Bundessozialgericht, Urteil vom 08.12.2016, Az. B 11 AL 5/15 R

11. Senat | REWIS RS 2016, 1151

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Gegenstand

(Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs - Abfindung nach § 1a KSchG - keine Entlassungsentschädigung)


Leitsatz

Die Abfindung nach § 1a Kündigungsschutzgesetz (juris: KSchG) ist keine Entlassungsentschädigung, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld zum Ruhen bringt.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 23. Juli 2015 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. Oktober 2012 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen das Ruhen des Anspruchs auf [X.] in der [X.] vom 1.10.2011 bis 23.1.2012 wegen Zahlung einer Entlassungsentschädigung.

2

Der 1955 geborene Kläger war vom [X.] bis zum 30.9.2011 als Elektroinstallateur bei den [X.] zuletzt am Standort [X.] beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden der Tarifvertrag für Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der [X.] ([X.]), der Tarifvertrag zur [X.] Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungseinheiten im Gebiet der [X.] (TVSozSich) sowie der Tarifvertrag über Rationalisierungs-, Kündigungs- und Einkommensschutz ([X.]) Anwendung.

3

Die [X.] beschloss die Umstrukturierung ihrer [X.] Deutschland. In einem sog [X.] war eine Verringerung der Beschäftigten um 1302 [X.]itarbeiter vorgesehen, was ua durch die Schließung der Standorte [X.], [X.] und [X.] erreicht werden sollte. Am Standort [X.] sind infolgedessen im Jahr 2011 alle 369 Arbeitsplätze weggefallen.

4

Die Arbeitgeberin kündigte auch das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger durch Schreiben vom 23.2.2011 ordentlich aus betriebsbedingten Gründen zum 30.9.2011. Durch die Aufgabe des Standorts [X.] sei der Arbeitsplatz des Klägers entfallen. Unter Bezugnahme auf § 1a [X.] ergebe sich für den Kläger bei Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage eine Abfindung in Höhe von 17 [X.]onatsgehältern, was 46 072 Euro entspreche. Der Kläger erhob keine Kündigungsschutzklage. Die Abfindung von 46 072 Euro wurde ausgezahlt.

5

Am 4.10.2011 meldete sich der Kläger zum 1.10.2011 arbeitslos und beantragte [X.]. Die Beklagte bewilligte ihm [X.] ab 1.10.2011 für 540 Tage, allerdings komme der Zahlbetrag des [X.] für die [X.] vom 1.10.2011 bis 23.1.2012 wegen des Bezugs einer Entlassungsentschädigung nicht zur Auszahlung (Bescheid vom 28.10.2011). [X.]it gesondertem Bescheid vom 28.10.2011 stellte die Beklagte das Ruhen des [X.] wegen des Bezugs einer Entlassungsentschädigung für den fraglichen [X.]raum fest. Der Kläger erhob Widerspruch und vertrat die Auffassung, der Anspruch auf [X.] ruhe nicht, weil er eine Abfindung nach [X.]aßgabe des § 1a [X.] erhalten habe. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 7.12.2011).

6

Das [X.] hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 1.10.2011 bis 23.1.2012 [X.] zu zahlen (Urteil vom 24.10.2012). Die ordentliche arbeitgeberseitige Kündigungsfrist (§ 44 [X.]) habe hier sieben [X.]onate zum [X.]onatsende betragen. Diese Frist sei bei der Kündigung eingehalten worden. Die fiktive Kündigungsfrist nach § 143a Abs 1 S 4 [X.]B III aF finde demgegenüber keine Anwendung. Es sei schon zweifelhaft, ob die Zahlung einer Abfindung nach § 1a [X.] das [X.] zum Ruhen bringe. Dies könne aber vorliegend dahinstehen, denn die fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr finde keine Anwendung, weil der Arbeitgeber zur fristgebundenen außerordentlichen Kündigung mit [X.] Auslauffrist wegen Standortschließung berechtigt gewesen sei.

7

Die Beklagte hat Berufung zum L[X.] eingelegt. Das L[X.] hat das Urteil des [X.] Speyer vom 24.10.2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 23.7.2015). Zwar habe nach dem [X.] eine tarifliche ordentliche Kündigungsfrist von sieben [X.]onaten zum [X.]onatsende bestanden. Diese Frist sei jedoch nicht maßgeblich, weil aus § 143a Abs 1 S 4 [X.]B III aF eine fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr folge. Eine kürzere Kündigungsfrist gelte nicht deshalb, weil der Arbeitgeber berechtigt gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund unter Einhaltung einer [X.] Auslauffrist zu beenden. Auch sei eine Abfindung nach § 1a [X.] nicht in der Weise privilegiert, dass sie den Anspruch auf [X.] nicht zum Ruhen bringe.

