Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.10.2022, Az. VIII ZB 58/21

8. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 6677

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Gegenstand

Klage auf künftige Wohnungsräumung: Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung des Mietverhältnisses wegen drohender Obdachlosigkeit


Leitsatz

Die Besorgnis, der Mieter werde sich der Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe von Wohnräumen im Sinne des § 259 ZPO entziehen, kann nach den Umständen des Einzelfalls auch dann gerechtfertigt sein, wenn er seinen Widerspruch gegen die Kündigung des Mietverhältnisses gemäß §§ 574 ff. BGB damit begründet, die von ihm seit der Kündigung unternommene Suche nach Ersatzwohnraum sei bislang erfolglos geblieben, weshalb eine Räumung und Herausgabe der Wohnräume bei Beendigung des Mietverhältnisses für ihn wegen drohender Obdachlosigkeit eine nicht zu rechtfertigende Härte im Sinne von § 574 Abs. 2 BGB darstelle.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss der 14. Zivilkammer des [X.] vom 23. September 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf bis zu 3.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten nach übereinstimmender Erledigungserklärung um die Kosten eines [X.].

2

Die Kläger kündigten mit Schreiben vom 23. Juni 2020 als Vermieter das mit dem Beklagten bestehende Wohnraummietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum 31. [X.]ärz 2021. Der Beklagte widersprach der Kündigung mit anwaltlichem Schreiben vom 29. Januar 2021. Hierbei teilte er mit, dass er zwar seit Erhalt der Kündigung auf [X.] sei, eine Ersatzwohnung jedoch noch nicht gefunden habe. Sollte sich hieran etwas ändern, werde er dies mitteilen. Zum jetzigen [X.]punkt wäre er hingegen mit Ablauf des 31. [X.]ärz 2021 obdachlos, so dass eine nicht zu rechtfertigende Härte im Sinne von § 574 Abs. 2 [X.] vorliege.

3

[X.]it am 22. Februar 2021 beim [X.] eingegangenem und dem Beklagten am 16. [X.]ärz 2021 zugestelltem [X.] erhoben die Kläger eine auf Verurteilung des Beklagten zur Räumung und Herausgabe der Wohnung "spätestens am 31. [X.]ärz 2021" gerichtete Klage. Der Beklagte zeigte mit [X.] vom 30. [X.]ärz 2021 seine [X.] an und teilte zugleich mit, dass er zwischenzeitlich eine geeignete Wohnung gefunden habe und die Parteien deshalb eine Rückgabe der Wohnung für den 31. [X.]ärz 2021 vereinbart hätten. Die Übergabe der Wohnung an die Kläger erfolgte sodann an diesem Tag.

4

Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und widerstreitende [X.] gestellt. Die zweite Erledigungserklärung ist am 13. April 2021 bei Gericht eingegangen.

5

Das [X.] hat dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Auf dessen sofortige Beschwerde hat das [X.] die Entscheidung abgeändert und die Kläger mit den Kosten des Rechtsstreits belastet. [X.]it der vom Beschwerdegericht im Hinblick auf divergierende Entscheidungen der Instanzgerichte zur Anwendbarkeit von § 259 ZPO im Falle eines Widerspruchs des [X.]ieters gemäß § 574 Abs. 2 [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde begehren die Kläger die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

II.

6

Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. Zwar ist es - auch im Rechtsbeschwerdeverfahren - nicht Zweck einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt in solchen Fällen nur in Betracht, soweit es um die Klärung prozessualer Fragen zu § 91a ZPO geht ([X.], Beschluss vom 10. April 2018 - [X.], [X.] 2018, 320 Rn. 12 mwN; vgl. auch [X.], Beschluss vom 28. Oktober 2008 - [X.], NJW-RR 2009, 422 Rn. 5 [keine Klärung von Fragen des Zwangsvollstreckungsrechts]; Urteile vom 21. Dezember 2006 - [X.], NJW 2007, 1591 Rn. 23 f.; vom 12. [X.]ai 2011 - [X.], [X.], 1140 Rn. 30 [jeweils zur revisionsrechtlichen Überprüfung gemischter Kostenentscheidungen]). Die gleichwohl erfolgte Zulassung bindet den Senat aber gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO.

