Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2005, Az. VI ZR 245/04

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 3657

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] ZR 245/04 vom 10. Mai 2005 in dem Re[X.]htsstreit
Na[X.]hs[X.]hlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO §§ 529 Abs. 1 Nr. 1, 397, 402, 411 Abs. 3 Hat das Erstgeri[X.]ht dem re[X.]htzeitig gestellten Antrag einer [X.] auf erstmalige mündli[X.]he Anhörung des geri[X.]htli[X.]hen Sa[X.]hverständigen ni[X.]ht entspro[X.]hen, kann die Bindung des Berufungsgeri[X.]hts an die vom Geri[X.]ht des ersten [X.] festge-stellten Tatsa[X.]hen entfallen. Ist dies der Fall, muß das Berufungsgeri[X.]ht dem in [X.] Instanz wiederholten Antrag auf Ladung des Sa[X.]hverständigen stattgeben.

[X.], Bes[X.]hluß vom 10. Mai 2005 - [X.]/04 - OLG Saarbrü[X.]ken
LG Saarbrü[X.]ken

- 2 - Der VI. Zivilsenat des [X.] hat am 10. Mai 2005 dur[X.]h die [X.] Ri[X.]hterin [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.] bes[X.]hlossen: Auf die Ni[X.]htzulassungsbes[X.]hwerde des [X.] wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 28. Juli 2004 aufgehoben.

Die Sa[X.]he wird zur neuen Verhandlung und Ents[X.]heidung, au[X.]h über die Kosten des Verfahrens der Ni[X.]htzulassungsbes[X.]hwerde,
an das Berufungsgeri[X.]ht zurü[X.]kverwiesen.

Gegenstandswert: 40.903,35 •

Gründe:

