Bundessozialgericht, Urteil vom 08.03.2016, Az. B 1 KR 27/15 R

1. Senat | REWIS RS 2016, 14958

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Erstattungsstreit zwischen Rehabilitationsträgern - Zuständigkeitsklärung - doppelte Antragsweiterleitung - Erstattungsanspruch des drittangegangenen Leistungsträgers


Leitsatz

Ein "drittangegangener" Rehabilitationsträger, der Leistungen zur Rehabilitation erbringt, hat gegen den "eigentlich" zuständigen Rehabilitationsträger einen Erstattungsanspruch ausschließlich als unzuständiger Leistungsträger.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 25. Juni 2015 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 25. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 652,32 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Reha).

2

Der als Bezieher von [X.] ([X.]) ohne Anspruch auf Krankengeld ([X.]) bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versicherte [X.] (Versicherter) beantragte bei ihr Leistungen zur medizinischen Reha ([X.]). Die Beklagte übersandte den Antrag an die [X.] ([X.]) [X.] (26.8.2009), die ihrerseits den Antrag an die klagende Rentenversicherungsträgerin weiterleitete, bei der das [X.] geführt wurde ([X.]). Die Klägerin bewilligte dem Versicherten vom 3. bis 24.11.2009 Leistungen zur medizinischen Reha ([X.]) und forderte von der Beklagten als materiell-rechtlich originär zuständigem Reha-Träger Erstattung ihrer Aufwendungen (23.2.2010). Die Beklagte erstattete Heilbehandlungs- und Fahrkosten (2127,26 Euro), lehnte aber unter anderem eine Erstattung des von der Klägerin gezahlten Übergangsgeldes (Erstattung von [X.] 488,29 Euro) sowie von Renten-, Kranken und Pflegeversicherungsbeiträgen (164,03 Euro) ab, weil der Versicherte als Bezieher von [X.] keinen Anspruch auf [X.] gehabt habe (18.3.2010). Das [X.] hat die Klage auf Erstattung von 652,32 Euro abgewiesen (Urteil vom [X.]). Das L[X.] hat das [X.]-Urteil aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von 652,32 Euro verurteilt. § 14 Abs 4 S 1 [X.]B IX verpflichte die Beklagte zur Erstattung sämtlicher, dem eigentlich unzuständigen Träger entstandenen Aufwendungen. Ein Erstattungsanspruch nach § 14 Abs 4 S 1 [X.]B IX scheitere weder an der nicht fristgerechten Weiterleitung des Antrags durch die Beklagte an die [X.] [X.] noch an der erneuten Weiterleitung an die Klägerin (Urteil vom 25.6.2015).

3

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 14 Abs 4 [X.]B IX.

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 25. Juni 2015 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 25. Juni 2012 zurückzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der beklagten [X.] ist begründet. Zu Unrecht hat das [X.] das SG-Urteil aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von 652,32 Euro verurteilt. Der klagenden Rentenversicherungsträgerin steht der zulässig mittels einer allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) geltend gemachte Erstattungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu. Über die gezahlten 2127,26 Euro hinaus hat die Klägerin weder einen Erstattungsanspruch nach § 14 Abs 4 [X.] [X.] (idF durch Art 1 des [X.] vom 19.6.2001, [X.] 1046; dazu 1.), noch nach § 105 [X.] (dazu 2.) oder §§ 102, 103, 104 [X.] (dazu 3.).

8

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Erstattungsanspruch aus § 14 Abs 4 [X.] [X.]. Diese Vorschrift bestimmt: Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen [X.] nach Abs 1 [X.] bis 4 festgestellt, dass ein anderer [X.] für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem [X.], der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften.

9

a) § 14 [X.] räumt dem zweitangegangenen Träger einen spezialgesetzlichen Erstattungsanspruch gegen den materiell-rechtlich originär zuständigen [X.] ein. Dieser spezielle Anspruch geht den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem [X.] vor. Er ist begründet, soweit der Versicherte von dem Träger, der ohne die Regelung in § 14 [X.] zuständig wäre, die gewährte Maßnahme hätte beanspruchen können (vgl zum Ganzen [X.], 277 = [X.]-2500 § 40 [X.], RdNr 9 ff; [X.], 267 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.]8 ff; ebenso BSG [X.]-3250 § 14 [X.] Rd[X.]5 f; [X.], 207 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.]8 ff; [X.] 102, 90 = [X.]-2500 § 33 [X.]1, Rd[X.]4; BSG [X.]-3250 § 14 [X.] Rd[X.]1 mwN). Die Regelung begründet einen Ausgleich dafür, dass der zweitangegangene [X.] - bei Vorliegen eines entsprechenden [X.] - die erforderlichen [X.]en selbst dann erbringen muss, wenn er der Meinung ist, hierfür nicht zuständig zu sein. Dabei handelt es sich um eine gleichsam "aufgedrängte Zuständigkeit" (vgl [X.], 267 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.]1).

b) Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 14 Abs 4 [X.] [X.] sind vorliegend nicht erfüllt. Die Klägerin ist nicht als "zweitangegangener" [X.] iS dieser Regelung (formal) zuständig geworden. § 14 Abs 1 [X.] [X.] umschreibt zweitangegangene Träger bei antragsabhängigen Leistungen in Abhängigkeit von der Stellung eines Antrags und dessen fristgerechter Weiterleitung wie folgt: Stellt der [X.], bei dem zuerst Leistungen beantragt worden sind (erstangegangener [X.]), binnen zwei Wochen fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich, das heißt innerhalb der [X.], dem nach seiner Auffassung zuständigen [X.] (zweitangegangener [X.]) zu.

Die Beklagte leitete den [X.] des Versicherten weder an die [X.] noch an die Klägerin innerhalb der Frist von zwei Wochen weiter. Im Verhältnis der [X.] zueinander folgt aus § 14 Abs 1 [X.] und 2, Abs 2 [X.] [X.] die (endgültige) Zuständigkeit des erstangegangenen [X.]s, wenn er zu dem Ergebnis kommt, dass seine Zuständigkeit nach den [X.] begründet ist, oder er den Antrag nicht innerhalb der [X.] weiterleitet. In beiden Fällen hat er gemäß § 14 Abs 2 [X.] [X.] den [X.] (selbst) unverzüglich festzustellen. Er ist in diesen Fällen als erstangegangener Träger gegenüber dem behinderten Menschen für die umfassende Leistungserbringung zuständig und muss den Antrag unter allen rechtlichen Gesichtspunkten, also auch unter Beachtung der [X.] anderer [X.] prüfen, verbescheiden und ggf Leistungen erbringen (zur nicht rechtzeitigen Weiterleitung [X.], 267 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.]2; [X.], 207 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.]9; [X.] in jurisPK-[X.], 2. Aufl 2015, § 14 [X.], [X.]). Erbringt dennoch ein anderer [X.] die Leistung, kann er keinen Erstattungsanspruch nach § 14 Abs 4 [X.] [X.] geltend machen. Denn § 14 Abs 4 [X.] [X.] setzt nach Wortlaut (dazu [X.]), Sinn und Zweck iVm der § 14 [X.] innewohnenden Systematik (dazu [X.]) sowie der Entstehungsgeschichte (dazu [X.]) die (formale oder aufgedrängte) Zuständigkeit des zweitangegangenen [X.]s voraus, an der es hier wegen der nicht fristgerechten Weiterleitung des [X.] selbst dann fehlen würde, wenn die Beklagte den Antrag am 26.8.2009 nicht an die [X.], sondern an die Klägerin weitergeleitet hätte.

Ebenso wenig sieht § 14 [X.] eine Weiterleitung des [X.] durch den zweitangegangenen [X.] an einen dritten [X.] vor. Der drittangegangene [X.] kann mangels Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zuständigkeitszuweisung bei fristgerechter Weiterleitung eines [X.] durch den erstangegangenen [X.] selbst dann nicht zuständig werden, wenn die wiederholte Weiterleitung innerhalb der [X.] erfolgt und der drittangegangene [X.] die Leistung erbringt, sei es in Unkenntnis seiner fehlenden Zuständigkeit, sei es zur beschleunigten Erbringung der erforderlichen Leistung. Auch insoweit erlauben Wortlaut, Sinn und Zweck, Systematik und Entstehungsgeschichte der Zuständigkeitszuweisung nach § 14 [X.] entgegen der Auffassung des [X.] keine andere Auslegung.