7

Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

8

1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, die Kosten des [X.] seien den Klägern gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuerlegen, weil deren Räumungsklage in dem nach seiner Ansicht für die Prüfung der Erfolgsaussichten maßgeblichen [X.]punkt vor Eintritt des erledigenden Ereignisses - hier vor der am 31. [X.]ärz 2021 erfolgten Rückgabe der Wohnung - unzulässig gewesen sei. Der geltend gemachte [X.] sei vor dem Ablauf des betreffenden Tages nicht fällig gewesen. Auf die Ausnahmebestimmung des § 259 ZPO, die eine Klage auf künftige Leistung ermögliche, könnten sich die Kläger nicht berufen.

9

Bei Räumungsklagen lägen deren Voraussetzungen nur vor, wenn der [X.]ieter seine Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe bestreite, nicht hingegen, wenn er sich - wie hier - zwar grundsätzlich dazu bereit erkläre, zugleich aber darauf hinweise, dass ihm die entsprechende Leistung aufgrund fehlenden [X.] rein tatsächlich nicht möglich sein könnte. Auch der Widerspruch gegen die Kündigung gemäß §§ 574 ff. [X.] rechtfertige für sich genommen nicht die Besorgnis, der [X.]ieter werde sich der [X.] entziehen. Vielmehr komme es auf die Einzelfallumstände, insbesondere auf die Begründung des Widerspruchs, an. Vorliegend sei der Widerspruch nur vor dem Hintergrund der laufenden und auch nach dem Widerspruch fortgeführten Suche des Beklagten nach Ersatzwohnraum und der damit verbundenen Ungewissheit erfolgt. Es lasse sich deshalb nicht feststellen, dass sich der Beklagte der Pflicht zur fristgerechten Räumung und Herausgabe habe entziehen wollen.

2. Diese Erwägungen tragen eine Kostenentscheidung gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO allein zu Lasten der Kläger nicht. Das Beschwerdegericht ist bei seiner Billigkeitsentscheidung von einem unzutreffenden rechtlichen [X.]aßstab ausgegangen.

Dabei kann dahinstehen, ob für die Zulässigkeit der Klage auf den [X.]punkt des erledigenden Ereignisses (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. [X.]ärz 2022 - [X.], [X.], 935 Rn. 10; vom 24. September 2020 - [X.], NJW-RR 2020, 1440 Rn. 15 [zur Erledigungserklärung des Insolvenzantrags]; vom 9. Juni 2010 - [X.], juris Rn. 3; vom 11. Dezember 2003 - [X.], juris Rn. 9 f. [bei Änderung der Rechtslage]) oder auf den [X.]punkt der zustimmenden Erklärung des Prozessgegners (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 34. Aufl., § 91a Rn. 26; BeckOK-ZPO/Jaspersen, Stand: 1. September 2022, § 91a Rn. 29; unklar Prütting/Gehrlein/Hausherr, ZPO, 14. Aufl., § 91a Rn. 23, 29 f.) abzustellen ist. Denn in beiden Fällen wäre die Zulässigkeit der Klage zu bejahen.

Bei der zweiten Fallgestaltung wäre der [X.] bereits fällig gewesen, so dass die ursprünglich nach § 259 ZPO erhobene Klage nun nicht mehr auf eine künftige Leistung gerichtet, sondern als allgemeine Leistungsklage statthaft wäre (vgl. Senatsurteil vom 4. [X.]ai 2005 - [X.], [X.], 582 unter [X.]; [X.], [X.], 1773 Rn. 14 f.; [X.]/[X.], aaO, § 257 Rn. 6; BeckOK-ZPO/[X.], Stand: 1. September 2022, § 257 Rn. 5). Auf die Voraussetzungen des § 259 ZPO käme es damit nicht mehr an.

