Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.12.2011, Az. II ZB 4/11

2. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 547

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Gegenstand

Rechtsanwaltskosten: Terminsgebühr für eine Besprechung im Berufungsverfahren ohne Beteiligung des Gerichts betreffend mehrere Parallelverfahren


Leitsatz

1. Die Terminsgebühr für eine auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts kann in einem Berufungsverfahren, in dem ein Hinweis nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO erteilt wird, dann anfallen, wenn die Besprechung bereits vor Erteilung des Hinweises geführt wurde.

2. Betrifft eine auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts mehrere zwischen den Parteien anhängige Verfahren, fällt die Terminsgebühr in jedem der Verfahren gesondert an, berechnet nach den jeweiligen Streitwerten der betroffenen Verfahren.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluss des 7. Zivilsenats des [X.] vom 7. März 2011 aufgehoben.

Auf die sofortige Beschwerde des [X.] wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.] vom 29. November 2010 dahin abgeändert, dass weitere vom Beklagten an den Kläger zu erstattende Kosten in Höhe von 2.043,47 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. November 2010 festgesetzt werden.

Der Beklagte hat die Kosten der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbeschwerde zu tragen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens sowie - im Wege der Abänderung der Wertfestsetzung des [X.] - des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.043,47 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt die Festsetzung einer Terminsgebühr für die Mitwirkung seines Prozessbevollmächtigten an einer außergerichtlichen, auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung in einem Berufungsverfahren, das nach einem Hinweis des Berufungsgerichts gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO durch die Rücknahme des Rechtsmittels des Beklagten beendet wurde.

2

Der Beklagte, der im Verfahren erster Instanz in der Hauptsache zur Zahlung von 125.000 € verurteilt worden war, legte gegen dieses Urteil Berufung ein, die er mit Schriftsatz vom 23. Februar 2010 begründete. Die Parteivertreter nahmen [X.] im Mai 2010 telefonisch Kontakt auf mit dem Ziel, das Verfahren unter Einbeziehung eines weiteren zwischen den Parteien zu dieser [X.] anhängigen Rechtsstreits durch Vergleich zu beenden; eine Einigung kam nicht zu Stande. Das Berufungsgericht erteilte mit Beschluss vom 4. Oktober 2010 einen Hinweis gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Daraufhin nahm der Beklagte seine Berufung zurück.

3

Der Kläger hat die Festsetzung der Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von insgesamt 4.791,89 € nebst Zinsen beantragt, darin enthalten eine 1,2-fache Terminsgebühr gem. Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV [X.] in Höhe von brutto 2.043,47 €. Das [X.] hat die Terminsgebühr bei der Festsetzung nicht berücksichtigt. Die sofortige Beschwerde des [X.] hat das [X.] zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde.

4

II. Die nach Zulassung durch das Beschwerdegericht statthafte (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete (§ 567 Abs. 2 ZPO, § 575 ZPO) Rechts-beschwerde hat in der Sache Erfolg.

5

1. Das Beschwerdegericht hat unter Berufung auf die Rechtsprechung des [X.] ausgeführt: Eine Terminsgebühr sei für die Klägervertreter nicht angefallen. Diese entstehe bei der Mitwirkung des Rechtsanwalts an einer außergerichtlichen, auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV [X.] nur in solchen Verfahren, für die entweder eine mündliche Verhandlung grundsätzlich vorgesehen oder ausnahmsweise anberaumt worden sei. Das Berufungsverfahren sei nach der Einführung des Beschlussverfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO kein Verfahren mehr, in dem eine mündliche Verhandlung obligatorisch sei. Entsprechend könne eine Terminsgebühr in diesem Verfahren erst anfallen, wenn ein Verhandlungstermin nach § 523 Abs. 1 ZPO bestimmt worden sei.

6

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Terminsgebühr für eine auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts kann in einem Berufungsverfahren, in dem ein Hinweis nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO erteilt wird, dann anfallen, wenn die Besprechung bereits vor Erteilung des Hinweises geführt wurde.