1. Die Ni[X.]htzulassungsbes[X.]hwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurü[X.]kverweisung des Re[X.]htsstreits an das Berufungsgeri[X.]ht. Die angefo[X.]htene Ents[X.]heidung verletzt den Anspru[X.]h des [X.] auf re[X.]htli[X.]hes Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Einer Zulassung der Revision bedarf es ni[X.]ht (vgl. [X.], Bes[X.]hluß vom 5. April 2005 - [X.]/04 - zur [X.] bestimmt). - 3 - 2. Mit Erfolg ma[X.]ht die Ni[X.]htzulassungsbes[X.]hwerde geltend, daß das Be-rufungsgeri[X.]ht verfahrensfehlerhaft von einer mündli[X.]hen Befragung der [X.] Sa[X.]hverständigen abgesehen hat. a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgeri[X.]hts kommt es für die [X.], ob die Ladung eines Sa[X.]hverständigen zur mündli[X.]hen Erläuterung des von ihm erstatteten Guta[X.]htens geboten ist, ni[X.]ht darauf an, ob das Geri[X.]ht no[X.]h [X.] sieht oder ob gar zu erwarten ist, daß der Guta[X.]hter seine Auffassung ändert. Na[X.]h ständiger Re[X.]htspre[X.]hung des erkennenden Senats hat die [X.] zur Gewährleistung des re[X.]htli[X.]hen Gehörs na[X.]h §§ 397, 402 ZPO einen Anspru[X.]h darauf, daß sie dem Sa[X.]hverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sa[X.]he für erforderli[X.]h hält, zur mündli[X.]hen Beantwortung vorlegen kann (vgl. u.a. Senatsurteile vom 17. Dezember 1996 - [X.] - [X.], 509 ff.; vom 7. Oktober 1997 - [X.] - [X.], 342; vom 22. Mai 2001 - [X.]/00 - [X.], 120, 121 f.). Dieses Antrags-re[X.]ht besteht unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO (st. Rspr., vgl. [X.] 6, 398, 400 f.; 24, 9, 14; Senatsurteile vom 24. Oktober 1995 - [X.] - [X.], 211, 212; vom 17. Dezember 1996 - [X.] - aaO und vom 7. Oktober 1997 - [X.] - [X.], 342, 343 und vom 29. Oktober 2002 - [X.] - [X.], 926). Hat das [X.] einem re[X.]htzeitig gestellten Antrag auf Ladung eines Sa[X.]hverständigen zur mündli[X.]hen Erläute-rung seines s[X.]hriftli[X.]hen Guta[X.]htens ni[X.]ht entspro[X.]hen, so muß das [X.] dem im zweiten Re[X.]htszug wiederholten Antrag stattgeben ([X.] vom 24. Oktober 1995 - [X.] - aaO). Dabei kann von der [X.], die einen Antrag auf Ladung des Sa[X.]hverständigen stellt, ni[X.]ht verlangt werden, daß sie die Fragen, die sie an den Sa[X.]hverständigen zu ri[X.]hten [X.], im voraus konkret formuliert. Es genügt, wenn sie allgemein angibt, in wel[X.]her Ri[X.]htung sie dur[X.]h ihre Fragen eine weitere Aufklärung herbeizuführen wüns[X.]ht ([X.] 24, 9, 14 f.). - 4 - b) Diesen Anforderungen genügte das Vorbringen des [X.]. Mit Re[X.]ht verweist die Ni[X.]htzulassungsbes[X.]hwerde darauf, daß der Kläger im ersten Re[X.]htszug mehrfa[X.]h die Ladung des Sa[X.]hverständigen Prof. Dr. H. zur Erläute-rung seines Guta[X.]htens beantragt hat. Der erste Antrag ist unmittelbar na[X.]h Eingang des s[X.]hriftli[X.]hen Guta[X.]htens gestellt worden. Mit [X.] vom 26. August 2002 hat das [X.] den Sa[X.]hverständigen um eine ergän-zende guta[X.]hterli[X.]he Stellungnahme zur postoperativen Behandlung gebeten. Na[X.]h Eingang der Stellungnahme vom 18. November 2002 hat der Kläger mit S[X.]hriftsatz vom 13. Dezember 2002 eine Reihe von Fragen gestellt und erneut beantragt, den Sa[X.]hverständigen na[X.]h seiner (s[X.]hriftli[X.]hen) Stellungnahme zur mündli[X.]hen Erläuterung seiner Beguta[X.]htung zu laden, wobei er darauf [X.] hat, daß dieser Antrag nur dann aufre[X.]hterhalten werde, wenn na[X.]h der Ergänzung des Guta[X.]htens bzw. einer weiteren Ergänzung no[X.]h Fragen blie-ben. Das [X.] hat dem Sa[X.]hverständigen die vom Kläger gestellten [X.]n dur[X.]h [X.] und [X.] vom 20. Januar 2003 teilweise vorge-legt und ihn dazu um eine weitere Stellungnahme gebeten. Die erbetene ergän-zende Stellungnahme ist unter dem 10. März 2003 erfolgt. Daraufhin hat das [X.] den [X.]en mit Verfügung vom 9. April 2003, zugestellt am 22. April 2003, eine Frist zur Stellungnahme von drei Wo[X.]hen gesetzt. Am 8. Mai 2003, also nur 16 Tage na[X.]h Zustellung dieser Verfügung, hat das Land-geri[X.]ht Termin zur Fortsetzung der mündli[X.]hen Verhandlung auf den 22. Mai 2003 anberaumt, ohne den Sa[X.]hverständigen zu laden. Mit S[X.]hriftsatz vom 6. Mai 2003, bei Geri[X.]ht eingegangen am 9. Mai 2003, hat der Kläger erneut beantragt, den Sa[X.]hverständigen zur Erläuterung seines Guta[X.]htens sowie [X.] zu laden. Dem hat das [X.] ni[X.]ht entspro-[X.]hen. Am 22. Mai 2003 ist zum [X.] mündli[X.]h verhandelt worden. Mit Urteil vom 26. Juni 2003 hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger u.a. die Verletzung von §§ 397, 402 ZPO gerügt und - 5 - erneut beantragt, den Sa[X.]hverständigen zur mündli[X.]hen