8

Der Kläger hat die vom L[X.] zugelassene Revision eingelegt. § 143a [X.]B III aF sei auf eine nach [X.]aßgabe des § 1a [X.] gezahlte Entlassungsentschädigung nicht anwendbar. Vielmehr wolle die Regelung Kündigungen privilegieren, die wegen Einhaltung der Vorgaben des § 1a [X.] nicht zu einer rechtlichen Überprüfung gelangten. Der Gesetzgeber habe damit einen Weg schaffen wollen, Zweifelsfragen zu beseitigen. Der Arbeitgeber habe die der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Frist eingehalten.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 23. Juli 2015 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. Oktober 2012 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend und schließt sich diesem inhaltlich an.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist zulässig und in der Sache begründet (§ 170 Abs 2 S 1 [X.]G). Die angefochtenen [X.]escheide vom 28.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.12.2011 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, soweit die [X.]eklagte die Zahlung von [X.] für die [X.] vom 1.10.2011 bis 23.1.2012 abgelehnt hat.

Gegenstand der Revision ist das Urteil des [X.] vom 23.7.2015, mit dem das zusprechende Urteil des [X.] vom 24.10.2012 aufgehoben und die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage 54 Abs 1 und 4 [X.]G) abgewiesen worden ist. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Entscheidung des [X.] wiederherzustellen, weil sich diese im Ergebnis als zutreffend erweist.

1. Der Kläger hatte ab 1.10.2011 Anspruch auf [X.] dem Grunde nach.

Nach § 118 Abs 1 [X.][X.] III aF (in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, [X.] 2848) setzt ein Anspruch auf [X.] voraus, dass ein Arbeitnehmer arbeitslos ist ([X.] 1), sich bei der [X.] arbeitslos gemeldet hat ([X.] 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt ([X.] 3). Nach § 119 Abs 1 [X.][X.] III aF (in der Fassung desselben Gesetzes) ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der nicht in einem [X.]eschäftigungsverhältnis steht ([X.]eschäftigungslosigkeit - [X.] 1), sich bemüht, seine [X.]eschäftigungslosigkeit zu beenden ([X.] - [X.] 2) und den Vermittlungsbemühungen der [X.] zur Verfügung steht (Verfügbarkeit - [X.] 3).

Der Kläger hatte ab 1.10.2011 Anspruch auf [X.] dem Grunde nach. Er war nach den Feststellungen des [X.] ab 1.10.2011 arbeitslos. Zweifel an der [X.]ereitschaft, seine Arbeitslosigkeit zu beenden, und seiner Verfügbarkeit im streitigen [X.]raum bestehen nicht. Er hatte sich am 4.10.2011 persönlich arbeitslos gemeldet. Diese Arbeitslosmeldung wirkt auf den 1.10.2011 zurück (§ 122 Abs 3 [X.][X.] III aF). Zwar hat sich der Kläger erst nach dem Tag des [X.]eginns der Arbeitslosigkeit bei der [X.] persönlich arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosmeldung am 4.10.2011 (Dienstag) wirkt aber gemäß § 122 Abs 3 [X.][X.] III aF auf den 1.10.2011 zurück, weil sich der Kläger am ersten Tag der Dienstbereitschaft der [X.] nach Eintritt seiner Arbeitslosigkeit arbeitslos gemeldet hat. Der 4.10.2011 war der erste Tag der Dienstbereitschaft nach dem Wochenende vom 1. und 2.10.2011 und dem gesetzlichen Feiertag am 3.10.2011 (Montag). Der Kläger erfüllt zum 1.10.2011 auch die Anwartschaftszeit (§ 123 [X.][X.] III aF).

2. Der Zahlungsanspruch des [X.] auf [X.] hat nicht vom 1.10.2011 bis 23.1.2012 wegen [X.]ezugs einer Entlassungsentschädigung geruht.

Nach § 143a Abs 1 S 1 und 2 [X.][X.] III in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt ruht der Anspruch des Arbeitslosen auf [X.], der wegen der [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) zu erhalten oder zu beanspruchen hat und dessen Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist, vom Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tag, an dem dieses bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Die Frist beginnt mit der Kündigung, die der [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen mit dem [X.]. Ist das Arbeitsverhältnis ordentlich nur gegen Zahlung einer Abfindung kündbar, ist gemäß § 143a [X.] [X.][X.] III aF eine fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr zu beachten.

a) Die vom Kläger bezogene "Abfindung" nach § 1a [X.] ([X.]) ist keine Entlassungsentschädigung iS des § 143a Abs 1 S 1 [X.][X.] III aF (bb).