Geht man demgegenüber - abstellend auf den erstgenannten [X.]punkt - von einer Klage auf künftige Leistung (§ 259 ZPO) aus, gilt für die Besorgnis der nicht rechtzeitigen Leistung des Schuldners im Sinne des § 259 ZPO - anders als das Beschwerdegericht gemeint hat - kein besonderer, von anderen Fallgestaltungen dieser Vorschrift abweichender [X.]aßstab, wenn es sich bei dem Schuldner um einen Wohnraummieter handelt, der unter Verweis auf die bislang erfolglose Suche nach Ersatzwohnraum den weiteren Verbleib in den [X.]ieträumen auch für die [X.] nach Beendigung des [X.]ietverhältnisses ankündigt.

a) Soweit § 259 ZPO voraussetzt, dass "den Umständen nach" die Besorgnis gerechtfertigt sei, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen, hat das Beschwerdegericht zu Recht (allein) auf das anwaltliche [X.] des Beklagten vom 29. Januar 2021 und die sich hieraus für die Bereitschaft des Beklagten zur Erfüllung des geltend gemachten [X.] und Herausgabeanspruchs ergebenden Gesichtspunkte abgestellt. Denn nach den [X.] und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] hat sich der Beklagte gegenüber den Klägern lediglich auf diesem Wege zeitlich nachfolgend zu deren Kündigungserklärung vom 23. Juni 2020 geäußert.

b) [X.] ist jedoch die hierauf gestützte Annahme des [X.], es sei nicht festzustellen, dass sich der Beklagte seiner Verpflichtung zur fristgerechten Räumung und Herausgabe im Sinne des § 259 ZPO habe entziehen wollen, da er lediglich auf die bislang erfolglose [X.] verwiesen, nicht aber seine Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe der Wohnung - gemeint: die Wirksamkeit der Kündigungserklärung der Kläger - grundsätzlich angezweifelt habe. Denn der Beklagte hat mit dem [X.] - was für § 259 ZPO ausreicht - eindeutig zu erkennen gegeben, dass er gegenwärtig und bei unverändert bleibender Situation, nämlich der weiteren Erfolglosigkeit seiner Suche nach einer neuen Wohnung, auch im [X.]punkt der Beendigung des [X.]ietverhältnisses nicht zu einem Auszug aus der Wohnung der Kläger bereit ist.

aa) Allerdings ist die vom Beschwerdegericht vorgenommene Auslegung des § 259 ZPO bei Klagen auf Verurteilung zur künftigen Räumung von Wohnraum - mit verschiedenen Differenzierungen - auch in der Instanzrechtsprechung und Literatur anzutreffen. Nach dieser Ansicht sollen die Voraussetzungen dieser Vorschrift nur dann gegeben sein, wenn der [X.]ieter durch ein ernstliches Bestreiten des Kündigungsgrunds eindeutig zu erkennen gebe, dass er zu einer fristgerechten Räumung nicht gewillt sei. Hingegen genüge es für die Annahme einer Besorgnis im Sinne der Vorschrift nicht, wenn der [X.]ieter den Vermieter - im Rahmen eines Widerspruchs gegen die Kündigung oder auf andere Weise - auf Schwierigkeiten bei der Suche nach Ersatzwohnraum hinweise (vgl. für den pauschalen oder vorsorglichen Hinweis [X.], [X.], 253, 254; [X.], [X.], 542; NJW-RR 1996, 778; [X.], Beschluss vom 7. August 2006 - 3 C 329/06, juris Rn. 4 [obiter dictum]; [X.], Urteil vom 12. [X.]ärz 2008 - 203 [X.], juris Rn. 18; [X.], Urteil vom 9. November 2016 - 3 [X.], juris Rn. 19; [X.], NJW-RR 1993, 1101; [X.]/[X.], [X.], [X.]. 2021, § 574b Rn. 16; [X.], [X.]ietrecht, 15. Aufl., § 546 [X.] Rn. 128; für Vortrag zu konkreten Schwierigkeiten [X.], [X.], 428; differenzierend danach, ob Hinweis im Rahmen eines Widerspruchs Binder, [X.] 20/2017 [X.]. 2; [X.]/[X.], [X.] [X.]ietrecht, 6. Aufl., Abschnitt [X.] Rn. 196 f.; [X.], [X.], 428; für durch Hinweis auf Suche begründete Aussicht auf rechtzeitige Räumung [X.], Wu[X.] 1998, 606).

