Bundessozialgericht, Urteil vom 13.12.2016, Az. B 1 KR 25/16 R

1. Senat | REWIS RS 2016, 919

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Gegenstand

(Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Erstattungsstreit gem § 105 SGB 10 - zuständiger Leistungsträger - unzuständiger Leistungsträger - gesetzliche Krankenkasse - gesetzliche Unfallversicherung - keine Bindungswirkung der nachträglich ablehnenden Verwaltungsentscheidung des die Erstattung begehrenden Unfallversicherungsträgers gegenüber der Krankenkasse - Zurückverweisung: Klärung der Zuständigkeit bzw Unzuständigkeit nach materiellem Recht - Heilbehandlung - Krankenbehandlung - sozialgerichtliches Verfahren - echte Leistungsklage gem § 54 Abs 5 SGG - Erstattungsstreit unter Leistungsträgern über einen bezifferten Erstattungsanspruch - Zwischenurteil - Grundurteil - Durchführung eines Nachverfahrens über die Höhe des Erstattungsanspruchs)


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 5. November 2015 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 10 272,49 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Aufwendungen für Sozialleistungen.

2

Die Beigeladene ist bei beklagten Krankenkasse ([X.]) versichert. Sie stieg bei der Arbeit als angestellte Lehrerin im M.-Gymnasium am [X.] eine Treppe herab, um das Klassenbuch zu holen, rutschte ab und verdrehte sich das rechte Bein. Der H-Arzt ging von einer Distorsion des rechten Kniegelenks aus. Der [X.] veranlasste ihre stationäre Aufnahme. Sie erhielt eine Kreuzbandersatzplastik und eine Meniskusnachresektion. Die klagende Unfallkasse erkannte das Ereignis vom [X.] als Arbeitsunfall mit einer folgenlos ausgeheilten Distorsion des rechten Kniegelenks an. Der Riss des vorderen Kreuzbandes und die notwendige Teilresektion des Innenmeniskushinterhorns seien unter Berücksichtigung eines Freizeitunfalls 2005 nicht Folge dieses Unfalls. [X.] habe Behandlungsbedürftigkeit bis 9.3.2006 und Arbeitsunfähigkeit bis 10.3.2006 bestanden (Bescheid vom 2.11.2006; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Die Beklagte lehnte es ab, der Klägerin 10 272,49 Euro Kosten der chirurgischen Behandlung des Kreuzbandrisses, der Folgebehandlungen und des [X.] nebst Beitragstragung zu erstatten. Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.3.2012). Das L[X.] hat die Beklagte zur Zahlung eines Erstattungsbetrags in Höhe der "nach dem [X.]B V zu übernehmenden Leistungen" verurteilt. Die Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin die verauslagten Kosten zu erstatten. Sie habe als unzuständige Leistungsträgerin Sozialleistungen anstelle der Beklagten erbracht. Das folge aus der Bindung an den Bescheid der Klägerin gegenüber der Beigeladenen (Urteil vom 5.11.2015).

3

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 105 [X.]B X, § 11 Abs 5 [X.]B V und § 27 [X.]B V. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der erbrachten Sozialleistungen, da der Kreuzbandriss und die erneute Innenmeniskusläsion Unfallfolgen seien. Die Leistungsablehnung gegenüber der Beigeladenen entfalte gegenüber der Beklagten keine Bindungswirkung.

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 5. November 2015 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 29. März 2012 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des [X.] vom 5. November 2015 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene vorinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

7

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das [X.]-Urteil ist aufzuheben, weil es auf einer Verletzung materiellen Rechts beruht und sich nicht aus anderen Gründen als rechtmäßig erweist. Der erkennende Senat ist für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig (dazu 1.). Er kann wegen fehlender Tatsachenfeststellungen des [X.] zu den Voraussetzungen des streitigen Erstattungsanspruchs nicht abschließend in der Sache entscheiden (dazu 2.). Das [X.] wird bei Bestehen des Erstattungsanspruchs auch über dessen Höhe zu entscheiden haben (dazu 3.).

