Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.08.2015, Az. B 6 KA 7/15 B

6. Senat | REWIS RS 2015, 6959

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Geltendmachung - zulässiger Revisionsgrund - Darlegung der Entscheidungserheblichkeit


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 3. Dezember 2014 wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1618,10 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich gegen einen Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnung des [X.] im Quartal III/2007.

2

Der Kläger nimmt in [X.] als Facharzt für Orthopädie und Rheumatologie an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Von April 2004 bis Dezember 2005 und damit über einen Zeitraum von 21 Monaten behandelte der Kläger den Patienten [X.] mit dem Medikament Forsteo. Ab Juli 2007 verordnete der Kläger dem Patienten [X.] dieses Medikament erneut. Im streitgegenständlichen Quartal betrugen die [X.] 1618,10 Euro.

3

Forsteo ist ein Arzneimittel zur Behandlung von Osteoporose mit dem Wirkstoff [X.]. Die Zulassung bezog sich zunächst allein auf die Verordnung bei Frauen und wurde im Laufe des [X.]/2007 auf Männer erweitert. Nach der im streitigen Quartal neuesten Fachinformation betrug die maximale Therapiedauer 18 Monate. Begründet wurde diese Beschränkung mit dem Ergebnis von Studien an Ratten, die Hinweise auf ein erhöhtes Risiko von Knochenkrebs (Osteosarkome) bei Langzeitanwendung ergeben hatten. Der Gemeinsame [X.] hat als Anlage 4 der [X.] ([X.]) Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise von [X.] beschlossen (Beschluss vom [X.], in [X.] getreten am 24.3.2007, BAnz [X.] vom 23.3.2007, [X.]). Danach handelt es sich bei [X.] zur Behandlung der manifesten Osteoporose bei postmenopausalen Frauen nur um ein Mittel der zweiten Wahl. Die Verordnung bleibe lediglich definierten Ausnahmefällen vorbehalten. [X.] sei wegen der im Vergleich zu Bisphosphonaten bis zu 35-fach höheren [X.] in der Regel unwirtschaftlich. Eine Verordnung sei nur möglich, wenn bestimmte, in den Empfehlungen näher definierte Bedingungen kumulativ erfüllt seien, zu denen ua das Vorliegen einer manifesten "Osteoporose mit mindestens 2 neuen Frakturen in den letzten 18 Monaten" sowie "kein ausreichendes Ansprechen auf eine direkte und adäquate Vorbehandlung über mindestens 1 Jahr" gehörten.

4

Die gemeinsame Prüfstelle setzte gegen den Kläger einen Regress mit der Begründung fest, dass die maximale Behandlungsdauer von 18 Monaten überschritten worden sei. Die Verordnungsmenge lasse sich auch mit Blick auf das Vorbringen des [X.] und die vorliegenden Behandlungsunterlagen nicht rechtfertigen. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte zurück. Klage und Berufung des [X.] hatten keinen Erfolg.

5

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, zu deren Begründung er eine grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.] geltend macht.

6

II. Die Beschwerde des [X.] ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.].

7

1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist nicht ausreichend dargelegt. Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss nach den aus § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] abzuleitenden Darlegungsanforderungen in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet (vgl [X.]-1500 § 160a [X.] f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl [X.]-1500 § 153 [X.] Rd[X.]3 mwN). Den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] wird bei der Grundsatzrüge nur genügt, wenn der Beschwerdeführer eine Frage formuliert, deren Beantwortung nicht von den Umständen des Einzelfalles abhängt, sondern mit einer verallgemeinerungsfähigen Aussage beantwortet werden könnte (zu dieser Anforderung vgl [X.] § 160a [X.]). Die Beschwerde des [X.] wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Der Beschwerdeführer formuliert die folgenden Thesen:

8

"1. Die Überschreitung einer in [X.] 4.2 der Fachinformation (hier zu [X.] (Forsteo) genannte Therapiedauer (hier von 24 Monaten) stellt keinen sogenannten Off-Label-Use dar."

9

"2. Somit wird die hier streitige Frage, inwieweit die in [X.]. 4.2 (und nicht 4.1 der Fachinformation = 'Anwendungsgebiet) genannten Dauer im Sinne einer absoluten Obergrenze, die wie eine Ausschlussregelung wirkt (die Therapie darf diese Dauer auf keinen Fall überschreiten), in der Entscheidung nicht abschließend geklärt. Aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit bedarf es folglich hierzu einer höchstrichterlichen Klärung."