[X.]) Eine solche, die gesetzliche Klagemöglichkeit des Vermieters von Wohnraum einschränkende Auslegung des § 259 ZPO, ist abzulehnen. Auch in den Fällen des Widerspruchs eines Wohnraummieters gegen die Kündigung des [X.]ietverhältnisses (§§ 574 ff. [X.]) kommt es grundsätzlich darauf an, ob der Vermieter aufgrund der Erklärung oder des sonstigen Verhaltens des [X.]ieters davon ausgehen musste, dieser werde zu einer Räumung und Herausgabe der [X.]ieträume im [X.]punkt der (vom Vermieter geltend gemachten) Beendigung des [X.]ietverhältnisses nicht bereit sein.

(1) Das nach dem Wortlaut des § 259 ZPO erforderliche "Sich-Entziehen" des Schuldners hinsichtlich seiner Leistungspflicht ist auch dann zu besorgen, wenn der [X.]ieter deutlich gemacht hat, er werde mangels Verfügbarkeit von Ersatzwohnraum über den [X.]punkt der Beendigung des [X.]ietverhältnisses hinaus in der Wohnung des Vermieters verbleiben. Auch in diesem Fall hat er - entgegen der Ansicht der Beschwerdeerwiderung - die Nichterfüllung der Leistungspflicht in seinen Willen aufgenommen.

(a) Ein das zukünftige Verhalten des Schuldners bewertendes Element ist - wie das Beschwerdegericht noch richtig gesehen hat - mit der Formulierung des "[X.]" nicht verbunden. Insbesondere verlangt § 259 ZPO nicht die Böswilligkeit des Schuldners hinsichtlich der geltend gemachten Leistungspflicht im Sinne eines Erschwerens oder [X.] der Befriedigung des Gläubigers (grundlegend bereits [X.], 338, 339 f. mwN; siehe auch [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 259 Rn. 18; [X.]ünchKomm-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 259 Rn. 13). [X.]aßgeblich ist allein die mangelnde Bereitschaft des Schuldners zur rechtzeitigen Leistung (vgl. [X.], Urteile vom 14. Dezember 1998 - [X.], NJW 1999, 954 unter [X.]; vom 4. [X.]ai 2011 - [X.], NZ[X.] 2011, 882 Rn. 15; vom 20. Dezember 2018 - [X.], NJW 2019, 1674 Rn. 14). Erklärt der Schuldner ernsthaft, er brauche nicht zu leisten oder er wolle den gegen ihn erhobenen Anspruch nicht erfüllen, ist in der Regel die Besorgnis gerechtfertigt, er werde die erklärte Absicht - die fehlende Bereitschaft zur Erfüllung - beim Fälligwerden der Leistung auch in die Tat umsetzen (vgl. [X.], aaO; [X.], Urteile vom 17. April 1952 - [X.], [X.]Z 5, 342, 344; vom 14. Dezember 1998 - [X.], aaO; vom 5. April 2001 - [X.], [X.]Z 147, 225, 231; vom 20. Juni 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 1518 unter [X.]; Beschluss vom 20. November 2002 - [X.], NJW 2003, 1395 unter [X.] b [X.]; jeweils mwN).

(b) Die für ein "Sich-Entziehen" erforderliche Ursächlichkeit des Willens des Schuldners für das Ausbleiben der rechtzeitigen Leistung (vgl. nur [X.]/Schütze/[X.], aaO Rn. 2, 17 f.; [X.], ZPO, 23. Aufl., § 259 Rn. 14; [X.]/[X.]/[X.], Zivilprozessrecht, 18. Aufl., § 90 Rn. 18; Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO, 14. Aufl., § 259 Rn. 3) ist - entgegen der Ansicht des [X.] - auch dann gegeben, wenn ein [X.]ieter seinen Verbleib in den [X.]ieträumen trotz der Beendigung des [X.]ietverhältnisses ankündigt, weil ihm Ersatzwohnraum nicht zur Verfügung steht.