Erläuterung seiner Be-guta[X.]htung zu laden. Diesem Antrag hat das Berufungsgeri[X.]ht ni[X.]ht stattgege-ben. [X.]) S[X.]hon das [X.] hätte den Sa[X.]hverständigen laden müssen. War mithin das Verfahren in erster Instanz verfahrensfehlerhaft, so war das Be-rufungsgeri[X.]ht an die Feststellungen im erstinstanzli[X.]hen Urteil ni[X.]ht gebunden. Es hätte seinerseits den Sa[X.]hverständigen laden müssen. Die von der hö[X.]hst-ri[X.]hterli[X.]hen Re[X.]htspre[X.]hung entwi[X.]kelten Grundsätze zum Re[X.]ht der [X.] auf mündli[X.]he Anhörung des medizinis[X.]hen Sa[X.]hverständigen haben au[X.]h na[X.]h Inkrafttreten des [X.] ([X.] - ZPO-RG) vom 27. Juli 2001 ([X.] I 1887) ihre Gültigkeit behal-ten. Das Berufungsgeri[X.]ht durfte die auf Grund des Guta[X.]htens getroffenen Feststellungen seiner Ents[X.]heidung ni[X.]ht zugrunde legen. Zwar ist ein [X.] na[X.]h § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ZPO grundsätzli[X.]h an die vom Geri[X.]ht des ersten [X.] festgestellten Tatsa[X.]hen gebunden. Diese Bindung entfällt aber, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Ri[X.]htigkeit oder Vollständigkeit ents[X.]heidungserhebli[X.]her Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO). Dabei können si[X.]h konkrete Anhaltspunkte au[X.]h aus Fehlern ergeben, die dem Eingangsgeri[X.]ht bei der Feststellung des Sa[X.]hverhalts unterlaufen sind (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - [X.]/03 - VersR 2004, 1177, 1178, zur [X.] in [X.] 159, 245 bestimmt; [X.], Urteile vom 12. März 2004 - [X.], 845, 846, zur [X.] in [X.] 158, 269 bestimmt und vom 19. März 2004 - [X.]/03 - zur [X.] in [X.] 158, 295 bestimmt; Begründung des Regierungsentwurfs BT-Dru[X.]ks. 14/4722, S. 100; Mün[X.]hKommZPO/Aktualisierungsband-Rimmels-pa[X.]her, aaO, § 529 Rdn. 12; Rimmelspa[X.]her, [X.] aaO, 11, 15; derselbe, NJW 2002, 1897, 1901; Sta[X.]kmann, NJW 2003, 169, 171). [X.] - 6 - Tatsa[X.]henfeststellungen auf der Grundlage eines Sa[X.]hverständigenguta[X.]htens getroffen, kann au[X.]h die Unvollständigkeit des Guta[X.]htens Zweifel an der Ri[X.]h-tigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen we[X.]ken (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2003 - [X.]/02 - NJW 2003, 3480, 3481 und vom 8. Juni 2004 - [X.]/03 - VersR 2004, 1477, zur [X.] in [X.] 159, 254 be-stimmt; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 18; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 9). d) Hierna[X.]h begründeten im Streitfall konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Vollständigkeit der Feststellungen. Das [X.] hat den Sa[X.]hverständi-gen ni[X.]ht zur mündli[X.]hen Erläuterung seines Guta[X.]htens geladen, obwohl der Kläger dies mehrfa[X.]h beantragt hatte. Das Re[X.]ht der [X.], den Sa[X.]hverstän-digen persönli[X.]h zu hören und diesem au[X.]h selbst Fragen zu stellen, bezieht si[X.]h auf medizinis[X.]he Fragen, die für die Ents[X.]heidung erhebli[X.]h sind und für die [X.] geltend gema[X.]ht wird (vgl. [X.], NJW-RR 1999, 178, 179). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgeri[X.]hts bedarf der Antrag auf Ladung des Sa[X.]hver-ständigen keiner besonderen Begründung. Dies gilt grundsätzli[X.]h au[X.]h dann, wenn der Sa[X.]hverständige ni[X.]ht nur ein Erstguta[X.]hten, sondern - wie im [X.] - ein Ergänzungsguta[X.]hten erstattet hat. Bes[X.]hränkungen des Antrags-re[X.]hts ergeben si[X.]h nur aus den Gesi[X.]htspunkten des Re[X.]htsmißbrau[X.]hs und der Prozeßvers[X.]hleppung (Senatsurteil vom 29. Oktober 2002 - [X.] - aaO). Das Vorliegen eines sol[X.]hen Ausnahmefalles nimmt ersi[X.]htli[X.]h au[X.]h das Berufungsgeri[X.]ht ni[X.]ht an. Ist dem Antrag in erster Instanz ni[X.]ht entspro[X.]hen worden, bedarf es in zweiter Instanz entgegen der Auffassung des Berufungs-geri[X.]hts au[X.]h keiner Darlegung dazu, weshalb die unterbliebene Anhörung für die angefo[X.]htene Ents[X.]heidung ursä[X.]hli[X.]h gewesen sei. - 7 - 3. Da ni[X.]ht ausges[X.]hlossen werden kann, daß das Berufungsgeri[X.]ht bei der gebotenen Klärung zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wä-re, war das Urteil aufzuheben und die Sa[X.]he an das Berufungsgeri[X.]ht zurü[X.]k-zuverweisen. Dieses wird bei der neuen Verhandlung und Ents[X.]heidung au[X.]h das weitere Vorbringen des [X.] im Revisionsre[X.]htszug zu berü[X.]ksi[X.]htigen haben.

Müller [X.] [X.]

[X.]

[X.]

Meta

VI ZR 245/04

10.05.2005

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2005, Az. VI ZR 245/04 (REWIS RS 2005, 3657)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3657

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.