Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.02.2010, Az. VI ZB 59/09

6. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9561

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Gegenstand

Selbstständiges Beweisverfahren: Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens


Leitsatz

Gegen die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 412 ZPO ist auch im selbstständigen Beweisverfahren kein Rechtsmittel gegeben .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des [X.] vom 29. Juli 2009 wird auf Kosten des Antragsgegners als unzulässig verworfen.

[X.]: 20.000,00 €

Gründe

I.

1

Das [X.] hat auf Antrag der Antragstellerin, die von dem Antragsgegner zahnärztlich behandelt worden war, in einem selbständigen Beweisverfahren die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet. Der Sachverständige hat das in Auftrag gegebene Gutachten erstattet und drei ergänzende Stellungnahmen abgegeben. Der Antragsgegner hat die Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 412 ZPO beantragt. Diesen Antrag hat das [X.] zurückgewiesen. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das [X.] die sofortige Beschwerde des Antragsgegners, der das [X.] nicht abgeholfen hat, als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

2

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

3

1. Die Rechtsbeschwerde ist nur zulässig, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) oder das Beschwerdegericht sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Die erstgenannte Alternative liegt nicht vor. Die auf Grundlage der zweiten Alternative vorgenommene Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht ist aber für das Rechtsbeschwerdegericht nicht bindend, wenn die Rechtsbeschwerde gegen die angefochtene Entscheidung bereits nicht statthaft ist. Eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung kann nicht durch Zulassung einer Anfechtung unterworfen werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Oktober 2002 - [X.] - [X.], 1007; vom 27. Januar 2004 - [X.]/03 - [X.], 698, 699 und vom 6. Oktober 2009 - [X.] - Rn. 4, [X.] 2009, 599; [X.], Beschlüsse vom 12. September 2002 - [X.]/02 - [X.], 482, 483; vom 1. Oktober 2002 - [X.] 271/02 - VersR 2004, 488 f.; vom 8. Mai 2003 - [X.]/02 - VersR 2004, 761 und vom 21. April 2004 - [X.] 279/03 - [X.], 427). Das gilt erst recht, wenn schon das Rechtsmittel zum Beschwerdegericht nicht zulässig gewesen ist ([X.], Beschluss vom 23. Oktober 2003 - [X.] 369/02 - NJW 2004, 1112, 1113 m.w.N.). Die Rechtsbeschwerde ist in diesem Fall auch dann unzulässig, wenn das Beschwerdegericht sie eigens zur Klärung der [X.] zugelassen hat ([X.], Beschlüsse vom 17. Oktober 2005 - [X.] - NJW-RR 2006, 286 und vom 20. Dezember 2005 - [X.] - [X.] 2006, 146;Prütting/[X.]/[X.], ZPO, § 574, Rn. 17).

4

So verhält es sich hier.

5

2. Gegen die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 412 ZPO ist auch im selbständigen Beweisverfahren kein Rechtsmittel gegeben.

6

a) Die Frage, inwieweit gegen einzelne Entscheidungen, die im selbständigen Beweisverfahren (§§ 485 ff. ZPO) ergehen, die sofortige Beschwerde (§ 567 ZPO) gegeben ist, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Während der Senat die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens für zulässig erachtet hat (Senatsbeschluss [X.]Z 164, 94, 95), hat der [X.]. Zivilsenat des [X.] entschieden, dass gegen die gerichtliche Anforderung eines Auslagenvorschusses im selbständigen Beweisverfahren - wie auch im Hauptsacheverfahren - ein Rechtsmittel nicht gegeben ist ([X.], Beschluss vom 3. März 2009 - [X.] ZB 56/08 - NJW-RR 2009, 1433, 1434). Die Frage, ob im selbständigen Beweisverfahren die Entscheidung, mit der ein Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 412 ZPO zurückgewiesen worden ist, mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist, wird von [X.]en teilweise bejaht ([X.], [X.], 585 f.; [X.], NJW-RR 2009, 497 f.), überwiegend jedoch verneint ([X.], [X.], 203 f.; [X.], NJW-RR 1998, 933; [X.], [X.], 251, 252; [X.], [X.], 128, 129; [X.], [X.], 308; [X.], [X.], 350; [X.], [X.] 2007, 736, [X.], [X.], 999 f.; [X.], [X.], 186; [X.], [X.] 2009, 588; [X.], [X.] 2009, 1304; [X.], [X.], 844 f.; vgl. auch [X.], ZPO, 22. Aufl., § 492, Rn. 8; [X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl., § 490, Rn. 4).