Unerheblich ist es zudem, ob sich der [X.]ieter zu dem angekündigten Verhalten berechtigt halten durfte (vgl. [X.], 338, 340). Seine [X.]otive für die fehlende Bereitschaft zur Leistung bei Fälligkeit sind allenfalls insoweit von Bedeutung, als sie dem Vermieter einen Rückschluss auf die Absicht des Schuldners und deren Ernsthaftigkeit erlauben. Da nach dem Wortlaut die Besorgnis einer nicht rechtzeitigen Leistung genügt, muss der Vermieter aus den ihm erkennbaren Umständen allerdings auch keine Gewissheit über den Willen des [X.]ieters erlangt haben.

(2) Ein anderes Verständnis des § 259 ZPO in der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation ist auch nicht aufgrund des vom Gesetzgeber mit der Vorschrift verfolgten Regelungszwecks geboten, wie er sich unter Berücksichtigung der Gesetzgebungsgeschichte ergibt.

(a) Die nachträgliche Einfügung der Befugnis des Gläubigers zur Erhebung einer auf Verurteilung zu künftiger Leistung gerichteten Klage (§§ [X.], heute §§ 257-259 ZPO) beruhte nicht etwa darauf, dass hiermit eine gegen die Erfüllung des (künftigen) Anspruchs gerichtete [X.]otivlage beim Schuldner sanktioniert werden sollte. Vielmehr erkannte der historische Gesetzgeber das praktische Bedürfnis des Verkehrs an, Gläubigern in bestimmten Fällen die Wahrnehmung ihrer Rechte so zeitig zu ermöglichen, dass sie schon bei Eintritt der Fälligkeit des Anspruchs über ein die Zwangsvollstreckung gestattendes Urteil verfügen und mit der Zwangsvollstreckung beginnen können [X.]/[X.]ugdan, Die gesamten [X.]aterialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 1898, Band [X.], [X.] ff.; vgl. auch [X.], Urteil vom 20. Juni 1996 - [X.], juris Rn. 15; [X.]/[X.]/[X.], Zivilprozessrecht, 18. Aufl., § 90 Rn. 15; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 259 Rn. 2; Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO, 14. Aufl., § 257 Rn. 1, § 259 Rn. 1).

§ 259 ZPO bezweckt damit den Schutz des Gläubigers, der bei Gefährdung seines Anspruchs nicht, wie ansonsten erforderlich, mit der Erhebung der Klage zuwarten muss, bis der Anspruch fällig ist, sondern diesen bereits geltend machen darf, wenn er noch nicht fällig ist (Senatsurteil vom 12. Juli 2006 - [X.] ZR 235/04, NJW-RR 2006, 1485 Rn. 11; siehe auch Senatsbeschluss vom 20. November 2002 - [X.], NJW 2003, 1395 unter [X.]). Die Belange des Schuldners im Hinblick auf die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Eintritt der Fälligkeit entstandenen Einwendungen sind nach den Vorstellungen des Gesetzgebers über die [X.]öglichkeit einer Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO und einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 769 ZPO hinreichend gewahrt [X.]/[X.]ugdan, aaO, S. 100; für Klagen auf künftige Räumung [X.], [X.], 253, 254; [X.], NJW 1989, 138, 144; [X.]ünchKomm-ZPO/[X.], 6. Aufl., § 259 Rn. 10; [X.]usielak/Voit/Foerste, ZPO, 19. Aufl., § 259 Rn. 4; [X.], ZPO, 23. Aufl., § 259 Rn. 13).

