Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.12.2019, Az. B 14 AS 33/18 B

14. Senat | REWIS RS 2019, 406

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts - Besetzung mit einem abgeordneten Richter


Tenor

Auf die Beschwerden der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 24. Oktober 2017 - L 10 AS 453/15 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Umstritten sind höhere Leistungen für den Zeitraum Juli bis August 2010. Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.5.2014). Die Berufung der Kläger blieb erfolglos, die Revision wurde nicht zugelassen (Urteil des L[X.] vom 24.10.2017). An dem Urteil hat der an das L[X.] abgeordnete [X.] am [X.] (R[X.]) S. mitgewirkt. R[X.] S. befand sich von Jan[X.]r bis September 2016 in der [X.] beim L[X.]. Im [X.] bis einschließlich Juli 2017 wurde die Erprobung mit Blick auf die Eingangsbelastung und insbesondere auf die erheblichen Bestände des L[X.] verlängert. Ab August 2017 ist eine weitere Verlängerung bis Dezember 2019 erfolgt mit dem Ziel, ihm eine sog "kleine Verwaltungserprobung" zu ermöglichen. In diesem Zeitraum ist er mit 50 % seiner Arbeitskraft für Verwaltungsaufgaben freigestellt worden.

2

Mit ihren Nichtzulassungsbeschwerden rügen die Kläger insbesondere als Verfahrensmangel eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des L[X.], weil an dem angefochtenen Urteil R[X.] S. mitgewirkt habe. Ein zwingender Grund für den Einsatz des [X.]s S. als nicht planmäßiger [X.] liege nicht vor. Vor dem Hintergrund der Dauer der Abordnung könne ausgeschlossen werden, dass sie noch der Eignungserprobung diene. Vielmehr gehe es allein darum, den Personalmangel am L[X.] zu beheben. Die Kläger haben weiter gerügt, dass an dem Berufungsurteil keine ehrenamtlichen [X.] mitgewirkt hätten. Darüber hinaus haben sie eine Grundsatzrüge erhoben.

3

II. Die Beschwerden sind zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil des L[X.] Mecklenburg-Vorpommern vom 24.10.2017 ist aufzuheben und die Sache an das L[X.] gemäß § 160a Abs 5 [X.]G zurückzuverweisen. Denn die Entscheidung des L[X.] beruht auf einem Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G.

4

Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist [X.] begründet, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§§ 160a, 160 Abs 2 [X.] [X.]G). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil die angefochtene Entscheidung des L[X.] unter Verletzung der Vorschriften über die Besetzung des L[X.] ergangen ist.

5

Das L[X.] besteht nach § 30 Abs 1 [X.]G aus dem Präsidenten, den Vorsitzenden [X.]n, weiteren Berufsrichtern und den ehrenamtlichen [X.]n, und jeder Senat des L[X.] wird nach § 33 Abs 1 Satz 1 [X.]G in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen [X.]n tätig. Die Verletzung der Vorschriften über die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts ist ein absoluter Revisionsgrund (§ 202 Satz 1 [X.]G iVm § 547 [X.] ZPO).

6

Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] sehen Art 92, 97 GG zur Sicherung der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit der [X.] vor, dass die Gerichte, soweit Berufsrichter beschäftigt werden, grundsätzlich mit hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten [X.]n besetzt sind; die Zahl der persönlich nicht unabhängigen "[X.]" ist so klein wie möglich zu halten, zwingende Gründe für deren Beschäftigung sind zum Beispiel gegeben, wenn für eine planmäßig endgültige Anstellung als [X.] in Betracht kommende Assessoren auszubilden sind, wenn planmäßige [X.] unterer Gerichte an obere Gerichte abgeordnet werden, um ihre Eignung zu erproben, wenn vorübergehend ausfallende planmäßige [X.], deren Arbeit von den im Geschäftsverteilungsplan bestimmten Vertretern neben den eigenen Aufgaben nicht bewältigt werden kann, vertreten werden müssen oder wenn ein zeitweiliger außergewöhnlicher Arbeitsanfall aufz[X.]rbeiten ist. Aber auch in solchen Fällen wäre die Verwendung von [X.]n nicht gerechtfertigt, wenn die Arbeitslast des Gerichts deshalb nicht bewältigt werden kann, weil es unzureichend mit Planstellen ausgestattet ist, oder weil die Justizverwaltung es versäumt hat, offene Planstellen binnen angemessener Frist zu besetzen ([X.] vom [X.] - 2 BvR 628/60 - [X.]E 14, 156 - juris Rd[X.]2 ff; [X.] vom 22.6.2006 - 2 BvR 957/05 - juris RdNr 7; B[X.] vom 25.4.2018 - [X.] [X.]/17 B - RdNr 6; B[X.] vom 25.4.2018 - [X.] [X.]/17 B - RdNr 6).

