Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.02.2012, Az. XI ZB 15/11

11. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8746

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Gegenstand

Rechtsanwaltsvergütung: Anfall der Terminsgebühr im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren


Leitsatz

In Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, in denen ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, kann eine Terminsgebühr nicht anfallen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 11. Zivilsenats des [X.] vom 27. April 2011 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.] vom 29. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Der [X.] beträgt 1.713,60 €.

Gründe

I.

1

1. Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Erstattungsfähigkeit einer Terminsgebühr.

2

Der Antragsteller hat Prozesskostenhilfe für eine auf Rückabwicklung einer finanzierten Immobilienfondsbeteiligung gerichteten Klage beantragt. Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten. Das [X.] hat die beantragte Prozesskostenhilfe teilweise bewilligt, im Übrigen abgelehnt und zugleich einen schriftlichen Vergleichsvorschlag gemacht. Die Prozessbevollmächtigten der Parteien haben telefonisch eine Änderung des [X.] erörtert und entsprechende Entwürfe ausgetauscht. Nachdem der Antragsteller Beschwerde gegen die teilweise Ablehnung der Prozesskostenhilfe eingelegt, das [X.] einen neuen Vergleichsvorschlag unterbreitet und beide Parteien schriftsätzlich Änderungsvorschläge gemacht hatten, hat das [X.] durch Beschluss vom 1. September 2009 das Zustandekommen und den Inhalt des von den Parteien geschlossenen Vergleichs festgestellt. Der Vergleich enthält die Vereinbarung, dass die Antragsgegnerin die Kosten des [X.] einschließlich der Kosten des Vergleichs trägt.

3

2. Das [X.] hat bei der Festsetzung der von der Antragsgegnerin dem Antragsteller zu erstattenden Kosten eine Verfahrens- und eine Einigungsgebühr, nicht aber die ebenfalls beantragte Terminsgebühr in Ansatz gebracht. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht die zu erstattenden Kosten unter Ansetzung einer Terminsgebühr festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Terminsgebühr sei zwar nicht durch den Abschluss des gerichtlich festgestellten Vergleichs angefallen, weil dieser im Rahmen des [X.] geschlossen worden sei, für das eine mündliche Verhandlung gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht vorgeschrieben sei (Anmerkung 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 des [X.] zu § 2 Abs. 2 [X.] (VV [X.])). Die Terminsgebühr sei aber durch die unstreitige telefonische Besprechung zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien angefallen. Nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 VV [X.] entstehe die Terminsgebühr für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts und unabhängig davon, ob für das betreffende Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei. Letzteres sei nur Voraussetzung einer Terminsgebühr nach Anmerkung 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV [X.] in Fällen, in denen keine mündliche Verhandlung stattgefunden habe, sondern der Rechtsanwalt nur schriftlich tätig geworden sei. Diese schriftliche Tätigkeit des Rechtsanwalts könne einen Verhandlungstermin nur ersetzen und vergütungsrechtlich als gleichwertig angesehen werden, wenn in dem betreffenden Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei.

4

Allerdings könne nach der Rechtsprechung des [X.] (NJW 2007, 1461, 2644) die auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung des Rechtsanwalts eine Terminsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 VV [X.] nur in solchen Verfahren auslösen, für die eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei. Dieser Auffassung, nach der im vorliegenden Fall keine Terminsgebühr angefallen wäre, könne sich das Gericht aber nicht anschließen. Anmerkung 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV [X.], nach der eine Terminsgebühr in den dort geregelten Fällen nur in Verfahren, für die eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei, anfalle, enthalte keine Einschränkung, sondern eine Erweiterung der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 VV [X.] auf Fälle, in denen eine mündliche Verhandlung oder Besprechung, mit oder ohne Beteiligung des Gerichts, nicht stattgefunden habe. Führe also ein Rechtsanwalt aufgrund eines ihm erteilten [X.] ein auf Erledigung des Verfahrens gerichtetes Gespräch mit dem Gegner, entstehe die Terminsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 VV [X.] unabhängig davon, ob für das betreffende Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei.

II.

5

1. Die - vom Beschwerdegericht zugelassene - Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen (§ 575 ZPO) zulässig.

6

2. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist eine Terminsgebühr nicht angefallen.

