Bundessozialgericht, Urteil vom 09.06.2011, Az. B 8 SO 1/10 R

8. Senat | REWIS RS 2011, 5814

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - keine Beschränkung des Streitgegenstands - Anerkenntnis - Parteifähigkeit - Sozialhilfe - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - Zusammenleben über 25-Jähriger mit Altersrente beziehendem Elternteil - Anspruch auf Eckregelsatz - verfassungskonforme Auslegung - Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. November 2009 aufgehoben, soweit darin über die Regelsatzleistung entschieden worden ist, und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.] (nur noch) höhere Regelsatzleistungen der [X.]rundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die [X.] bis [X.].

2

Die 1970 geborene Klägerin lebte im streitbefangenen Zeitraum mit ihrer 1941 geborenen Mutter, ihrem 1935 geborenen (mittlerweile verstorbenen) Vater sowie ihrem 1971 geborenen [X.] zusammen. Sie ist schwerbehindert ([X.]rad der [X.]ehinderung von 100 unter Zuerkennung der Merkzeichen "[X.]", "[X.]" und "[X.]") und im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen ([X.]) tätig. Seit dem 1.1.2005 erhält sie nach vorangegangenem [X.]ezug von Leistungen der [X.]rundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ([X.]rundsicherungsleistungen) nach dem [X.]rundsicherungsgesetz ([X.]Si[X.]) [X.]rundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes [X.]uch - Sozialhilfe - (S[X.][X.] XII).

3

Auf Antrag (nach Ablauf des früheren [X.]ewilligungszeitraums) wurden ihr für die [X.] bis [X.] [X.]rundsicherungsleistungen bewilligt, und zwar in [X.]öhe von monatlich 254,37 Euro; die Leistung setzt sich zusammen aus Leistungen zum Lebensunterhalt in [X.]öhe von [X.] des Regelsatzes für Alleinstehende, gekürzt um [X.] wegen der Möglichkeit, in der [X.] ein Mittagessen einzunehmen, und einem Mehrbedarf wegen [X.]ehbehinderung ([X.]escheid der im Namen und im Auftrag der [X.]eklagten handelnden Stadt [X.]arbsen vom 17.7.2006; Widerspruchsbescheid der [X.]eklagten vom [X.] unter [X.]eteiligung sozial erfahrener Dritter).

4

Nachdem die [X.]eklagte im Rahmen des Klageverfahrens zugestanden hatte, den [X.] wegen der Teilnahmemöglichkeit am Mittagessen von 27,60 Euro auf 26,58 Euro abzusenken, hat das Sozialgericht (S[X.]) den [X.]escheid vom 17.7.2006 in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] "insoweit aufgehoben, als der der Klägerin bewilligte Regelsatz um mehr als 26,58 Euro gekürzt" wurde, und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom [X.]). Nachdem die [X.]eklagte dann im [X.]erufungsverfahren erklärt hatte, an der Regelsatzkürzung wegen des Mittagessens überhaupt nicht mehr festzuhalten, hat das [X.] (LS[X.]) die [X.]eklagte verurteilt, der Klägerin für die [X.] bis [X.] [X.]rundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung "unter Ansatz des [X.]" zu gewähren, und die [X.]erufung im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 26.11.2009). Zur [X.]egründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, hinsichtlich geltend gemachter Kosten für Unterkunft und [X.]eizung fehle es an dem erforderlichen Vorverfahren; die Klage beschränke sich deshalb auf den Regelsatz. Nach der Rechtsprechung des [X.]undessozialgerichts ([X.]S[X.]) sei der für die Klägerin maßgebliche Regelsatz der eines [X.]aushaltsvorstandes bzw einer Alleinstehenden in [X.]öhe des [X.] (100 v[X.]). Die typisierende Annahme einer [X.]aushaltsersparnis auf der [X.]rundlage der Regelsatzverordnung ([X.]) von [X.] sei nur gerechtfertigt, wenn die zusammenlebenden Personen bei [X.]edürftigkeit eine [X.]edarfsgemeinschaft im Sinne des Sozialgesetzbuchs Zweites [X.]uch - [X.]rundsicherung für Arbeitsuchende - (S[X.][X.] II) oder eine Einsatzgemeinschaft iS von § 19 S[X.][X.] XII bildeten bzw bilden würden. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Soweit es die Abzüge für Mittagessen betreffe, habe sich der Streit mittlerweile durch ein angenommenes Anerkenntnis erledigt.