Ein solches Bedürfnis des Gläubigers für eine gerichtliche Geltendmachung seines Anspruchs bereits vor Fälligkeit bestand aus Sicht des historischen Gesetzgebers insbesondere im Falle einer Kündigung des [X.]ietverhältnisses durch den Vermieter wegen des damit erfahrungsgemäß auftretenden Streits mit dem [X.]ieter über die behauptete Fälligkeit des [X.]s und der mit einer daraus folgenden Verzögerung verbundenen Gefahr für die Interessen des Vermieters [X.]/[X.]ugdan, aaO [X.]). Deshalb sollte nach der ursprünglichen Fassung des § 257 ZPO (§ 231a [X.]) (auch) für die Klage auf künftige Räumung von Wohnraum die (bloße) Abhängigkeit der Fälligkeit des [X.]s vom Eintritt eines bestimmten Kalendertags genügen.

Soweit für Klagen des Gläubigers auf Verurteilung zu einer künftigen Leistung in anderen Fällen die Besorgnis der nicht rechtzeitigen Leistung erforderlich sein sollte (§ 231c [X.], § 259 ZPO), reichte hierfür nach den Vorstellungen des Gesetzgebers das als Hauptanwendungsfall angesehene ausdrückliche Bestreiten der Verbindlichkeit durch den Schuldner bereits vor deren Fälligkeit aus [X.]/[X.]ugdan, aaO S. 100). Dass es weitergehend auf die hierfür vom Schuldner angeführten Gründe ankommen sollte, lässt sich den Gesetzesmaterialien hingegen nicht entnehmen.

(b) [X.]it der Herausnahme der Klage auf künftige Räumung von Wohnraum aus dem Anwendungsbereich des § 257 ZPO durch das [X.] zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom 14. Juli 1964 ([X.]l. I S. 457) hat der Gesetzgeber nicht zugleich veränderte Anforderungen an das im Rahmen des § 259 ZPO maßgebliche Verhalten des [X.]ieters als Schuldner der Leistung gestellt. Als Folge der Änderung genügt es für die Zulässigkeit einer solchen Klage lediglich nicht mehr, dass der [X.] des Vermieters an den Eintritt des für die Fälligkeit bestimmten Kalendertags geknüpft ist, sondern es müssen stets die besonderen Anforderungen des § 259 ZPO vorliegen (vgl. BT-Drucks. IV/806, [X.] und 12). Aus Sicht des Gesetzgebers war mit dieser Änderung dem Grundgedanken des [X.] [X.]ietrechts gerade bei Kündigungen eines auf unbestimmte [X.] eingegangenen [X.]ietverhältnisses durch den Vermieter ausreichend Rechnung getragen (vgl. BT-Drucks., aaO S. 12). Dafür, dass es - anders als zuvor - nunmehr auf die vom [X.]ieter gegen die (künftige) Fälligkeit der [X.] angeführten Gründe ankommen sollte, gibt es im Gesetzgebungsverfahren keinen Anhaltspunkt.

(3) Auch im Hinblick auf die gesetzliche Systematik, insbesondere auf die dem Schutz des [X.]ieters dienenden Vorschriften, ist die vom Beschwerdegericht vertretene Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 259 ZPO bei Räumungsklagen im Wohnraummietverhältnis nicht geboten.

(a) Im Falle der ordentlichen Kündigung des [X.]ietverhältnisses ist der [X.]ieter bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist in seinem Besitz an den [X.]ieträumen geschützt. Die Kündigungsfristen sind zugunsten des [X.]ieters [X.]indestfristen; sie sollen ihm ausreichend [X.] lassen, eine andere Wohnung zu finden (BT-Drucks. IV/806, [X.]). Diese Rechtsposition wird durch eine bereits zuvor ausgesprochene Verurteilung zur Räumung nicht berührt, da der [X.]ieter durch die Aufnahme der Bedingung - den Ablauf des letzten Tags der Frist - in das Urteil hinreichend geschützt wird (vgl. allgemein hierzu [X.], Urteil vom 9. November 2017 - [X.], NJW 2018, 786 Rn. 14) und eine Vollstreckung des [X.]s erst nach diesem [X.]punkt zulässig ist (vgl. § 751 Abs. 1 ZPO).

