Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.09.2021, Az. B 12 P 1/21 B

12. Senat | REWIS RS 2021, 2475

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Anforderungen an eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge - Divergenz


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 16. Dezember 2020 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Beitragserhebung zur [X.] Pflegeversicherung auf die Kapitalauszahlung einer betrieblichen Altersversorgung.

2

Der 1944 geborene Kläger ist seit 2006 in der Krankenversicherung der Rentner ([X.]) pflichtversichert und bei der [X.] Mitglied. Im September 2008 erhielt er eine Auszahlung in Höhe von 38 172,37 Euro aus einer Direktversicherung, die 1991 durch seinen damaligen Arbeitgeber abgeschlossen worden war. Die Beitragszahlungen erfolgten zunächst im Wege der Gehaltsumwandlung. Mit Vertragsänderung vom [X.] wurde der Kläger anstelle des Arbeitgebers Versicherungsnehmer. Die Krankenkasse berücksichtigte - im Namen der beklagten [X.] - bei der Beitragsbemessung zur [X.] Pflegeversicherung ab Oktober 2008 für einen Zeitraum von zehn Jahren monatlich 1/120 der ausgezahlten Kapitalleistung, die sie zuletzt auf der Grundlage einer prämienratierlichen Berechnung in Höhe von 22 454,34 Euro zur Verbeitragung heranzog (Änderungsbescheid vom 24.6.2014; Widerspruchsbescheid vom 14.8.2014). Das [X.] hat die Klage hinsichtlich der Beiträge zur [X.] Pflegeversicherung abgetrennt und abgewiesen (Urteil vom 29.11.2016), das L[X.] hat die Berufung zurückgewiesen. Das Vorbringen des [X.], er falle als Gesellschafter-Geschäftsführer und damit mangels Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis nicht in den Schutzbereich des Betriebsrentengesetzes ([X.]), sei nicht relevant; der [X.] Begriff der "betrieblichen Altersversorgung" sei ohne Bindung an die Legaldefinition des [X.] auszulegen. Nur ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass er mit einem Gesellschafteranteil von nur 20 % (später 25 %) Beschäftigter gewesen sei und der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Die prämienratierliche Berechnung entspreche der höchstrichterlichen Rechtsprechung und sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Urteil vom 16.12.2020). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

3

II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des L[X.] ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.]G). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G die geltend gemachten Zulassungsgründe des [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) nicht hinreichend bezeichnet.

4

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), müssen bei der Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des L[X.] - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Die Begründung des [X.] erfüllt diese [X.] nicht.

5

a) Er rügt die Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 103 [X.]G) und des behördlichen Untersuchungsgrundsatzes (§ 20 [X.]B X). Weder im behördlichen noch im sozialgerichtlichen Verfahren sei seine Gesellschafter-Geschäftsführerstellung einer ausreichenden Sachverhaltsaufklärung unterzogen worden. Das L[X.] habe ihn im Gegensatz zum [X.] zumindest angehört, weitergehende Ermittlungen aber [X.] als nicht relevant zurückgewiesen. Außerdem habe die Beklagte nicht einmal die Vertragsunterlagen der Direktversicherung angefordert.

6

Mit diesen Ausführungen genügt der in der Berufungsinstanz anwaltlich vertretene Kläger nicht den Anforderungen an eine zulässige Sachaufklärungsrüge. Eine solche erfordert die Darlegung, dass das L[X.] einem bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei (§ 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.]G). Der Kläger zeigt in seiner Beschwerdebegründung aber weder auf, einen bestimmten Beweisantrag gestellt zu haben, noch, aus welchen Gründen sich das L[X.] ausgehend von seiner Rechtsauffassung zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (vgl B[X.] Beschluss vom 20.8.2020 - [X.] KR 15/20 B - juris Rd[X.] 5; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 160a Rd[X.] 16 f).

7

Soweit der Kläger der [X.] eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 20 [X.]B X) vorwirft, handelt es sich nicht um einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G. Ein solcher Mangel liegt nur vor, wenn infolge einer unrichtigen Anwendung oder infolge Nichtanwendung einer verfahrensrechtlichen Vorschrift das Verfahren des L[X.] fehlerhaft geworden ist (vgl bereits B[X.] Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - B[X.]E 2, 81 - juris Rd[X.] 4). Der Kläger bemängelt demgegenüber das verfahrensrechtliche Vorgehen der [X.]. Sollte er damit [X.] wollen, das L[X.] habe zu Unrecht das Vorgehen der [X.] gebilligt, würde es sich um die Geltendmachung der vermeintlich inhaltlichen Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung handeln. Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

8

b) Zu der gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör führt der Kläger nichts weiter aus. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge können nicht dadurch umgangen werden, dass der Vorhalt unzureichender Sachaufklärung in der Gestalt einer Gehörsrüge geltend gemacht wird (vgl B[X.] Beschluss vom 14.12.2020 - [X.] R 29/20 B - juris Rd[X.] 10).

9

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des L[X.] von einer Entscheidung des B[X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des L[X.] von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des B[X.], des [X.] oder des [X.] abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das L[X.] seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das B[X.], der [X.] oder das [X.] entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das L[X.] diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl B[X.] Beschlüsse vom [X.] - B 3 P 13/04 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 6 Rd[X.] 5 und vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] 4 Rd[X.] 6, jeweils mwN). Eine solche Abweichung hat der Kläger nicht hinreichend dargetan.

Soweit er ausführt, das Berufungsgericht sei von Entscheidungen des [X.] und des [X.] abgewichen, hat er eine Divergenz nicht hinreichend bezeichnet. Denn eine Divergenz im sozialgerichtlichen Verfahren kann lediglich auf die Abweichung von einer Entscheidung der in § 160 Abs 2 [X.] [X.]G abschließend genannten Gerichte und nicht auch anderer Bundesgerichte gestützt werden (vgl B[X.] Beschluss vom 30.10.2019 - [X.] [X.] 22/19 B - juris Rd[X.] 5 mwN).

Auch die Rüge, das L[X.] sei von einer Entscheidung des [X.] (Beschlüsse vom 27.6.2018 - 1 BvR 100/15 und 1 BvR 249/15 - [X.] 4-2500 § 229 [X.]7) abgewichen, entspricht nicht den [X.]. Der Kläger zitiert eine Textpassage aus der Entscheidung des [X.], stellt dem aber nicht - wie erforderlich - einen bestimmten Rechtssatz des L[X.] gegenüber. Soweit er die prämienratierliche Berechnung des L[X.] im Ergebnis für nicht zutreffend hält, weil sie mit den zitierten Ausführungen des [X.] nicht in Einklang zu bringen sei, greift er letztlich die Richtigkeit des Berufungsurteils an. Mit der Behauptung, eine Entscheidung des L[X.] entspreche nicht den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung und sei inhaltlich fehlerhaft, lässt sich die Zulassung der Revision aber nicht erreichen.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

4. [X.] beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 12 P 1/21 B

22.09.2021

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: P

vorgehend SG Chemnitz, 29. November 2016, Az: S 11 P 206/14, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 20 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.09.2021, Az. B 12 P 1/21 B (REWIS RS 2021, 2475)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2475

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 249/15

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