9

1. Der erkennende 1. Senat des [X.] ist geschäftsplanmäßig für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. In Streitigkeiten zwischen dem [X.], den Ländern, Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie Behörden entscheidet nach dem Geschäftsverteilungsplan des [X.] ([X.]) - vorbehaltlich der Regelungen unter Abschnitt I - derjenige Senat, der für das Rechtsgebiet zuständig ist, dem der erhobene Anspruch angehört. Bei [X.] ist der zugrunde liegende Leistungsanspruch maßgeblich; im Zweifel entscheidet derjenige Senat, der für die Streitigkeiten aus dem Aufgabengebiet des Beklagten zuständig ist (vgl Rd[X.] 24 aller Fassungen der [X.] 2016, entsprechend Rd[X.] 23 aller Fassungen der [X.] 2015). Das entspricht auch den Grundsätzen der Rechtsprechung des [X.]: Ein Erstattungsanspruch ist demjenigen Rechtsgebiet zuzuordnen, aus dem sich die Leistungspflicht ergibt, auf die der Erstattungsanspruch letztlich gründet; denn dieses Rechtsgebiet gibt dem Erstattungsbegehren sein Gepräge (stRspr, vgl [X.], 18, 21 = [X.] zu § 31 SGG; [X.] 44, 133, 134 f = [X.] 1500 § 31 [X.] 1; [X.] 57, 15 = [X.] 4100 § 105b [X.] 1). Der [X.] trifft unter Abschnitt I für das streitige Erstattungsbegehren keine Regelung. Die Klägerin stützt ihren Erstattungsanspruch auf die Rechtsbehauptung, sie habe den Leistungsanspruch der Beigeladenen aus dem [X.] auf Krankenbehandlung und Krankengeld nebst Beitragstragung ab 10.3. und ab 11.3.2006 erfüllt. Dieser behauptete Leistungsanspruch liegt dem geltend gemachten Erstattungsanspruch zugrunde. Es bedarf auch keiner Anrufung des Großen Senats wegen Divergenz (vgl § 41 Abs 2 SGG). Soweit der 2. Senat des [X.] über einen Erstattungsanspruch einer Berufsgenossenschaft gegen eine [X.] entschieden hat, hat er keinen von Vorstehendem abweichenden Rechtssatz aufgestellt (vgl [X.] [X.] 4-2700 § 8 [X.] 49).

2. Ob die Klägerin einen - zulässigerweise mit der echten Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG, vgl [X.] [X.] 4-3250 § 14 [X.] 23 Rd[X.] 7) verfolgten - Anspruch auf Erstattung gegen die Beklagte aus der allein in Betracht kommenden Regelung des § 105 Abs 1 S 1 [X.] hat, kann der erkennende Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen des [X.] nicht entscheiden. § 105 Abs 1 S 1 [X.] regelt, dass wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 102 Abs 1 [X.] vorliegen, der zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig ist, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Der Erstattungsanspruch setzt [X.] voraus, dass ein unzuständiger Leistungsträger in der Annahme seiner Leistungszuständigkeit Sozialleistungen an den Leistungsberechtigten nicht nur vorläufig erbracht hat (dazu [X.] 58, 263, 273 f = [X.] 2200 § 1237 [X.] 20 S 55 f). Für die Leistung zuständig ist der Sozialleistungsträger, der im Hinblick auf den erhobenen [X.] nach materiellem Recht richtigerweise anzugehen, dh sachlich befugt (passiv legitimiert) ist (vgl [X.] [X.] 1300 § 105 [X.] 5 S 13; [X.] 65, 31, 33 = [X.] 1300 § 111 [X.] 6 S 19; [X.] [X.] 3-2200 § 539 [X.] 43 S 176; [X.] 84, 61, 62 = [X.] 3-1300 § 105 [X.] 5 S 14; [X.] [X.] 4-4300 § 126 [X.] 3 Rd[X.] 11). Die Klägerin ist in diesem Sinne nicht schon aufgrund ihrer Entscheidung gegenüber der Beigeladenen unzuständiger Leistungsträger (dazu a). Das [X.] hat - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Voraussetzungen einer Unzuständigkeit der Klägerin nach materiellem Recht erfüllt sind (dazu b).