5

Mit ihrer Revision rügt die [X.]eklagte einen Verstoß gegen § 3 Abs 1 Satz 3 [X.]. Dass das LS[X.] die Klägerin in den Kreis derer einbeziehe, die die volle Regelleistung erhielten, beruhe auf einer unzulässigen richterlichen Rechtsfortbildung. Der allgemeine [X.]leichheitssatz (Art 3 Abs 1 [X.]rundgesetz <[X.][X.]>) erlaube dies nicht. Der Wortlaut von § 3 Abs 1 Satz 2 und 3 [X.] sei eindeutig und spreche gegen die vom LS[X.] vorgenommene Ausweitung. Die Annahme eines in bestimmter [X.]öhe verminderten [X.]edarfs wegen [X.]aushaltsersparnis sei nach der [X.] an das [X.]estehen einer reinen [X.]aushaltsgemeinschaft geknüpft und damit mit den [X.]egriffen des [X.]aushaltsvorstands und [X.]aushaltsangehörigen verbunden. Der [X.]esetzgeber habe sich ausdrücklich gegen ein deckungsgleiches Leistungsniveau im S[X.][X.] II und S[X.][X.] XII entschieden und bewusst an mehreren Stellen Unterschiede verankert. Selbst wenn eine Ungleichbehandlung nach Art 3 Abs 1 [X.][X.] vorläge, seien die [X.] ebenso wenig wie das [X.]undesverfassungsgericht ([X.]Verf[X.]) berechtigt, eine betroffene Vorschrift für nichtig zu erklären, weil zur [X.]ehebung des verfassungswidrigen Zustandes mehrere Lösungen zur Verfügung stünden.

6

Die [X.]eklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des LS[X.] abzuändern und die [X.]erufung der Klägerin gegen das Urteil des S[X.] insgesamt zurückzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie ist der Ansicht, das LS[X.] habe zu Recht entschieden, dass die [X.]eklagte den [X.] im Rahmen der [X.]rundsicherungsleistungen für den streitigen Zeitraum zu gewähren habe.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet, soweit es die Regelsatzleistung betrifft (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>). Es fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 [X.]G), die ein abschließendes Urteil über deren Höhe ermöglichten. Allerdings ist der Klägerin für die [X.] bis 30.6.2007 nominal der [X.] ([X.]) zuzugestehen, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für die Grundsicherungsleistungen vorliegen, über die ebenfalls nicht abschließend entschieden werden kann.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 17.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] (§ 95 [X.]G), gegen den sich die Klägerin mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 [X.]G) wendet, soweit die Beklagte höhere Regelsatzleistungen abgelehnt hat. Insoweit wird das [X.] allerdings nach der Zurückverweisung zu überprüfen haben, ob weitere [X.] ergangen sind, die Gegenstand des Verfahrens nach § 96 Abs 1 [X.]G geworden sind. Nach Aktenlage sind [X.] vom 6.3. und [X.] ersichtlich, die ggf die streitbefangenen Verfügungen im Bescheid vom 17.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids teilweise erledigt haben (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - <[X.]B X>).

