Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2010, Az. II ZR 4/09

2. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 8504

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Gegenstand

GmbH: Schuldrechtliche Nebenabrede über eine geringere, als die satzungsgemäß bestimmte Abfindung im Falle des Ausscheidens aus der Gesellschaft


Leitsatz

1. Die Gesellschafter einer GmbH können im Wege einer schuldrechtlichen Nebenabrede im Interesse der Gesellschaft abweichend von einer Satzungsbestimmung eine geringere Abfindungshöhe für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft vereinbaren .

2. In diesem Fall kann die Gesellschaft diese Abrede gemäß § 328 BGB einem Gesellschafter entgegenhalten, der trotz seiner schuldrechtlichen Bindung aus der von ihm mit getroffenen Nebenabrede auf die in der Satzung festgelegte höhere Abfindung klagt .

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 3. Dezember 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an den 6. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Streitwert: 416.269,48 €

Gründe

1

Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat.

2

I. Das Berufungsgericht hat bei seiner Annahme, die Berechnung des Abfindungsanspruchs des [X.] richte sich nach § 15 Ziff. 3 des Gesellschaftsvertrages und nicht nach der Regelung des [X.] vom 11. September 2002, den Vortrag der Beklagten nur unvollständig zur Kenntnis genommen und damit ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

3

1. Die Beklagte hat unter Hinweis auf § 12 Abs. 1 der Satzung und unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Gesellschafterstellung mit dem Status als leitender Mitarbeiter (Geschäftsführer und Prokuristen) verknüpft, die Beklagte mithin als "Mitarbeiterbeteiligungsmodell" organisiert war. Dabei sei die Abfindungshöhe für den als Gesellschafter ausscheidenden Mitarbeiter maßgeblich für den Preis gewesen, den der zukünftige leitende Mitarbeiter/Gesellschafter zu zahlen habe. Der Gesellschafterbeschluss vom 11. September 2002 habe deshalb bezweckt, dass der Geschäftsanteil für neu eintretende [X.] erschwinglich bleibe. Dies habe nur durch eine Begrenzung der Abfindungshöhe erreicht werden können, eine am Verkehrswert orientierte Abfindung hätte zum Scheitern des mit dem Gesellschaftsvertrag verfolgten Zwecks geführt und die Beklagte in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Es sei der Kläger selbst in seiner Eigenschaft als Gesellschaftergeschäftsführer gewesen, der zur Erreichung dieses Ziels ein Konzept ausgearbeitet, den die Abfindung begrenzenden Gesellschafterbeschluss entworfen, den Gesellschaftern vorgeschlagen, zur Abstimmung gestellt und einen Konsens aller Gesellschafter herbeigeführt habe. Der Kläger habe weiter in der Folgezeit gegenüber ausscheidenden und nachrückenden Gesellschaftern vertreten, die [X.] hätten ihre Anteile an die Nachrücker entsprechend dem Beschluss vom 11. September 2002 zum Faktor von 1,0 zu veräußern. Ferner sei die notarielle Beurkundung des Beschlusses im Wesentlichen aufgrund des Verhaltens des [X.] unterblieben, der erklärt habe, da sich alle Gesellschafter einig seien, könne davon ausgegangen werden, dass sich nicht nur die betroffenen Gesellschafter, sondern auch die Erben der verstorbenen Gesellschafter an einen einstimmig gefassten und schriftlich fixierten Beschluss halten würden. Die Gesellschafter hätten sodann im Vertrauen auf diese Aussage des [X.] den Beschluss einstimmig gefasst. Die Gesellschafter seien dabei davon überzeugt gewesen, dass der Beschluss auch ohne die "[X.]" einer Beurkundung bzw. Handelsregistereintragung bindend sein würde. In diesem Glauben seien sie vom Kläger ausdrücklich bestärkt worden.

4

2. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag der Beklagten zur wirtschaftlichen Notwendigkeit einer Abfindungsbegrenzung im Interesse der Aufrechterhaltung des Mitarbeiterbeteiligungsmodells, zum Einvernehmen der Gesellschafter über die Begrenzung der Abfindung und zu der Rolle des [X.] als Urheber, Initiator und Verfechter des [X.] vom11. August 2002 nicht und den Vortrag zur Verhinderung der Einhaltung der Formvorschriften durch den Kläger nur unvollständig zur Kenntnis genommen, ihn im Übrigen in seiner Tragweite verkannt und damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen.

5

3. [X.] auf rechtliches Gehör ist entscheidungserheblich.

