Bundessozialgericht, Urteil vom 06.10.2011, Az. B 14 AS 171/10 R

14. Senat | REWIS RS 2011, 2590

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Gegenstand

(Arbeitslosengeld II - Höhe der Regelleistung - gemischte Bedarfsgemeinschaft mit volljährigem Bezieher von Grundleistungen nach AsylbLG - analoge Anwendung des § 20 Abs 2 SGB 2 - verfassungskonforme Auslegung)


Leitsatz

Bei Leistungsberechtigten nach dem SGB 2, die mit einem Partner zusammenleben, der Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezieht, ist der ungekürzte Regelbedarf zu berücksichtigen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des [X.] vom 2. September 2010 und das Urteil des [X.] vom 5. Februar 2008 geändert, soweit der Beklagte zur Nachzahlung von mehr als 32,70 Euro monatlich an die Klägerin zu 1 verurteilt worden ist.

Im Übrigen wird die Revision des Beklagten zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen für das Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Höhe der bei der Klägerin zu 1 zu berücksichtigenden Regelleistung im Rahmen der zu erbringenden Leistungen nach dem [X.] ([X.]) für die [X.] bis zum 30.11.2006.

2

Die 1983 geborene Klägerin zu 1 ist die Mutter der 2000 und 2001 geborenen Klägerinnen zu 2 und 3. Im streitigen Zeitraum lebte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Vater der Klägerinnen zu 2 und 3, in einer Wohnung in [X.]. Die Klägerin zu 1 erzielte monatliche Einnahmen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 165 [X.], die Klägerinnen zu 2 und 3 verfügten über Einkommen aus Kindergeld in Höhe von monatlich jeweils 154 [X.]. Der Ehemann der Klägerin zu 1 erhielt Grundleistungen nach dem [X.] ([X.]) in Höhe von monatlich 199,40 [X.] zuzüglich anteiliger Unterkunftskosten.

3

Bei der Bewilligung von Leistungen nach dem [X.] für den streitgegenständlichen Zeitraum legte die Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters bei der Klägerin zu 1 eine Regelleistung in Höhe von 311 [X.], entsprechend 90 % der Regelleistung, zugrunde. Unter Berücksichtigung eines Bedarfes für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich jeweils 175,12 [X.] sowie des Kindergeldes und eines anzurechnenden Erwerbseinkommens der Klägerin zu 1 in Höhe von monatlich 52 [X.] ermittelte sie den Leistungsanspruch der Klägerin zu 1 mit 459,30 [X.] und der Klägerinnen zu 2 und 3 mit jeweils 215,33 [X.] monatlich (Bescheid vom 15.5.2006).

4

Nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 12.10.2006) begehrten die Klägerinnen mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht ([X.]) die Berechnung der Ansprüche auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter Ansatz einer ungekürzten Regelleistung bei der Klägerin zu 1. Das [X.] hat der Klage stattgegeben.

5

Die hiergegen gerichtete Berufung hat das [X.] (L[X.]) mit Urteil vom [X.] mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verurteilt wurde, den Klägerinnen unter Abänderung des Bescheides vom 15.5.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2006 für die [X.] bis zum 30.11.2006 monatliche Leistungen nach dem [X.] in Höhe von 34 [X.] nachzuzahlen, wobei auf die Klägerin zu 1 33,12 [X.] und auf die Klägerinnen zu 2 und 3 jeweils 0,44 [X.] entfielen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Vorschrift des § 20 Abs 3 [X.], wonach zwei volljährige Partner [X.] der Regelleistung erhalten sollen, passe nicht auf Bedarfsgemeinschaften, in denen ein volljähriger Partner Leistungen nach dem [X.], der andere aber lediglich Grundleistungen nach § 3 [X.] erhalte. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut. Die Festlegung eines Betrags von [X.] der Regelleistung setze voraus, dass beide Partner Leistungen nach dem [X.] erhielten. Hinsichtlich gemischter Bedarfsgemeinschaften gebe es eine Regelungslücke, die nicht im Wege der analogen Anwendung des § 20 Abs 3 [X.] zu schließen sei, weshalb die Klägerin zu 1 einen Anspruch auf die ungekürzte Regelleistung habe.