In der Sache ist Gegenstand des Revisionsverfahrens nur noch die der Klägerin im Rahmen der Grundsicherungsleistungen zustehende Regelsatzleistung. Zwar hat die Klägerin ihre Klage selbst zunächst nicht ausdrücklich beschränkt. Der Senat hat aber über die Kosten der Unterkunft nicht zu entscheiden, weil die Klägerin keine Revision gegen das insoweit zurückweisende Urteil des [X.] eingelegt hat und es sich nach der Rechtsprechung des Senats bei den Kosten der Unterkunft um eine streitgegenständlich abtrennbare Leistung handelt (vgl nur [X.], 181 ff Rd[X.] mwN = [X.]-3500 § 42 [X.]). Ein der Klägerin möglicherweise zustehender höherer Mehrbedarf für behinderte Menschen nach § 30 [X.]B XII ist ebenfalls nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Das [X.] hat höhere Leistungen insoweit ausdrücklich abgelehnt, und die Klägerin hat ihre Berufung ausdrücklich auf den Regelsatz und die Kosten der Unterkunft beschränkt; demgemäß hat das [X.], ohne dass die Klägerin deswegen Revision eingelegt hätte, über einen Mehrbedarf auch nicht entschieden.

Entgegen der Ansicht des [X.] ist die Kürzung wegen kostenloser Essenseinnahme allerdings kein eigener Streitgegenstand, der sich damit auch nicht erledigt haben kann - wie das [X.] meint -, sondern lediglich ein Berechnungselement der Grundsicherungsleistung (vgl [X.], 153 ff Rd[X.]2 = [X.]-4200 § 12 [X.]). Ebenso wenig handelt es sich bei den Erklärungen der Beklagten über die Minderung der Leistung wegen des kostenlosen Essens um [X.] (§ 101 Abs 2 [X.]G), weil sie keine ([X.] anerkennen, sondern nur die Aussage beinhalten, bei der Gesamtberechnung der Leistung die Abzüge nicht mehr vornehmen zu wollen, wie das [X.] richtig erkannt hat (vgl dazu: [X.] in [X.], [X.]G, § 101 RdNr 45, Stand Dezember 2008; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 9. Aufl 2008, § 101 Rd[X.]9; [X.] in [X.]/Fichte, [X.]G, 2009, § 101 Rd[X.]7; Roller in [X.], [X.]G, 3. Aufl 2009, § 101 Rd[X.]7). Die Voraussetzungen eines wirksamen Prozessvergleichs liegen ebenfalls nicht vor; inwieweit sich ggf aus den Erklärungen der Beteiligten materiellrechtliche Bindungswirkungen ergeben, muss zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht entschieden werden.

Mangels in [X.] angeordneten Behördenprinzips (vgl § 70 Nr 3 [X.]G) richtet sich die Klage gemäß § 70 [X.] [X.]G gegen die [X.]. Hieran ändert nichts, dass die [X.] den Bescheid vom 17.7.2006 erlassen hat. Denn nach § 8 Abs 1 Satz 1 des [X.] zum [X.]B XII (AG [X.]B XII) vom 16.12.2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt 644) kann die [X.] zur Durchführung der ihr als örtlichem Sozialhilfeträger (dazu später) obliegenden Aufgaben durch Satzung oder öffentlich-rechtlichen Vertrag regionsangehörige Gemeinden heranziehen. Von dieser Möglichkeit hat sie zwar Gebrauch gemacht (§ 1 der Satzung über die Heranziehung von regionsangehörigen Städten und Gemeinden zur Durchführung der der [X.] als örtlichem Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben nach dem [X.]B XII vom 14.12.2004 in der Fassung vom 7.3.2006 - Gemeinsames Amtsblatt für die [X.] und die Landeshauptstadt Hannover [X.]4 vom [X.]); jedoch handelt die herangezogene kommunale Körperschaft gemäß § 9 Abs 4 AG [X.]B XII im Namen des örtlichen Trägers der Sozialhilfe, der damit der richtige Beteiligte bleibt (vgl hierzu auch das Senatsurteil vom [X.] [X.] 11/10 R).

