Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 02.02.2016, Az. 1 BvR 3078/15

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2016, 16802

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Vergabe von Sportwettkonzessionen - Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde bei unzureichenden Darlegungen zur Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes


Gründe

1

Die Beschwerdeführerin, ein Sportwettunternehmen, macht eine Verletzung ihrer Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte durch die Gewährung von Eilrechtsschutz in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren über die Vergabe von Sportwettkonzessionen geltend.

2

Sie hatte sich in einem vom [X.] durchgeführten Vergabeverfahren um eine von zwanzig bundesweiten Konzessionen für die Veranstaltung von Sportwetten beworben. Nach Abschluss des Auswahlverfahrens hatte das [X.] angekündigt, dass eine der Konzessionen der Beschwerdeführerin erteilt werden solle. Die vier Antragstellerinnen in den Ausgangsverfahren (im Folgenden: Antragstellerinnen), die nach der Ankündigung des [X.]s keine Konzession erhalten sollten, begehrten gegen die Konzessionsvergabe vorbeugenden Eilrechtsschutz. Daraufhin untersagten die Verwaltungsgerichte [X.] und [X.] in insgesamt vier Verfahren, zu denen die Beschwerdeführerin beigeladen wurde, dem [X.] einstweilen die Konzessionsvergabe (unter anderem VG [X.], Beschluss vom 5. Mai 2015 - 5 L 1453/14.WI -, juris; VG [X.], Beschluss vom 27. Mai 2015 - 2 L 3002/14.F -, BeckRS 2015, 46878). Die Antragstellerinnen hätten einen Anordnungsanspruch, da das durchgeführte Konzessionsverfahren gegen das unionsrechtliche Gebot eines transparenten Auswahlverfahrens verstoßen habe (VG [X.], a.a.[X.], Rn. 51 ff.; VG [X.], a.a.[X.]).

3

Die dagegen gerichteten Beschwerden der Beschwerdeführerin wies der [X.] durch die vier angegriffenen Beschlüsse zurück. Das im Glücksspielstaatsvertrag geregelte Konzessionssystem für Sportwetten verletze die Antragstellerinnen in ihrer Berufsfreiheit, da die vorgesehene Übertragung der verbindlichen Entscheidung über die Konzessionsvergabe auf ein Glücksspielkollegium, das aus Vertretern der 16 Bundesländer bestehe und mit Zweidrittelmehrheit entscheide, der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes widerspreche und das Kollegium nicht hinreichend demokratisch legitimiert sei.

4

Die Beschwerdeführerin sieht insbesondere durch das Absehen des [X.] von einer Vorlage zum [X.] gemäß Art. 100 Abs. 1 GG und von der Einleitung eines [X.] zum Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV ihr Recht auf [X.] verletzt. In keiner der vorangegangenen Entscheidungen habe der [X.] die jetzt angenommene Verfassungswidrigkeit auch nur angedeutet, sondern vielmehr die Beschwerdeführerin auf § 44a VwGO verwiesen.

5

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 [X.] nicht vorliegen und auch im Übrigen eine Annahme nicht geboten ist. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, da die Beschwerdeführerin nicht in einer den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] entsprechenden Weise dargelegt hat, dass ihre Verfassungsbeschwerde dem Grundsatz der Subsidiarität aus § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.] gerecht wird.

6

Danach hat ein Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht nur formal zu beschreiten, sondern er muss von den fachgerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten in einer Weise Gebrauch machen, die gewährleistet, dass sich das Fachgericht mit seinem Vorbringen sachlich auseinandergesetzt hat (vgl. [X.] 91, 93 <107>). Daher hat er auch darzulegen, dass der Rechtsweg in gehöriger Weise erschöpft wurde, er also die zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zur Vermeidung oder Beseitigung eines Grundrechtsverstoßes genutzt hat (vgl. [X.] 112, 304 <314 f.>). Dazu gehört es, dass er entsprechende Rechtsmittelschriftsätze vorlegt oder ihrem Inhalt nach wiedergibt, da andernfalls nicht überprüft werden kann, ob ein Beschwerdeführer selbst den Erfolg seines Rechtsmittels durch eine nicht genügende Begründung vereitelt hat (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 22. Mai 2012 - 2 BvR 2207/10 -, juris, Rn. 7).

7

Die Beschwerdeführerin hat weder Schriftsätze der Ausgangsverfahren noch die erstinstanzlichen Beschlüsse vorgelegt. Auch aus den angegriffenen Beschlüssen des [X.] geht nicht hervor, was sie zur Begründung ihrer Beschwerden vorgebracht hat. Entsprechende Ausführungen wären aber erforderlich gewesen, um dem [X.] die Prüfung zu ermöglichen, ob die Beschwerdeführerin - insbesondere durch die Begründung ihrer Beschwerden - dem Subsidiaritätsgrundsatz genügt und alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergriffen hat, um die gerügten Grundrechtsverletzungen zu verhindern.

8

Der Beschwerdeführerin war zumutbar, bereits im Ausgangsverfahren auf die Thematik der Verfassungswidrigkeit des [X.], auf welche der [X.] die Zurückweisung ihrer Beschwerden stützte, einzugehen und insofern den [X.]n der Antragstellerinnen entgegenzutreten. Diese hatten - wie sich aus den erstinstanzlichen Beschlüssen ergibt (VG [X.], a.a.[X.], Rn. 29; VG [X.], a.a.[X.]) - die Verfassungswidrigkeit bereits in erster Instanz ausdrücklich vorgebracht. Es war für die Beschwerdeführerin auch klar erkennbar, dass sich der [X.] anders als in seinen vorangegangenen Beschlüssen nicht auf § 44a VwGO stützen würde, da er nunmehr erstmals in der Sache über die [X.] gegen die Konzessionsvergabe zu entscheiden hatte.

9

Von der Beschwerdeführerin konnten entsprechende Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit des [X.] verlangt werden. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass von einem Beschwerdeführer grundsätzlich nicht gefordert werden kann, bereits das fachgerichtliche Verfahren als "Verfassungsprozess" zu führen ([X.] 112, 50 <61>). Etwas anderes gilt aber in Fällen, in denen bei verständiger Einschätzung der Rechtslage und der jeweiligen verfahrensrechtlichen Situation ein Begehren nur Aussicht auf Erfolg haben kann, wenn verfassungsrechtliche Erwägungen in das fachgerichtliche Verfahren eingeführt werden. Das ist insbesondere der Fall, soweit der Ausgang des Verfahrens von der Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift abhängt ([X.] 112, 50 <62>). Im Ausgangsverfahren ging es gerade (unter anderem) um die Verfassungswidrigkeit des [X.].

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 3078/15

02.02.2016

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 5. November 2015, Az: 8 B 1015/15, Beschluss

Art 12 Abs 1 GG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG, §§ 4aff GlüStVtr HE 2012, § 4a GlüStVtr HE 2012, § 4b GlüStVtr HE 2012, § 4c GlüStVtr HE 2012, § 10 GlüStVtr HE 2012

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 02.02.2016, Az. 1 BvR 3078/15 (REWIS RS 2016, 16802)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16802

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