6

Das L[X.] hat in seinem Urteil die Revision zugelassen, die der Beklagte eingelegt hat.

7

Er ist der Ansicht, die gesetzgeberische Absicht, unterstellte Einsparungen von zusammen wirtschaftenden Partnern gegenüber Alleinstehenden bei der Höhe des Regelsatzes zu berücksichtigen, gelte auch für Partner, die selbst keine Leistungen nach dem [X.] erhielten. Weder das [X.] oder [X.] ([X.]B XII) noch das [X.] normierten einen Anspruch aller Familienangehörigen auf Gewährung familieneinheitlicher existenzsichernder Leistungen. Daraus ergebe sich, dass sich der jeweilige individuelle Anspruch eines Leistungsbeziehers innerhalb seines Leistungssystems errechne. Im Übrigen führe eine Erhöhung der Regelleistung bei der Klägerin zu 1 faktisch zu einer Erhöhung der Leistungen für den Ehemann, dies bedeute eine ungerechtfertigte Privilegierung ua gegenüber anderen Leistungsbeziehern nach dem [X.].

8

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts [X.] vom 5. Februar 2008 und des [X.]s [X.] vom 2. September 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerinnen beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Sie halten die angegriffenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die rechtzeitig eingelegte und auch ansonsten zulässige Revision des Beklagten (§§ 160, 164 Sozialgerichtsgesetz ) ist im Wesentlichen unbegründet. Das [X.] hat den Beklagten im Ergebnis zu Recht verurteilt, den Klägerinnen für den Zeitraum vom [X.] bis zum [X.] Leistungen nach dem [X.] unter Berücksichtigung der vollen Regelleistung bei der Klägerin zu 1 in Höhe von damals 345 Euro zu zahlen.

1. Das beklagte [X.] ist gemäß § 70 [X.] SGG beteiligtenfähig. Bei dem [X.] (§ 6d [X.] idF des [X.], [X.] 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 [X.], ebenfalls idF des [X.]), die mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes entstanden ist und im Laufe des gerichtlichen Verfahrens als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft (vgl § 76 Abs 3 Satz 1 [X.]) tritt. Dieser kraft Gesetzes eingetretene [X.] wegen der Weiterentwicklung der Organisation des [X.] stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war daher von Amts wegen zu berichtigen (vgl dazu insgesamt [X.] Urteil vom 18.1.2011 - B 4 [X.]/10 R - [X.] 4-4200 § 37 [X.] 5).

Die Klägerinnen zu 2 und 3 werden als nicht prozessfähige Minderjährige 71 Abs 1 und 2 SGG) durch die Klägerin zu 1 vertreten, die die elterliche Sorge allein ausübt (§ 1629 Abs 1 Satz 3 Bürgerliches Gesetzbuch ; vgl [X.] vom [X.] - [X.] [X.]/08 R - [X.], 48 = [X.] 4-1500 § 71 [X.] 2 Rd[X.] 21).

2. Streitgegenstand des Verfahrens sind Ansprüche der Klägerinnen auf Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende, die der Beklagte mit Bescheid vom 15.5.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.10.2006 bewilligt hat.

