X.]/[X.], [X.], 75. Aufl., Vor § 249 Rn. 29). Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalent und adäquat verursachten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 26. Februar 2013 - [X.], NJW 2013, 1679 Rn. 12 mwN).

b) Die Bestimmung des § 7 UWG, dessen Maßstäbe zur Vermeidung von Wertungswi[X.]prüchen auch im Rahmen der Prüfung eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 [X.] zur Anwendung kommen ([X.], [X.], 980 Rn. 14 ff. - E-Mail-Werbung II; [X.], 1259 Rn. 20 - Empfehlungs-E-Mail; [X.] in [X.] [X.] aaO § 7 Rn. 14; [X.] in [X.], [X.] aaO § 7 Rn. 153), soll Marktteilnehmer vor einer unzumutbaren Belästigung bewahren (§ 7 Abs. 1 Satz 1 UWG). Gegenstand des Schutzes ist die Verhinderung des Eindringens des Werbenden in die Privatsphäre des Verbrauchers und die geschäftliche Sphäre, insbesondere die Ungestörtheit der Betriebsabläufe des sonstigen Marktteilnehmers; es soll verhindert werden, dass dem Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer Werbemaßnahmen gegen seinen erkennbaren oder mutmaßlichen Willen aufgedrängt werden (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, Seite 20 f.; [X.], Urteil vom 1. April 2004 - I ZR 227/01, [X.], 699, 701 = [X.], 1160 - Ansprechen in der Öffentlichkeit I; Urteil vom 9. September 2004 - [X.], [X.], 443, 444 = [X.], 485 - Ansprechen in der Öffentlichkeit II; Urteil vom 1. Juni 2006 - I ZR 167/03, [X.], 164 Rn. 8 f. = WRP 2007, 67 - [X.]; Urteil vom 11. März 2010 - [X.], [X.], 939 Rn. 20 = [X.], 1249 - Telefonwerbung nach [X.]; Urteil vom 3. März 2011 - I ZR 167/09, [X.], 747 Rn. 18 = [X.], 1054 - Kreditkartenübersendung; [X.] in [X.].UWG aaO § 7 Rn. 1; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 7 Rn. 2; [X.] in [X.]/[X.], UWG, 6. Aufl., § 7 Rn. 1; [X.] in [X.], [X.] aaO § 7 Rn. 3 f.; [X.] in Großkomm.UWG, 2. Aufl., § 7 Rn. 1; [X.] in Büscher/[X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 7 UWG Rn. 3). Verhindert werden soll darüber hinaus, dass die belästigende Werbung zu einer Bindung von Ressourcen des Empfängers (z.B. [X.]aufwand, Kosten für Faxpapier, Vorhaltekosten von Empfangseinrichtungen, Entsorgungskosten) führt (vgl. [X.], [X.], 164 Rn. 9 - [X.]; [X.] in [X.].UWG aaO § 7 Rn. 1; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 7 Rn. 2; [X.] in Großkomm.UWG aaO § 7 Rn. 1; [X.] in Harte/[X.], UWG, 3. Aufl., § 7 Rn. 36). Dagegen bezweckt § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG nicht den Schutz der Entscheidungsfreiheit der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer ([X.] in [X.].UWG aaO § 7 UWG Rn. 1; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 7 Rn. 3; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 7 Rn. 1; [X.] in Großkomm.UWG aaO § 7 Rn. 20; [X.], UWG, 2. Aufl., § 7 Rn. 43; [X.] in Büscher/[X.]/[X.] aaO § 7 Rn. 5; [X.] in Harte/[X.] aaO § 7 Rn. 36). Das Erfordernis einer über die Belästigung hinausgehenden Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit, etwa unter dem Gesichtspunkt der Überrumpelung, lässt sich dem Wortlaut der Bestimmung des § 7 UWG nicht entnehmen (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 7 Rn. 3). Die Einbeziehung der Entscheidungsfreiheit des Umworbenen in den Schutzbereich von § 7 UWG würde zudem die auch durch das Unionsrecht nahegelegten systematischen Grenzen zu § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG verwischen (vgl. zu § 4 Nr. 1 UWG aF [X.] in [X.].UWG aaO § 7 Rn. 1; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 7 Rn. 16; [X.]., [X.], 3, 5; Beater, [X.], 6, 10 f.).

c) Vorliegend hat das Berufungsgericht keinen Schaden festgestellt, der in den Schutzbereich des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG fällt.

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, ein ersatzfähiger Schaden der [X.] liege in der Belastung der [X.] durch den Vergütungsanspruch, den die Klägerin gegen die Beklagte dadurch erlangt habe, dass es zwischen den Parteien beim zweiten Telefonanruf zu einem wirksamen Vertragsschluss über den vergütungspflichtigen Eintrag in das von der Klägerin betriebene elektronische Branchenverzeichnis gekommen sei. Insoweit sei ohne Bedeutung, dass im Hinblick auf den zweiten Anruf möglicherweise eine Einwilligung der [X.] vorgelegen habe. Entscheidend sei allein der ohne Einwilligung der [X.] erfolgte erste Anruf, bei dem bereits sämtliche Grundlagen des späteren Vertragsschlusses gelegt worden seien. Der Vertragsschluss beruhe auf einer gezielt geschaffenen und rechtswidrigen Überrumpelungssituation durch den ersten Anruf, vor der § 7 Abs. 2 UWG gerade schützen wolle.

bb) Dem kann nicht zugestimmt werden.

(1) Der zur Belastung mit der Zahlungsverbindlichkeit führende Vertragsschluss ist nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts bei dem zweiten Telefonat erfolgt. Der zweite Anruf war jedoch durch die zuvor von der [X.] ausdrücklich erklärte Einwilligung gedeckt, so dass insoweit die Annahme einer unerlaubten Handlung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG sowie § 823 Abs. 1 [X.] ausscheidet.

