Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2001, Az. III ZR 102/00

III. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 2753

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BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEIL[X.]/00Verkündet am:26. April 2001F r e i t a gJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:nein[X.]R:[X.] 1978 § 2Zur Haftung der Gemeinde nach § 2 [X.], wenn bei [X.] der Regenwasserkanalisation austretendes Wasser oder- möglicherweise auch nur zu einem wesentlichen Teil - von [X.] nicht aufgenommenes Oberflächenwasser ein anlie-gendes Grundstück überschwemmt.[X.], Urteil vom 26. April 2001 - [X.]/00 -O[X.] Düsseldorf [X.] Mönchengladbac- 2 -Der III. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 26. April 2001 durch [X.] [X.] und die [X.]. [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der [X.]n zu 1 wird das Grundurteil [X.] des [X.] vom 23. März2000 im Kostenpunkt - mit Ausnahme der Entscheidung über [X.] Kosten des früheren [X.]n zu 2 - und in-soweit aufgehoben, als zum Nachteil der [X.]n zu 1 [X.] ist.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweitenVerhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Re-visionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.Von Rechts wegen- 3 -TatbestandDie Kläger waren Eigentümer des Hanggrundstücks [X.] in [X.]. [X.] einem Wohnhaus bebaute Grundstück liegt unterhalb der quer zum [X.] (Kreisstraße 146) im Bereich eines früheren [X.].Etwa gegenüber mündet von oben in die Kreisstraße ein im Eigentum der Orts-gemeinde stehender geteerter Wirtschaftsweg ein, neben dem im oberenBereich bis ca. 85 m vor der Einmündung ein offener Graben verläuft. Von [X.] das im [X.] gesammelte Niederschlagswasser unterirdischdurch Rohre und einen weiteren offenen Graben in die [X.]walm. An die [X.] ist auch die Entwässerung der [X.] angeschlossen.Am 13. und 14. Juli 1997 kam es in [X.]. zu starken Regenfällen, in de-ren Folge [X.] im Haus der Kläger überschwemmt wurde. Die Kläger ha-ben den [X.]aden auf einen Rückstau innerhalb des Rohrnetzes zurückgeführtund behauptet, im Einmündungsbereich des [X.] seien infolge [X.] die Kanaldeckel aus ihren Verankerungen gedrückt worden, sodaß das aus den Gullys hochschießende Wasser über die [X.] auf [X.] geflossen sei. Wegen ihres auf 78.427,78 DM bezifferten [X.]a-dens haben die Kläger die erstbeklagte Gemeinde als Betreiberin der [X.] und den für die Unterhaltung des Grabens unterhalb der [X.] verantwortlichen zweitbeklagten Wasserverband gesamtschuldnerischauf Zahlung in Anspruch genommen. Das [X.] hat die Klage insgesamtabgewiesen. Das [X.] hat nach Rücknahme der Klage gegenden Wasserverband die gegen die [X.] zu 1 (künftig: die [X.]) ge-richtete Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und zur Entscheidung- 4 -über die Höhe des Anspruchs den Rechtsstreit an das [X.] zurückver-wiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der [X.]n.[X.] Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit es [X.] der [X.]n ergangen ist, und zur Zurückverweisung des [X.] an das Berufungsgericht.I.Nach Ansicht des [X.] haftet die Gemeinde den [X.] § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Das gemeindliche Kanalisationsnetz gehöre zuden unter § 2 [X.] fallenden Rohrleitungsanlagen. Der geltend gemachte[X.]aden sei nach dem unstreitigen [X.]vortrag auch durch die [X.] von der Rohrleitung ausgehenden Wassers entstanden. Dem Klagevor-bringen über die Ursachen der Überschwemmung sei die [X.] nämlich [X.] mündlichen Verhandlung vor dem [X.] nicht, jedenfalls nichthinreichend, entgegengetreten. Auf einen Hinweis des [X.], essehe als unstreitig an, daß das Wasser aus der Kanalisation ausgetreten undvon dort in [X.] der Kläger gelangt sei, habe die [X.] die [X.] Kläger zwar im Verhandlungstermin erstmals bestritten. Dieses [X.] jedoch als verspätet zurückzuweisen. Ebensowenig könne sich die Be-- 5 -klagte auf höhere Gewalt im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 3 [X.] berufen. Sie ha-be allerdings mehrfach von "der schlimmsten Flut seit 30 Jahren" und einem"Jahrhunderthochwasser" gesprochen. Konkrete Angaben über [X.]smenge und -intensität und die statistische Wiederkehrzeit ließen sichdiesem Vortrag jedoch nicht entnehmen. Erst auf einer solchen Grundlage wä-re, meint das Berufungsgericht, eine Prüfung möglich, ob ein katastrophenarti-ges Unwetter hier "höherer Gewalt" gleichgestellt werden könnte.