Bundessozialgericht, Beschluss vom 26.05.2011, Az. B 11 AL 145/10 B

11. Senat | REWIS RS 2011, 6200

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Revisionszulassung - Verfahrensmangel - mangelnde Begründung des Urteils


Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 19. August 2010 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch dessen außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe

1

Die [X.]eschwerde ist unzulässig. Die geltend gemachten Zulassungsgründe eines [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] Sozialgerichtsgesetz ), der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] SGG) und einer grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.]) sind nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet bzw dargelegt worden.

2

1. Zur [X.]ezeichnung eines [X.], auf dem das Urteil des [X.] ([X.]) beruhen kann (§ 160 Abs 2 [X.] SGG), sind die den Verfahrensmangel (angeblich) begründenden Tatsachen substanziiert und schlüssig darzutun (vgl [X.] § 160a [X.]; [X.] 3-1500 § 73 [X.]; stRspr). Das [X.] ([X.]) muss allein anhand der [X.]egründung darüber entscheiden können, ob ein die Revisionsinstanz eröffnender Verfahrensmangel in [X.]etracht kommt ([X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des [X.] - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass dieser also das Urteil möglicherweise beeinflusst hat.

3

Soweit die [X.]eklagte rügt, das [X.] habe nicht alle Gründe im Urteil angegeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen seien (§ 128 Abs 1 Satz 2 SGG), hat das [X.] bereits wiederholt klargestellt, dass die [X.]egründungspflicht nicht schon dann verletzt wird, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten nach den Darlegungen des [X.]eschwerdeführers falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten. § 128 Abs 1 Satz 2 SGG konkretisiert die Vorschrift des § 136 Abs 1 [X.] SGG und regelt den Umfang des in der Entscheidung zu erörternden Streitstoffs (vgl hierzu [X.] [X.]eschluss vom 5.4.2006 - [X.] 12 KR 9/05 [X.]). Dabei hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, inwieweit ein Gericht seine Rechtsauffassung in den einzelnen Abschnitten seiner Entscheidung begründen muss ([X.] [X.]eschlüsse vom [X.] - [X.] 7 [X.] 189/07 [X.]; vom 21.5.2007 - [X.] 7a [X.] 196/06 [X.]; vom [X.] - 2 [X.]U 182/89). Jene Umstände sind in der [X.]eschwerdebegründung im Einzelnen darzulegen (vgl hierzu im Einzelnen [X.] [X.]eschluss des 7. Senats vom 21.1.2011 - [X.] 7 [X.] 33/10 [X.] - unter Hinweis auf mehrere gleichartige [X.]eschlüsse, ua vom 21.5.2007 - [X.] 7a [X.] 196/06 [X.] - und vom 4.8.2008 - [X.] 7 [X.] 173/07 [X.]; Senatsbeschlüsse vom 11.9.2006 - [X.] 11a [X.] 107/06 [X.] - und vom 23.2.2010 - [X.] 11 [X.] 121/09 [X.]). Eine Verpflichtung des Tatsachengerichts, sich mit jedem Vorbringen der [X.]eteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen, besteht nicht. Einen entsprechenden Verstoß des [X.] hat die [X.]eklagte schon deshalb mit ihrem Vorbringen nicht schlüssig begründet, weil sie nicht vorgetragen hat, dass die von ihr aufgezählten einzelnen Gesichtspunkte (vgl [X.] ff der [X.]eschwerdebegründung) dem [X.] überhaupt bekannt waren. Dies aber wäre eine unabdingbare Voraussetzung für die Pflicht, sich hiermit in den Urteilsgründen auseinanderzusetzen.

4

2. Auch der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz des Urteils des [X.] von der Rechtsprechung des [X.] ist - trotz umfangreicher Ausführungen- nicht hinreichend dargetan. Um eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 [X.] SGG in einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügenden Weise zu bezeichnen, muss die [X.]eschwerdebegründung einen Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des [X.] einerseits und einer Entscheidung des [X.] bzw des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.]undes (GmSOG[X.]) oder des [X.]undesverfassungsgerichts ([X.]VerfG) andererseits aufzeigen ([X.] § 160a [X.]7). Dabei muss die [X.]eschwerdebegründung deutlich machen, dass in der angefochtenen Entscheidung eine sie tragende Rechtsansicht entwickelt worden ist und nicht etwa nur ungenaue oder unzutreffende Rechtsausführungen oder ein Rechtsirrtum im Einzelfall die Entscheidung bestimmen ([X.] § 160a [X.]7; [X.] 3-1500 § 160 [X.]6; stRspr). [X.] darzulegen ist auch, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (vgl ua [X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 18). Diesen Erfordernissen wird die [X.]eschwerdebegründung vom 19.1.2011 nicht gerecht.