7

b) Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Dies ergibt sich, wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, aus § 567 Abs. 1 ZPO. Weder ist im Gesetz ausdrücklich bestimmt, dass gegen die im selbständigen Beweisverfahren ergangene Entscheidung, kein weiteres Gutachtens gemäß § 412 ZPO einzuholen, die sofortige Beschwerde statthaft ist (§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), noch handelt es sich in diesen Fällen um eine von § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO erfasste Entscheidung. Die Beweismöglichkeiten im selbständigen Beweisverfahren gehen grundsätzlich nicht weiter als im Hauptsacheverfahren. Im Erkenntnisverfahren ist gegen die Ablehnung der Einholung eines neuen Gutachtens grundsätzlich kein Rechtsmittel gegeben. Nach § 492 ZPO folgt die Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren den Regeln des Erkenntnisverfahrens. Würde den [X.]en im selbständigen Beweisverfahren in Fällen wie hier ein Beschwerderecht eingeräumt, erhielten sie ein Rechtsmittel an die Hand, welches ihnen bei einer Beweiserhebung in der Hauptsache nicht zur Verfügung stünde. Gründe für eine abweichende Regelung im selbständigen Beweisverfahren sind nicht vorhanden. Hält eine [X.] die Einholung eines weiteren Gutachtens für notwendig, bleibt es ihr unbenommen, die Gründe dafür gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren vorzutragen und dort die Anordnung der erneuten Begutachtung zu beantragen. Hat dieser Antrag im Hauptsacheverfahren keinen Erfolg, ist das Unterlassen einer weiteren Begutachtung, das einen revisiblen Verfahrensfehler darstellen kann, im Rechtsmittelverfahren überprüfbar (MünchKomm-ZPO/[X.], 3. Aufl., § 412, Rn. 5; [X.]/[X.], aaO, § 412, Rn. 4).

8

c) Eine verfahrensrechtliche Pflicht zur Einholung eines weiteren Gutachtens besteht im Hauptsacheverfahren gemäß § 412 ZPO nur ausnahmsweise, nämlich bei besonders schwierigen Fragen, bei groben Mängeln der vorhandenen Gutachten und dann, wenn ein neuer Gutachter über überlegene Forschungsmittel verfügt ([X.]Z 53, 245, 258; Senatsurteile vom 5. Dezember 1961 - [X.] - [X.], 231, 232; vom 9. Februar 1971 - [X.] - VersR 1971, 472, 473 und vom 4. März 1980 - [X.] - [X.], 533 f.; [X.], Urteil vom 18. März 1974 - [X.] - [X.], 804, 806 f.). Hinsichtlich der Frage, ob die Einholung eines weiteren Gutachtens geboten ist, ist dem Tatrichter ein Ermessensspielraum eingeräumt (§§ 144, 411 Abs. 3, 412 ZPO), bei dessen Ausübung er die Grundsätze der freien Beweiswürdigung, die sachfremde Erwägungen verbieten (§ 286 ZPO), zu beachten hat (Senatsurteil vom 4. März 1980 - [X.] - aaO, [X.]). Die Entscheidung darüber, ob ein weiteres Gutachten einzuholen ist, erfordert mithin eine Würdigung der bisher erhobenen Beweise. Eine Beweiswürdigung findet im selbständigen Beweisverfahren indessen nicht statt. Die Tätigkeit des mit dem selbständigen Beweisverfahren beauftragten Gerichts beschränkt sich vielmehr, wie die Beschwerdeerwiderung zutreffend darlegt, auf die Entgegennahme und formelle Prüfung des Antrags (§§ 487, 490 ZPO), die Ladung des Gegners (§ 491 ZPO) und die Durchführung der Beweisaufnahme nach Maßgabe des § 492 ZPO. Ist dem Gericht im selbständigen Beweisverfahren eine Prüfung der Frage der Erforderlichkeit eines neuen Gutachtens mithin verwehrt, ist die Ablehnung eines darauf gerichteten Antrags auch der Überprüfung im Beschwerdeverfahren entzogen.

9

d) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, dass das selbständige Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch eine Streitvermeidung im Auge habe und dazu eine umfassende Beweiserhebung erforderlich sei. Ob die Einholung eines weiteren Gutachtens zur Streitvermeidung geeignet ist, ist eine Frage des Einzelfalls und rechtfertigt es nicht, den [X.]en im selbständigen Beweisverfahren die Möglichkeit an die Hand zu geben, über den verfahrenseinleitenden Antrag hinaus die Art und Weise sowie den Umfang und die Dauer der Beweiserhebung zu bestimmen. Zudem steht einer Überprüfung von Entscheidungen über die Art und Weise der Beweiserhebung die Vorschrift des § 355 Abs. 2 ZPO entgegen, die auch im selbständigen Beweisverfahren Anwendung findet ([X.]/[X.], aaO, § 492, Rn. 1). Etwas anderes gilt allein für den Antrag einer [X.] auf Ladung des gerichtlichen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens, denn einem solchen Antrag hat das Gericht grundsätzlich - ohne Würdigung der bisher erhobenen Beweise - zu entsprechen. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats hat die [X.] nämlich zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nach §§ 397, 402 ZPO einen Anspruch darauf, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorlegen kann (Senatsbeschluss vom 22. Mai 2007 - [X.]/06 - [X.], 1713 m.w.N.). Dieses Antragsrecht besteht deshalb auch im selbständigen Beweisverfahren (Senatsbeschluss [X.]Z 164, 94, 96 f.).

3. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Galke                               [X.]                                     Pauge

                    [X.]                                           von [X.]

Meta

VI ZB 59/09

09.02.2010

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Köln, 29. Juli 2009, Az: 5 W 18/09, Beschluss

§ 412 ZPO, § 485 ZPO, § 492 Abs 1 ZPO, § 567 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.02.2010, Az. VI ZB 59/09 (REWIS RS 2010, 9561)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9561


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VI ZB 59/09

Bundesgerichtshof, VI ZB 59/09, 09.02.2010.


Az. 5 W 18/09

Oberlandesgericht Köln, 5 W 18/09, 29.07.2009.


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