Die Beklagte ist auch der örtlich und sachlich zuständige Leistungsträger nach § 3 Abs 2, § 97 Abs 1, § 98 Abs 1 [X.]B XII iVm § 1 Satz 1 und § 6 Abs 1 AG [X.]B XII. Sie ist Gesamtrechtsnachfolgerin des [X.] und nimmt dessen Aufgaben wahr (§§ 2, 3 Abs 3 Gesetz über die [X.] vom 5.6.2001 - GVBl 348). Die Heranziehung der [X.] nach § 99 Abs 1 [X.]B XII iVm § 8 Abs 1 AG [X.]B XII verändert nicht die Zuständigkeit (§ 9 Abs 4 AG [X.]B XII). Der Senat ist nicht gehindert, die dem Grunde nach nicht revisiblen (§ 162 [X.]G) landesrechtlichen Vorschriften anzuwenden und auszulegen, weil das [X.] diese Vorschriften bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen hat (vgl nur B[X.]E 102, 10 ff Rd[X.]8 = [X.]-2500 § 264 [X.]).

Ob die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf höhere Regelsatzleistungen hat, bestimmt sich nach § 19 Abs 2 [X.]B XII (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - [X.] 3022 - erhalten hat) iVm § 41 [X.]B XII (in der Normfassung vom 27.12.2003 bzw ab [X.] in der Normfassung des Gesetzes zur Änderung des [X.]B XII und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - [X.] 2670). Nach § 41 Abs 1 [X.]B XII erhalten auf Antrag Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und - nur insoweit ist die Norm vorliegend einschlägig - unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert iS von § 43 Abs [X.] - ([X.]B VI) sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann, Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, soweit sie ihren Lebensunterhalt nicht aus ihrem Einkommen und Vermögen gemäß §§ 82 bis 84 und 90 [X.]B XII beschaffen können. Nach § 42 Satz 1 [X.] [X.]B XII (in der Normfassung des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom 21.3.2005 - [X.] 818 - und ab [X.] in der Normfassung des [X.]) iVm § 28 [X.]B XII (in der Normfassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 9.12.2004 - [X.] 3305 - bzw ab [X.] des [X.]) und der auf der Grundlage des § 40 [X.]B XII erlassenen [X.] (vom 3.6.2004 - [X.] 1067) hat ein Haushaltsvorstand unter diesen Voraussetzungen Anspruch auf [X.] des [X.]es (§ 3 Abs 1 Satz 2 [X.]); dies gilt auch für Alleinstehende (§ 3 Abs 1 Satz 3 [X.]), während die Regelsätze für sonstige Haushaltsangehörige nach § 3 Abs 2 [X.] ab Vollendung des 14. Lebensjahres [X.] des [X.]es ([X.]) betragen. Diese beiden Absätze des § 3 [X.] sind von der am 1.1.2007 in [X.] getretenen [X.] zur Änderung der [X.] ([X.] 2657) nicht betroffen.

Das [X.] hat sich unzutreffenderweise auf die Prüfung der Höhe des Regelsatzes beschränkt, dabei aber weder Feststellungen zu den Anspruchsvoraussetzungen selbst noch zum anzurechnenden Einkommen und Vermögen getroffen; sie sind nachzuholen. Zu Recht ist es allerdings nominal vom [X.] ([X.]) ausgegangen. Denn die Klägerin ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, an der festgehalten wird (s dazu näher das Senatsurteil vom [X.] [X.] 11/10 R), keine Haushaltsangehörige im Sinne der [X.] (vgl dazu näher das Senatsurteil vom [X.], aaO). Da bezogen auf die Minderung des Regelsatzes bzw der Regelleistung nach dem [X.]B II wegen Annahme einer Haushaltsersparnis für eine unterschiedliche Behandlung zwischen der Personengruppe der [X.]B-XII- und [X.]B-II-Leistungsempfänger im Hinblick auf die identische sozialrechtliche Funktion beider Leistungen (Sicherstellung des Existenzminimums) keine sachlichen Gründe erkennbar sind, dürfen normativ Einsparungen bei gemeinsamer Haushaltsführung seit dem 1.1.2005, also mit Inkrafttreten des [X.]B XII (Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) und des [X.]B II ([X.] am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 - [X.] 2954), nach Maßgabe des Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG) und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen dem [X.]B II und dem [X.]B XII nur noch berücksichtigt werden, wenn die zusammenlebenden Personen bei Bedürftigkeit eine Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 [X.]B II oder eine Einsatzgemeinschaft iS des § 19 [X.]B XII bilden bzw bilden würden; das Bestehen einer reinen [X.] von Personen außerhalb von Konstellationen einer Bedarfsgemeinschaft bzw Einsatzgemeinschaft reicht also nicht aus.