5

a) Soweit die [X.]eklagte eine Abweichung vom Senatsurteil vom [X.] ([X.] 11 [X.] 27/99 R - Die [X.]eiträge, [X.]eilage 2000, 201) rügt, formuliert sie zwar einen abstrakten Rechtssatz des [X.]: "Der Entscheidung über die Förderfähigkeit eines [X.]etriebs im Rahmen der Förderung der ganzjährigen [X.]eschäftigung in der [X.]auwirtschaft ist die konkrete [X.] des einzelnen [X.]etriebs zugrunde zu legen." Sie stellt diesem auch einen aus der zitierten Entscheidung herausgearbeiteten (nämlich in das Negative gewendeten) Rechtssatz gegenüber: "Der Entscheidung über die Förderfähigkeit eines [X.]etriebs im Rahmen der Förderung der ganzjährigen [X.]eschäftigung in der [X.]auwirtschaft ist nicht die konkrete Förderungsfähigkeit des einzelnen [X.]etriebs zugrunde zu legen". Aus dem [X.]eschwerdevorbringen ergibt sich indes nicht schlüssig der Widerspruch der gegenübergestellten Rechtssätze. Denn ausweislich der [X.]eschwerdebegründung geht es um unterschiedliche Sachverhaltsgestaltungen. So bezieht sich der benannte Rechtssatz des [X.] nach den Darlegungen der [X.]eklagten auf eine Sachverhaltsgestaltung, bei der das [X.] bei der Subsumtion zu dem Ergebnis gekommen war, die Möglichkeit von Ansprüchen auf Zahlung des Wintergeldes begründe die Förderungsfähigkeit des dortigen [X.]etriebs (Rohrleitungsbau) und demzufolge das [X.] die Umlagepflicht der dortigen Klägerin bejaht hatte. Demgegenüber hat das [X.] laut den von der [X.]eklagten in ihrer [X.]eschwerdebegründung wiedergegebenen Entscheidungsgründen für den [X.]etrieb des Klägers (ausschließlich Trockenbauarbeiten) eine solche Möglichkeit von Ansprüchen auf Winterbauförderung und damit die Förderungsfähigkeit verneint. Damit ist nach den Darlegungen der [X.]eschwerdebegründung nicht ersichtlich, dass das [X.] bewusst einen anderen rechtlichen Maßstab entwickelt hat. Vielmehr wendet sich die [X.]eklagte im [X.] ihres [X.]eschwerdevorbringens (vgl [X.]) gegen die Richtigkeit der Ausführungen des [X.], wonach die [X.] des [X.]etriebs des [X.] deshalb zu verneinen sei, weil mangels witterungsabhängiger Tätigkeit auch keine witterungsbedingten Mehraufwendungen auftreten könnten, was durch die bisherige Nichtinanspruchnahme von Leistungen der Winterbauförderung indiziert werde. Die (angebliche) Unrichtigkeit der Entscheidung des [X.] reicht indes für die Darlegung der Divergenz nicht aus (vgl [X.] § 160 [X.]7 mwN; stRspr).

6

b) Soweit die [X.]eklagte daneben eine Abweichung des [X.] vom Urteil des 10. Senats des [X.] vom 30.1.1996 (10 [X.] - [X.] 3-4100 § 186a [X.]) behauptet, ist diese Divergenz ebenso wenig hinreichend dargetan. Zwar trägt sie vor, das [X.] habe folgenden Rechtssatz aufgestellt: "Eine abgrenzbare und nennenswerte Gruppe nicht durch Produktive Winterbauförderung förderfähiger [X.]etriebe liegt vor, wenn sich im [X.] eine bestimmte, einheitliche, nicht mehr als bloß zufällige Ansammlung zu vernachlässigende, dauerhafte Gruppe etabliert hat, deren Mitgliedsbetriebe sämtlich nicht oder allenfalls in zu vernachlässigendem Ausmaß witterungsabhängig sind; dies ist der Fall, wenn sich ein [X.]undesverband gleichartiger nicht förderfähiger Unternehmen gebildet hat." Es wird jedoch ebenfalls nicht schlüssig herausgearbeitet, dass das [X.] dem fraglichen Rechtssatz widersprochen hätte. Dafür genügt nicht allein die [X.]ehauptung, das [X.] habe einen hiervon abweichenden Rechtssatz entwickelt und sie, die [X.]eklagte, entnehme dies den Ausführungen des [X.]. Denn nach den eigenen Darlegungen der [X.]eklagten (vgl [X.] ff der [X.]eschwerdebegründung) hat das [X.] - wie unter a) aufgeführt - sowohl die [X.] des [X.]etriebs des [X.] (erstes Kriterium) als auch die Zugehörigkeit des [X.]etriebs zu einer nicht förderungsfähigen Gruppe gleichartiger Unternehmen bejaht (zweites Kriterium). Den Schluss von der Zielrichtung der [X.]IG T., sich dafür einzusetzen, dass ihre Mitgliedsunternehmen von der Umlagepflicht zur Produktion Winterbauförderung ausgenommen werden, darauf, dass diese Unternehmen an sich förderfähig seien, hat das [X.] nach den Darlegungen der [X.]eklagten gerade nicht gezogen.