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist sie nicht schon wegen ihrer Verwaltungsentscheidung gegenüber der Beigeladenen ab 10. und 11.3.2006 "unzuständiger Leistungsträger". Die Beklagte war an der Verwaltungsentscheidung der Klägerin nicht beteiligt (§ 12 [X.]). Die "[X.]" der Entscheidung der Klägerin gegenüber der Beigeladenen ist ohne Belang. Eine denkbare [X.] der Entscheidung ist allein auf den [X.] beschränkt, hier also das Bestehen der festgestellten Leistungsansprüche der Beigeladenen gegen die Klägerin bis zum 9. und 10.3.2006. Die [X.] (Drittbindungswirkung) von Verwaltungsakten besagt lediglich, dass Behörden und Gerichte die in einem bindenden Bescheid getroffene Regelung, solange sie Bestand hat, als verbindlich hinzunehmen und ohne Prüfung der Rechtmäßigkeit ihren Entscheidungen zugrunde zu legen haben (vgl [X.] [X.] 4-1300 § 48 [X.] 11 Rd[X.] 16; [X.] 103, 243 = [X.] 4-2500 § 95b [X.] 2, Rd[X.] 42 f; [X.] 119, 298 = [X.] 4-2500 § 16 [X.] 1, Rd[X.] 22 mwN). Die Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff [X.] sind keine von der Rechtsposition des Berechtigten abgeleiteten, sondern eigenständige Ansprüche (stRspr, vgl zB [X.] 57, 146, 147 = [X.] 1300 § 103 [X.] 2 S 3; [X.] 58, 119, 125 f mwN = [X.] 1300 § 104 [X.] 7 S 24 mwN; [X.] [X.] 1300 § 104 [X.] 6; [X.] 61, 66, 68 mwN = [X.] 2200 § 182 [X.] 104 S 222 mwN; BVerwGE 89, 39, 45 f; [X.], 177, 185; BVerwGE 118, 52, 57 f). Eine Feststellungswirkung der Entscheidung besteht nicht. Sie müsste gesetzlich geregelt sein, sieht das Gesetz aber nicht vor. Nur die Feststellungswirkung schließt auch Sachverhaltsmerkmale und rechtliche Wertungen in die "Bindung" mit ein (vgl [X.] [X.] 3-4100 § 112 [X.] 29 S 136; [X.] 119, 298 = [X.] 4-2500 § 16 [X.] 1, Rd[X.] 22 mwN).

Das Gesetz steckt die Systemgrenzen der einzelnen Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs - vorbehaltlich abweichender Spezialregelungen - regelmäßig nach objektiv zu ermittelnden Kriterien ab und nicht schon danach, was zB ein anderer Leistungsträger insoweit für zutreffend oder vertretbar erachtet hat; dies gilt im [X.] in gleicher Weise für die sich dann ergebenden Konsequenzen in Gestalt von [X.] (vgl bereits [X.] Urteil vom 16.11.1984 - 8 RK 33/84 - [X.] 84213; [X.] [X.] 4-3100 § 18c [X.] 2 Rd[X.] 30). Es gibt keine durchgreifenden Gründe, die es rechtfertigen, in Fällen der vorliegenden Art ausnahmsweise von der Maßgeblichkeit objektiver Kriterien abzuweichen. Die Beklagte hat nur eine objektiv rechtmäßige Leistungsentscheidung der Klägerin hinzunehmen.