Die Klägerin lebte mit ihren Eltern und ihrem Bruder allenfalls in einer (einfachen) [X.] (§ 36 Satz 1 [X.]B XII aF), weil sie im streitbefangenen Zeitraum über 25 Jahre alt war. Nach § 7 Abs 3 Nr 4 [X.]B II (hier in der maßgebenden Normfassung des Gesetzes zur Änderung des [X.]B II und anderer Gesetze vom [X.] - [X.] 558) gehören nämlich nur die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder unter 25 Jahren zur Bedarfsgemeinschaft; eine Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Bruder ist ohnedies abzulehnen. Ebenso wenig lebte sie mit ihren Eltern bzw ihrem Bruder in einer Einsatzgemeinschaft iS des [X.]B XII. Denn nach § 19 [X.]B XII bilden Kinder, die dem Haushalt ihrer Eltern oder eines Elternteils angehören, mit diesen nur dann eine Einsatzgemeinschaft, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind.

Soweit die Beklagte dem [X.] und damit dem Senat eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung vorwirft, ist dies verfehlt. Die Rechtsprechung des Senats beruht vielmehr auf einer verfassungs- und gegenüber dem einfachen Recht ermächtigungskonformen Auslegung des Verordnungsrechts; insoweit geht der Einwand der Beklagten, selbst bei einem Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG durch die [X.] seien weder die [X.] noch das [X.] berechtigt, die betroffene Vorschrift für nichtig zu erklären, ins Leere, weil § 3 Abs 1 [X.] unter Berücksichtigung der übergeordneten gesetzlichen Vorgaben nur eine einzige Lösung zulässt (vgl nur [X.] in juris PraxisKommentar [X.]B XII , § 40 [X.]B XII Rd[X.]8). Die Rechtsprechung des Senats wird im Ergebnis durch die Entscheidung des [X.] vom [X.] geradezu bestätigt; denn danach ist der Regelbedarf durch den Gesetzgeber selbst, nicht durch Verordnung, zu bestimmen ([X.]E 125, 175, 223 und 256). Sie trägt in besonderer Weise den Vorgaben des [X.] Rechnung, indem als Maßstab für die Auslegung der Verordnung die gesetzgeberische Entscheidung im Rahmen des [X.]B II herangezogen wird. Entgegen der Ansicht der Beklagten verstößt die Auslegung des Senats auch nicht gegen den Verordnungswortlaut; vielmehr wird der Begriff des Haushaltsvorstandes und der des Haushaltsangehörigen unter Rückgriff auf die gesetzgeberische Typisierung für Haushaltseinsparungen im Rahmen gesetzestypischer Gesetzeskonstellationen (Bedarfsgemeinschaft; Einsatzgemeinschaft) ausgelegt (vgl dazu auch [X.], aaO, § 40 [X.]B XII Rd[X.]8 und § 28 [X.]B XII RdNr 42), um von der Verfassung nicht gerechtfertigte sachliche Unterschiede auszugleichen (vgl dazu nur [X.]/[X.], [X.]b 2010, 631 ff mwN; [X.] in jurisPK-[X.]B XII, § 21 [X.]B XII, RdNr 7 ff und 14 ff).