"3. Es handelt sich um keinen Off-Label-Use, wenn in Abschnitt 4.2 der Fachinformation eines Arzneimittels (hier [X.] (Forsteo)) der Satz enthalten ist: 'Diese (hier: 18monatige) Therapie sollte im Laufe des Lebens beim gleichen Patienten nicht wiederholt werden' und sich der Arzt für eine zweite (hier: 18-monatige) Therapie entscheidet."

Auch wenn diese Thesen in Fragen umformuliert werden, können sie nicht mit einer verallgemeinerungsfähigen Aussage beantwortet werden. Wie auch durch die nachfolgende Begründung der Beschwerde verdeutlicht wird, geht es dem Kläger um die Auslegung des Inhalts eines konkreten [X.]. Er rügt eine "Fehlinterpretation" durch das [X.] und macht geltend, dass er bei richtiger Auslegung des [X.] in der [X.] bei der Verordnung des Medikaments nicht gegen deren Inhalt verstoßen habe. Auch mit der Aussage, dass das [X.] "falsche Rechtssätze aufgestellt" habe, macht der Kläger keinen zulässigen Revisionsgrund, sondern nur die Unrichtigkeit der Entscheidung des [X.] geltend.

Soweit der Kläger geltend macht, dass Aussagen im Urteil des [X.] etwa zur fehlenden Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung des Patienten [X.] oder zum Fehlen einer Studie der [X.], die Risiken und Nutzen einer Anwendungsdauer von mehr als 18 Monaten zum Gegenstand gehabt hätte, unzutreffend oder unschlüssig seien, so macht er eine fehlerhafte Feststellung von Tatsachen durch das [X.] oder deren Bewertung geltend, begründet jedoch nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Entsprechendes gilt für die geltend gemachte Verletzung der Therapiefreiheit des [X.] als Bestandteil seiner durch Art 12 Abs 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit.

Darüber hinaus ist die Beschwerde unzulässig, weil die Entscheidungserheblichkeit (Klärungsfähigkeit) nicht dargelegt wird. Im Rahmen der Darlegung der Klärungsfähigkeit ist zu begründen, dass die vorinstanzliche Entscheidung nicht mit anderer rechtlicher Begründung bestätigt werden kann. Dies gilt jedenfalls, wenn die Möglichkeit, dass das Revisionsgericht über die aufgeworfene Frage wegen des in Betracht kommenden anderen rechtlichen Gesichtspunktes nicht entscheiden muss, schon aus dem Urteil des [X.] hervorgeht ([X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 160a Rd[X.]4k mwN). So liegt der Fall hier. Das [X.] hat am Ende seiner Entscheidung ausgeführt, dass eine unwirtschaftliche Verordnung auch deshalb vorgelegen habe, weil der Kläger gegen die Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise in Anlage 4 der [X.] verstoßen habe. Danach dürfe [X.] nur Patienten verordnet werden, die in den letzten 18 Monaten vor Beginn der Therapie mindestens zwei neue Frakturen erlitten hätten und die außerdem auf eine direkte und adäquate Vorbehandlung über mindestens ein Jahr nicht ausreichend angesprochen hätten. Das Vorliegen beider Voraussetzungen sei hier nicht dargetan, sodass die nach den [X.] nur ausnahmsweise gegebene Verordnungsmöglichkeit nicht bestanden habe. Der Beschwerdebegründung des [X.] sind zu diesen beiden Gesichtspunkten keine Ausführungen zu entnehmen. Damit hat der Kläger die Entscheidungserheblichkeit der aufgestellten Thesen, die allein die in der Fachinformation angegebene höchstzulässige Therapiedauer zum Gegenstand haben, nicht dargelegt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.] iVm §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

3. Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der Festsetzung der Vorinstanz und ist von keinem Beteiligten in Frage gestellt worden (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.] iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG).

Meta

B 6 KA 7/15 B

06.08.2015

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Hamburg, 4. Juli 2012, Az: S 3 KA 51/11, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.08.2015, Az. B 6 KA 7/15 B (REWIS RS 2015, 6959)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 6959

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