7

Ausgehend von diesen Maßstäben war das L[X.] bei seinem Urteil vom 24.10.2017 aufgrund der Mitwirkung des R[X.] S. nicht ordnungsgemäß besetzt. Ein zwingender Grund im obigen Sinne für das Tätigwerden des R[X.] S. statt eines planmäßigen [X.]s am L[X.] lag nicht vor. Der Senat stützt sich insoweit insbesondere auf die in den Verfahren B 13 R 107/17 B und [X.] [X.]/17 B bzw [X.] [X.]/17 B eingeholten Auskünfte der Präsidentin des L[X.] vom 6.7.2017, 17.10.2017 und vom [X.], auf die die Beschwerde Bezug genommen hat.

8

Der Senat hat bereits entschieden, dass für die Verlängerung der [X.] des R[X.] S. über September 2016 hinaus kein zwingender Grund ersichtlich war, weshalb das L[X.] bei seinen Entscheidungen vom [X.] und vom 28.3.2017, an denen er mitwirkte, nicht ordnungsgemäß besetzt war (B[X.] vom 25.4.2018 - [X.] [X.]/17 B - RdNr 9 ff; B[X.] vom 25.4.2018 - [X.] [X.]/17 B - RdNr 9 ff). Dies gilt auch für das vorliegende Berufungsurteil, das während der sog "kleinen Verwaltungserprobung" ergangen ist.

9

Nach der im Parallelverfahren eingeholten Stellungnahme der Präsidentin des L[X.] kommt als Grund für die Verlängerung der Abordnung von vornherein nur die Erprobung der Eignung des nicht planmäßigen [X.]s, diesmal im Hinblick auf Verwaltungsaufgaben, in Betracht. Der Senat hat in seinen beiden genannten Entscheidungen bereits Zweifel geäußert, ob eine Verwaltungserprobung bei gleichzeitiger spruchrichterlicher Tätigkeit nach Abschluss einer [X.], zumal in dieser Länge, eine Ausnahme vom Gebot des Einsatzes planmäßiger [X.] rechtfertigen kann (B[X.] vom 25.4.2018 - [X.] [X.]/17 B - Rd[X.]2; B[X.] vom 25.4.2018 - [X.] [X.]/17 B - Rd[X.]2). Der 11. Senat des B[X.] hat dies in der Zwischenzeit in einem ebenfalls das L[X.] Mecklenburg-Vorpommern betreffenden Verfahren für eine Verwaltungsabordnung bei fortwährender Übertragung mit Rechtsprechungsaufgaben in einem Umfang von 60 % der Arbeitskraft und über einen Zeitraum von 27 Monaten verneint (B[X.] vom 23.10.2018 - [X.] [X.] 43/18 B - RdNr 9 mit Anmerkung [X.] NZS 2019, 160). Dem schließt sich der Senat für den vorliegenden Fall einer "kleinen Verwaltungserprobung" über einen Zeitraum von 29 Monaten, in denen der abgeordnete [X.], wie es in dem Schreiben der Präsidentin vom [X.] heißt, "formal" mit 50 % seiner Arbeitskraft für Verwaltungsaufgaben freigestellt gewesen sei, an. Ein den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügender zwingender Grund für die Beteiligung des abgeordneten [X.]s anstelle eines planmäßigen [X.]s ist nicht erkennbar.

Weiterer Ermittlungen bedurfte es nicht. Insbesondere ist nicht entscheidend, ob die Verwaltungserprobung, wie ursprünglich geplant, tatsächlich zurzeit noch andauert oder ob sie im Hinblick auf die inzwischen ergangenen revisionsgerichtlichen Entscheidungen vorzeitig beendet worden ist. Zur Beurteilung der ordnungsgemäßen Besetzung der [X.]bank am [X.] der hier angegriffenen Entscheidung des L[X.] ist allein die ursprünglich beabsichtigte Dauer der Verwaltungserprobung entscheidend.

Angesichts des festgestellten [X.] kann eine Entscheidung über die von den Klägern außerdem erhobenen [X.] dahingestellt bleiben. Darauf hinzuweisen ist nur, dass der Senat des L[X.] ausweislich des Protokolls in der mündlichen Verhandlung mit den ehrenamtlichen [X.]n besetzt war, es sich also bei deren Nichtnennung im Urteil um ein offensichtliches Versehen gehandelt haben dürfte.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem L[X.] vorbehalten.

Meta

B 14 AS 33/18 B

12.12.2019

Bundessozialgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Neubrandenburg, 20. Mai 2014, Az: S 14 AS 1720/11, Urteil

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 30 Abs 1 SGG, § 33 Abs 1 S 1 SGG, § 202 S 1 SGG, § 547 Nr 1 ZPO, Art 92 GG, Art 97 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.12.2019, Az. B 14 AS 33/18 B (REWIS RS 2019, 406)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 406

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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