Anders, als die Klägerin meint, greift die Rechtsprechung nicht ein, wonach der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger diejenigen Einwendungen, die ihm gegenüber dem Leistungsanspruch des Berechtigten zustehen, im Falle der Geltendmachung auch gegenüber dem Erstattung begehrenden Leistungsträger erheben kann ([X.] 58, 119, 126 = [X.] 1300 § 104 [X.] 7 S 24; [X.] 70, 99, 104 = [X.] 3-1500 § 54 [X.] 15 S 41; [X.] [X.] 1300 § 105 [X.] 5 S 12; [X.] Urteil vom 14.5.2002 - [X.]/01 - Juris Rd[X.] 16 ff). Diese Rechtsprechung, die auch für den Einwand gilt, dass der Bescheid des auf Erstattung in Anspruch genommenen Leistungsträgers gegenüber dem Berechtigten in "Rechtskraft" erwachsen ist (vgl [X.] 58, 119, 126 = [X.] 1300 § 104 [X.] 7 S 24 f), stützt sich darauf, dass der nachrangige oder unzuständige Leistungsträger bei der Geltendmachung der Erstattung die Entscheidung des vorrangigen oder zuständigen Leistungsträgers zu beachten hat. Dem korrespondiert das Recht des in Anspruch genommenen Leistungsträgers, sich auf seine bindenden Verwaltungsakte zu berufen (vgl [X.] 101, 86 = [X.] 4-2500 § 51 [X.] 2, Rd[X.] 14; [X.] [X.] 4-2600 § 116 [X.] 1 Rd[X.] 13; [X.] 84, 80, 83 f = [X.] 3-1300 § 104 [X.] 15 S 56 f; [X.] 82, 226, 228 = [X.] 3-2600 § 99 [X.] 2 S 4; [X.] 72, 163, 166 = [X.] 3-2200 § 183 [X.] 6 S 14 f; [X.] 57, 146, 149 f = [X.] 1300 § 103 [X.] 2 S 5). Hierbei handelt es sich um Erfordernisse der Funktionsfähigkeit des auf dem Prinzip der Aufgabenteilung beruhenden gegliederten Sozialleistungssystems (vgl [X.] [X.] 4-3100 § 18c [X.] 2 Rd[X.] 30; [X.] 84, 80, 83 f = [X.] 3-1300 § 104 [X.] 15 S 57; [X.] [X.] 3-1300 § 112 [X.] 2 S 5; [X.] 57, 146, 149 f = [X.] 1300 § 103 [X.] 2 S 5). Eine entsprechende Bindungswirkung im [X.] besteht hierbei grundsätzlich selbst dann, wenn der Verwaltungsakt fehlerhaft ist (vgl [X.] 72, 163, 166 = [X.] 3-2200 § 183 [X.] 6 S 15; [X.] 82, 226, 228 = [X.] 3-2600 § 99 [X.] 2 S 4). Der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger ist nur dann nicht befugt, auf der Bindungswirkung seiner Entscheidung zu beharren, wenn diese sich als offensichtlich fehlerhaft erweist und sich dies zum Nachteil des anderen Leistungsträgers auswirkt (vgl [X.] 101, 86 = [X.] 4-2500 § 51 [X.] 2, Rd[X.] 14; [X.] [X.] 4-3100 § 18c [X.] 2 Rd[X.] 30; [X.] 72, 163, 168 = [X.] 3-2200 § 183 [X.] 6 S 17; [X.] 57, 146, 149 f = [X.] 1300 § 103 [X.] 2 S 6). Um aufwendige Ermittlungen im [X.] und damit Doppelprüfungen zu vermeiden, ist bei der Beurteilung einer offensichtlichen Unrichtigkeit (nur) auf die verfügbaren Entscheidungsgrundlagen abzustellen (vgl [X.] 101, 86 = [X.] 4-2500 § 51 [X.] 2, Rd[X.] 15; [X.] [X.] 4-2600 § 116 [X.] 1 Rd[X.] 14, 18; [X.] [X.] 3-1300 § 86 [X.] 3 S 6).