6

a) Die Beklagte hat - jeweils unter Beweisantritt - im [X.] vorgetragen, dass der Kläger und die übrigen Gesellschafter sich darüber einig gewesen seien, im Interesse der weiteren wirtschaftlichen Durchführung der Beklagten als einer Gesellschaft von leitenden Mitarbeitern des Unternehmens mit dem Faktor 1,0 eine Abfindungshöhe festzusetzen, die einen Gesellschafterwechsel in Zukunft zu wirtschaftlich erschwinglichen Bedingungen möglich machen würde. Der vom Kläger initiierte, ausgearbeitete, vorgestellte, zur Abstimmung gestellte und sodann auch im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit gegenüber ausscheidenden und nachrückenden Gesellschaftern als gültig behandelten Gesellschafterbeschluss, der die Festlegung dieser neuen Abfindungshöhe enthielt, sei von den Gesellschaftern auch ohne Einhaltung der Förmlichkeiten eines satzungsändernden [X.] als rechtlich bindend betrachtet worden. Damit hat die Beklagte die tatsächlichen Umstände vorgetragen, die eine Prüfung nahe legen, ob jedenfalls die den Beschluss fassenden Gesellschafter - mithin auch der Kläger - sich schuldrechtlich zugunsten der Beklagten dahin gebunden haben, dass sie bei ihrem Ausscheiden lediglich einen Anspruch auf eine entsprechend dem Faktor 1,0 zu berechnende Abfindung beanspruchen können.

7

b) Es ist anerkannt, dass Gesellschafter Rechtsverhältnisse in oder zu der Gesellschaft auch außerhalb des Gesellschaftsvertrags durch schuldrechtliche [X.]n regeln können, soweit nicht zwingendes Recht entgegensteht (st. Rspr. vgl. [X.], Urt. v. 8. Februar 1993 - [X.], [X.], 432, 434 m.w.Nachw.; v. 15. Oktober 2007 - [X.], [X.], 60 [X.]. 13; [X.]/[X.], GmbHG 8. Aufl. § 3 [X.]. 116, 120 ff.; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG 6. Aufl. § 3 [X.]. 49 ff.; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], GmbHG 19. Aufl. § 3 [X.]. 56 f.; [X.]/[X.]/[X.], GmbHG 17. Aufl. § 3 [X.]. 69; [X.]/[X.], GmbHG 10. Aufl. § 3 [X.]. 114 f.). Ein Formerfordernis besteht insoweit grundsätzlich nicht ([X.]/[X.], GmbHG 8. Aufl. § 3 [X.]. 118; [X.]/[X.], GmbHG 10. Aufl. § 3 [X.]. 118; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG 6. Aufl. § 3 [X.]. 54; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], GmbHG 19. Aufl. § 3 [X.]. 56; [X.]/[X.]/[X.], GmbHG 17. Aufl. § 3 [X.]. 69). Auch das Auseinanderfallen von GmbH-Vertrag und schuldrechtlicher [X.] ist für die Wirksamkeit der jeweiligen Vereinbarung grundsätzlich ohne Belang([X.]/[X.], GmbHG 8. Aufl. § 3 [X.]. 118).

8

Allerdings bindet die in Abweichung zur Satzungsbestimmung getroffene schuldrechtliche Vereinbarung über die Regelung der Abfindungsberechnung grundsätzlich nur die Vertragsparteien ([X.]/[X.], GmbHG 10. Aufl. § 3 [X.]. 119; [X.]/[X.], GmbHG 8. Aufl. § 3 [X.]. 124; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], GmbHG 19. Aufl. § 3 [X.]. 556; [X.]/[X.], GmbHG 10. Aufl. § 45 [X.]. 116; zu den Ausnahmen [X.], Urt. v. 20. Januar 1983, - [X.], NJW 1983, 1910, 1911; v. 27. Oktober 1986 - [X.], [X.], 293, 295; zustimmend [X.]/[X.], GmbHG 10. Aufl. § 45 [X.]. 116 m.w.Nachw.; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG 19. Aufl. § 47 [X.]. 118; kritisch [X.]/[X.]/[X.], GmbHG 17. Aufl. § 47 [X.]. 20, [X.] zu § 47 [X.]. 44; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], GmbHG 19. Aufl. § 3 [X.]. 58; [X.], [X.], Gesellschaftsrecht 1995, 113, 127 f.; [X.]. Die GmbH, § 7 [X.]. 102; Winter, [X.] 154, 265 ff.; [X.], [X.], 1935, 1938 f.), hier also den Kläger im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern. Im Streitfall geht es aber um die Frage, ob die Gesellschaft auf der Grundlage einer Vereinbarung der Gesellschafter einen Sozialanspruch eines an der Vereinbarung beteiligten Gesellschafters abwehren kann. Dies ist nach den allgemeinen Grundsätzen möglich. Die Gesellschaft kann gemäß § 328 Abs. 1 BGB als Dritte aus der Vereinbarung der Gesellschafter eigene Rechte herleiten (vgl. [X.]/[X.], GmbHG 8. Aufl. § 3 [X.]. 121; [X.]/[X.], GmbHG 10. Aufl. § 3 [X.]. 120; vgl. auch [X.]/[X.]/[X.], GmbHG 17. Aufl. § 3 [X.]. 80).

