Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.04.2018, Az. B 14 AS 255/17 B

14. Senat | REWIS RS 2018, 10093

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - vorschriftsmäßige Besetzung - Besetzung mit abgeordnetem Richter


Tenor

Auf die Beschwerden der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 28. März 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Umstritten sind Leistungen nach dem [X.] für die Kläger, die das beklagte Jobcenter ablehnte. Das [X.] hat die auf Zahlung von Leistungen für verschiedene Zeiträume gerichteten Klagen abgewiesen (Urteile vom 19.11.2013), das L[X.] hat die Verfahren verbunden und die Berufungen der Kläger zurückgewiesen (Urteil vom 28.3.2017).

2

Mit ihren Nichtzulassungsbeschwerden rügen die Kläger insbesondere als Verfahrensmangel eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des L[X.], weil an dem angefochtenen Urteil der [X.] am [X.] (R[X.]) S mitgewirkt habe. Dieser sei zum Urteilszeitpunkt mehr als ein Jahr ans L[X.] abgeordnet gewesen, obwohl die übliche Erprobung in [X.] nur neun Monate dauere und keine Gründe für eine längere Abordnung ersichtlich seien. Kein planmäßiger [X.] am L[X.] sei ausgefallen und es habe keinen zeitweiligen außergewöhnlichen Arbeitsanfall oder eine unvorhergesehene Überlastung beim L[X.] gegeben. Der [X.] hat eine [X.] der Präsidentin des L[X.] vom [X.] zur Abordnung des [X.]s und der Gründe hierfür in dem parallel gelagerten Verfahren mit dem Aktenzeichen - [X.] [X.]/17 B -, das sich gegen denselben Beklagten richtet und in dem die dortigen Klägerinnen von derselben Prozessbevollmächtigten vertreten werden, eingeholt und den Beteiligten des hiesigen Verfahrens zur Kenntnis übersandt. Die Kläger haben zur Begründung ihrer Beschwerden Auskünfte der Präsidentin des L[X.] vom 6.7.2017 und 17.10.2017 in einem Verfahren vor dem 13. [X.] des B[X.] vorgelegt, in dem dieselbe Rüge in Bezug auf einen anderen an das L[X.] abgeordneten [X.] erhoben worden ist.

3

II. Die Beschwerden sind zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil des L[X.] [X.] vom 28.3.2017 ist aufzuheben und die Sache an das L[X.] gemäß § 160a Abs 5 [X.]G zurückzuverweisen. Denn die Entscheidung des L[X.] beruht auf einem Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G.

4

Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist [X.] begründet, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§§ 160a, 160 Abs 2 [X.] [X.]G). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil die angefochtene Entscheidung des L[X.] unter Verletzung der Vorschriften über die Besetzung des L[X.] ergangen ist.

5

Das L[X.] besteht nach § 30 Abs 1 [X.]G aus dem Präsidenten, den Vorsitzenden [X.]n, weiteren Berufsrichtern und den ehrenamtlichen [X.]n, und jeder [X.] des L[X.] wird nach § 33 Abs 1 Satz 1 [X.]G in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen [X.]n tätig. Die Verletzung der Vorschriften über die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts ist ein absoluter Revisionsgrund (§ 202 Satz 1 [X.]G iVm § 547 [X.] 1 ZPO).

6

Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] sehen Art 92, 97 GG zur Sicherung der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit der [X.] vor, dass die Gerichte, soweit Berufsrichter beschäftigt werden, grundsätzlich mit hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten [X.]n besetzt sind; die Zahl der persönlich nicht unabhängigen "[X.]" ist so klein wie möglich zu halten, zwingende Gründe für deren Beschäftigung sind zum Beispiel gegeben, wenn für eine planmäßig endgültige Anstellung als [X.] in Betracht kommende Assessoren auszubilden sind, wenn planmäßige [X.] unterer Gerichte an obere Gerichte abgeordnet werden, um ihre Eignung zu erproben, wenn vorübergehend ausfallende planmäßige [X.], deren Arbeit von den im Geschäftsverteilungsplan bestimmten Vertretern neben den eigenen Aufgaben nicht bewältigt werden kann, vertreten werden müssen oder wenn ein zeitweiliger außergewöhnlicher Arbeitsanfall aufz[X.]rbeiten ist. Aber auch in solchen Fällen wäre die Verwendung von [X.]n nicht gerechtfertigt, wenn die Arbeitslast des Gerichts deshalb nicht bewältigt werden kann, weil es unzureichend mit Planstellen ausgestattet ist, oder weil die Justizverwaltung es versäumt hat, offene Planstellen binnen angemessener Frist zu besetzen ([X.] vom [X.] - 2 BvR 628/60 - [X.]E 14, 156 - juris Rd[X.] 12 ff; zuletzt etwa [X.] vom 22.6.2006 - 2 BvR 957/05 - juris Rd[X.] 7).

