Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2006, Az. III ZR 121/05

III. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 5536

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/05 Verkündet am: 19. Januar 2006 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja GG Art. 14 [X.] Beim Überlauf eines offenen Regenrückhaltebeckens infolge eines Katastro-phenregens kann sich die [X.] gegenüber der Haftung aus enteignen-dem Eingriff grundsätzlich auf höhere Gewalt berufen. Das setzt allerdings voraus, dass sie alle technisch möglichen und mit wirtschaftlich zumutbarem Aufwand realisierbaren Sicherungsmaßnahmen ergriffen hatte, um eine Über-schwemmung der Nachbargrundstücke zu verhindern, oder dass sich der Schaden auch bei solchen Maßnahmen ereignet hätte (Fortführung von [X.] 158, 263 und 159, 19). [X.], Urteil vom 19. Januar 2006 - [X.]/05 - OLG [X.]

LG Kiel - 2 - Der II[X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2006 durch [X.] und [X.] [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 21. April 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der [X.] erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand Der Kläger ist Eigentümer eines im Gebiet der beklagten [X.] [X.]gelegenen [X.]. Oberhalb des Grundstücks, etwa 40 m vom Haus entfernt, befindet sich am Hang ein von der [X.] [X.] offenes Regenrückhaltebecken, das an die Regenwasserkanalisation eines darüber liegenden Neubaugebiets angeschlossen ist. In der wasserrecht-lichen Genehmigung hierzu ist unter anderem bestimmt, es sei durch eine Ver-wallung bzw. Gestaltung des Geländes zwischen dem Regenrückhaltebecken 1 - 3 - und den angrenzenden bebauten Grundstücken sicherzustellen, dass bei einer Überstauung des Beckens die Nachbargrundstücke nicht überflutet würden. Am 17./18. Juli 2002 kam es im Umkreis der [X.] zu einem Stark-regen, in dessen Folge auch das [X.] überflutet wurde. Der Klä-ger hat dies zum größten Teil auf den Übertritt erheblicher Wassermengen aus dem Regenrückhaltebecken zurückgeführt und der [X.] verschiedene Fehler bei der Planung und Ausführung der Anlage vorgeworfen. Die Beklagte hat sich unter anderem auf einen statistisch nur alle 100 Jahre vorkommenden Katastrophenregen berufen. Das [X.] hat die auf Zahlung von [X.] in Höhe von 4.414 • sowie auf Feststellung der weiteren Ersatz-pflicht der [X.] gerichtete Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr in Höhe von 2.964 • nebst Zinsen stattgegeben und die Berufung des [X.] im Übrigen zurückgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte im Umfang ihrer Beschwer ihren Klageabwei-sungsantrag weiter. 2 Entscheidungsgründe Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils, soweit zum Nachteil der [X.] erkannt ist, und insoweit zur [X.] an das Berufungsgericht. 3 - 4 - [X.] Das Berufungsgericht bejaht unter Bezugnahme auf das Senatsurteil [X.] 158, 263 einen Entschädigungsanspruch des [X.] aus enteignendem Eingriff. Die vom [X.] dabei offen gelassene Frage, ob ein ganz ungewöhnlicher und seltener Starkregen (Katastrophenregen) eine Haftung der [X.] für den Überlauf eines offenen Regenrückhaltebeckens entfallen [X.], sei auch unter Berücksichtigung der späteren Senatsentscheidung [X.] 159, 19 zur Gefährdungshaftung nach § 2 HPflG bei einem Rückstau in der [X.] zu verneinen. Ein offenes Regenrückhaltebecken von einiger Größe unterscheide sich durch zwei Momente von einem Kanalsystem, die es gerechtfertigt erscheinen ließen, eine Haftung aus enteignendem Eingriff auch bei einem außergewöhnlichen Regenereignis zu bejahen. Zum einen be-deute ein solches Regenrückhaltebecken für die benachbarten [X.] ein Gefährdungspotential, welches dasjenige deutlich übersteige, das eine [X.] für die Anrainer mit sich bringe, insbesondere, wenn das Becken an einem Hang oberhalb von Privatgrundstücken wie vorliegend belegen sei. Zum anderen bewege sich der wirtschaftliche Aufwand der [X.], um auch bei einem Katastrophenregen einen Überlauf auszuschließen, noch in einem zumutbaren Rahmen. Auf die Frage, ob es sich bei dem hier nie-dergegangenen Regen tatsächlich um einen außergewöhnlichen und seltenen Starkregen gehandelt habe, komme es deshalb nicht an. Entscheidend sei [X.], ob das in [X.] des [X.] eingedrungene Wasser jedenfalls ganz überwiegend aus dem Regenrückhaltebecken der [X.] gestammt habe. Davon sei das Berufungsgericht überzeugt. Der Einwand der [X.], der Wassereinbruch wäre einige Minuten später jedenfalls in gleicher Weise ge-schehen, weil infolge des starken Regens Wasser vom Neubaugebiet [X.] geflossen wäre, greife nicht durch. Es lasse sich nicht mit hinreichender 4 - 5 - Sicherheit aufklären, wie der Verlauf der Dinge gewesen wäre, wenn aus dem Regenrückhaltebecken kein Wasser ausgetreten wäre. I[X.] Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. 