[X.]) Der Kläger hat eine Zahlung iS des § 1a [X.] erhalten. Gemäß § 1a [X.] hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung, wenn der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs 2 S 1 [X.] kündigt und der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 S 1 [X.] keine Klage auf Feststellung erhebt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Nach § 1a Abs 1 S 2 [X.] ist Voraussetzung für den Anspruch, dass der Arbeitgeber die Kündigungserklärung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt und den Arbeitnehmer darauf hingewiesen hat, dass er bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann. Nach § 1a Abs 2 [X.] beträgt die Höhe der Abfindung 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des [X.]estehens des Arbeitsverhältnisses.

Es handelt sich um eine Zahlung nach § 1a [X.], denn der Arbeitgeber hat sich in dem die [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses auslösenden Kündigungsschreiben vom [X.] auf dringende betriebliche Erfordernisse berufen und den Arbeitnehmer für den Fall des [X.] der Kündigungsschutzklage auf den Abfindungsanspruch in der näher konkretisierten Höhe hingewiesen. Die Zahlung hält sich auch in [X.]ezug auf ihre Höhe in den durch § 1a Abs 2 [X.] gesetzten Grenzen.

Die nach § 1a [X.] erhaltene Zahlung in Höhe von 46 072 Euro ist auch für die [X.]eurteilung maßgeblich, ob der Kläger eine Entlassungsentschädigung erhalten hat. Nur für diese Zahlung ist zu prüfen, ob es sich um eine Entlassungsentschädigung iS der Legaldefinition des § 143a Abs 1 S 1 [X.][X.] III aF handelt. Dagegen kommt es auf die dem Kläger nach Tarifvertrag zustehende (deutlich geringere) Abfindung nicht an, weil die nach § 1a [X.] geleistete Zahlung den Anspruch auf die tarifliche Abfindung verdrängt. Diese ist auch nicht in der Abfindung nach § 1a [X.] versteckt oder kann neben dieser beansprucht werden ([X.] Urteil vom 16.12.2010 - 6 AZR 423/09 - D[X.] 2011, 766 - Juris Rd[X.] 12, 17 f). Die nach Tarifvertrag zustehende Abfindung kann mithin das Ruhen des [X.] nach § 143a Abs 1 S 1 [X.][X.] III nicht auslösen.

bb) Die bezogene Leistung ist aber keine Entlassungsentschädigung iS des § 143a Abs 1 S 1 [X.][X.] III aF.

Zwar spricht für eine Einordnung der Leistung nach § 1a [X.] als Entlassungsentschädigung iS der Vorschrift zunächst, dass die Leistung im [X.] selbst als "Abfindungsanspruch" bezeichnet wird (so z[X.] [X.]/Eisemann, Personalbuch, 23. Aufl 2016, Abfindung Rd[X.] 3). Auch kann ein Zusammenhang allgemeiner Art zwischen der [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses und der Zahlung der Abfindung aufgrund der Systematik des § 1a [X.] nicht in Abrede gestellt werden (vgl auch [X.], NZS 2013, 767, 772).

Gegen eine [X.]erücksichtigung der Abfindung nach § 1a [X.] als Entlassungsentschädigung spricht aber, dass es an dem notwendigen [X.] zwischen der [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses und der Entstehung des Abfindungsanspruchs fehlt. Nach seinem Sinn und Zweck löst § 143a [X.][X.] III aF nicht aufgrund jeder nach [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses erbrachten Leistung das Ruhen des Zahlungsanspruchs auf [X.] aus. Der Anspruch ruht nur, wenn entweder das Arbeitsverhältnis vorzeitig, dh ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist, beendet wird oder im Falle eines qualifizierten Kündigungsschutzes die fiktiven Fristen nach [X.] und 4 nicht eingehalten werden. Der Anspruch auf [X.] ruht allerdings nicht, wenn es an dem gesetzlich vorausgesetzten Kausalzusammenhang zwischen [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses und der Zahlung fehlt.