3. Die Klägerin zu 1 erfüllt nach den Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) als 1983 geborene erwerbsfähige hilfebedürftige [X.] Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt in der [X.] die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 [X.], die Klägerinnen zu 2 und 3 gehören der Bedarfsgemeinschaft über § 7 Abs 3 [X.] 4 [X.] an. Aufgrund der Verteilungsregelung des § 9 Abs 1 und Abs 2 Satz 3 [X.] profitieren die Klägerinnen zu 2 und 3 dabei auch von einer Erhöhung der Regelleistung bei der Klägerin zu 1. Diese hat einen Anspruch auf Berücksichtigung der vollen Regelleistung in Höhe von seinerzeit 345 Euro aus der analogen Anwendung des § 20 Abs 2 [X.] in der bis zum 30.6.2006 gültigen Fassung. Die maßgebliche hier anzuwendende Gesetzesfassung ergibt sich aus der Übergangsregelung des § 68 Abs 1 [X.] idF des Änderungsgesetzes vom [X.] ([X.] 558). Danach war die neue Gesetzesfassung erst für Bewilligungszeiträume anzuwenden, die ab dem [X.] begannen. Da sich der Bewilligungszeitraum vorliegend vom [X.] bis [X.] erstreckte, war - anders als es das [X.] getan hat - noch das Gesetz in der vorangegangenen Fassung anzuwenden, in der [X.] der Begriff "Angehörige" statt "Partner" verwendet wird. Die Prüfung der unzutreffenden Gesetzesfassung wirkt sich aber nicht aus, weil die Änderungen für die hier zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung sind.

§ 20 Abs 2 [X.] in der maßgeblichen Fassung ist allerdings nicht direkt anzuwenden (dazu unter a). Die vorhandene Lücke ist auch nicht durch § 20 Abs 3 Satz 1 [X.] zu schließen (dazu unter b). Der Anspruch der Klägerin zu 1 ergibt sich im Ergebnis aus der analogen Anwendung des § 20 Abs 2 [X.] (dazu unter c).

a) Gemäß § 20 Abs 2 [X.] in der hier maßgeblichen Fassung (vgl oben) beträgt die monatliche Regelleistung für Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partner minderjährig ist, in den alten Bundesländern einschließlich [X.] ([X.]) 345 Euro, in den neuen Bundesländern 331 Euro (der letzte Satzteil wurde zum [X.] aufgehoben). Einer direkten Anwendung dieser Norm steht ihr Wortlaut entgegen. Die Interpretation des Begriffs "alleinstehend" in § 20 Abs 2 [X.] in dem Sinne "ohne Partner mit Leistungsbezug nach dem [X.]" kommt nicht in Betracht. Dem steht bereits die grundsätzlich nicht nach persönlicher Anspruchsberechtigung differenzierende gesetzliche Definition der Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs 3 [X.] entgegen. Die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft zwischen Partnern wird unabhängig davon bestimmt, ob die einbezogene Person selbst leistungsberechtigt nach dem [X.] ist (vgl Spellbrink in Eicher/Spellbrink, [X.], 2. Aufl 2008, § 7 Rd[X.] 57). Die Ansprüche auch der Mitglieder einer mehrköpfigen Bedarfsgemeinschaft sind im [X.] als Individ[X.]lansprüche ausgeformt. Ein familieneinheitlicher Leistungsanspruch ist im Gesetz nicht angelegt, wie die Kodifikation von [X.] für Altersrentner und der Vorrang der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des [X.] vor dem Sozialgeld zeigen (§ 28 Abs 1 Satz 1 [X.]). Der Gesetzgeber hat bewusst in Kauf genommen, dass innerhalb einer Familie unterschiedlich geartete Existenzsicherungsansprüche bestehen (vgl [X.] vom [X.] [X.]/08 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.]4).

b) Die bestehende Regelungslücke kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht im Wege einer direkten (dazu unter aa) oder analogen (dazu unter bb) Anwendung des § 20 Abs 3 Satz 1 [X.] geschlossen werden mit dem Ergebnis, dass die Klägerin zu 1 [X.] der Regelleistung erhalten würde. Dem stehen Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Norm entgegen.

aa) Nach § 20 Abs 3 Satz 1 [X.] in der hier maßgeblichen Fassung beträgt die Regelleistung bei zwei Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, [X.] der Regelleistung nach Abs 2. Bereits in der damaligen Fassung waren Partnerschaftsregelsätze gemeint (vgl dazu [X.] in Eicher/Spellbrink, [X.], 1. Aufl 2005, § 20 Rd[X.] 98), obwohl der Begriff "Angehörige" erst in der ab [X.] geltenden Fassung durch "Partner" ersetzt wurde. Die Verwendung des Begriffs "jeweils" im Zusammenhang mit der Bestimmung der anteiligen Regelleistung von [X.] kann in diesem Zusammenhang nur so verstanden werden, dass beide Partner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beanspruchen können, die rechnerisch bei der Bedarfsermittlung in Höhe von [X.] anzusetzen sind.