[X.]) Der Wortlaut gibt für die vom [X.] vorgenommene Auslegung keinen Anhalt. § 14 [X.] kennt nur den erst- und den zweitangegangenen [X.] und weist (nur) einem von beiden die Zuständigkeit abhängig von der fristgerechten Weiterleitung des [X.] zu. Nach Ablauf der [X.] ist die Weiterleitung eines Antrages nicht mehr möglich; mit einer Fristversäumung wird gesetzlich die Zuständigkeit des erstangegangenen [X.]s begründet. Die Frist von zwei Wochen wirkt wie eine Ausschlussfrist. Die Möglichkeit, den Antrag [X.] innerhalb oder außerhalb der [X.] weiterzuleiten oder an den erstangegangenen [X.] zurückzuverweisen, sieht § 14 [X.] nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut nicht vor.

[X.]) Sinn und Zweck der Norm sowie Systematik bestätigen diese Auslegung. Die Vorschrift trägt dem Bedürfnis Rechnung, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch formale Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken (vgl BT-Drucks 14/5074 [X.] zu § 14 [X.]). Während die Zuständigkeit der einzelnen Zweige der sozialen Sicherheit für [X.]en unberührt bleiben sollte, sollte das Verwaltungsverfahren durch eine Zuständigkeitsklärung innerhalb von 14 Tagen deutlich verkürzt werden, damit die Berechtigten die erforderlichen Leistungen schnellstmöglich erhalten (BT-Drucks 14/5074 [X.]). Die in § 14 Abs 2 [X.] und 3 [X.] geregelte Zuständigkeitszuweisung erstreckt sich im Außenverhältnis zum Versicherten deshalb auf alle Rechtsgrundlagen, die in dieser Bedarfssituation für [X.] vorgesehen sind. Im Verhältnis zum behinderten Menschen wird dadurch eine eigene gesetzliche Verpflichtung des erst- oder zweitangegangenen Trägers begründet, die - vergleichbar der Regelung des § 107 [X.] - einen endgültigen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistungen in diesem Rechtsverhältnis bildet. Im Verhältnis der [X.] untereinander ist jedoch eine Lastenverschiebung ohne Ausgleich nicht bezweckt. Den Ausgleich bewirkt der Anspruch nach § 14 Abs 4 [X.] [X.] (BSG [X.]-3250 § 14 [X.] Rd[X.]1; BSG [X.]-3250 § 14 [X.] RdNr 9). Wollte man, wie das [X.] meint, auch bei einem Überschreiten der [X.] die Zuständigkeit des zweitangegangenen [X.]s bejahen, ihm zumindest aber einen Erstattungsanspruch nach § 14 Abs 4 [X.] [X.] zubilligen und darüber hinaus auch eine erneute Weiterleitung des [X.] zulassen, würde dieser Beschleunigungseffekt konterkariert. Denn weder müsste der erstangegangene [X.] innerhalb der [X.] den Antrag weiterleiten noch wäre der zweitangegangene Träger an die Weiterleitung gebunden. Jedenfalls könnte der zweitangegangene [X.] versuchen, den [X.] trotz der durch die Weiterleitung begründeten Zuständigkeit an den aus seiner Sicht "eigentlich" zuständigen [X.] in der Hoffnung weiterzuleiten, dass dieser die Leistung erbringt. Die Möglichkeit der erneuten Weiterleitung müsste schließlich, wollte man der Auffassung des [X.] folgen, auch der drittangegangene [X.] haben und so fort. Auf die Unterbindung eines solchen Verhaltens zielt aber § 14 [X.] gerade ab; die vom [X.] vorgenommene Auslegung würde den gesetzwidrigen Umgang mit § 14 [X.] hingegen fördern und dem Ziel der raschen Zuständigkeitszuweisung zuwiderlaufen. Die vom [X.] vorgenommene Auslegung ist auch mit dem Interesse der Versicherten unvereinbar. Sie sollen angesichts des gegliederten Systems gerade davor geschützt werden, selbst komplizierte [X.]n zu beantworten, etwa wenn der drittangegangene [X.] die [X.] mangels Zuständigkeit oder verspäteter Weiterleitung ablehnt.