(b) Unberührt von einer bereits vor Fälligkeit erhobenen Räumungsklage des Vermieters bleibt auch das Recht des [X.]ieters, der ordentlichen Kündigung des Vermieters in Fällen einer unzumutbaren Härte gemäß §§ 574 ff. [X.] zu widersprechen und die Fortsetzung des [X.]ietverhältnisses auf eine angemessene [X.] zu verlangen. Insbesondere wird kein unzulässiger Zwang im Hinblick auf die dem [X.]ieter bis spätestens zwei [X.]onate vor der Beendigung des [X.]ietverhältnisses (§ 574b Abs. 2 Satz 1 [X.]) beziehungsweise - bei unterbliebenem Hinweis des Vermieters auf die [X.]öglichkeit des Widerspruchs sowie auf dessen Form und Frist - noch bis zum ersten Termin des [X.] (§ 574b Abs. 2 Satz 2 [X.]) mögliche Entscheidung darüber ausgeübt, ob er der Kündigung widerspricht oder diese akzeptiert.

(aa) Hat der Vermieter Räumungsklage erhoben, obwohl der [X.]ieter bis dahin weder der Kündigung ausdrücklich widersprochen noch in anderer Weise zu erkennen gegeben hatte, dass er dessen [X.] bei Ablauf der Kündigungsfrist nicht nachzukommen bereit sei, ist die Besorgnis einer bei Fälligkeit nicht rechtzeitigen Räumung der Wohnung durch den [X.]ieter nicht gerechtfertigt und die Räumungsklage des Vermieters schon mangels Vorliegens der besonderen Voraussetzungen des § 259 ZPO unzulässig.

([X.]) Hat der [X.]ieter - wie hier der Beklagte - im [X.]punkt der Klageerhebung der Kündigung bereits widersprochen und die Fortsetzung des [X.]ietverhältnisses verlangt, sind seine Interessen auch bei Annahme einer hieraus folgenden Zulässigkeit der Räumungsklage nach § 259 ZPO dadurch gewahrt, dass das mit der Räumungsklage befasste Gericht nicht nur die Wirksamkeit der Kündigung durch den Vermieter zu prüfen hat, sondern auch die vom [X.]ieter für dessen Fortsetzungsbegehren geltend gemachten Härtegründe.

Der - hier vom Beklagten allein vorgebrachte - Umstand, dass vom [X.]ieter angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen (möglicherweise) bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht beschafft werden kann, hat als materiell-rechtlicher Gesichtspunkt bei der Abwägung zu den Folgen einer ordentlichen Kündigung von Wohnraum Bedeutung (vgl. § 574 Abs. 2 [X.]). Zudem kann Verzögerungen bei der [X.] durch ein Vorgehen nach § 93b Abs. 3 ZPO (sofortiges Anerkenntnis des [X.]s bei Bewilligung einer Räumungsfrist) sowie durch die Gewährung einer Räumungsfrist gemäß § 721 Abs. 1 und 2 ZPO Rechnung getragen werden (vgl. [X.], [X.] 2017, 1384, 1386).

Die Geltendmachung einer unzumutbaren Härte des im Übrigen die Kündigung hinnehmenden [X.]ieters noch vor Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist hat nach der gesetzlichen Regelungssystematik hingegen nicht zur Folge, dass dem Vermieter die durch das Verfahrensrecht eröffnete [X.]öglichkeit einer gerichtlichen Klärung des Bestehens seines [X.]s bis zum [X.]punkt der Fälligkeit versperrt wäre. Weder soll durch die §§ 574 ff. [X.] die gerichtliche Prüfung auf einen [X.]punkt erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist gemäß § 574b Abs. 2 Satz 1 [X.] oder gar der gesetzlichen Kündigungsfrist hinausgeschoben werden noch wäre ein dahingehendes Interesse des [X.]ieters schützenswert. Eine solche Verzögerung zu Lasten des Vermieters käme einem vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen zusätzlichen Kündigungsschutz gleich (so auch [X.], [X.], 253, 254 [zur Zulässigkeit der Klage nach § 259 ZPO vor Ablauf der Widerspruchsfrist]; [X.], NJW 1989, 138, 142; [X.], aaO S. 1387). Das Fristerfordernis des § 574b Abs. 2 Satz 1 [X.] würde in sein Gegenteil verkehrt (siehe [X.], NJW 1989, 138, 144). Denn dieses sichert die Dispositionsfreiheit des Vermieters, der rechtzeitig vor Ablauf der Kündigungsfrist Klarheit über die Vertragsbeendigung erlangen soll (vgl. nur BeckOGK-[X.]/[X.], Stand: 1. Oktober 2022, § 574b Rn. 3; [X.]/[X.], [X.], [X.]. 2021, § 574b Rn. 3, 10).

