Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.11.2006, Az. V ZR 62/06

V. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 872

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/06 Verkündet am: 10. November 2006 Weschenfelder, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB § 241 Abs. 2; [X.] §§ 10 und 46 Abs. 1 a) Zwischen den Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft besteht eine schuldrechtliche Sonderverbindung, aus der [X.] und Rücksichtnahmepflichten im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB entspringen können. b) Ein geschädigter Miteigentümer ist verpflichtet, nicht den schädigenden Miteigen-tümer auf Schadensausgleich in Anspruch zu nehmen, wenn der geltend gemach-te Schaden Bestandteil des versicherten Interesses ist, der [X.] nicht Regress nehmen könnte und nicht besondere Umstände vorliegen, die aus-nahmsweise eine Inanspruchnahme des Schädigers durch den Geschädigten rechtfertigen. [X.], [X.]. v. 10. November 2006 - [X.]/06 - [X.] LG München I

- 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2006 durch [X.] [X.], [X.] [X.] und [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das [X.]eil des 19. Zivilsenats des [X.] vom 2. Februar 2006 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die für das Anwesen einen Gebäudeversicherungsvertrag bei der [X.] (im Folgenden [X.]) abgeschlossen hat. Am 13. April 2002 lief aus der Waschmaschine der [X.] [X.] Wasser aus und drang in die Wohnung der Klägerin ein. [X.] wurden erst am 17. Mai 2002 ergriffen. Der [X.] glich die Kosten für die [X.] aus und genehmigte den [X.] für Malerarbeiten. Die Klägerin behauptet, die [X.] hätten den eingetretenen Schaden nicht vollständig beseitigt. Infolge der Durch-feuchtungen sei es zu Schimmelbefall gekommen, der ein Verbleiben in der Wohnung unzumutbar gemacht habe. Gegenstand der Klage sind Kosten der 1 - 3 - Wohnungssanierung sowie Aufwendungen, die die Klägerin für die [X.] Schadensfeststellung und für ihre anderweitige Unterkunft aufgebracht hat. Das [X.] hat die auf Zahlung von 61.186,87 • gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren [X.] weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des [X.]. 2 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht ist der Auffassung, aus der Verbundenheit der [X.] als Wohnungseigentümer und der damit einhergehenden Treuepflicht fol-ge, dass sich die Klägerin allein an den gemeinsamen [X.] [X.] könne. Da dieser eintrittspflichtig und ein Regress gegen die Beklagte we-gen des Vorliegens nur leichter Fahrlässigkeit ausgeschlossen sei, bestehe kein vernünftiges Interesse daran, den schädigenden Wohnungseigentümer in [X.] zu nehmen, der ebenso wie der geschädigte Wohnungseigentümer über das Hausgeld und der damit verbunden Zahlung der Versicherungsprämie zur Deckung des Schadens beigetragen habe. Der Umstand, dass die Beklagte haftpflichtversichert sei, könne kein besonderes Interesse der Klägerin an einer Inanspruchnahme der [X.] begründen. 3 I[X.] Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. 4 - 4 - 1. Die Frage, ob der Streit der Parteien gemäß §§ 46 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 1 [X.] im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit hätte ausgetragen werden müssen, ist im [X.] entsprechend § 17a Abs. 5 GVG (dazu Senat, [X.] 130, 159, 162 f.) nicht mehr zu prüfen. Das [X.] hat die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit konkludent durch seine Sachentscheidung bejaht. Da eine Vorabentscheidung entsprechend § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG mangels Zuständigkeitsrüge nicht geboten war, entfaltet diese Entscheidung Bindungswirkung (vgl. Senat, [X.] 120, 204, 206 f.; [X.]. v. 19. November 1993, [X.], NJW 1994, 387, und zum Ganzen Stau-dinger/[X.] [2005], [X.], § 46 [X.]. 4, 6 u.19). 5 2. In der Sache ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass es der Klägerin im Hinblick auf die bestehende Gebäudeversicherung nach § 242 BGB verwehrt ist, die Beklagte in Anspruch zu nehmen. 6 a) Der [X.] hat bereits entschieden, dass ein geschädigter Vermieter verpflichtet ist, nicht den schädigenden Mieter auf Schadensaus-gleich in Anspruch zu nehmen, wenn ein Versicherungsfall vorliegt, ein Regress des [X.]s gegen den Mieter ausgeschlossen ist und der [X.] nicht ausnahmsweise ein besonderes Interesse an einem Schadensaus-gleich durch den Mieter hat. Verletzt der Vermieter diese Pflicht, steht dem Mie-ter ein Schadensersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung (§ 280 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB) zu, den er dem Anspruch des Geschädigten nach § 242 BGB entgegen halten kann ([X.], [X.]