Diese Auslegung entspricht der Begründung des Entwurfs des [X.] am Arbeitsmarkt (vgl BT-Drucks 15/1516 [X.]). Danach sollte durch § 20 Abs 3 Satz 1 [X.] klargestellt werden, dass die Regelleistung für zwei Angehörige der Bedarfsgemeinschaft, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, [X.] beträgt. Die Norm zielt damit auf die einheitliche Bemessung der Regelleistung für den genannten Fall. Es sollte dadurch berücksichtigt werden, dass Frauen in Paarbeziehungen in der Regel nicht als Haushaltsvorstand gelten und daher ohne Durchschnittsermittlung nur die geringere Regelleistung von [X.] für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft erhalten würden. Durch die "[X.]-Regelung" wird der in § 1 Abs 1 Satz 3 [X.] enthaltene gesetzgeberische Wille umgesetzt, wonach die Gleichstellung von [X.] und Frau als durchgängiges Prinzip zu verfolgen ist. Nach Verzicht des Gesetzgebers auf die Figur des Haushaltsvorstands (vgl [X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - [X.], 211 = [X.] 4-4200 § 20 [X.] 2, Rd[X.]9) werden dem Wortlaut nach zwei volljährige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft bei Berücksichtigung identischer (Regel-)Bedarfe auch gleich behandelt. Die Gleichartigkeit der Bedarfe lässt sich auf zwei volljährige Angehörige (Partner) der Bedarfsgemeinschaft, die Leistungen nach dem [X.] beziehen können, also dem Grunde nach Anspruchsberechtigte sind, herabbrechen (vgl [X.] vom 16.10.2007 - [X.]/9b [X.] - [X.], 131 = [X.] 4-3500 § 28 [X.], Rd[X.]3).

Andere Personengruppen, die ihren Lebensunterhalt ebenfalls nicht aus [X.] decken können, stehen zB Leistungen nach dem [X.] oder dem [X.] zur Verfügung. Ziel des [X.] ist aber nur die Sicherung des Lebensunterhalts für nach dem [X.] leistungsberechtigte Personen. Dementsprechend kann § 20 Abs 3 Satz 1 [X.] grundsätzlich nur Konstellationen erfassen, in denen beide volljährige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft dem Leistungssystem des [X.] unterfallen. Eine analoge Anwendung von § 20 Abs 3 Satz 1 [X.] auf nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige, die mit Partnern in einer Bedarfsgemeinschaft leben, kommt jedoch, wie das BSG bereits entschieden hat (vgl [X.] vom 16.10.2007 - [X.]/9b [X.] - [X.], 131 = [X.] 4-3500 § 28 [X.], Rd[X.]9), bei einer Anspruchsberechtigung nach dem [X.] in Betracht. Im Fall einer "gemischten Bedarfsgemeinschaft" zwischen einem Leistungsberechtigten nach dem [X.] mit einem nach dem [X.] leistungsberechtigten Partner sind die Regelungen nach dem [X.] lückenhaft. Auf gemischte Bedarfsgemeinschaften, in denen kein Anspruch auf [X.] der Regelleistung nach § 20 Abs 2 [X.] besteht, wie dies bei der hier vorliegenden Bedarfsgemeinschaft zwischen einem nach [X.] Leistungsberechtigten und einem Leistungsberechtigten nach § 3 [X.] der Fall ist, ist dagegen § 20 Abs 3 Satz 1 [X.] nicht anwendbar.

bb) Die genannte Norm ist auch nicht entsprechend heranzuziehen. Eine analoge Anwendung eines Gesetzes auf gesetzlich nicht umfasste Sachverhalte kommt nur in Betracht, wenn die Regelung wegen der Gleichheit der zugrunde liegenden Interessenlage auch den nicht geregelten Fall hätte einbeziehen müssen. Wegen der Vorrangigkeit des gesetzgeberischen Willens gegenüber der richterlichen Rechtsetzung ist für eine Analogie schon dann kein Raum, wenn es nur zweifelhaft erscheint, ob die verglichenen Sachverhalte nicht doch derart unterschiedlich sind, dass durch eine Gleichstellung die gesetzliche Wertung in Frage gestellt würde ([X.] vom [X.] - 6 [X.] 28/86 - [X.], 146, 147 = [X.] 2200 § 368h [X.] 4).