7

Ausgehend von diesen Maßstäben war das L[X.] bei seinem Urteil vom 28.3.2017 aufgrund der Mitwirkung des R[X.] S nicht ordnungsgemäß besetzt. Ein zwingender Grund im obigen Sinne für das Tätigwerden des R[X.] S statt eines planmäßigen [X.]s am L[X.] lag nicht vor, wie sich aus den eingeholten Auskünften der Präsidentin des L[X.] ergibt.

8

Die nach der [X.] der Präsidentin des L[X.] vom [X.] erfolgte Abordnung des R[X.] S zur Erprobung vom 1.1. bis zum [X.] war beendet.

9

Auch die Voraussetzungen für eine der zwei anderen vom [X.] angeführten Ausnahmen - vorübergehender Ausfall planmäßiger [X.], deren Arbeit von den im Geschäftsverteilungsplan bestimmten Vertretern neben den eigenen Aufgaben nicht bewältigt werden kann, oder zeitweiliger außergewöhnlicher Arbeitsanfall - waren nicht gegeben.

Ein Ausfall planmäßiger [X.] ist der [X.] der Präsidentin vom [X.] nicht zu entnehmen. In dieser wird vielmehr ausgeführt: Die Abordnung des R[X.] S sei zunächst bis zum 31.12.2017 und dann zum 1.8.2017 vorzeitig bis zum 31.12.2019 verlängert worden, um dem [X.] eine "kleine Verwaltungserprobung" zu ermöglichen, die nach dem Personalentwicklungskonzept des [X.] Voraussetzung für die Übertragung zB des Amtes eines ständigen Vertreters des Direktors eines Gerichts sei. Zur Begründung der Verlängerung der Abordnung über den [X.] hinaus wird in der [X.] mitgeteilt, dies sei mit Blick auf die Eingangsbelastung und insbesondere die erheblichen Bestände des L[X.] erfolgt. Alle dem L[X.] zugewiesenen Planstellen seien besetzt gewesen, den wiederholten Anzeigen eines erhöhten Stellenbedarfs gegenüber dem Ministerium sei erst im [X.] 2016 durch Ausschreibung einer weiteren Stelle Rechnung getragen worden, die dann Anfang 2017 besetzt werden konnte. Im [X.] 2018/2019 seien dem L[X.] zwei weitere Stellen zugewiesen worden. Die in der [X.] der Präsidentin vom 17.10.2017 angesprochene Abordnung eines Vorsitzenden [X.]s am L[X.] in das [X.] ist kein Ausfall eines planmäßigen [X.]s im Sinne der Rechtsprechung des [X.], sondern eine gezielte Personalmaßnahme.

Ein zeitweiliger außergewöhnlicher Arbeitsanfall ist der [X.] vom [X.] ebenfalls nicht zu entnehmen. Sie spricht vielmehr für eine dauerhafte erhebliche Belastung des L[X.] durch entsprechende Eingänge, die durch das Zahlenwerk in der [X.] der Präsidentin vom 17.10.2017 untermauert wird und nahezu zwangsläufig zu einer Bestandsbelastung führt, sowie eine nicht ausreichende Ausstattung des L[X.] mit Planstellen - zumindest in der Vergangenheit.

Ein möglicher anderer Grund für eine Ausnahme von der Besetzung des [X.]s des L[X.] mit hauptamtlichen [X.]n am L[X.], der mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben nach der Rechtsprechung des [X.] vereinbar ist, ist nicht zu erkennen. Die Frage, ob die in der [X.] angeführte "kleine Verwaltungserprobung" überhaupt ein Grund für eine Abordnung nach der Rechtsprechung des [X.] ist, was schon aufgrund ihrer Länge Zweifeln unterliegt, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, da sie erst am 1.8.2017 begann.

Angesichts dieses [X.] kann eine Entscheidung über die von den Klägern außerdem erhobenen [X.] dahingestellt bleiben.

Das L[X.] wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 14 AS 255/17 B

25.04.2018

Bundessozialgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Neubrandenburg, 19. November 2013, Az: S 14 AS 550/13, Urteil

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 30 Abs 1 SGG, § 33 Abs 1 S 1 SGG, § 202 S 1 SGG, § 547 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.04.2018, Az. B 14 AS 255/17 B (REWIS RS 2018, 10093)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10093

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 14 AS 157/17 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - vorschriftsmäßige Besetzung - Besetzung mit abgeordnetem Richter


B 14 AS 33/18 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts - Besetzung mit einem …


B 13 R 107/17 B (Bundessozialgericht)


B 13 R 217/17 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Besetzungsrüge - nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Senats - Mitwirkung eines …


B 11 AL 43/18 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts - Besetzung mit …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.