[X.] Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis [X.] ist allerdings der Ausgangspunkt des [X.]. Zuden in § 2 Abs. 1 [X.] genannten Rohrleitungsanlagen rechnet der [X.] inständiger Rechtsprechung auch die gemeindliche [X.]([X.]Z 109, 8, 12; 115, 141, 142; jew. m.w.[X.]). Inhaberin der Anlage war [X.] zumindest auch die [X.], ungeachtet dessen, daß das [X.] zugleich dem Abfluß des im [X.] des [X.] gesam-melten Niederschlagswassers und damit möglicherweise eines Gewässersdiente, für das das Berufungsgericht eine Verantwortlichkeit der Gemeindenicht festgestellt hat (vgl. hierzu [X.]surteil vom 27. Januar 1983 - [X.]/81 - [X.] § 839 [Fe] BGB Nr. 74 = DVBl. 1983, 1055 f.). Soweit [X.] dem Kanalnetz ausgetreten und von dort auf das Grundstück der [X.] sein sollte, wäre der [X.]aden ferner auf die Wirkungen der [X.] Flüssigkeit zurückzuführen (s. [X.]surteile [X.]Z 109, 8, 12 f.; 115,- 6 -141 f.; Urteil vom 14. Juli 1988 - [X.]/87 - NJW 1989, 104 f.). Anders [X.] dagegen bei Niederschlagswasser, das ungefaßt schon nicht in die Kanali-sation gelangt ist ([X.]Z 114, 380, 381 ff.; 115, 141, 143; 140, 380, 390). [X.] käme eine Ersatzpflicht der beklagten Gemeinde allenfalls nach [X.] (§ 839 BGB, Art. 34 GG) oder wegen enteignungsglei-chen Eingriffs in Betracht (vgl. etwa [X.]Z 109, 8, 10; 115, 141,147 f.; 125, 19,20 f.; 140, 380, 384 ff.).2.Das Berufungsgericht hat das Vorbringen der Kläger, das [X.] sei im [X.]adensfall fontänenartig aus den Gullys der Kanalisa-tion herausgeschossen und habe anschließend ihr Grundstück überflutet, [X.] zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat unstreitig [X.] das ausdrückliche Bestreiten eines solchen Verlaufs im Verhandlungster-min als verspätet zurückgewiesen. Das rügt die Revision mit Recht als verfah-rensfehlerhaft.a) Dem Berufungsgericht ist schon nicht darin zuzustimmen, daß die[X.] den Klagevortrag über die Ursachen der Überschwemmung bis dahinunbestritten gelassen hat. Die [X.] hatte die Behauptung, das [X.] sei aus den Kanalöffnungen wieder ausgetreten, zwar nicht ausdrücklichbestritten. Sie hatte ihr jedoch einen abweichenden, mit der [X.]ilderung [X.] unvereinbaren Sachverhalt entgegengesetzt, demzufolge der [X.] als Oberflächenwasser - d.h. entgegen dem Verständnis des [X.]s ungefaßt - höchstwahrscheinlich vom Hang her über den [X.] zunächst die Kreisstraße und sodann das Grundstück der Klägerüberflutet habe. Nach § 138 ZPO genügt es, daß die Absicht, die vom Gegnervorgetragenen Tatsachen bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen- 7 -der [X.] hervorgeht. Angesichts der beiderseitigen gegensätzlichen Sachdar-stellungen kann daran hier kein vernünftiger Zweifel bestehen.b) Selbst wenn aber etwa verbleibende Unklarheiten, inwieweit die [X.] den Behauptungen der Kläger über die [X.]adensursachen entgegen-treten wollte, dadurch nicht ausgeräumt gewesen sein sollten, hätte das [X.] die Klarstellung seitens der [X.]n in der [X.] nicht als verspätet zurückweisen dürfen. Mit Recht hat das Oberlan-desgericht dann einen Aufklärungsbedarf gesehen und deswegen einen rich-terlichen Hinweis gemäß § 139 ZPO für geboten erachtet. Ein solcher Hinweiserfüllt seinen Zweck jedoch nur dann, wenn der [X.] anschließend die [X.] eröffnet wird, ihren Sachvortrag unter Berücksichtigung des Hinweiseszu ergänzen ([X.]Z 127, 254, 260; 140, 365, 371; [X.], Urteil vom 8. [X.] - [X.] - NJW 1999, 2123, 2124). Die Verfahrensweise des [X.]s, die Präzisierung des [X.]nvorbringens nunmehr wegenVerspätung unbeachtet zu lassen, verfehlt diesen Zweck und läßt seinen erstin der mündlichen Verhandlung gegebenen Hinweis sinnlos erscheinen; sieverstößt