Nach der Konzeption des [X.] sollen Asylbewerber und ausreisepflichtige geduldete Personen als Leistungsberechtigte nach dem [X.] keine Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erhalten. Der Gesetzgeber hat mit dem [X.] für den betroffenen Personenkreis ein besonderes Sicherungssystem geschaffen, das eigenständige und abschließende Regelungen zur Sicherung des Lebensunterhalts enthält (vgl BT-Drucks 15/1516 [X.]). [X.] im Asylbewerberleistungsrecht ist die [X.] Bedarfsdeckung durch Sachleistungen (§ 3 Abs 1 Satz 3 [X.]; vgl [X.] in jurisPK-[X.], § 3 [X.] Rd[X.] 30). Wegen der Abhängigkeit vom konkreten Bedarf des Leistungsberechtigten lässt sich ein der pauschalierten Regelleistung vergleichbarer monatlicher Wert der Leistungen nicht feststellen. Selbst wenn - wie im vorliegenden Fall - die Hilfe nach dem [X.] als Geldleistung gewährt wird, führt dies nicht zu einer Vergleichbarkeit der Regelungen des [X.] und des [X.]. Dies folgt daraus, dass die Beträge des § 3 Abs 2 Satz 2 [X.] weder mit noch ohne Taschengeld gemäß § 3 Abs 1 Satz 4 [X.] einen im Vergleich zum [X.] identischen Prozentsatz abbilden. Eine Gleichbehandlung von zwei nach dem [X.] leistungsberechtigten Partnern mit zwei Partnern, von denen einer nach dem [X.] anspruchsberechtigt ist, entspricht dem gesetzgeberischen Gesamtkonzept erkennbar nicht.

c) Im Ergebnis folgt der Anspruch der Klägerin zu 1 auf die Berücksichtigung der vollen Regelleistung aus der analogen Anwendung des § 20 Abs 2 [X.], denn die wirtschaftliche Sit[X.]tion des Leistungsberechtigten nach dem [X.], der mit einem Leistungsberechtigten nach § 3 [X.] zusammenlebt, ist mit derjenigen eines Leistungsberechtigten vergleichbar, der alleinstehend ist oder dessen Partner jedenfalls nicht in den Genuss der vollen Regelleistung für Erwachsene kommt.

Die Regelleistung (jetzt: Regelbedarf, vgl Gesetz zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] vom 24.3.2011, [X.] 453) im Rahmen des Arbeitslosengeldes II bildet das soziokulturelle Existenzminimum der insoweit als Referenzsystem für alle bedarfsorientierten und bedürftigkeitsabhängigen staatlichen Fürsorgeleistungen fungierenden Sozialhilfe ab (BT-Drucks 15/1516 [X.]). Zwar vermeidet das [X.] die Verwendung des Begriffs "[X.]" als Bezugspunkt, der Sache nach ist § 20 Abs 2 [X.] aber nichts anderes (vgl [X.], aaO, § 20 Rd[X.] 78). § 20 Abs 2 [X.] ist ebenso wie der [X.] im [X.] Ausgangspunkt für die Ableitung der Regelleistungen der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nach dem [X.] bzw der [X.] nach dem [X.] für den Fall, dass diese dem jeweiligen Leistungssystem unterfallen (vgl Begründung des Entwurfs der Regelsatzverordnung des [X.] vom 12.3.2004, [X.]). Von diesem "[X.]" abgeleitete Prozentsätze rechtfertigen sich in der durch § 20 Abs 3 Satz 1 [X.] zugrunde gelegten Lebenssit[X.]tion, in der beide Partner gleichwertige Existenzsicherungsleistungen erhalten. Ist ein Lebenssachverhalt dagegen nicht unter § 20 Abs 3 Satz 1 [X.] zu subsumieren, ist auf § 20 Abs 2 [X.] als Grundtatbestand für die Erbringung pauschalierter existenzsichernder Leistungen zu regelleistungsrelevanten Bedarfen iS des § 20 Abs 1 [X.] abzustellen.