(2) Der Umstand, dass der erste Anruf, bei dem die Beklagte ihre Einwilligung in einen weiteren Anruf erklärt hat, möglicherweise nicht durch eine ausdrücklich erklärte oder mutmaßliche Einwilligung der [X.] gedeckt war, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gehört eine von ihm insoweit angenommene Überrumpelungssituation und die damit einhergehende Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit nicht zum Bereich der Gefahren, die § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG verhindern will. Es ist vom Berufungsgericht auch nicht festgestellt noch sonst ersichtlich, dass der Vertragsschluss als eine Folge der Störung der Betriebsabläufe der [X.] durch den ersten Telefonanruf anzusehen ist.

III. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

1. Schäden, die der [X.] infolge eines belästigenden Eindringens in ihre geschäftliche Sphäre durch den Einsatz von Ressourcen entstanden sind und die der Klageforderung entgegengehalten werden könnten, sind vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden.

2. Im Streitfall kommt auch kein Schadensersatzanspruch der [X.] gemäß §§ 3, 9 UWG in Verbindung mit § 4 Nr. 1 UWG aF in Betracht. Bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung dieser Bestimmung liegt eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Verbraucher im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG aF nur dann vor, wenn der Handelnde diese Freiheit gemäß Art. 8 und 9 der Richtlinie 2005/29/[X.] durch Belästigung, Nötigung oder durch unzulässige Beeinflussung im Sinne des Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2005/29/[X.] erheblich beeinträchtigt (vgl. [X.], Urteil vom 3. März 2011 - I ZR 167/09, [X.], 747 Rn. 26 = [X.], 1321 - Kreditkartenübersendung; Urteil vom 3. April 2014 - [X.], [X.], 1117 Rn. 26 = [X.], 1301 - [X.]; Urteil vom 19. März 2015 - [X.], [X.], 1134 Rn. 31 = [X.], 1341 - [X.]). Dafür ist Voraussetzung, dass die im Streitfall allein in Betracht kommende Belästigung die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände tatsächlich oder voraussichtlich erheblich beeinträchtigt und dieser dadurch tatsächlich oder voraussichtlich veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte (Art. 8 der Richtlinie 2005/29/[X.]). Für eine solche Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit fehlen im Streitfall hinreichende Anhaltspunkte. Nach den getroffenen Feststellungen hat sich die Beklagte in Kenntnis der Bedingungen des kostenpflichtigen Angebots der Klägerin ausdrücklich mit einem zweiten Telefonanruf einverstanden erklärt. Im Rahmen seiner Prüfung eines Irrtums im Sinne von § 119 Abs. 1 [X.] hat das Berufungsgericht zudem festgestellt, dass die von ihm in Augenschein genommene Aufzeichnung des zweiten Telefongesprächs den Eindruck vermittele, die Beklagte habe - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der wiederholten Nachfragen von Seiten der Klägerin - sehr wohl gewusst, was sie gesagt und erklärt hat.

C. Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der [X.] vermag nicht in der Sache selbst zu entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist. Das Berufungsgericht hat die Frage offengelassen, ob und für welchen [X.]raum sich die [X.] auf die Einrede des nichterfüllten Vertrags gemäß § 320 Abs. 1 [X.] berufen kann, weil die Klägerin den [X.] für die Beklagte nach deren Darstellung nicht vorgenommen hat. Das Berufungsgericht hat deshalb - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - die insoweit notwendigen Feststellungen bislang nicht getroffen. So hat es insbesondere nicht geprüft, welche Partei vorleistungspflichtig ist. Ferner wird das Berufungsgericht festzustellen haben, ob die Klägerin den [X.] für die Beklagte auch nach Schluss der Berufungsverhandlung weiterhin nicht vorgenommen hat. In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht auch zu prüfen haben, ob die Beklagte gemäß § 326 [X.] von der Leistungspflicht ganz oder teilweise frei geworden ist, weil der Klägerin durch [X.]ablauf - zwischen den Parteien war eine Leistung im [X.]raum vom 3. Mai 2013 bis 2. Mai 2016 vereinbart - die Erbringung der Leistung in dieser [X.] unmöglich geworden ist (§ 275 Abs. 1 [X.]), oder ob die Klägerin die Leistung auch während eines späteren [X.]raums nachholen kann.

Büscher     

        

Schaffert     

        

Richter am [X.] Dr. Kirchhoff
ist in Urlaub und daher gehindert
zu unterschreiben.

                                   

Büscher

        

Löffler     

        

Schwonke     

        

Meta

I ZR 276/14

21.04.2016

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Bonn, 5. August 2014, Az: 8 S 46/14, Urteil

§ 4 Nr 1 UWG vom 03.03.2010, § 4a UWG, § 7 Abs 1 UWG, § 7 Abs 2 Nr 2 UWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.04.2016, Az. I ZR 276/14 (REWIS RS 2016, 12558)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 12558

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZR 276/14 (Bundesgerichtshof)


I ZR 154/16 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsverstoß im Internet: Angebot einer Werbeblocker-Software als zielgerichtete Behinderung und als aggressive geschäftliche Handlung - …


I ZR 244/16 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsverstoß: Pflicht zur Offenlegung der Identität des Mitarbeiters des Unternehmers bei einer telefonischen Kontaktaufnahme mit …


I ZR 157/10 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsverstoß: Verschleierung des Werbecharakters eines formularmäßigen Angebotsschreibens für den Eintrag in ein Branchenverzeichnis - Branchenbuch …


I ZR 29/09 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsrecht: Briefwerbung für Grabmale zwei Wochen nach dem Todesfall - Grabmalwerbung


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.