9

c) Der vom Berufungsgericht übergangene Vortrag der Beklagten legt es nahe, dass der Kläger und seine Mitgesellschafter im September 2002 eine Vereinbarung dahingehend getroffen hatten, dass die Gesellschafter für die Zukunft ihre Abfindungen für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft nicht auf der Grundlage der Satzungsregelung (§ 15 Ziff. 3) berechnen dürfen, sondern nur noch der nominelle Geschäftsanteil zugrunde zu legen ist. Dass der Gesellschafterbeschluss vom 11. September 2002 auf einer solchen Vereinbarung beruhen kann, lässt sich nicht nur dem - revisionsrechtlich zu unterstellenden - Vortrag der Beklagten entnehmen, sondern ergibt sich aus dem Beschluss selbst, der den von der Satzungsbestimmung abweichenden [X.] ausdrücklich "auf der Grundlage einer Festlegung zwischen den Gesellschaftern" bestimmt. Im Übrigen kommt auch eine Umdeutung des [X.] vom 11. September 2002 in eine schuldrechtliche [X.] in Betracht, weil es hier nicht um eine organisationsrechtliche Regelung, sondern um eine Sozialverpflichtung der Gesellschaft gegenüber einem ausgeschiedenen Gesellschafter geht (dazu Senat, [X.]Z 123, 15, 20). Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich weiter, dass die Vereinbarung der Gesellschafter zur Neuregelung der Abfindungsberechnung allein im Interesse der Beklagten und ihrer Organisation als Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft und damit zu ihren Gunsten getroffen wurde. Hat sich aber der Kläger im September 2002 schuldrechtlich mit allen übrigen Gesellschaftern dahin gebunden, dass im Interesse der Beklagten das Abfindungsentgelt zukünftig ausscheidender Gesellschafter in Höhe des nominellen Geschäftsanteils festzulegen ist, ist es ihm verwehrt, im Hinblick auf sein eigenes Ausscheiden eine abweichende Berechnung vorzunehmen und einen verhältnismäßigen Anteil am Reinvermögen der durch die Vereinbarung begünstigten Beklagten zu fordern. Ebenso wenig ist der Gesellschafterbeschluss vom 17. August 2006 aus diesem Grund anfechtbar, der die Höhe der den Kläger betreffenden Abfindung entsprechend der zugunsten der Beklagten getroffenen Abfindungsvereinbarung festschreibt.

d) Der übergangene Vortrag der Beklagten kann für die weitere Frage relevant sein, ob sich der Kläger jedenfalls wegen des Gesichtspunkts des wi[X.]prüchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB an dem Inhalt des [X.] vom 11. August 2002 festhalten lassen muss.

e) An der Entscheidungserheblichkeit des übergangenen Vortrags der Beklagten fehlt es auch nicht deshalb, weil die Vereinbarung der Gesellschafter über die Abfindungsberechnung entsprechend dem Beschluss vom 11. September 2002 aus anderen Gründen unwirksam wäre. Insbesondere kommt eine Unwirksamkeit der [X.] wegen eines groben Missverhältnisses zu dem wahren Wert der Gesellschaftsbeteiligung (dazu Senat, [X.]Z 116, 359) nicht in Betracht. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sind vielmehr Abfindungsbeschränkungen sachlich gerechtfertigt, die auf den Besonderheiten eines Mitarbeitermodells beruhen, bei dem einem verdienten Mitarbeiter des Gesellschaftsunternehmens - unentgeltlich oder gegen Zahlung eines Betrages in Höhe nur des Nennwerts - eine Minderheitenbeteiligung eingeräumt wird, die er bei seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen [X.] hat ([X.]Z 164, 107, 115 f. - [X.]). So liegt der Fall auch hier.

II. Das Berufungsgericht wird nunmehr im Hinblick auf den übergangenen Sachvortrag in die tatrichterliche Prüfung einzutreten haben, ob der Anfechtungs- sowie der Zahlungsklage des [X.] eine schuldrechtlichen [X.] bzw. dessen gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßendes wi[X.]prüchliches Verhalten entgegensteht.

[X.]                              Caliebe                               Drescher

                  Löffler                                 [X.]

Meta

II ZR 4/09

15.03.2010

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 3. Dezember 2008, Az: 7 U 186/07, Urteil

Art 103 Abs 1 GG, § 544 Abs 7 ZPO, § 242 BGB, § 328 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2010, Az. II ZR 4/09 (REWIS RS 2010, 8504)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8504

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

II ZR 452/17

II ZR 452/17

II ZR 80/10

II ZR 80/10

II ZR 4/09

23 U 3572/15

19 Sa 443/11

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