Für die Abfindung nach § 1a [X.] kann dieser Kausalzusammenhang schon deshalb ausgeschlossen werden, weil der Abfindungsanspruch erst entsteht, nachdem die Arbeitgeberkündigung aufgrund der gesetzlichen Fiktion der §§ 7, 4 S 1 [X.] als rechtswirksam gilt und zudem die ordentliche Kündigungsfrist abgelaufen ist ([X.] Urteil vom 10.5.2007 - 2 AZR 45/06 - NJW 2007, 3086 = [X.]E 122, 257). Zu diesem [X.]punkt und in dieser rechtlichen Situation hat der Arbeitgeber keinen Grund mehr, dem (wirksam gekündigten) Arbeitnehmer Arbeitsentgelt (nach) zu zahlen. Die Zahlung nach § 1a [X.] verfolgt schließlich nicht den Zweck, noch bestehende oder streitige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abzugelten oder die Zahlung von Arbeitsentgelt zu verschleiern, sondern enthält generell kein Arbeitsentgelt (zum Fehlen des [X.]s: Voelzke, [X.]b 2007, 713, 716 f; Peters-Lange/Gagel, [X.], 740, 742; zur Anwendung fiktiver Kündigungsfristen auch [X.] in LPK-[X.][X.] III, 2. Aufl 2015, § 157 Rd[X.] 9; aA [X.] Rheinland-Pfalz Urteil vom [X.] - L 1 [X.] 65/12 - Juris; [X.], NZS 2013, 767, 772; [X.] in KKW, Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 158 [X.][X.] III Rd[X.] 11; [X.] in [X.]/[X.], [X.][X.] III, 6. Aufl 2017, § 158 Rd[X.] 21).

Zudem ist die Regelung des § 1a [X.] durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 ([X.] 3002) zum 1.1.2004 mit dem Ziel in das [X.] eingefügt worden, eine einfach zu handhabende, moderne und unbürokratische Alternative zum Kündigungsschutzprozess zu schaffen. Sie dient vorrangig der Entlastung der Arbeitsgerichtsbarkeit, indem gegen Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage eine Leistung erbracht wird, wie sie im arbeitsgerichtlichen Verfahren sonst üblicherweise vereinbart oder erstritten wird (Voelzke, [X.]b 2007, 713, 716 f). Mit Einfügung der Vorschrift in das [X.] war die Erwartung verbunden, dass arbeitsgerichtliche Rechtsstreitigkeiten teilweise vermieden werden könnten. Die Regelung soll also Rechtsstreitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Kündigung vermeiden. Die Gerichte sollen sich mit der Klärung dieser Frage nicht beschäftigen müssen (vgl [X.]T-Drucks 15/1204, 12). Insofern wäre es widersprüchlich, den vor den Gerichten der Arbeitsgerichtsbarkeit vermiedenen Rechtsstreit im Rahmen der Prüfung des § 143a [X.][X.] III aF vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nachzuholen.

Da die Zahlung nach § 1a [X.] keine Entlassungsentschädigung iS des § 143a Abs 1 S 1 [X.][X.] III aF ist, bringt sie den Zahlungsanspruch auf [X.] nicht in der [X.] vom 1.10.2011 bis 23.1.2012 zum Ruhen.

b) Dieses Ergebnis lässt sich ergänzend mit der Erwägung stützen, dass das [X.][X.] wiederholt entschieden hat, dass § 143a [X.] [X.][X.] III aF (damals noch § 117 Abs 2 S 3 [X.] 2 AFG) einschränkend auszulegen ist (vgl z[X.] [X.][X.] Urteil vom 29.1.2001 - [X.] 7 [X.] 62/99 R - [X.][X.]E 87, 250, 260 = [X.] 3-4100 § 117 [X.] 22 S 161 f mit [X.], [X.]b 2002, 392; [X.] in LPK-[X.][X.] III, 2. Aufl 2015, § 158 Rd[X.] 13).

Die einschränkende Auslegung dieser Regelung ist zutreffend damit begründet worden, dass sie innerhalb des Systems des § 143a [X.][X.] III aF eine Ausnahme darstellt. Außerhalb des Anwendungsbereichs von [X.] findet bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers eine Anrechnung der Entlassungsentschädigung nicht statt. Selbst für Fälle, in denen nur eine außerordentliche Kündigung möglich ist, gibt es Regelungen, die eine Abfindung von der Anrechnung freistellen, wenn die fiktive ordentliche Kündigungsfrist (sog [X.] Auslauffrist) eingehalten worden ist. [X.] soll deshalb keine Anwendung finden, wenn der Arbeitgeber berechtigt gewesen ist, den Arbeitnehmer außerordentlich mit [X.]r Auslauffrist zu kündigen, weil sonst ein "Wertungswiderspruch" zwischen den Regelungen des [X.] [X.] 2 Alt 2 und des [X.] entstehen könnte ([X.][X.] Urteil vom 29.1.2001 - [X.] 7 [X.] 62/99 R - [X.][X.]E 87, 250, 260 = [X.] 3-4100 § 117 [X.] 22 S 161 f).

