Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.08.2022, Az. 5 StR 153/22

5. Strafsenat | REWIS RS 2022, 7145

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafbarkeit des Eigendopings mit Testosteron


Tenor

1. Die Revision der Angeklagten [X.]     gegen das Urteil des [X.] vom 1. Oktober 2021 wird mit der Maßgabe verworfen, dass gegen sie im Fall 11 der Urteilsgründe eine Einzelstrafe von einem Monat verhängt wird.

2. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das vorbenannte Urteil

a) aufgehoben,

[X.]) soweit er im Fall 16 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Besitzes eines Dopingmittels verurteilt worden ist und der Angeklagte insoweit freigesprochen; im Umfang des Freispruchs fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der St[X.]tskasse zur Last,

bb) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe;

b) dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 8.000 Euro angeordnet ist.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Die Angeklagte [X.]     hat die Kosten ihres Rechtsmittels, der Angeklagte [X.]die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte [X.]     wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten [X.]hat es wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Besitzes eines Dopingmittels auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und einem Monat erkannt. Gegen beide Angeklagte hat es jeweils eine Einziehungsentscheidung getroffen.

2

1. Das mit der allgemeinen Sachrüge geführte Rechtsmittel der Angeklagten [X.]     zeigt einen Rechtsfehler lediglich im Fall 11 der Urteilsgründe auf, in dem das [X.] es versehentlich unterlassen hat, eine [X.] festzusetzen. Der [X.] holt dies gemäß § 354 Abs. 1 StPO nach und setzt aus dem von der [X.] rechtsfehlerfrei vorgesehenen, nach § 31 BtMG, § 27 Abs. 1 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB doppelt gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG unter Beachtung des § 47 StGB die Mindeststrafe fest (vgl. § 38 Abs. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 3 Variante 4 StGB). Den [X.] lässt dies unberührt.

3

2. Die mit mehreren Verfahrensbeanstandungen und der ausgeführten Sachrüge begründete Revision des Angeklagten [X.]hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg, im Übrigen erweist sie sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

4

a) Die Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des [X.] genannten Gründen keinen Erfolg. Zur Rüge einer Verletzung des § 244 Abs. 6 StPO durch eine fehlerhafte Fristsetzung zur Stellung von Beweisanträgen bemerkt der [X.] ergänzend:

5

Es begegnet zwar Bedenken, dass das [X.] dem Angeklagten am letzten [X.] einen rechtlichen Hinweis erteilt hat, ohne die Frist zu verlängern. Dies wirkt sich vorliegend indes nicht aus, weil es sich bei den nach Fristablauf gestellten Anträgen des Beschwerdeführers, deren Bescheidung erst im Urteil er bemängelt, mangels bestimmter Behauptung einer die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betreffenden [X.] schon nicht um Beweisanträge im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO gehandelt hat; sie waren deshalb ohnehin nicht nach § 244 Abs. 6 Satz 1 StPO durch Beschluss zu bescheiden. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) hat der Angeklagte insoweit nicht in zulässiger Weise gerügt; ebensowenig hat er eine Verfahrensbeanstandung mit der Stoßrichtung erhoben, die Verteidigung sei in unzulässiger Weise beschränkt worden (§ 338 Nr. 8 StPO), weil er wegen der Fristsetzung keine weiteren Anträge gestellt habe.

6

Die Rüge ist insoweit zudem wegen Verstoßes gegen die Vortragspflicht aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO auch deswegen unzulässig, weil in den Anträgen auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Bezug genommen, dieses aber nicht vorgelegt wird.

7

b) Die Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes eines Dopingmittels hält der auf die Sachrüge veranlassten umfassenden revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Der [X.] hat hierzu ausgeführt:

Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat einen Rechtsfehler insoweit zu Tage gefördert, als der Angeklagte wegen Besitzes von Dopingmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurde. Die Urteilsfeststellungen rechtfertigen einen solchen Vorwurf indessen nicht. Danach enthielt die im Kühlschrank des Angeklagten aufgefundene Ampulle insgesamt 92 +/- 5,5 mg/ml also insgesamt mindestens 711,03 mg (86,5 mg/ml * 8,22 ml) Testosteronpropionat. Die nicht geringe Menge Testosteron ist in der Anlage zur [X.] in der Fassung vom 8. Juli 2016 ([X.] 2016 I 1624) für sonstige Darreichungsformen mit 632 mg festgesetzt. Allerdings hat das [X.] nicht berücksichtigt, dass in der [X.] jeweils die nicht geringe Menge für die freie Verbindung der betreffenden Stoffe ausgewiesen ist (vgl. [X.] vom 21. Februar 2020 - 9 KLs 384 Js 165441/18, BeckRS 2020, 31978 Rdnr. 217; dazu [X.]/[X.]/[X.], 10. Aufl. 2022, § 4 AntiDopG Rdnr. 53). Ausgehend hiervon ist der Anteil an freien Steroiden vorliegend unter Berücksichtigung eines Umrechnungsfaktors von 0,837 (vgl. https://www.dshs-koeln.de/institut-fuer-biochemie/doping-substanzen/ doping-lexikon/d/dopingmittel-mengen-verordnung-umrechnungstabelle/) mit 595,13 mg zu veranschlagen.

8

Dem schließt sich der [X.] an. Da der Besitz von Dopingmitteln, die - wie hier - zum [X.] angewendet werden sollen, nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 iVm § 2 Abs. 3 AntiDopG nur dann strafbar ist, wenn der Grenzwert zur nicht geringen Menge überschritten ist, war der Angeklagte insoweit freizusprechen.

9

c) Im Übrigen halten Schuld- und Rechtsfolgenausspruch auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens rechtlicher Nachprüfung stand. Nach Wegfall der für Fall 11 der Urteilsgründe ausgeurteilten Geldstrafe war allerdings der [X.] aufzuheben, und es hatte bei der im Fall 4 der Urteilsgründe rechtsfehlerfrei verhängten [X.] von vier Jahren Freiheitsstrafe sowie bei der ebenfalls nur diesen Fall betreffenden Einziehungsentscheidung zu verbleiben.

Cirener    

        

Gericke    

        

Köhler

        

Resch    

        

von Häfen    

        

Meta

5 StR 153/22

30.08.2022

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 1. Oktober 2021, Az: 533 KLs 13/19

§ 2 Abs 3 AntiDopG, § 4 Abs 1 Nr 3 AntiDopG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.08.2022, Az. 5 StR 153/22 (REWIS RS 2022, 7145)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7145


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 5 StR 153/22

Bundesgerichtshof, 5 StR 153/22, 28.09.2022.

Bundesgerichtshof, 5 StR 153/22, 30.08.2022.


Az. 2 BvR 1343/22

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 1343/22, 23.01.2023.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 322/21 (Bundesgerichtshof)

Gewerbsmäßiges Handeltreiben mit Dopingmitteln in nicht geringer Menge: Darstellungsanforderungen an die Wirkstoffmenge sowie an die …


4 StR 389/17 (Bundesgerichtshof)

Anti-Doping-Gesetz: Strafbarkeit des Besitzes von Dopingmitteln in nicht geringen Mengen zum Eigendoping im nicht mit …


3 StR 345/17 (Bundesgerichtshof)

Herstellen und Handeltreiben mit Dopingmitteln: Konkurrenzverhältnis der Tatvarianten


3 StR 370/21 (Bundesgerichtshof)

Beihilfe zum Verbringen von Dopingmitteln in nicht geringer Menge nach Deutschland: Darstellungsanforderungen an den Wirkstoffgehalt …


4 StR 389/17 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

6 StR 276/23

Zitiert

2 BvR 792/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.