Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2010, Az. II ZR 4/09

II. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 8503

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS [X.]/09 vom 15. März 2010 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 544 Abs. 7; BGB § 328 a) Die [X.]er einer GmbH können im Wege einer schuldrechtlichen [X.] im Interesse der [X.] abweichend von einer Satzungsbestimmung eine geringere Abfindungshöhe für den Fall des Ausscheidens aus der Gesell-schaft vereinbaren. b) In diesem Fall kann die [X.] diese Abrede gemäß § 328 BGB einem Ge-sellschafter entgegenhalten, der trotz seiner schuldrechtlichen Bindung aus der von ihm mit getroffenen [X.] auf die in der Satzung festgelegte höhere Abfindung klagt. [X.], Beschluss vom 15. März 2010 - [X.]/09 - [X.] - 2 - Der I[X.] Zivilsenat des [X.] hat am 15. März 2010 durch [X.] und [X.], [X.], Dr. [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Ur-teil des [X.] des [X.] vom 3. Dezember 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an den 6. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Streitwert: 416.269,48 • Gründe: Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat. 1 [X.] Das Berufungsgericht hat bei seiner Annahme, die Berechnung des Abfindungsanspruchs des [X.] richte sich nach § 15 Ziff. 3 des [X.] und nicht nach der Regelung des [X.]erbeschlusses vom 11. September 2002, den Vortrag der Beklagten nur unvollständig zur 2 - 3 - Kenntnis genommen und damit ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen [X.] (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt. 3 1. Die Beklagte hat unter Hinweis auf § 12 Abs. 1 der Satzung und unter Beweisantritt vorgetragen, dass die [X.]erstellung mit dem Status als leitender Mitarbeiter (Geschäftsführer und Prokuristen) verknüpft, die Beklagte mithin als "Mitarbeiterbeteiligungsmodell" organisiert war. Dabei sei die [X.] für den als [X.]er ausscheidenden Mitarbeiter maßgeblich für den Preis gewesen, den der zukünftige leitende Mitarbeiter/[X.]er zu zahlen habe. Der [X.]erbeschluss vom 11. September 2002 habe deshalb bezweckt, dass der Geschäftsanteil für neu eintretende [X.] erschwinglich bleibe. Dies habe nur durch eine Begrenzung der Ab-findungshöhe erreicht werden können, eine am Verkehrswert orientierte [X.] hätte zum Scheitern des mit dem [X.]svertrag verfolgten Zwecks geführt und die Beklagte in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Es sei der Kläger selbst in seiner Eigenschaft als [X.]ergeschäftsführer gewesen, der zur Erreichung dieses Ziels ein Konzept ausgearbeitet, den die Abfindung begrenzenden [X.]erbeschluss entworfen, den [X.]ern [X.], zur Abstimmung gestellt und einen Konsens aller [X.]er her-beigeführt habe. Der Kläger habe weiter in der Folgezeit gegenüber [X.] und nachrückenden [X.]ern vertreten, die [X.] ihre Anteile an die Nachrücker entsprechend dem Beschluss vom 11. Sep-tember 2002 zum Faktor von 1,0 zu veräußern. Ferner sei die notarielle Beur-kundung des Beschlusses im Wesentlichen aufgrund des Verhaltens des [X.] unterblieben, der erklärt habe, da sich alle [X.]er einig seien, kön-ne davon ausgegangen werden, dass sich nicht nur die betroffenen [X.], sondern auch die Erben der verstorbenen [X.]er an einen ein-stimmig gefassten und schriftlich fixierten Beschluss halten würden. Die [X.] 4 - schafter hätten sodann im Vertrauen auf diese Aussage des [X.] den [X.] einstimmig gefasst. Die [X.]er seien dabei davon überzeugt gewesen, dass der Beschluss auch ohne die "[X.]" einer Beurkundung bzw. Handelsregistereintragung bindend sein würde. In diesem Glauben seien sie vom Kläger ausdrücklich bestärkt worden. 2. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag der Beklagten zur wirtschaft-lichen Notwendigkeit einer Abfindungsbegrenzung im Interesse der Aufrechter-haltung des Mitarbeiterbeteiligungsmodells, zum Einvernehmen der [X.] über die Begrenzung der Abfindung und zu der Rolle des [X.] als Urheber, Initiator und Verfechter des [X.]erbeschlusses vom 11. August 2002 nicht und den Vortrag zur Verhinderung der Einhaltung der Formvorschriften durch den Kläger nur unvollständig zur Kenntnis genommen, ihn im Übrigen in seiner Tragweite verkannt und damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen. 4 3. [X.] auf rechtliches Gehör ist entscheidungserheblich. 