cc) Unter Zugrundelegung dieses [X.]aßstabs mussten die Kläger aufgrund des [X.]s des Beklagten besorgen, dieser werde bei Beendigung des [X.]ietverhältnisses zum 31. [X.]ärz 2021 nicht zu einem Auszug aus der Wohnung bereit sein.

Zwar waren vom Beklagten gegen die Kündigung als solche keine Einwendungen vorgebracht worden. Er hatte aber seine Bereitschaft zu einem fristgerechten Auszug davon abhängig gemacht, dass er in der verbleibenden [X.] bis zur Beendigung des [X.]ietverhältnisses einen Ersatzwohnraum findet, und dementsprechend mit dem Widerspruch gegen die Kündigung die Fortsetzung des [X.]ietverhältnisses für einen nicht näher bestimmten [X.]raum - bis zum Abschluss eines [X.]ietvertrags über einen Ersatzwohnraum - verlangt. Damit ist er der Berechtigung der Kläger, von ihm zwei [X.]onate später die Räumung und Herausgabe verlangen zu können, ausdrücklich entgegengetreten.

Ob der Beklagte noch rechtzeitig eine Ersatzwohnung finden würde, nachdem seine bereits mehr als sieben [X.]onate seit der Kündigung andauernde [X.] bis dahin erfolglos geblieben war, war ungewiss. Der Beklagte hatte in seinem Schreiben auch nur in Aussicht gestellt, die Kläger bei etwaigen Änderungen der aktuellen Situation zu informieren. Unter diesen Umständen war es den Klägern nicht zuzumuten, mit der Anrufung des Gerichts bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist abzuwarten, nur um nach Eintritt der Fälligkeit des [X.]s, falls der Beklagte - wie von ihm angekündigt - mangels einer neuen Wohnung in den [X.]ieträumen verblieb, doch noch zu einer gerichtlichen Geltendmachung gezwungen zu sein.

Die Kläger befanden sich damit in der Lage, in der nach dem Willen des Gesetzgebers einem Gläubiger wegen der Gefährdung seines Anspruchs die Klage auf Verurteilung des Schuldners zu künftiger Leistung eröffnet sein sollte. Die Zulässigkeit der von den Klägern erhobenen Räumungsklage konnte deshalb nicht mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 259 ZPO verneint werden.

III.

Nach alledem ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, denn das Beschwerdegericht hat bei seiner Ermessensentscheidung nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO lediglich auf die - rechtsfehlerhaft angenommene - Unzulässigkeit der Räumungsklage abgestellt und dementsprechend eine weitergehende summarische Prüfung nicht vorgenommen. Die Sache ist deshalb zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

[X.]     

      

Dr. Bünger     

      

Kosziol

      

Dr. Schmidt     

      

Dr. Reichelt     

      

Meta

VIII ZB 58/21

25.10.2022

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Lübeck, 23. September 2021, Az: 14 T 25/21

§ 91a Abs 1 S 1 ZPO, § 259 ZPO, § 546 BGB, § 574 Abs 2 BGB, § 574b BGB, §§ 574ff BGB, § 985 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.10.2022, Az. VIII ZB 58/21 (REWIS RS 2022, 6677)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6677 NJW 2022, 3778 REWIS RS 2022, 6677 MDR 2023, 93-95 REWIS RS 2022, 6677

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