§ 20 Abs 2 [X.] ist auch aus der Erwägung heraus anwendbar, dass durch die gesetzlichen Regelungen in § 20 [X.] mit der Kombination von [X.] und [X.] des Regelsatzes bzw [X.] des Regelsatzes der Gesichtspunkt der Berücksichtigung von [X.] betont wird. Die Annahme, dass durch eine gemeinsame Haushaltsführung Kosten erspart werden, setzt die Vergleichbarkeit der in den Bedarfen angesetzten Positionen voraus. Eine solche Vergleichbarkeit besteht zwischen [X.]-Leistungen und den Grundleistungen nach dem [X.] schon deshalb nicht, weil in dem genannten Rahmen nur Leistungen miteinander vergleichbar sind, die von dem Konzept pauschalierter, also abstrakter Bedarfsdeckung ausgehen, während dem [X.] - wie dargestellt - das Sachleistungsprinzip zugrunde liegt.

4. Entgegen der Auffassung des Beklagten führt die Berücksichtigung einer nach § 20 Abs 2 [X.] bemessenen Regelleistung für die Klägerin zu 1 auch nicht zu einer ungerechtfertigten Besserstellung deren Ehemannes gegenüber anderen Grundleistungsberechtigten nach dem [X.]. Der Ehemann hat dadurch keinen höheren Leistungsanspruch. Weder das [X.] noch das [X.] kennen einen Gesamtleistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft. Die Klägerinnen sind auch nicht verpflichtet, den Ehemann der Klägerin zu 1 an ihren höheren Leistungsansprüchen teilhaben zu lassen. Aus der Verklammerung von Personen zu Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft im [X.] entstehen keinerlei Rechtsansprüche der zusammen veranlagten Personen auf Unterhaltsleistungen (vgl [X.] vom 19.10.2010 - [X.] [X.]/09 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] 23).

Der Beklagte hat daher grundsätzlich bei der Klägerin zu 1 die volle Regelleistung zu berücksichtigen. Auf seine Revision hin war das angefochtene Urteil nur insoweit zu korrigieren, als das [X.] die Rundungsregelung des § 41 Abs 2 [X.] nicht beachtet hat. Die [X.] der errechneten Leistungen sind getrennt nach den Individ[X.]lansprüchen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu runden (vgl [X.] vom [X.] - B 11b [X.] - [X.] 4-4200 § 24 [X.] 3 Rd[X.] 25; Urteil vom [X.] - [X.] [X.]/09 R - [X.] 4-4200 § 12 [X.]5 Rd[X.]3). Da die Revision nur von dem Beklagten eingelegt wurde, ist eine Tenorierung zugunsten der Klägerinnen zu 2 und 3 ausgeschlossen. Für die Klägerin zu 1 ergibt sich hingegen ein Auszahlungsbetrag in Höhe von 492 Euro. Das Urteil des [X.] ist daher dahingehend zu ändern, dass lediglich weitere 32,70 Euro monatlich zu zahlen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Meta

B 14 AS 171/10 R

06.10.2011

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Hamburg, 5. Februar 2008, Az: S 61 AS 2301/06, Urteil

§ 20 Abs 2 SGB 2 vom 30.07.2004, § 20 Abs 3 S 1 SGB 2 vom 30.07.2004, § 68 Abs 1 SGB 2 vom 24.03.2006, § 7 Abs 1 S 2 Alt 3 SGB 2 vom 24.03.2006, § 3 AsylbLG, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 06.10.2011, Az. B 14 AS 171/10 R (REWIS RS 2011, 2590)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2590

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