7

a) Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Halbsatz 1 Fall 3 VV [X.] entsteht eine Terminsgebühr für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts. Die Parteivertreter haben ein solches [X.] im Mai 2010 geführt. Dadurch ist entgegen der Auffassung des [X.] die Terminsgebühr nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Halbsatz 1 Fall 3 VV [X.] angefallen, weil die auf die einvernehmliche Beendigung des Verfahrens zielende Besprechung vor dem Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO stattgefunden hat.

8

b) Das Beschwerdegericht stützt sich für seine gegenteilige Auffassung zu Unrecht auf die Rechtsprechung des [X.], insbesondere auf den Beschluss vom 15. März 2007 ([X.]/06, NJW 2007, 2644). Dort ist zwar ausgeführt, dass eine Terminsgebühr für die Berufungsinstanz nicht entstehe, wenn das Berufungsgericht die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweise. Dieser Entscheidung lag aber der Sach-verhalt zugrunde, dass die Besprechung, für die eine Terminsgebühr nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Halbsatz 1 Fall 3 VV [X.] geltend gemacht wurde, nach dem Hinweis gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO stattgefunden hatte. Im Beschluss des [X.] vom 15. März 2007 wird entscheidend auf die gesetzgeberischen Ziele bei Einführung der Möglichkeit einer Beschlussverwerfung nach § 522 Abs. 2 ZPO abgestellt, nach der die aussichtslosen Berufungen in einem vereinfachten Verfahren zügig erledigt werden sollen und dem Berufungskläger nach dem Hinweis des Berufungsgerichts die Möglichkeit einer kostengünstigen Erledigung erhalten bleiben soll. Diese Ziele würden vereitelt, wenn man die Vorbemerkung 3 zu Teil 3 VV [X.] dahin auslegte, dass auch nach einem Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts über die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung die Terminsgebühr durch eine Besprechung ohne Mitwirkung des Gerichts entstehe. Insbesondere wird auf einen im Schrifttum gegebenen „Praxistipp” für den Anwalt des Berufungsbeklagten abgestellt, nach einem solchen Hinweis des Berufungsgerichts über die beabsichtigte Zurück-weisung der Berufung noch eine Besprechung mit dem Berufungskläger zu führen ([X.], Beschluss vom 15. März 2007 - [X.]/06, NJW 2007, 2644 Rn. 9 und 10).

9

c) An[X.] liegt der Fall, wenn die Besprechung mit dem Ziel der Erledigung des Verfahrens, wie vorliegend, bereits vor dem Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO erfolgt ist. Dann tritt das gesetzgeberische Ziel in den Vordergrund, durch die Terminsgebühr für das außergerichtliche [X.] einen Anreiz für den Anwalt zu schaffen, in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Rechtsstreits beizutragen (vgl. Begründung des Entwurfs des [X.], [X.]. 15/1971, [X.], 209). Dies dient zum einen dem Interesse der Parteien an einer möglichst kostengünstigen Erledigung des Rechtsstreits ([X.]. 15/1971, [X.]) und zum anderen der Entlastung der Gerichte ([X.], Beschluss vom 27. Februar 2007 - [X.], NJW 2007, 2858 Rn. 8; Beschluss vom 21. Januar 2010 - [X.], [X.], 286 Rn. 7).

Dieses der Regelung der Vorbemerkung 3 zu Teil 3 VV [X.] zu Grunde liegende [X.] würde nur sehr unvollkommen erreicht, wenn der Prozessbevollmächtigte - auch in einem Fall wie dem vorliegenden - die Terminsgebühr durch das [X.] erst nach der [X.] gemäß § 523 Abs. 1 Satz 2 ZPO verdienen könnte (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Februar 2007 - [X.], NJW 2007, 2858 Rn. 8; Beschluss vom 27. Februar 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 1578 Rn. 8). Das Berufungsgericht hat nach § 523 Abs. 1 ZPO vor der [X.] zu entscheiden, ob die Berufung nach § 522 ZPO verworfen oder zurückgewiesen wird ([X.], Beschluss vom 15. März 2007 - [X.]/06, NJW 2007, 2644 Rn. 8), und muss in diesem Zusammenhang die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels prüfen. Die von einer außergerichtlichen Einigung ausgehende Entlastung des Berufungs-gerichts ist daher im Stadium vor der Terminierung in besonderem Maße gegeben. Entsprechend wi[X.]präche es der Zielsetzung des [X.], wenn für den Anwalt ein Anreiz bestünde, erst die Terminierung des Berufungsgerichts abzuwarten, bevor er einen außergerichtlichen Einigungsversuch unternimmt.