5 a) Die Beklagte hat - jeweils unter Beweisantritt - im [X.] vorgetragen, dass der Kläger und die übrigen [X.]er sich darüber einig gewesen [X.], im Interesse der weiteren wirtschaftlichen Durchführung der Beklagten als einer [X.] von leitenden Mitarbeitern des Unternehmens mit dem Faktor 1,0 eine Abfindungshöhe festzusetzen, die einen [X.]erwechsel in Zu-kunft zu wirtschaftlich erschwinglichen Bedingungen möglich machen würde. Der vom Kläger initiierte, ausgearbeitete, vorgestellte, zur Abstimmung gestellte und sodann auch im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit gegenüber [X.] und nachrückenden [X.]ern als gültig behandelten Ge-sellschafterbeschluss, der die Festlegung dieser neuen Abfindungshöhe [X.]hielt, sei von den [X.]ern auch ohne Einhaltung der Förmlichkeiten ei-nes satzungsändernden [X.]erbeschlusses als rechtlich bindend be-trachtet worden. Damit hat die Beklagte die tatsächlichen Umstände vorgetra-gen, die eine Prüfung nahe legen, ob jedenfalls die den Beschluss fassenden [X.]er - mithin auch der Kläger - sich schuldrechtlich zugunsten der Beklagten dahin gebunden haben, dass sie bei ihrem Ausscheiden lediglich einen Anspruch auf eine entsprechend dem Faktor 1,0 zu berechnende [X.] beanspruchen können. b) Es ist anerkannt, dass [X.]er Rechtsverhältnisse in oder zu der [X.] auch außerhalb des [X.]svertrags durch schuldrechtli-che [X.]n regeln können, soweit nicht zwingendes Recht entgegen-steht (st. Rspr. vgl. [X.], Urt. v. 8. Februar 1993 - [X.], [X.], 432, 434 m.w.Nachw.; v. 15. Oktober 2007 - [X.], [X.], 60 [X.]. 13; [X.]/[X.], GmbHG 8. Aufl. § 3 [X.]. 116, 120 ff.; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG 6. Aufl. § 3 [X.]. 49 ff.; [X.]/[X.] in [X.]/ [X.], GmbHG 19. Aufl. § 3 [X.]. 56 f.; [X.]/[X.]/[X.], GmbHG 17. Aufl. § 3 [X.]. 69; [X.]/[X.], GmbHG 10. Aufl. § 3 [X.]. 114 f.). Ein Formerfordernis besteht insoweit grundsätzlich nicht ([X.]/[X.], GmbHG 8. Aufl. § 3 [X.]. 118; [X.]/[X.], GmbHG 10. Aufl. § 3 [X.]. 118; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG 6. Aufl. § 3 [X.]. 54; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], GmbHG 19. Aufl. § 3 [X.]. 56; [X.]/[X.]/[X.], GmbHG 17. Aufl. § 3 [X.]. 69). Auch das Auseinan-derfallen von GmbH-Vertrag und schuldrechtlicher [X.] ist für die Wirksamkeit der jeweiligen Vereinbarung grundsätzlich ohne Belang ([X.]/[X.], GmbHG 8. Aufl. § 3 [X.]. 118). 7 - 6 - 8 Allerdings bindet die in Abweichung zur Satzungsbestimmung getroffene schuldrechtliche Vereinbarung über die Regelung der Abfindungsberechnung grundsätzlich nur die Vertragsparteien ([X.]/[X.], GmbHG 10. Aufl. § 3 [X.]. 119; [X.]/[X.], GmbHG 8. Aufl. § 3 [X.]. 124; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], GmbHG 19. Aufl. § 3 [X.]. 556; [X.]/[X.], GmbHG 10. Aufl. § 45 [X.]. 116; zu den Ausnahmen [X.], Urt. v. 20. Januar 1983, - [X.], NJW 1983, 1910, 1911; v. 27. Oktober 1986 - [X.], [X.], 293, 295; zustimmend [X.]/[X.], GmbHG 10. Aufl. § 45 [X.]. 116 m.w.Nachw.; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG 19. Aufl. § 47 [X.]. 118; kritisch [X.]/[X.]/[X.], GmbHG 17. Aufl. § 47 [X.]. 20, [X.] zu § 47 [X.]. 44; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], GmbHG 19. Aufl. § 3 [X.]. 58; [X.], [X.], [X.]srecht 1995, 113, 127 f.; [X.]. Die GmbH, § 7 [X.]. 102; Winter, [X.] 154, 265 ff.; [X.], [X.], 1935, 1938 f.), hier also den Kläger im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern. Im Streitfall geht es aber um die Frage, ob die [X.] auf der Grundlage ei-ner Vereinbarung der [X.]er einen Sozialanspruch eines an der [X.] beteiligten [X.]ers abwehren kann. Dies ist nach den allgemei-nen Grundsätzen möglich. Die [X.] kann gemäß § 328 Abs. 1 BGB als Dritte aus der Vereinbarung der [X.]er eigene Rechte herleiten (vgl. [X.]/[X.], GmbHG 8. Aufl. § 3 [X.]. 121; [X.]/[X.], GmbHG 10. Aufl. § 3 [X.]. 120; vgl. auch [X.]