Vorliegend geht es demgegenüber um die Erheblichkeit der Verwaltungsentscheidung des als [X.]. Insoweit bedarf es keiner Vertiefung, inwieweit die generelle Kritik an der aufgezeigten Rechtsprechung berechtigt ist (vgl dazu Kater in [X.] Komm, Stand Juni 2016, § 105 [X.] Rd[X.] 49; [X.], [X.], 1 ff; [X.] in juris-PK-[X.], Online-Ausgabe, § 105 Rd[X.] 64 ff, Stand 1.9.2016).

Der faktisch in Vorleistung getretene (vermeintlich unzuständige) Leistungsträger ist weniger schutzwürdig als der Leistungsträger, der von diesem auf Erstattung in Anspruch genommen wird. Dem Erstattungsbegehren des (vermeintlich unzuständigen) Leistungsträgers nach § 105 [X.] geht nämlich ein Verwaltungsverfahren voraus, in dem dieser seine Leistungszuständigkeit prüfte und (zunächst) bejahte. Er hatte hierbei den Sachverhalt von Amts wegen bis zur Entscheidungsreife aufzuklären (§ 20 [X.]). Bei unklarer Zuständigkeit konnte er eine (nur) vorläufige Leistungsbewilligung nach Maßgabe des § 43 [X.] vornehmen (dazu [X.] [X.] 4-1300 § 111 [X.] 3 Rd[X.] 5). [X.] ein solcher Leistungsträger danach seine Zuständigkeit und bewilligt er dem Berechtigten Sozialleistungen, setzt er selbst die Ursache für den späteren [X.], falls dieser im Nachhinein zur Auffassung gelangt, doch nicht [X.] zu sein. Der Umstand, dass der [X.] aus der Sphäre des Erstattung begehrenden Trägers herrührt, ist ein wesentlicher Grund für die Auffassung, dass dem auf Erstattung in Anspruch genommenen Leistungsträger der Einwand erhalten bleiben muss, bestandskräftig über den Leistungsanspruch des Versicherten entschieden zu haben. Würde man auch dem Erstattung begehrenden Leistungsträger das Recht einräumen, sich im [X.] gegenüber dem auf Erstattung in Anspruch genommenen Leistungsträger auf die Bindungswirkung seiner Bescheide zu berufen, würde dieser Gesichtspunkt ausgeblendet.

Auch erlangt in einem solchen Fall der grundsätzliche Einwand besonderes Gewicht, dass die Bindungswirkung die Rechtsschutzmöglichkeiten des anderen Leistungsträgers einschränkt (vgl [X.], [X.], 1, 4, 9). Dem bislang nicht mit dem Leistungsbegehren des Berechtigten konfrontierten (vermeintlich zuständigen) Leistungsträger würden hierdurch regelmäßig sämtliche Einwendungen genommen, die er dem Berechtigten hätte entgegenhalten können. Diese Folge träte ein, obwohl er keine Möglichkeit hatte, den Sachverhalt eigenständig aufzuklären. Das wäre besonders gravierend, wenn er sich nur auf eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung des Erstattungsgläubigers berufen könnte und bei dieser Prüfung (nur) auf die vorhandenen Ermittlungsergebnisse abzustellen wäre. Der als Erstattungsgläubiger Auftretende hätte es in der Hand, den Ausgang des [X.]s durch den Umfang der eigenen Sachverhaltsermittlungen zu determinieren. Eine solch weitgehende einseitige Gestaltungsmöglichkeit ist missbrauchsanfällig. Sie gäbe Leistungsträgern die Gelegenheit, eine der gesetzlichen Aufgabenverteilung im gegliederten Leistungssystem entsprechende Lastenverteilung zu vereiteln. Dies widerspräche erkennbar der Pflicht der Leistungsträger, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch eng zusammenz[X.]rbeiten (§ 86 [X.]), und der Zielsetzung der Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff [X.]. Auch die Funktionsfähigkeit des gegliederten Systems spricht dafür, der Verwaltungsentscheidung des als [X.] gegenüber dem Leistungsberechtigten im [X.] keine Bedeutung beizumessen.