Die § 14 [X.] innewohnende Systematik stützt das vom erkennenden Senat gewonnene Ergebnis. Nach § 14 [X.] ist der erstangegangene [X.] zuständig, wenn er nach Prüfung seine Zuständigkeit annimmt oder den Antrag nicht innerhalb der [X.] weiterleitet. Die "eigentliche" Zuständigkeit ist aus den vorgenannten Gründen hingegen zweitrangig. Die Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich danach unabhängig von der materiellen Rechtslage allein schon aus der unterlassenen Weiterleitung innerhalb der [X.]. Es widerspricht dieser vorgegebenen Systematik, wollte man - wie letztlich das [X.] - (auch) die Zuständigkeit der Klägerin unabhängig vom Zeitablauf und der Anzahl der mit dem [X.] zuvor befassten Leistungsträger bejahen, weil diese die [X.] am Ende erbracht hat. Erst recht lässt es sich mit der Systematik des § 14 [X.] nicht vereinbaren, die Zuständigkeit des drittangegangenen [X.]s für den Fall zu bejahen, dass dieser seine Zuständigkeit annimmt.

[X.]) Auch die Entstehungsgeschichte des § 14 [X.] belegt die vom erkennenden Senat vorgenommene Auslegung. § 14 [X.] ist durch das [X.] eingeführt worden. Das gegliederte System hatte vor Inkrafttreten des [X.] zur Folge, dass an den Nahtstellen der verschiedenen Leistungsbereiche und -zuständigkeiten nicht überall sachgerechte Abgrenzungs- und Verknüpfungsregelungen bestanden und die Zersplitterung der einschlägigen Rechtsvorschriften bei den einzelnen beteiligten Trägern und Stellen die Tendenz zu isolierter Betrachtung von Teilproblemen und Teillösungen förderte, während für behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen die Leistungen und sonstigen Hilfen zur Eingliederung vor allem in ihrem Zusammenwirken von Bedeutung waren. Streitigkeiten über die [X.] einschließlich der vorläufigen Leistungserbringung bei ungeklärter Zuständigkeit oder bei Eilbedürftigkeit gingen zu Lasten der behinderten Menschen und der Schnelligkeit und Qualität der Leistungserbringung. Das Instrument der vorläufigen Leistungserbringung nach § 6 Abs 2 Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation konnte diesen Anspruch nicht erfüllen (BT-Drucks 14/5074 [X.]). Durch die Einführung eines neuen Zuständigkeitsklärungsverfahrens wollte der Gesetzgeber deshalb einen bürgernahen Zugang zu den erforderlichen Sozialleistungen schaffen und die Effizienz der Sozialleistungen zur Teilhabe auf der Grundlage gemeinsamen Rechts verbessern (BT-Drucks 14/5074 [X.]). Die rasche und parallele Klärung der Reha-Bedürftigkeit und der sozialrechtlichen Zuständigkeit sowie der beschleunigte Zugang zur Reha sollten die bisherigen kostenintensiven Wartezeiten vermindern und zu erheblichen Kosteneinsparungen führen (BT-Drucks 14/5074 [X.]). Der Entstehungsgeschichte des § 14 [X.] ist damit zu entnehmen, dass grundsätzlich der zuerst angegangene [X.] die Leistungen erbringen soll, und deshalb verpflichtet ist, kurzfristig festzustellen, ob er für die Leistung zuständig sein kann und unter Berücksichtigung vorrangiger Leistungszuständigkeiten anderer [X.] hierfür auch zuständig ist. Bei negativem Ergebnis hat er den Antrag unverzüglich dem [X.] zuzuleiten, den er nach dem Ergebnis seiner Prüfung für zuständig hält. Dieser muss die Leistung unabhängig von der "eigentlichen" Zuständigkeit erbringen und darf den Antrag gerade nicht mehr weiterleiten, wie dies noch vor Inkrafttreten des [X.] zu Lasten des Versicherten möglich war (BT-Drucks 14/5074 [X.]).

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch aus § 105 [X.] keinen Anspruch auf Erstattung von 652,32 Euro. Zwar steht § 14 Abs 4 S 3 [X.] der Anwendung des § 105 [X.] nicht entgegen (dazu a). Der Erstattungsanspruch umfasst aber weder das von der Klägerin dem Grundsicherungsträger erstattete [X.] noch die von ihr geleisteten Sozialversicherungsbeiträge (dazu b).