/[X.]/[X.], GmbHG 17. Aufl. § 3 [X.]. 80). c) Der vom Berufungsgericht übergangene Vortrag der Beklagten legt es nahe, dass der Kläger und seine Mitgesellschafter im September 2002 eine Vereinbarung dahingehend getroffen hatten, dass die [X.]er für die Zu-kunft ihre Abfindungen für den Fall des Ausscheidens aus der [X.] nicht auf der Grundlage der Satzungsregelung (§ 15 Ziff. 3) berechnen dürfen, [X.] - 7 - dern nur noch der nominelle Geschäftsanteil zugrunde zu legen ist. Dass der [X.]erbeschluss vom 11. September 2002 auf einer solchen Vereinba-rung beruhen kann, lässt sich nicht nur dem - revisionsrechtlich zu unterstellen-den - Vortrag der Beklagten entnehmen, sondern ergibt sich aus dem [X.] selbst, der den von der Satzungsbestimmung abweichenden [X.]smodus ausdrücklich "auf der Grundlage einer Festlegung zwischen den [X.]ern" bestimmt. Im Übrigen kommt auch eine Umdeutung des [X.] vom 11. September 2002 in eine schuldrechtliche [X.] in Betracht, weil es hier nicht um eine organisationsrechtliche Rege-lung, sondern um eine Sozialverpflichtung der [X.] gegenüber einem ausgeschiedenen [X.]er geht (dazu Senat, [X.] 123, 15, 20). Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich weiter, dass die Vereinbarung der Ge-sellschafter zur Neuregelung der Abfindungsberechnung allein im Interesse der Beklagten und ihrer Organisation als Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft und damit zu ihren Gunsten getroffen wurde. Hat sich aber der Kläger im September 2002 schuldrechtlich mit allen übrigen [X.]ern dahin gebunden, dass im Interesse der Beklagten das Abfindungsentgelt zukünftig ausscheidender Ge-sellschafter in Höhe des nominellen Geschäftsanteils festzulegen ist, ist es ihm verwehrt, im Hinblick auf sein eigenes Ausscheiden eine abweichende [X.] vorzunehmen und einen verhältnismäßigen Anteil am Reinvermögen der durch die Vereinbarung begünstigten Beklagten zu fordern. Ebenso wenig ist der [X.]erbeschluss vom 17. August 2006 aus diesem Grund anfecht-bar, der die Höhe der den Kläger betreffenden Abfindung entsprechend der zu-gunsten der Beklagten getroffenen Abfindungsvereinbarung festschreibt. d) Der übergangene Vortrag der Beklagten kann für die weitere Frage re-levant sein, ob sich der Kläger jedenfalls wegen des Gesichtspunkts des [X.] - 8 - sprüchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB an dem Inhalt des [X.]er-beschlusses vom 11. August 2002 festhalten lassen muss. 11 e) An der Entscheidungserheblichkeit des übergangenen Vortrags der Beklagten fehlt es auch nicht deshalb, weil die Vereinbarung der [X.]er über die Abfindungsberechnung entsprechend dem Beschluss vom 11. Sep-tember 2002 aus anderen Gründen unwirksam wäre. Insbesondere kommt eine Unwirksamkeit der [X.] wegen eines groben Missverhältnisses zu dem wahren Wert der [X.]sbeteiligung (dazu Senat, [X.] 116, 359) nicht in Betracht. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sind vielmehr Abfindungsbeschränkungen sachlich gerechtfertigt, die auf den [X.] eines Mitarbeitermodells beruhen, bei dem einem verdienten Mit-arbeiter des [X.]sunternehmens - unentgeltlich oder gegen Zahlung eines Betrages in Höhe nur des Nennwerts - eine Minderheitenbeteiligung ein-geräumt wird, die er bei seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen zurückzu-übertragen hat ([X.] 164, 107, 115 f. - [X.]). So liegt der Fall auch hier. - 9 - 12 I[X.] Das Berufungsgericht wird nunmehr im Hinblick auf den übergange-nen Sachvortrag in die tatrichterliche Prüfung einzutreten haben, ob der [X.] sowie der Zahlungsklage des [X.] eine schuldrechtlichen Nebenab-rede bzw. dessen gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßendes wi[X.]prüchliches Verhalten entgegensteht. [X.] Caliebe Drescher [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 31.08.2007 - 52 O 110/06 - [X.], Entscheidung vom 03.12.2008 - 7 U 186/07 -

Meta

II ZR 4/09

15.03.2010

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2010, Az. II ZR 4/09 (REWIS RS 2010, 8503)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8503

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