Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.02.2002, Az. I ZB 23/01

I. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 4357

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[X.] ZB 23/01vom27. Februar 2002in der [X.] 2 -Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 27. Februar 2002durch [X.] und die [X.]. [X.], [X.], [X.] und [X.]:Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der [X.] in Bremen- 1. Zivilsenat - vom 28. August 2001 aufgehoben.Der Klägerin wird wegen der Versäumung der Berufungs[X.]ist ge-gen das Urteil der 7. Zivilkammer des [X.] vom26. April 2001 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf25.564,59 • (= 50.000 DM) festgesetzt.Gründe:[X.] Die Klägerin nimmt, nachdem sie die Klage gegen die Beklagte zu 1 imersten Rechtszug zurückgenommen hat, die Beklagte zu 2 auf [X.] Auskunftserteilung in Anspruch, weil sie meint, ihr Urheberrecht an einemWerbeprospekt, den sie für die Beklagte zu 2 im Jahr 1997 angefertigt hat,werde durch einen von dieser im [X.] herausgegebenen [X.] 3 -verletzt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist den Prozeß-bevollmchtigten der [X.] am 2. Mai 2001 zugestellt worden. Die [X.] gegen das Urteil mit vom 5. Juni 2001 - dem Dienstag nach [X.] - da-tierendem Schriftsatz Berufung eingelegt. Der Vorsitzende des [X.] hat die [X.] mit Schreiben vom 21. Juni 2001 darauf hingewiesen, daßdas Rechtsmittel erst am 8. Juni 2001 und damit verstet beim Oberlandesge-richt eingegangen sei. Die [X.] hat hierauf mit Schriftsatz ihrer Prozeßbe-vollmchtigten vom 4. Juli 2001, der beim Berufungsgericht am 5. Juli 2001eingetroffen ist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versmungder Berufungs[X.]ist beantragt. Zugleich hat sie erneut Berufung eingelegt unddiese sachlich begrt.Zur [X.] hat die [X.] vorge-bracht, die Berufungsschrift sei tatschlich am 5. Juni 2001 kurz nach16.00 Uhr von der seit Januar 2001 bei Rechtsanwalt [X.], der bei der Vorbe-reitung der [X.] habe, bescftigten Praktikan-tin [X.] in den Briefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen worden.Die Praktikantin [X.] habe sich im Anschluß daran in die Kanzlei des Rechts-anwalts [X.] begeben, dessen Frage, ob sie den Schriftsatz auftragsgemßeingeworfen habe, bejaht und in der Handakte einen entsprechenden Vermerkangebracht. Der Prozeßbevollmchtigte der [X.], Rechtsanwalt [X.] , habeauf seine am 5. Juni 2001 zwischen 16.00 Uhr und 17.00 Uhr erfolgte [X.] Nach[X.]age dementsprechend von Rechtsanwalt [X.] besttigt bekom-men, daß der Schriftsatz in den Briefkasten des Berufungsgerichts gelangt sei.Bei diesem Geschehensablauf sei es unerklrlich, wie die [X.]istgerecht einge-reichte Berufungsschrift den Eingangsstempel des Berufungsgerichts vom- 4 -8. Juni 2001 erhalten habe. Zumindest aber fehle es an einem Verschulden [X.] der [X.] an der [X.].Zum Nachweis [X.] die Richtigkeit ihres Vorbringens hat die [X.] u.a.eidesstattliche Versicherungen ihres Prozeûbevollmchtigten Rechtsanwalt[X.] , der in dessen Kanzlei als Mitarbeiterin ttigen Frau [X.] [X.], desRechtsanwalts [X.] und der Praktikantin [X.] sowie eine Kopie des von die-ser unter dem 5. Juni 2001 gefertigten Aktenvermerks vorgelegt. Des weiterenhat sie die Mitarbeiterin [X.], den Rechtsanwalt [X.] und die Praktikantin[X.] auch als [X.] Sachvortrags benannt.Das Berufungsgericht hat den Antrag der [X.] auf [X.] den vorigen Stand zurckgewiesen und deren Berufung als unzulssig [X.].I[X.] Die dagegen gerichtete, [X.] § 519 b Abs. 2 2. Halbs., §§ 547, 238Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte, formgerecht und innerhalb der Frist des § 577Abs. 2 Satz 1 ZPO eingelegte und damit zulssige sofortige Beschwerde hatauch in der Sache Erfolg.1. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag [X.] unbe-grt erachtet, weil die [X.] nicht glaubhaft gemacht habe, [X.] ihrenProzeûbevollmchtigten Rechtsanwalt [X.] , dessen Verhalten sie sich zurech-nen lassen msse, kein Verschulden an der Versmung der [X.]. Die Darstellung in der eidesstattlichen Versicherung der Praktikantin[X.] , wonach diese die Berufungsschrift bereits am 5. Juni 2001 in den Briefka-sten des [X.] eingeworfen habe, stelle sich nach den [X.] 5 -den und insbesondere unter Bercksichtigung der dienstlichen [X.] in der [X.] des Gerichts ttig gewesenen [X.] nicht als rwiegend wahrscheinlich dar. An der damit anzunehmen-den [X.] treffe den Rechtsanwalt [X.] ein Verschulden, weil er [X.] zum [X.] unter den gegebenen Umstr Prak-tikantin [X.] nicht tte anvertrrfen.2. Diese Beurteillt der rechtlichen Nachprfung nicht stand.a) Der angefochtene [X.] kann schon deshalb keinen Bestand ha-ben, weil das Berufungsgericht keine hinreichenden Feststellungen zu den- von Amts wegen zu prfenden - Voraussetzungen der Zulssigkeit der Beru-fung getroffen hat. Das Berufungsgericht hat das Vorbringen der [X.], siehabe die Berufungsschrift am 5. Juni 2001 und damit noch rechtzeitig in [X.] des Berufungsgerichts eingeworfen, allein anhand des Eingangs-stempels, der eingeholten dienstlichen Stellungnahmen und der vorgelegteneidesstattlichen Versicherungen geprft. Das war bei der gegebenen [X.] nicht ausreichend. Zwar gilt [X.] die Prfung der Zulssig-keitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels, auch soweit es um die Rechtzeitig-keit der Einlegung und in diesem Rahmen um die Entkrftung des aus einemStempel ersichtlichen [X.] geht, der sogenannte Freibeweis. [X.] werden die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung abernicht herabgesetzt; zur Beweis[X.]ung hinsichtlich der Zulssigkeitsvorausset-zungen ist voller Beweis zu erbringen. Reichen dazu die auch im Rahmen [X.] zu erbringenden eidesstattlichen Versicherungen nicht aus, [X.] auf die Vernehmung der Beweispersonen als Zeugen zurckgegriffenwerden (vgl. zu Vorstehendem [X.], [X.]. [X.] - [X.], [X.] 6 -RR 1992, 1338, 1339; [X.]. v. 7.12.1999 - [X.], [X.], 814; [X.]. [X.]/00, NJW 2001, 2722, 2723, jeweils m.w.[X.]).Unter Bercksichtigung dieser Grundstztte das Berufungsgericht,da es die von der [X.] vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen [X.]nicht ausreichend erachtet hat, zur Feststellung der Rechtzeitigkeit der Beru-fungseinlegung grundstzlich den von der [X.] insoweit angetretenen [X.] erheben [X.]) Dem braucht in vorliegendem Fall jedoch ausnahmsweise nicht nach-gegangen zu werden. Denn der [X.] ist entgegen der Ansicht des Beru-fungsgerichts jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu [X.],weil sie glaubhaft gemacht hat, [X.] sie ohne ihr Verschulden verhindert war,die Berufungs[X.]ist einzuhalten (§§ 233, 236 Abs. 2 ZPO).Der Umstand, [X.] die [X.] an sich behauptet, die Frist zur [X.] der Berufung gewahrt zu haben, steht der beantragten Wiedereinsetzungnicht grundstzlich entgegen. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist es zulssig, die Einhaltung der Frist zu behaupten und den [X.] den Fall zu stellen, [X.] das Gericht den Beweis [X.] [X.] nicht als ge[X.]t ansieht ([X.], [X.]