. v. 3. November 2004, [X.], [X.], 100, 101; Armbrüster, NVersZ 2001, 193, 196; [X.], [X.], 157, 159). Für das Verhältnis der Mitglieder einer [X.] untereinander kann nichts anderes gelten. 7 - 5 - aa) Der dagegen von der Revision erhobene Einwand, ebenso wie bei dem nachbarlichen [X.] fehle es zwischen [X.]n an dem für einen Anspruch aus positiver Forderungsverletzung erforderlichen —[X.], greift nicht durch. Anders als unter Grund-stücksnachbarn besteht zwischen den Mitgliedern einer [X.] eine schuldrechtliche Sonderverbindung. Haben die [X.] eine Vereinbarung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] getroffen, sind sie rechtsgeschäftlich (vgl. [X.]/[X.] [2005], § 10 [X.] [X.]. 7) und im Übrigen durch das unter allen Wohnungseigentümern bestehende gesetzliche Schuldverhältnis verbunden (Senat, [X.] 141, 224, 228; Beschl. v. 22. April 1999, [X.], NJW 1999, 2108, 2109; [X.], [X.]. v. 17. April 2002, [X.], [X.], 663, 664). Dass auch aus Letzterem [X.] und Rücksicht-nahmepflichten im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB folgen können, ist anerkannt (vgl. nur Senat, [X.] aaO; BayObLG NJW 2002, 71, 72; [X.]/Pick/[X.], [X.], 9. Aufl., § 10 [X.]. 27; [X.]/[X.]/Olzen [2005], § 242 BGB [X.]. 906 m.w.[X.]). Folgerichtig hat ein Wohnungseigentümer im Rahmen dieser Sonderverbindung für das Verschulden von Hilfspersonen nach § 278 BGB ein-zustehen (Senat, [X.] 141, 224, 229), während das nachbarliche Gemein-schaftsverhältnis für die Anwendung dieser Zurechnungsnorm keine ausrei-chende Grundlage bildet (Senat, [X.]. v. 27. Januar 2006, [X.], [X.], 985, 986 m.w.[X.]). Ob und inwieweit aus dem zwischen [X.] bestehenden Schuldverhältnis - über § 14 [X.] hinaus - Pflichten zur gegenseitigen Rücksichtnahme herzuleiten sind, kann allerdings nur unter Be-rücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der Interessenlage der [X.] bestimmt werden. 8 [X.]) Vor diesem Hintergrund ist zu bedenken, dass [X.] von Wohnungseigentümergemeinschaften in der berechtigten Erwartung 9 - 6 - abgeschlossen werden, dass ihren Mitgliedern die versicherten Risiken abge-nommen und ihnen unerquickliche und ein gedeihliches Miteinander beeinträch-tigende Auseinandersetzungen untereinander erspart bleiben, wenn der geltend gemachte Schaden Bestandteil des versicherten Interesses ist, der den Scha-den ausgleichende [X.] nicht Regress nehmen kann gegen den Schädiger und nicht besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise eine Inanspruchnahme des Schädigers durch den Geschädigten rechtfertigen (vgl. auch [X.], [X.]. v. 3. November 2004, [X.], [X.], 100, 101). (1) Das mit dem Abschluss der Gebäudeversicherung verfolgte Anliegen, den mitversicherten Wohnungseigentümer wegen eines der [X.] grundsätzlich nicht zu behelligen, kann nur er-reicht werden, wenn sich der geschädigte Wohnungseigentümer an den [X.] hält. Nimmt er dagegen den Schädiger in Anspruch, wird die-ser in seiner berechtigten Erwartung enttäuscht, als Gegenleistung für die auch von ihm anteilig über das Hausgeld gezahlte Versicherungsprämie im Scha-densfall einen Nutzen von der Gebäudeversicherung zu haben. Stellt man in Rechnung, dass der Geschädigte im Regelfall kein vernünftiges Interesse daran hat, sich an den Schädiger zu halten, folgt aus dieser Interessenlage die Ver-pflichtung des geschädigten Wohnungseigentümers, sich bei Vorliegen eines Versicherungsfalls grundsätzlich nicht an andere Miteigentümer zu halten. Nimmt der Geschädigte gleichwohl den Schädiger in Anspruch, steht diesem ein Schadensersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung (§ 280 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB) zur Seite, den er der Klageforderung nach § 242 BGB entgegen halten kann (vgl. [X.], [X.]. v. 3. November 2004, [X.], [X.], 100, 101). 10 - 7 - (2) Entgegen der Auffassung der Revision ist es für die Annahme einer solchen Verpflichtung zur Rücksichtnahme unerheblich, auf welche Anspruchs-grundlage der Geschädigte seine Forderung stützt. Ausschlaggebend ist, dass durch eine Inanspruchnahme das Miteinander der Wohnungseigentümer [X.] beeinträchtigt wird. Daran ändert auch das Bestehen einer deckungspflich-tigen Haftpflichtversicherung nichts. Da der schädigende Miteigentümer ge[X.] ist, seiner Obliegenheit zur Unterstützung des [X.] (vgl. [X.], [X.]