III. Der Beschluss des [X.] ist daher aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 1. Halbsatz ZPO). Der [X.] kann in der Sache entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 ZPO). Die Kosten sind antragsgemäß festzusetzen.

1. Das zwischen den Parteien geführte [X.] betraf nicht nur das vorliegende, sondern auch ein weiteres zwischen den Parteien [X.]. In diesem Fall fällt die Terminsgebühr in jedem der beiden Verfahren gesondert an, berechnet nach den jeweiligen Streitwerten der betroffenen Verfahren. Es findet auch keine Begrenzung auf den Wert einer einheitlichen Terminsgebühr aus der Addition der Streitwerte beider Verfahren statt ([X.], [X.], 191; Müller-Rabe in [X.], [X.], 19. Aufl., [X.] Rn. 98 f.; [X.], [X.] 2005, 294, 297; [X.], [X.]report 2010, 102, 103; [X.]., [X.]report 2009, 72, 73; [X.], FD-[X.] 2010, 298250; vgl. auch [X.], Beschluss vom 27. Februar 2007 - [X.], NJW 2007, 2858; Beschluss vom 27. Februar 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 1578; [X.], [X.] 2009, 80, 81).

a) Aus der Anrechnungsregelung in Nr. 3104 Abs. 2 VV [X.] lässt sich nichts anderes herleiten. Sie ist nicht anwendbar, wenn die Terminsgebühr nach der Vorbemerkung 3 zu Teil 3 VV [X.] infolge eines außergerichtlichen [X.]s über die Gegenstände mehrerer Verfahren anfällt. Dies beruht zum einen darauf, dass die Vorschrift ausdrücklich nur Verhandlungen „in dem Termin“ erwähnt, also eine Terminsgebühr auslösende Gespräche außerhalb eines Termins nicht erfasst. Zum anderen fehlt es im Falle eines außergerichtlichen [X.]s, das sich auf die Gegenstände mehrerer Verfahren erstreckt, an der der [X.] in Nr. 3104 Abs. 2 VV [X.] erkennbar zu Grunde liegenden Zuordnung zu einem bestimmten Verfahren (Müller-Rabe in [X.], [X.], 19. Aufl., [X.] Rn. 98 f.).

b) Andererseits hat der Gesetzgeber durch die Anrechnungsregelung in Nr. 3104 Abs. 2 VV [X.] zum Ausdruck gebracht, dass bei der Terminsgebühr wegen [X.]en im Verhandlungstermin eine Zusammenrechnung von Streitwerten nicht erfolgen, sondern der Auftraggeber - vorbehaltlich abweichender [X.] - durch die Anrechnung wirtschaftlich so gestellt werden soll, als sei das [X.] in dem jeweiligen Verfahren geführt worden (vgl. mit [X.]: [X.] in [X.]/Jungbauer/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., Nr. 3104 VV Teil 3 Rn. 80 f.; Müller-Rabe in [X.], [X.], 19. Aufl., [X.] Rn. 88 f.). Für einen Willen des Gesetzgebers, den Rechtsanwalt im Falle der außergerichtlichen Tätigkeit gegenüber der Verhandlung im Gerichtstermin schlechter zu stellen, ist nichts ersichtlich.

2. Die 1,2-fache Terminsgebühr fällt mithin aus einem Streitwert von 125.000 €, in Höhe von brutto 2.043,47 € an und ist gem. § 104 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 ZPO zu verzinsen.

[X.]                                                Strohn                                                Caliebe

                                Drescher                                                   Born

Meta

II ZB 4/11

13.12.2011

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Zweibrücken, 7. März 2011, Az: 7 W 4/11, Beschluss

Vorbem 3 Abs 3 Halbs 1 Alt 3 RVG-VV, § 522 Abs 2 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.12.2011, Az. II ZB 4/11 (REWIS RS 2011, 547)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 547

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