5 1. Im Ansatz mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings einen Anspruch des [X.] aus enteignendem Eingriff geprüft. Solche Ansprüche kommen in Betracht, wenn an sich rechtmäßige hoheitliche Maßnahmen bei einem Betrof-fenen zu - meist atypischen und unvorhergesehenen - Nachteilen führen, die er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hinnehmen muss, die aber die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren übersteigen (vgl. Senatsurteile [X.] 91, 20, 21 f., 26 f.; 158, 263, 267 m.w.N.). Das hat der Senat in dem vom Berufungsgericht angeführten Urteil [X.] 158, 263, 268 f. auch für Schäden aus dem Überlauf eines in das Kanalsystem der [X.] eingegliederten [X.] angenommen, ungeachtet dessen, dass es dazu erst aufgrund starker Regenfälle kommen konnte. Derartige Umstände liegen nicht außerhalb der von hoher Hand geschaffenen und in dem Bauwerk selbst ange-legten Gefahrenlage. Für den Streitfall gilt nichts anderes. Feststellungen zu den vom Kläger behaupteten Mängeln beim Bau und Betrieb der Anlage, die gegebenenfalls einen Amtshaftungsanspruch oder einen Anspruch aus (rechts-widrigem) enteignungsgleichem Eingriff rechtfertigen könnten, hat das [X.] nicht getroffen. Für das Revisionsverfahren ist deswegen zuguns-ten der [X.] davon auszugehen, dass die von ihr getroffenen hoheitlichen Maßnahmen insgesamt rechtmäßig waren. 6 - 6 - 2. Der Senat hat in dem genannten Urteil indessen ausdrücklich offen ge-lassen, ob bei wertender Betrachtung anders zu entscheiden wäre, wenn der Überstau des Regenrückhaltebeckens durch einen ganz ungewöhnlichen und seltenen Starkregen (Katastrophenregen), wie er hier mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts gleichfalls unterstellt werden muss, [X.] wurde. Er beantwortet diese Frage nunmehr im [X.] an das zu § 2 Abs. 3 HPflG ergangene Senatsurteil [X.] 159, 19, 22 ff. dahin, dass sich die [X.] grundsätzlich auch gegenüber der Haftung aus enteignendem Eingriff auf eine in einem Katastrophenregen zum Ausdruck kommende höhere Gewalt berufen kann. In einem solchen Fall verwirklicht sich zwar ebenso die ständige latente Gefährdung der [X.]. Die auf der [X.] für die Herrschaft über bestimmte Gefahrenstellen, insbesondere für den Betrieb gefährlicher Anlagen, beruhende Haftung des Inhabers, wie sie auch hier trotz der abweichenden Rechtsgrundlage des [X.] in Rede steht, findet jedoch nach den gesetzlichen Bestimmungen und der ihnen zugrunde liegenden Bewertung des Gesetzgebers fast durchweg ihre Grenze an den Wirkungen höherer Gewalt (für die Anlagenhaftung: § 2 Abs. 3 Nr. 3 HPflG). Das Schadensereignis ist dann letztlich nicht mehr den Risiken der An-lage, sondern dem von außen kommenden "Drittereignis" (hier: Naturkatastro-phe) zuzurechnen. Eine generelle Ausnahme von diesen Grundsätzen für ein in das gemeindliche Kanalnetz eingegliedertes Regenrückhaltebecken ist nicht gerechtfertigt. Soweit das Berufungsgericht dem entgegen auf ein allgemein höheres Gefährdungspotential von Regenrückhaltebecken sowie auf einen [X.] wirtschaftlichen Aufwand bei deren Errichtung verweist, kann dem im Einzelfall hinreichend unter dem Gesichtspunkt Rechnung getragen werden, dass die [X.] auch bei einem außergewöhnlichen Naturereignis alles ihr Zumutbare zur Verhütung von Schäden getan haben muss (s. sogleich). 7 - 7 - 3. Ein Haftungsausschluss wegen der Wirkungen elementarer Naturkräfte setzt wie allgemein die Berufung auf höhere Gewalt nach ständiger Rechtspre-chung voraus, dass das Schadensereignis mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann (vgl. nur Se-natsurteil [X.] 159, 19, 23 m.w.N.). Dieser Gesichtspunkt lässt sich in gleicher Weise auf die Ersatzpflicht aus enteignendem Eingriff infolge der Überflutung eines Regenrückhaltebeckens übertragen. Es reicht deswegen in solchen Fäl-len nicht aus, dass die [X.] einen ganz außergewöhnlichen Starkregen vorträgt. Sie muss darüber hinaus darlegen und notfalls beweisen, dass sie alle technisch möglichen und mit wirtschaftlich zumutbarem Aufwand realisierbaren Sicherungsmaßnahmen ergriffen hat, um einen Überstau des [X.] und eine Überschwemmung der Nachbargrundstücke zu verhindern, oder dass sich der Schaden auch bei derartigen Maßnahmen ereignet hätte. Als eine solche Gegenmaßnahme kommt vorliegend zumindest der bereits in der wasserrechtlichen Genehmigung verlangte, eine Überflutung [X.] in Betracht. 8 4. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht das [X.] nicht geprüft. Die Zurückverweisung gibt ihm Gelegenheit, dies nachzuholen. [X.] weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht, sollte es [X.] erneut zu einer Haftung der [X.] gelangen, deren Einwand wird nachgehen müssen, einige Minuten später wäre das Grundstück des [X.] ohnehin durch vom Hang neben dem Regenrückhaltebecken herabfließende Wassermassen in gleicher Weise überschwemmt worden. Die Revision rügt zu 9 - 8 - Recht, dass das Berufungsgericht vor Feststellung einer Unaufklärbarkeit des [X.] den hierzu von der [X.] angebotenen [X.] hätte erheben müssen. [X.] [X.] [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 29.01.2004 - 17 O 116/03 - OLG [X.], Entscheidung vom 21.04.2005 - 11 U 31/04 -

Meta

III ZR 121/05

19.01.2006

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2006, Az. III ZR 121/05 (REWIS RS 2006, 5536)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5536

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