. v. 13. September 2006, [X.], [X.]. 16 f., zur [X.] in [X.] bestimmt), müssen die Miteigentümer auch in diesem Fall gegenteilige Positionen einnehmen. Das Bestreben der Miteigentümer, Konflikte unter den Wohnungseigentümern so weit wie möglich zu vermeiden, wird damit bei einer Inanspruchnahme des schädigenden [X.] von dem Bestehen einer Haftpflichtversicherung konterkariert. 11 b) Das Berufungsgericht hat zu Recht die Voraussetzungen einer schuldhaften (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) Verletzung der die Klägerin treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme bejaht. 12 aa) Insbesondere ist es zutreffend davon ausgegangen, dass Schäden der geltend gemachten Art von dem mit der Wohnungseigentümergemeinschaft abgeschlossenen Gebäudeversicherungsvertrag gedeckt sind. Die Darlegungs- und Beweislast hat das Berufungsgericht nicht verkannt. Zwar hat es ausge-führt, es sei nicht substantiiert vorgetragen worden, dass der [X.] für die behaupteten Schäden nicht eintrittspflichtig sei. Jedoch darf diese Erwägung bei verständiger Würdigung des Prozessverlaufs nicht dahin miss-verstanden werden, das Berufungsgericht habe der Klägerin insoweit - was [X.] wäre - die Darlegungslast für den von der [X.] geltend ge-machten Gegenanspruch aus positiver Forderungsverletzung aufgebürdet. Denn die Beklagte hat in beiden Instanzen dargelegt, dass die behaupteten Schäden von dem mit der [X.] erfasst werden. Vor diesem Hintergrund hat 13 - 8 - das Berufungsgericht mit Beschluss vom 7. November 2005 nach § 139 ZPO darauf hingewiesen, es sei bislang kein Vorbringen ersichtlich, das der Annah-me entgegen stehen könnte, die in Rede stehenden Schäden unterfielen nicht dem Versicherungsschutz. Wenn die Klägerin dem nichts entgegen gesetzt hat, ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht das Vorbringen der [X.] zum Umfang des Deckungsschutzes zugrunde gelegt hat. [X.]) Ein Rückgriff des Versicherers gegen den schädigenden [X.] scheidet aus. Das Berufungsgericht hat den mit der Wohnungsei-gentümergemeinschaft geschlossenen Gebäudeversicherungsvertrag der [X.] nach dahin ausgelegt, dass auch das Sachersatzinteresse der einzelnen Miteigentümer an dem Gemeinschafts- und an dem Sondereigentum der ande-ren Wohnungseigentümer mitversichert ist. Bei dieser Sachlage ist die [X.], die den Schaden ohnehin nur leicht fahrlässig herbeigeführt hat, schon nicht als Dritte im Sinne von § 67 Abs. 1 [X.] zu qualifizieren (vgl. [X.], [X.]. v. 18. März 2001, [X.], [X.], 624, 625; zum Regressverzicht des [X.]s bei Vorliegen nur leichter Fahrlässigkeit vgl. [X.], [X.]eile v. 13. September 2006, [X.] und [X.], [X.]. 11 ff. bzw. [X.]. 14 f., jeweils m.w.[X.]; beide zur [X.] bestimmt). Diese - nahe-liegende - Auslegung lässt Rechtsfehler nicht erkennen (vgl. auch [X.], [X.]. v. 18. März 2001, aaO). Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass die Beklagte haftpflichtversichert ist, auch in diesem Zusammenhang keine andere Beurtei-lung ([X.] 145, 393, 399; ausführlich [X.], [X.]. v. 13. September 2006, [X.], [X.]. 9 ff., zur [X.] in [X.] bestimmt). 14 cc) Ein besonderes Interesse an einer Inanspruchnahme der [X.] ist nicht ersichtlich. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend 15 - 9 - macht, eine Klage gegen den [X.] sei mit einem hohen Pro-zessrisiko behaftet, weil der Anspruch aus dem Versicherungsvertrag [X.] nach § 12 Abs. 1 [X.] verjährt sein könnte, wird nicht bedacht, dass [X.], die aus der Verletzung versicherungsvertraglicher Obliegenheiten resultieren, kein besonderes Interesse in dem obigen Sinne begründen können (vgl. [X.], [X.]. v. 3. November 2004, [X.], [X.], 100, 101). Für die Einhaltung der Klagefrist des § 12 Abs. 3 Satz 1 [X.] kann nichts anderes gelten. II[X.] [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. 16 [X.][X.] [X.]Stresemann [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 14.04.2004 - 26 O 3985/03 - [X.], Entscheidung vom 02.02.2006 - 19 U 3162/05 -

Meta

V ZR 62/06

10.11.2006

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.11.2006, Az. V ZR 62/06 (REWIS RS 2006, 872)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 872

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