Zwar stellt die Rechtsprechung des [X.] an eine außerordentliche Kündigung mit [X.]r Auslauffrist strenge Anforderungen ([X.] Urteil vom [X.] AP [X.] 4 zu § 613a [X.]G[X.] Widerspruch; [X.] Urteil vom 18.3.2010 - 2 AZR 337/08 - NZA-RR 2011, 18). Der Arbeitgeber muss alle denkbaren Lösungsversuche erfolglos unternommen haben, dass er ausnahmsweise eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit [X.]r Auslauffrist auszusprechen berechtigt ist ([X.] Urteil vom 5.2.1998 - 2 [X.] - [X.]E 88, 10 mwN; [X.] Urteil vom 18.3.2010 - 2 AZR 337/08 - NZA-RR 2011, 18). Andererseits sind [X.]etriebsstilllegungen typische Situationen, in denen die außerordentliche Kündigung mit [X.]r Auslauffrist in [X.]etracht kommt ([X.] [X.]O; [X.] in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.][X.] III, 1. Aufl 2014, § 158 Rd[X.] 30; [X.] in KKW, Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 158 [X.][X.] III Rd[X.] 18).

Die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung mit [X.]r Auslauffrist haben hier zwar nicht vorgelegen, wie das [X.] - entgegen dem [X.] - festgestellt hat (zur eingeschränkten Überprüfbarkeit dieser Feststellung: [X.][X.] Urteil vom 17.10.2007 - [X.] 11a [X.] 51/06 R - [X.][X.]E 99, 154 = [X.] 4-4300 § 144 [X.] 17 jeweils Rd[X.] 26). Andererseits sind [X.]etriebsstilllegungen typische Fälle, die zu einer außerordentlichen Kündigung (§ 626 [X.]G[X.]) mit [X.]r Auslauffrist berechtigen. Es liegt auch hier ein Wertungswiderspruch vor, wenn im Falle der außerordentlichen Kündigung wegen [X.]etriebsschließung bei Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist die Entlassungsentschädigung von der Anrechnung auf das [X.] freigestellt wird ([X.] [X.] 2 Alt 2), während die mit geringerem arbeitsrechtlichem Schutz versehene ordentliche Kündigung unter Einhaltung der wiedereröffneten Kündigungsfrist, aber ohne Einhaltung der Jahresfrist, nach [X.] zur Anrechnung der Abfindung führen würde.

Der Entscheidung des [X.] ([X.] 11 [X.] 6/11 R - [X.][X.]E 111, 1 = [X.] 4-4300 § 144 [X.] 23) kann nichts anderes entnommen werden. Dort wird zutreffend darauf hingewiesen, dass im Rahmen eines Rechtsstreits wegen Zahlung von [X.] neben dem Ruhen nach Eintritt einer Sperrzeit auch das Ruhen des [X.] nach Maßgabe des § 143a [X.][X.] III aF zu prüfen ist ([X.]O Rd[X.] 34 f). Ein Ruhen nach dieser Vorschrift ist dort aber schon deshalb verneint worden, weil ein Fall des § 143a [X.] [X.] 2 Alt 2 [X.][X.] III aF vorgelegen hatte. Ein Ruhen nach [X.] der Vorschrift hatte der [X.] folglich nicht zu prüfen und musste auch über die Anwendbarkeit der Norm nicht entscheiden.

3. [X.] beruht auf § 193 Abs 1 [X.]G. Mit dem Urteil des [X.] ist auch dessen Kostenentscheidung wiederhergestellt worden, sodass der [X.] nur über die Kosten des [X.]erufungs- und Revisionsverfahrens zu entscheiden hat.

Meta

B 11 AL 5/15 R

08.12.2016

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Speyer, 24. Oktober 2012, Az: S 1 AL 432/11, Urteil

§ 143a Abs 1 S 1 SGB 3 vom 23.12.2003, § 143a Abs 1 S 4 SGB 3, § 1a Abs 1 S 1 KSchG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 08.12.2016, Az. B 11 AL 5/15 R (REWIS RS 2016, 1151)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1151

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Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs


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6 AZR 423/09

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