Bundessozialgericht, Beschluss vom 02.04.2020, Az. B 4 AS 43/20 B

4. Senat | REWIS RS 2020, 2579

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Revisionszulassung - Verfahrensfehler - Verletzung rechtlichen Gehörs


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 29. August 2019 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.]) eine Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) bzw das Vorliegen eines [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 [X.], § 169 [X.]).

2

Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des [X.] von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) oder des [X.] abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der [X.] oder das [X.] aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das [X.] diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom [X.] [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.]4; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 1. Aufl 2017, § 160 RdNr 119). Diese Anforderungen sind nicht erfüllt.

3

Der Kläger sieht zunächst eine Divergenz darin, dass das BSG ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr allein anhand der hinreichend bestimmten (konkreten) Gefahr messe, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiges Leistungsbegehren wieder auftreten könne oder ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen werde. Es schade nicht, dass die tatsächlichen Verhältnisse nicht gänzlich gleichartig seien. Dagegen sei das [X.] in seinem Urteil davon ausgegangen, dass eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen sei, weil die Entscheidung über die Preisgabe der (mutmaßlichen) Identität eines Informanten die Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls voraussetze. Der vorliegende Fall sei von individuellen Besonderheiten geprägt. Insofern legt der Kläger nicht dar, woraus sich ergeben soll, dass das [X.] eine Rechtsansicht entwickelt hat, mit welcher der Rechtsprechung des [X.] widersprochen wird. Dies ist jedoch erforderlich (vgl nur BSG vom 26.3.2015 - [X.] AS 345/14 B).

4

Auch soweit der Kläger weitere Divergenzen zwischen der Rechtsprechung des BSG und der angefochtenen [X.]-Entscheidung - bezogen auf das hier relevante Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach Erledigung - behauptet, hat er den Widerspruch im Grundsätzlichen nicht ausreichend dargelegt. Dies betrifft seine Ausführungen, dass das [X.] in Abweichung zu den vom BSG aufgestellten Grundsätzen zu falschen Ergebnissen bezogen auf sein Rehabilitationsinteresse gelange und die Beurteilung der Folgeansprüche im Widerspruch zu dem vom BSG aufgestellten konkreten Rechtssatz stehe, dass ein berechtigtes Interesse der Klärung weitergehender Folgeansprüche insbesondere dann bestehe, wenn im Falle eines Prozesserfolgs mögliche Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden sollten. Soweit der Kläger beanstandet, dass das [X.] einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff überhaupt nicht in Erwägung gezogen habe, fehlt es jedenfalls an fallbezogenen Ausführungen dazu, in welchen Konstellationen das BSG bei Grundrechtsverletzungen ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse angenommen hat. Bezogen auf die Erledigung eines prozessualen Anspruchs mit der von ihm behaupteten Abweichung des [X.] zu einem in der Entscheidung des BSG vom 22.9.1976 (7 [X.]/75 - [X.], 212 = [X.] 1500 § 144 [X.]) aufgestellten Grundsatz, dass eine Erledigung nur dann vorliege, wenn ein Ereignis den prozessualen Anspruch gegenstandslos gemacht habe oder eine Lage eingetreten sei, die eine Entscheidung erübrige oder ausschließe, behauptet der Kläger lediglich, dass das [X.] in Abweichung hiervon zu dem falschen und willkürlich unter sachfremden Erwägungen gefällten Ergebnis gelange, dass sich der Verwaltungsakt mit der angeblichen Gewährung der vollständigen Akteneinsicht in der mündlichen Verhandlung durch Einsichtnahme in eine konkrete Seite erledigt habe. Auch insofern beanstandet er nur die konkrete Würdigung des [X.], legt jedoch nicht die Abweichung im Grundsätzlichen dar. Soweit der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bezogen auf Auskünfte und Akteneinsicht bei "unwahrer Behauptung von Tatsachen durch einen Behördeninformanten" geltend macht, ist daher auch eine Entscheidungserheblichkeit nicht schlüssig dargelegt.

5

Auch einen Verfahrensmangel hat der Kläger nicht ausreichend bezeichnet. Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 [X.] (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]) die diesen Verfahrensmangel des [X.] (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits BSG vom 29.9.1975 - 8 [X.] 64/75 - [X.] 1500 § 160a [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 16 mwN). Soweit der Kläger geltend macht, das [X.] habe Beweis- und Prozessanträge, seine [X.] und Einreden übergangen, behauptet er schon keinen Beweisantrag, der bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten worden ist.

6

Hinsichtlich der Rüge einer Verletzung seines rechtlichen Gehörs ist zu beachten, dass das Gericht zwar die Ausführungen von Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen hat. Dabei verletzt es das Gebot des rechtlichen Gehörs erst dann, wenn sich klar ergibt, dass Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung gar nicht erwogen worden ist (BSG vom 27.12.2011 - B 13 R 253/11 B, juris RdNr 15; BSG vom [X.] KR 133/06 B, juris RdNr 4 mwN). Dies behauptet der Kläger nicht. Das Gebot der Wahrung des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen und jedes Vorbringen inhaltlich zu bescheiden (vgl [X.] vom 4.9.2008 - 2 BvR 2162/07, 2 BvR 2271/07 - [X.]K 14, 238 = [X.], 2084; BSG vom 14.12.2011 - [X.] KA 7/11 C - juris RdNr 7).

7

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]).

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 4 AS 43/20 B

02.04.2020

Bundessozialgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Magdeburg, 7. September 2018, Az: S 43 AS 525/14, Gerichtsbescheid

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 02.04.2020, Az. B 4 AS 43/20 B (REWIS RS 2020, 2579)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2579

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 4 AS 362/20 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - keine ausreichende Darlegung einer nachträglichen Divergenz - Arbeitslosengeld II - …


B 4 AS 1/20 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Revisionszulassung - Verfahrensfehler - Verschuldenskosten - Kostenentscheidung


B 11 AL 56/19 B (Bundessozialgericht)

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 153 …


B 11 AL 145/10 B (Bundessozialgericht)

Revisionszulassung - Verfahrensmangel - mangelnde Begründung des Urteils


B 12 P 1/21 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Anforderungen an eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge - Divergenz


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.