7

a) Eine Terminsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 VV [X.] entsteht nach der Rechtsprechung des [X.] (Beschlüsse vom 1. Februar 2007 - [X.]/06, NJW 2007, 1461 Rn. 19 und vom 15. März 2007 - [X.]/06, NJW 2007, 2644 Rn. 7; vgl. auch [X.], Beschluss vom 13. Dezember 2011 - [X.], juris Rn. 8; ferner [X.] NJW-RR 2006, 1438; [X.], NJW-RR 2007, 503, 504; [X.], [X.]. 2006, 147; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., Nr. 3104 VV Rn. 26) nicht, wenn für das betreffende Verfahren eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist und das Gericht durch Beschluss entscheidet. So ist es im vorliegenden Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Entscheidungen in Prozesskostenhilfeverfahren ergehen gemäß § 127 Abs. 1 Satz 1 ZPO ohne mündliche Verhandlung. Die mündliche Erörterung gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO ist nur fakultativ und keine mündliche Verhandlung im eigentlichen Sinne ([X.], ZPO, 22. Aufl., § 118 Rn. 21). Im vorliegenden Fall hat auch tatsächlich keine mündliche Verhandlung oder Erörterung stattgefunden.

8

Die vom Beschwerdegericht im [X.] an einen Teil der Rechtsprechung und Literatur (vgl. die Darstellung in [X.], Beschluss vom 2. November 2011 - [X.] 458/10, NJW 2012, 459 Rn. 18 ff.) erhobenen Einwände gegen die Rechtsprechung des [X.] rechtfertigen keine andere Beurteilung. Entgegen dieser abweichenden Auffassung rechtfertigen Wortlaut und Regelungszweck der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 VV [X.] die Entstehung einer Terminsgebühr in Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist, nicht. Das Erfordernis einer vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung wird zwar im Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 VV [X.], anders als in Anmerkung 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV [X.], nicht ausdrücklich erwähnt. Dies ändert aber nichts daran, dass die in Teil 3 des [X.] bezeichnete Terminsgebühr durch Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 nicht zu einer von den einzelnen [X.]n losgelösten Korrespondenzgebühr für anwaltliche Besprechungen in den Streitigkeiten umgestaltet worden ist, in denen eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht vorgesehen ist ([X.], Beschluss vom 15. März 2007 - [X.]/06, NJW 2007, 2644 Rn. 7 ff.). Dies ergibt sich bereits aus der Bezeichnung der Gebühr als Terminsgebühr und aus dem Standort der jeweiligen [X.] in Teil 3 des Gebührenverzeichnisses, der die Gebühren für die Vertretung in gerichtlichen Verfahren bestimmt. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Zweck, den der Gesetzgeber mit der Ausweitung dieser Gebühr auf Besprechungen ohne Mitwirkung des Gerichts zur Vermeidung oder zur Erledigung eines Verfahrens verfolgt hat. Damit sollten dem Anwalt die Bemühungen um die Erledigung der Sache honoriert werden und den Verfahrensbeteiligten sowie dem Gericht unnötige Erörterungen in einem Gerichtstermin allein im Gebühreninteresse erspart bleiben (BT-Drucks. 15/1971, [X.]). Diese Begründung für die darin von § 31 Abs. 1 Nr. 2 und 4 [X.] abweichende Neuregelung greift nicht in den Beschlussverfahren, in denen das Gericht grundsätzlich ohne eine mündliche Verhandlung entscheidet. Auch die Gesetzesmaterialien zum [X.] enthalten keinen Hinweis darauf, dass mit der Terminsgebühr eine allgemeine Korrespondenzgebühr für rechtsanwaltliche Mitwirkung an solchen Besprechungen eingeführt werden sollte ([X.], Beschluss vom 1. Februar 2007 - [X.]/06, NJW 2007, 1461 Rn. 20).

9

b) Eine Terminsgebühr ist, wie auch das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, auch nicht nach Nr. 3104 VV [X.] angefallen. Dieser Gebührentatbestand nennt in Anmerkung 1 Nr. 1 ausdrücklich das Erfordernis einer vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung, das im vorliegenden Fall, wie dargelegt, nicht erfüllt ist.

[X.]                                                Joeres                                            [X.]

                           [X.]

Meta

XI ZB 15/11

28.02.2012

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 27. April 2011, Az: 11 W 1104/10

Vorbem 3 Abs 3 Alt 3 RVG-VV, Nr 3104 RVG-VV, § 127 Abs 1 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.02.2012, Az. XI ZB 15/11 (REWIS RS 2012, 8746)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8746

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