. v. 27.11.1996 - [X.], NJW 1997, 1312); dementsprechend ist der [X.] auch als Hilfsantrag statthaft (vgl. [X.] NJW-RR 1992, 1338 f.;[X.], 814 f.; NJW 2001, 2722 f.). Das [X.] aus [X.] auch in den Fllen gelten, in denen es einerseits zur Feststel-lung der Rechtzeitigkeit der Berufung noch weiterer Beweiserhebungen bedarf,andererseits aber schon jetzt davon auszugehen ist, [X.] selbst dann, wenn- 7 -sich die Fristwahrung nicht mit der erforderlichen Überzeugung feststellen [X.],jedenfalls Wiedereinsetzung zu [X.] wre. So liegt es hier.Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, wre eine - unterstellte -[X.] angesichts des glaubhaft gemachten Sachverhalts nicht aufein Verschulden des Prozeûbevollmchtigten zurckzu[X.]en, [X.] das die Kl-gerin nach § 85 Abs. 2 ZPO einzusttte. Das Berufungsgericht hat [X.] die Anforderungen an die [X.].Das Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt allerdings zutreffend davonausgegangen, [X.] sich ein Anwalt bei der Wahrung prozessualer Fristen [X.]bloûe Hilfsttigkeiten, wie vor allem Bot, auch solcher Hilfskrfte [X.] kann, die nicht die Qualifikation besitzen, die [X.] die selbstige Fri-stenberechnung und Fristenkontrolle verlangt wird ([X.], [X.]. v. 13.1.1988- IVa ZB 13/87, NJW 1988, 2045; [X.]. [X.] - [X.], [X.]R ZPO§ 233 - Bropersonal 5). Wegen der geringen Anforderungen, die an [X.] gestellt werden, kann dieser nach der Rechtsprechung auch schonAuszubildenden im ersten Lehrjahr rtragen werden ([X.], Urt. v.17.12.1997 - [X.], [X.]R ZPO § 233 - Bropersonal 12). [X.] die [X.] glaubhaft gemacht, [X.] die mit dem Botengang betraute Prak-tikantin [X.] bereits vier Monate in einem [X.] angestellt war; sie warvon einem der in [X.] ttigen [X.] damit betraut worden, [X.] des streitgegenstlichen Verfahrens abzuholen, da dieser Anwaltaufgrund einer mit dem Prozeûbevollmchtigten der [X.] getroffenen [X.] eine gutachtliche Stellungnahme zur Vorbereitung der Berufungsbe-grin dieser Sache fertigen wollte. Die [X.] hat weiter glaubhaft [X.], [X.] sich ihr [X.] zuvor bei seinem Kollegen [X.] 8 -nisch vergewissert hat, ob der Praktikantin die Berufungsschrift zum Einwurf inden Nachtbriefkasten anvertraut werden könne. Erst nachdem dies [X.] der Praktikantin der Weg zu dem nur wenige Minuten entfernten Oberlan-desgericht, das sich ebenso wie die Kanzlei des Prozeûbevollmchtigten der[X.] und des eingeschalteten Kollegen in der [X.] in [X.]befindet,erltert worden ist, sind ihr die Handakten mit der Berufungsschrift ausn-digt worden. Angesichts dieses glaubhaft gemachten Sachverhalts hatte [X.] der [X.] keine Veranlassung, an der [X.] zur Erledigung des in Rede stehenden Botengangs zuzweifeln, zumal die Praktikantin ohnehin mit der Abholung der Handakten indieser Sache betraut war. Ob die Praktikantin auch in der gebotenen Weiser den drohenden Fristablauf und die Notwendigkeit der Fristwahrung unter-richtet worden war, kann vorliegend ausnahmsweise dahinstehen. Denn die[X.] hat glaubhaft gemacht, [X.] sich ihr [X.] noch amselben Tage telefonisch bei seinem Kollegen [X.] r den Einwurf [X.] in den Nachtbriefkasten verschafft hat; die Praktikantin hatden rechtzeitigen Einwurf r ihrem Vorgesetzten besttigt und in des-sen Gegenwart einen entsprechenden Vermerk auf dem in der Handakte [X.] Exemplar der Berufungsschrift vom 5. Juni 2001 angebracht. [X.] an Kontrolle [X.] eine Routinettigkeit wie einen Botengang nicht verlangtund zugemutet werden ([X.]R ZPO § 233 - Bropersonal 12).- 9 -II[X.] Der angefochtene [X.] war nach alledem aufzuheben und der[X.] wegen der Versmung der Berufungs[X.]ist Wiedereinsetzung zu ge-wren.Erdmann[X.][X.]BscherSchaffert

Meta

I ZB 23/01

27.02.2002

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.02.2002, Az. I ZB 23/01 (REWIS RS 2002, 4357)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 4357

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