a) Der Anwendungsbereich des § 105 [X.] ist eröffnet. § 14 Abs 4 S 3 [X.] steht dem nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist § 105 [X.] nicht anzuwenden für unzuständige [X.], die eine Leistung nach § 14 Abs 2 [X.] und 2 [X.] erbracht haben. Die Klägerin erbrachte eine Leistung nicht als erstangegangene Leistungsträgerin, die den Antrag nicht oder nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen weiterleitet ("nach § 14 Abs 2 [X.] und 2 [X.]"), sondern als drittangegangene Trägerin. § 14 Abs 4 S 3 [X.] sieht lediglich die Unanwendbarkeit von § 105 [X.] für unzuständige [X.] vor, die eine Leistung nach Abs 2 [X.] und 2 erbracht haben. Dies trägt der Zuständigkeitsbegründung für den erstangegangenen [X.] durch § 14 Abs 1 [X.] und Abs 2 [X.] und 2 [X.] Rechnung: Hat ein Leistungsträger den [X.] nicht weitergeleitet, ist er zuständig. Er kann Erstattung jedenfalls nicht nach § 105 [X.] verlangen ([X.], 267 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.]2; [X.] 93, 283 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.]8). Hat der Träger seine Zuständigkeit verneint und leistet er, obwohl ein anderer [X.] nach dem Ergebnis seiner Prüfung zuständig ist, greift er zielgerichtet in fremde Zuständigkeiten ein und missachtet das Weiterleitungsgebot des § 14 Abs 1 [X.] [X.]. Für ihn bestätigt § 14 Abs 4 S 3 [X.] den Ausschluss jeglicher Erstattung (vgl [X.], 267 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.]5; [X.] in jurisPK [X.], 2. Aufl 2015, § 14 Rd[X.]6; zur nachträglichen Korrektur bei zunächst [X.] Annahme der Zuständigkeit vgl [X.], 267 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.]6 ff). Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte. § 14 Abs 4 S 3 [X.] gelangte erst aufgrund der Beschlussempfehlung des [X.] (11. Ausschuss) in den Gesetzentwurf (vgl BT-Drucks 14/5786, [X.]2 zu § 14 Abs 4), um das Gewollte klarzustellen und sprachlich zu vereinfachen ([X.], 267 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.]2 unter Hinweis auf BT-Drucks 14/5800, [X.]6 zu Art 1, § 14).

b) Die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 105 [X.] liegen vor (dazu [X.]). Der Anspruch umfasst aber nicht die von der Klägerin geltend gemachten 652,32 Euro (dazu [X.]).

[X.]) Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs 1 [X.] vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger nach § 105 [X.] [X.] erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

Hiernach müssen die betroffenen Leistungsträger vergleichbaren Leistungspflichten unterliegen, und zwar unter Berücksichtigung einer zeitlichen Kongruenz und Personenidentität. Ferner darf die Leistung des die Erstattung begehrenden Leistungsträgers nur wegen der fehlenden Zuständigkeit rechtswidrig sein (vgl BSG [X.] 3-5670 § 3 [X.] [X.]1). Die Unzuständigkeit hinweggedacht, muss die Leistung des Erstattung begehrenden Trägers rechtmäßig sein. Hat der Träger von vornherein eine schon abstrakt-generell (dh ihrer Art nach) nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fallende Leistung erbracht, kann er die von vornherein rechtswidrige Leistung vom Leistungsempfänger nach Maßgabe der §§ 44 ff [X.] zurückfordern und darf sich nicht an einen anderen Träger halten, der diese Leistung hätte rechtmäßig erbringen können (vgl BSG [X.]-3100 § 18c [X.] RdNr 38; s ferner [X.] 58, 263, 275 f = [X.] 2200 § 1237 [X.]0 S 57 f; BSG [X.] 1300 § 105 [X.] S 4; Klattenhoff in [X.]/[X.], [X.], September 2015, § 105 Rd[X.]; [X.] in jurisPK-[X.], 2013, § 105 RdNr 33; Kater in [X.] Komm, Stand September 2015, § 105 [X.] Rd[X.]4). Dem die Erstattung begehrenden Träger muss grundsätzlich die rechtmäßige Gewährung der von ihm tatsächlich erbrachten Leistung möglich sein (BSG [X.]-3250 § 14 [X.]0 Rd[X.]4 mwN). Dies ist hier der Fall. Die Klägerin hat dem Versicherten vom 3. bis 24.11.2009 Leistungen zur medizinischen Reha (§§ 26 ff [X.]) erbracht, die ihrer Art sowohl in den Zuständigkeitsbereich der Klägerin (§ 9 Abs 1, § 15 Abs 1 [X.]I) als auch in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten (§ 11 Abs 2, § 27 Abs 1 [X.] [X.], § 40 [X.]) fallen.