Das Ergebnis steht in Einklang mit der früheren Rechtsprechung des [X.] zum spezialgesetzlich geregelten Erstattungsanspruch des [X.] gegenüber dem zuständigen Unfallversicherungsträger nach § 1504 [X.]. Hiernach entfalteten auch bestandskräftige Verwaltungsakte des [X.] gegenüber dem Versicherten für das Erstattungsbegehren der [X.] keine Bindung. Die [X.] war danach auch nicht Beteiligte iS des § 77 SGG. Der Bescheid des [X.] griff gegenüber dem Versicherten nicht unmittelbar in die Rechtsphäre der [X.] ein (zB [X.] 24, 155, 156 = [X.] zu § 1504 [X.]; [X.] Urteil vom [X.] - Juris Rd[X.] 22). Das [X.] übertrug diese Rechtsprechung auch auf Konstellationen, in denen ein Unfallversicherungsträger nach § 1509a [X.] von der zuständigen [X.] Ersatz seiner Aufwendungen verlangte ([X.] Urteil vom [X.] - Juris Rd[X.] 17; in [X.] 2200 § 1509a [X.] 1 nur in Auszügen wiedergegeben).

b) Es fehlen Feststellungen dazu, um zu entscheiden, ob die Klägerin für die ab 10. und 11.3.2006 erbrachten Sozialleistungen die unzuständige Trägerin nach materiellem Recht war. Auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) besteht kein Anspruch, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind (vgl § 11 Abs 4 [X.], hier anzuwenden idF durch Art 1 Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20.12.1988, [X.] 2477, gemäß Art 79 Abs 4 [X.] in [X.] getreten). Durch einen Arbeitsunfall geschädigte Versicherte haben gegenüber dem zuständigen Unfallversicherungsträger [X.] Anspruch auf stationäre Behandlung und Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln sowie auf Zahlung von Verletztengeld nebst Sozialversicherungsbeiträgen (§ 26 Abs 1 S 1 iVm § 27 Abs 1 [X.] 4 und 6, § 30, § 31, § 34 sowie §§ 45 ff [X.]II; Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft in der [X.] durch [X.], § 192 Abs 1 [X.] 3 [X.], Beitragstragung nach § 251 Abs 1 [X.] idF durch Art 5 [X.] 32 Buchst a Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - <[X.]X> Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, [X.] 1046, [X.]; zur [X.] Pflegeversicherung vgl § 49 Abs 2 [X.]I idF durch Art 10 [X.] 3 Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung vom [X.], [X.] 594, [X.] iVm § 59 Abs 4 S 2 [X.] 1 [X.]I idF durch Art 4 Gesetz zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 15.12.1995, [X.] 1824, [X.]; zur Arbeitsförderung vgl § 347 [X.] 5 [X.]II idF durch Art 1 [X.] 3e Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom [X.], [X.] 4621, [X.] iVm § 26 Abs 2 [X.] 1 [X.]II idF durch Art 1 [X.] 1 Buchst a Viertes Gesetz zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 19.11.2004, [X.] 2902, mWv 1.1.2004; zur gesetzlichen Rentenversicherung vgl § 170 Abs 1 [X.] 2 Buchst a [X.]I idF durch Art 5 [X.] 5 Buchst a Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, [X.] 2848, mWv 1.1.2004 iVm § 3 S 1 [X.] 3 [X.]I idF durch Art 6 [X.] 2 Buchst a Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom [X.], [X.] 2954, mWv 1.1.2005). Die Unfallversicherungsträger gewähren Heilbehandlung einschließlich ärztlich verordneter Heil- und Hilfsmittel, um den durch den Versicherungsfall iS des § 7 [X.]II verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern (§ 26 Abs 2 [X.] 1, § 30, § 31, § 34 [X.]II). Dazu, dass die Behandlung ab 10.3.2006 und die Zahlung von Verletztengeld nebst Beitragstragung ab 11.3.2006 nicht wesentlich aufgrund der Unfallfolgen erfolgten, hat das [X.] keine Feststellungen getroffen. Es wird diese nun nachzuholen haben.