damit zugleich gegen das Verbot von Überraschungsentscheidungen(§ 278 Abs. 3 ZPO).III.Für eine Sachentscheidung des [X.]s fehlt es bislang an verfahrens-fehlerfrei getroffenen Feststellungen. Aus diesem Grund ist das Berufungsurteilaufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an- 8 -das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist [X.] auf folgendes hin:1.Sollte sich die Behauptung der Kläger, die auf ihr Grundstück geflosse-nen Wassermassen entstammten der Kanalisation der [X.]n, ganz oder zuwesentlichen Teilen als richtig erweisen, käme es insoweit auf die im [X.] Urteil verneinte Frage an, ob der von der [X.]n behauptete [X.] zum Ausschluß ihrer Haftung wegen höherer Gewalt im Sinnedes § 2 Abs. 3 Nr. 3 [X.] führen kann. Der [X.] hat bisher offengelassen,ob sich in derartigen Fällen die Annahme höherer Gewalt schon deshalb ver-bietet, weil die [X.]adensfolge nicht einem betriebsfremden "[X.]" zu-zurechnen, sondern Ausfluß des mit dem Betrieb der Anlage verbundenen be-sonderen Risikos ist ([X.]Z 109, 8, 14 f.; eine Berufung auf höhere Gewaltlassen dagegen bei katastrophenartigen Unwettern zu: O[X.] Düsseldorf [X.], 326, 328; O[X.] München O[X.]-Report 2000, 62; O[X.] ZweibrückenBADK-Inf. 1991, 53, 54; Filthaut, [X.], 5. Aufl., § 2 Rn. 74; verneinend [X.] mit einer Wiederkehrzeit von zehn Jahren O[X.] Karlsruhe NVwZ-RR 2001, 147, 148; die hiergegen eingelegte Revision hat der [X.] mit Be-schluß vom 19. Oktober 2000 - [X.] - nicht angenommen). Beim ge-genwärtigen Verfahrensstand ist dies auch hier nicht zu entscheiden. [X.] wäre jedenfalls ein ganz ungewöhnlicher und seltener Starkregen(Katastrophenregen), auf den die [X.] ihre Kanalisation auch unter [X.] der durch den konzentrierten Transport von Wasser erhöhtenGefährdung Dritter wirtschaftlich zumutbar nicht auslegen mußte und konnte(vgl. [X.]Z 109, 8, 15).- 9 -Das Berufungsgericht wird unter Berücksichtigung dieser [X.] gegebenenfalls erneut zu prüfen haben, ob der Hinweis der Beklag-ten auf einen Katastrophenregen insoweit erheblich ist. Mangelnde Substanti-ierung wird es deren Vorbringen dabei allerdings nicht entgegenhalten können,wie die Revision ebenfalls mit Recht rügt. Ein [X.]vorbringen ist grundsätzlichschon dann schlüssig (oder - als Einwendung - erheblich), wenn die [X.] Tatsache das gesetzliche Tatbestandsmerkmal ausfüllt; zur Darstellungweiterer Einzelheiten ist die [X.] grundsätzlich nicht verpflichtet, [X.] dann nicht, wenn ihr dies mangels eigener Kenntnisse nicht möglich ist(st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 25. November 1998 - [X.], 360; vom 11. September 2000 - [X.] - NJW 2001, 144,145 m.w.[X.]). Da die [X.] in bezug auf Regenmenge und -intensität überkeine erkennbar erhöhte Sachkunde verfügt, kann von ihr der vom Berufungs-gericht geforderte Vortrag konkreter Meßergebnisse für das fragliche Gebietoder die exakte Darlegung der statistischen Wiederkehrzeit nicht verlangt [X.] sich demgegenüber heraus, daß das Kanalnetz der [X.]n daswild abfließende Oberflächenwasser zumindest in wesentlichen Teilen schonnicht aufgenommen hat und diese Wassermassen sodann auf das [X.] Kläger gelangt sind, wird das Berufungsgericht den Behauptungen der Klä-ger nachzugehen haben, die gemeindliche [X.] sei unterdi-mensioniert und sei zudem jahrelang nicht gereinigt [X.] die [X.] hiernach nur für einen Teil der schadensursächli-chen Wassermengen, insbesondere nur für das aus der Kanalisation ausge-tretene Wasser, sofern auch nicht gefaßtes Oberflächenwasser in erheblichem- 10 -Umfang auf das Grundstück geflossen ist und bei der Entstehung des [X.]a-dens mitgewirkt hat, wird das Berufungsgericht - gegebenenfalls mit sachver-ständiger Hilfe - den darauf entfallenden Haftungsanteil gemäß § 287 ZPO zuschätzen haben.[X.][X.][X.] [X.] Galke

Meta

III ZR 102/00

26.04.2001

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2001, Az. III ZR 102/00 (REWIS RS 2001, 2753)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 2753

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