Nach der Zurückverweisung wird das [X.] die fehlenden Feststellungen zu den Anspruchsvoraussetzungen und ggf zum Einkommen und Vermögen zu treffen haben. Dabei sei nur vorsorglich darauf hingewiesen, dass § 45 Abs 1 Satz 3 [X.] [X.]B XII (idF, die die Norm durch das Verwaltungsvereinfachungsgesetz vom 21.3.2005 erhalten hat) keine Fiktion der Dauerhaftigkeit einer festzustellenden Erwerbsminderung (s dazu näher: B[X.]E 106, 62 ff Rd[X.]5 = [X.]-3500 § 82 [X.]; [X.] in jurisPK-[X.]B XII, § 21 [X.]B XII RdNr 44 f; [X.] in jurisPK-[X.]B XII, § 45 [X.]B XII RdNr 41 und 52 f) enthält, sondern lediglich verfahrensmäßig eine aufwändige Prüfung für in einer [X.] Beschäftigte vermeiden und den Sozialhilfeträger im Rahmen bestehender Massenverwaltung entlasten soll (B[X.]E, aaO, Rd[X.]6); dementsprechend ergibt sich aus dieser Vorschrift auch keine rechtliche oder tatsächliche Bindung der Gerichte, die das Erwerbsvermögen eines Hilfebedürftigen in vollem Umfang selbst festzustellen haben (B[X.] aaO; vgl auch [X.] aaO). Da gemäß § 19 Abs 2 Satz 3 [X.]B XII die Leistungen der Grundsicherung den Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel lediglich vorgehen, wären höhere Leistungen zugunsten der Klägerin auch bei fehlender Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung denkbar (Senatsurteil vom 16.12.2010 - [X.] [X.] 9/09 R - Rd[X.]1; vgl dazu auch [X.], jurisPK-[X.]B XII, § 21 [X.]B XII RdNr 9 und 15 ff). Nicht zu beurteilen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt, ob wegen der streitgegenständlichen Beschränkung des Verfahrens entscheidungserheblich sein wird, bei welchem von mehreren Bedarfen vorhandenes Einkommen oder Vermögen zu berücksichtigen ist (vgl dazu [X.] in jurisPK-[X.]B XII, § 19 [X.]B XII RdNr 31 ff).

Das [X.] wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden und auf einen korrekten, § 130 [X.]G entsprechenden Tenor ("höhere Leistung") zu achten haben.

Meta

B 8 SO 1/10 R

09.06.2011

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Hannover, 22. Juni 2007, Az: S 52 SO 745/06, Urteil

§ 95 SGG, § 101 Abs 2 SGG, § 70 Nr 3 SGG, § 70 Nr 1 SGG, § 19 Abs 2 S 3 SGB 12 vom 27.12.2003, § 19 Abs 3 SGB 12 vom 27.12.2003, § 28 SGB 12 vom 09.12.2004, § 28 SGB 12 vom 02.12.2006, § 41 Abs 1 SGB 12 vom 27.12.2003, § 41 Abs 1 SGB 12 vom 02.12.2006, § 42 Nr 1 SGB 12 vom 30.03.2005, § 42 Nr 1 SGB 12 vom 02.12.2006, § 36 S 1 SGB 12 vom 27.12.2003, § 39 S 1 SGB 12 vom 24.03.2011, § 45 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB 12 vom 21.03.2005, § 2 RSV vom 03.06.2004, § 3 Abs 1 S 2 RSV vom 03.06.2004, § 3 Abs 1 S 3 RSV vom 03.06.2004, § 3 Abs 2 RSV vom 03.06.2004, § 7 Abs 3 Nr 4 SGB 2 vom 24.03.2006, Art 3 Abs 1 GG, § 8 Abs 1 S 1 SGB12AG ND, § 9 Abs 4 SGB12AG ND

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 09.06.2011, Az. B 8 SO 1/10 R (REWIS RS 2011, 5814)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5814

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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