3. In prozessrechtlicher Hinsichtlich gilt Folgendes: Sollte das [X.] auf der Grundlage der nachzuholenden Sachverhaltsermittlungen zum Ergebnis gelangen, dass die Klägerin unzuständige Leistungsträgerin ist und die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs dem Grunde nach bejahen, wird es auch abschließend über die Höhe des Erstattungsanspruchs zu entscheiden haben. In Fällen echter Leistungsklagen (§ 54 Abs 5 SGG) - wie vorliegend - wird der Rechtsstreit durch den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 SGG) nämlich nicht in vollem Umfang beendet. In der Sache handelt es sich bei einem solchen Grundurteil lediglich um ein Zwischenurteil iS von § 130 Abs 2 SGG (idF des ab [X.] geltenden [X.] vom [X.], [X.] 2144; zuvor § 202 SGG iVm § 304 Abs 1 ZPO, vgl [X.] [X.] 4-3100 § 18c [X.] 2 Rd[X.] 13). Es ist lediglich ein vorweggenommener und unselbstständiger Teil des [X.]. Anders als ein echtes Grundurteil (§ 130 Abs 1 S 1 SGG) beendet es den Rechtsstreit nicht in vollem Umfang und ergeht daher ohne Kostenentscheidung (vgl zB [X.] in [X.], SGG, Stand September 2016, § 130 Rd[X.] 105). Der Erlass eines echten Grundurteils als Vollendurteil scheidet demgegenüber bei reinen Leistungsklagen aus, mit denen - wie im vorliegenden Fall - unter Leistungsträgern über einen bezifferten Erstattungsanspruch gestritten wird; in derartigen Fällen ist vielmehr die Durchführung eines Nachverfahrens über die Höhe des Erstattungsanspruchs erforderlich (vgl zB [X.] 74, 36, 44 = [X.] 3-1300 § 104 [X.] 8 S 24; [X.] 61, 217, 221 ff = [X.] 3100 § 19 [X.] 18 S 57 f; [X.] 29, 69 f = [X.] [X.] 7 zu § 130 SGG). Hier ist der Rechtsstreit auf die Berufung gegen das ohne Einschränkung klageabweisende SG-Urteil hin prozess[X.]l insgesamt beim [X.] angefallen. Er ist dort hinsichtlich der Entscheidung über die Höhe des [X.] anhängig geblieben und nach der aus anderen Gründen - wie oben dargelegt - gebotenen Aufklärung mit der Notwendigkeit einer (formellen) abschließenden Kostenentscheidung fortzuführen (vgl entsprechend [X.] [X.] 4-3100 § 18c [X.] 2 Rd[X.] 13).

4. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 1 KR 25/16 R

13.12.2016

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Dresden, 29. März 2012, Az: S 5 U 63/10, Urteil

§ 102 Abs 1 SGB 10, § 105 Abs 1 S 1 SGB 10, § 11 Abs 4 SGB 5 vom 20.12.1988, § 11 Abs 5 SGB 5 vom 26.03.2007, § 27 SGB 5, § 7 SGB 7, § 26 SGB 7, §§ 26ff SGB 7, § 170 Abs 2 S 2 SGG, § 170 Abs 5 SGG, § 54 Abs 5 SGG, § 130 Abs 1 SGG, § 130 Abs 2 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 13.12.2016, Az. B 1 KR 25/16 R (REWIS RS 2016, 919)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 919

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