7

3. Schließlich sind die Voraussetzungen einer Grundsatzbeschwerde nicht dargetan. Grundsätzliche [X.]edeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein [X.]eschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter [X.]erücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss die [X.]eschwerdebegründung mithin eine konkrete Rechtsfrage aufwerfen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung der angestrebten Entscheidung (so genannte [X.]reitenwirkung) darlegen (vgl nur [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]4 [X.]0 mwN).

8

Die [X.]eklagte wirft folgende Rechtsfrage auf: "[X.] [X.]aubetriebe des Akustik- und Trockenbaus, die [X.] überwiegend Innenausbauarbeiten in Form von [X.] aller Art an Decken, Wänden, Säulen, Stützen ua, ausführen, der Umlagepflicht zur Produktiven Winterbauförderung?"

9

Der Senat lässt offen, ob die [X.]eklagte damit eine Frage von grundsätzlicher rechtlicher [X.]edeutung aufgeworfen hat. Jedenfalls hat sie nicht hinreichend dargetan, dass diese Rechtsfrage (weiterhin) klärungsbedürftig ist. Die [X.]ehauptung, die Frage sei durch Rechtsprechung des [X.] noch nicht geklärt, es sei keine Entscheidung des [X.] ersichtlich, die diese Frage klären würde, reicht nicht aus. Die [X.]eklagte zitiert lediglich Rechtsprechung des [X.]undesarbeitsgerichts (Urteil vom [X.]), lässt aber die zur [X.]egründung einer vermeintlichen Divergenz selbst angeführte Senatsentscheidung vom [X.] ([X.] 11 [X.] 27/99 R - Die [X.]eiträge [X.]eilage 2000, 201) zur Umlagepflicht bei der produktiven Winterbauförderung außer [X.]etracht. Um aufzuzeigen, dass sich die Frage aus der bisherigen Rechtsprechung des [X.] nicht beantworten lässt, hätte es jedoch einer Auseinandersetzung mit diesem Urteil sowie weiterer einschlägiger Rechtsprechung bedurft. Dies gilt umso mehr, als eine Rechtsfrage auch dann als höchstrichterlich geklärt angesehen werden muss, wenn das Revisionsgericht (oder das [X.]undesverfassungsgericht) sie zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung des anzuwendenden gesetzlichen [X.]egriffs aber schon zumindest eine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist, die ausreichend Anhaltspunkte zur [X.]eurteilung der von der [X.]eschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage gibt. Dann kommt es lediglich auf die Anwendung der von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt an; eine weitere Klärung oder Fortentwicklung des Rechts ist aber nicht zu erwarten (vgl [X.], [X.], 2. Aufl 2010, Rd[X.]14 mwN).

4. Von einer weiteren [X.]egründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).

Die Verwerfung der [X.]eschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 Satz 3 SGG durch [X.]eschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Meta

B 11 AL 145/10 B

26.05.2011

Bundessozialgericht 11. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Chemnitz, 23. Mai 2006, Az: S 12 AL 1645/04, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 128 Abs 1 S 2 SGG, § 136 Abs 1 Nr 6 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 26.05.2011, Az. B 11 AL 145/10 B (REWIS RS 2011, 6200)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6200

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 11 AL 9/23 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung einer Divergenz und grundsätzlichen Bedeutung - tragender Rechtssatz - …


B 12 R 23/16 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Anforderungen an die Darlegung der Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage


B 9 SB 98/12 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegungsanforderungen - Divergenz - abstrakter Rechtssatz - unterschiedliche Gesichtspunkte - …


B 13 R 273/16 B (Bundessozialgericht)

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - klare Trennung der Voraussetzungen einer Grundsatz- und Divergenzrüge - grundsätzliche …


B 13 R 275/16 B (Bundessozialgericht)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.