Dem Gesamtzusammenhang der den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) ist zu entnehmen, dass die Klägerin für die von ihr erbrachte Leistung nicht zuständig war, weil eine wesentliche Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten nicht zu erwarten war (§ 10 [X.]I). Die Durchführung der medizinischen Reha oblag danach der Beklagten als der zuständigen [X.].

[X.]) Der Erstattungsanspruch nach § 105 Abs 1 [X.] umfasst nur die Heilbehandlungs- und Fahrkosten, nicht aber die von der Klägerin geltend gemachten 652,32 Euro für die von ihr gezahlten Sozialversicherungsbeiträge sowie für die Erstattung von [X.] an den [X.]. Nach § 105 Abs 2 [X.] richtet sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für den zuständigen Leistungsträger - hier die Beklagte - geltenden Rechtsvorschriften. Der Erstattungsanspruch ist nicht nur im Bestehen, sondern auch im Umfang abhängig vom materiell-rechtlichen Anspruch des Leistungsempfängers gegen den erstattungspflichtigen Träger. Dementsprechend sind vorliegend nicht die Vorschriften des [X.]I, sondern die des [X.] maßgebend.

Die Beklagte war nach den Vorschriften des [X.] nicht verpflichtet, dem Versicherten während der Reha-Maßnahme die Versicherungspflicht begründenden Leistungen zum Lebensunterhalt oder Lohnersatz - hier [X.] - zu zahlen. Sie musste dementsprechend keine Sozialversicherungsbeiträge entrichten. Der Versicherte war als [X.]-II-Empfänger nicht zum Bezug von [X.] berechtigt. Nach § 44 Abs 1 [X.] haben Versicherte Anspruch auf [X.], wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der [X.] stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Reha-Einrichtung (§ 23 Abs 4, §§ 24, 40 Abs 2 und § 41 [X.]) behandelt werden. Ausgeschlossen hiervon sind nach § 44 Abs 2 [X.] [X.] [X.] aber ua Personen, deren Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung auf dem Bezug von [X.] beruht (§ 5 Abs 2a [X.]). Zu diesem Personenkreis gehörte im maßgebenden Zeitraum auch der Versicherte.

Ohne Bedeutung für den (Umfang des) Erstattungsanspruch ist es nach oben Gesagtem, dass die Klägerin sich verpflichtet wähnte, dem nach § 3 [X.] Nr 3a [X.]I (in der bis 31.12.2010 geltenden Fassung des Art 2 [X.] Buchst a und b des Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom [X.], [X.] 558 mWv 1.1.2007) als [X.]-II-Bezieher in der gesetzlichen Rentenversicherung ([X.]) Versicherten Übergangsgeld während der medizinischen Reha gemäß § 20 Nr 3 [X.]I zu zahlen bzw das als Vorschuss auf die Leistungen der [X.] gezahlte [X.] (§ 25 SGB II in der hier maßgebenden Fassung des [X.] [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] vom 24.3.2011, [X.] 453) erstatten zu müssen.

3. Ein Erstattungsanspruch nach §§ 102, 103 oder 104 [X.] scheidet aus. Weder hat die Klägerin - bezogen auf den geltend gemachten Erstattungsbetrag - aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht (§ 102 [X.]) noch hatte der Versicherte gegen die Klägerin Anspruch auf Sozialleistungen, der nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist (§ 103 [X.]), noch war die Klägerin nachrangig zur Leistung verpflichtet (§ 104 [X.]).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 [X.] Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 197a Abs 1 [X.] Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 [X.], § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 1 KR 27/15 R

08.03.2016

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Hannover, 25. Juni 2012, Az: S 76 KR 755/10, Urteil

§ 14 Abs 1 S 1 SGB 9, § 14 Abs 1 S 2 SGB 9, § 14 Abs 2 S 1 SGB 9, § 14 Abs 2 S 3 SGB 9, § 14 Abs 4 S 1 SGB 9, § 14 Abs 4 S 3 SGB 9, § 105 Abs 1 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 08.03.2016, Az. B 1 KR 27/15 R (REWIS RS 2016, 14958)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14958

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