Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2009, Az. IX ZB 215/08

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 5085

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[X.] BESCHLUSS [X.]/08 vom 12. Februar 2009 in dem Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 304 Der geschäftsführende Mehrheitsgesellschafter einer GmbH übt auch dann eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Vorschriften über das [X.] aus, wenn die GmbH persönlich haftende Gesellschafterin einer GmbH & Co. KG ist. [X.], [X.]uss vom 12. Februar 2009 - [X.]/08 - [X.]

[X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Ganter, [X.] und Prof. Dr. [X.], die Richterin [X.] und [X.] Pape am 12. Februar 2009 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den [X.]uss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 15. August 2008 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 7.315,75 • festgesetzt. Gründe: [X.] Am 2. August 2007 beantragte der Schuldner die Eröffnung des [X.] über sein Vermögen. Dem Antrag waren ausgefüllte Vordrucke nach § 305 Abs. 5 [X.] beigefügt. Am 6. Februar 2008 stellte auch die [X.]Insolvenzantrag gegen den Schuldner. Dieser Antrag ist Gegenstand eines gesonderten [X.] und Rechtsbeschwerde-verfahrens ([X.] ZB 216/08), in welchem der Schuldner vorsorglich ebenfalls [X.] gestellt hat. 1 - 3 - Im vorliegenden Eröffnungsverfahren entschied das Insolvenzgericht am 17. Oktober 2007, das Regelinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zu eröffnen. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners, der die Eröffnung des [X.] anstrebte, wurde der [X.] aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Insolvenzgericht zurückverwiesen. In der Begründung der ersten Beschwerde-entscheidung heißt es, der Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzver-fahrens binde das Insolvenzgericht, das nunmehr entweder das Verbraucherin-solvenzverfahren eröffnen oder den Eröffnungsantrag als unzulässig abzuwei-sen habe; gegebenenfalls sei dem Schuldner Gelegenheit zu geben, seinen Antrag umzustellen. Nach der Zurückverweisung hat das Insolvenzgericht den Eröffnungsantrag des Schuldners mit [X.]uss vom 8. Mai 2008 als unzuläs-sig abgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Schuldners, mit welcher dieser die Eröffnung des [X.] erreichen wollte, ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner weiterhin die Eröffnung des [X.]. Hilfsweise beantragt er die Er-öffnung des Regelinsolvenzverfahrens. 2 I[X.] Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des [X.] (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die von der Rechtsbeschwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen sind durchweg geklärt oder lassen sich aus dem Gesetz beantworten, ohne dass eine höchstrichterliche Klarstellung erforderlich wäre. 3 - 4 - 1. Das Beschwerdegericht hat eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit (§ 304 Abs. 1 Satz 1 [X.]) des Schuldners angenommen, weil dieser im Zeit-punkt der Antragstellung mit einem Anteil von 96 % Mehrheitsgesellschafter sowie Geschäftsführer der [X.] gewesen sei. Die Rechtsbeschwerde verweist demgegenüber darauf, dass sämtliche Gesell-schaftsbeteiligen, die der Schuldner gehalten habe, noch vor der Entscheidung des Insolvenzgerichts am 8. Mai 2008 verwertet worden seien. Ihrer Ansicht nach ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Eröffnungsantrag abzu-stellen. Ob diese Ansicht zutrifft, ist jedoch unerheblich. § 304 Abs. 1 Satz 1 [X.] spricht ausdrücklich von einer natürlichen Person, die keine selbständige Tätigkeit ausübt —oder ausgeübt hatfi. Der Gesetzgeber hat diese Formulierung bewusst gewählt, um deutlich zu machen, dass es auf die aktuell ausgeübte Tätigkeit nicht ankomme (BT-Drucks. 14/5680, [X.]). 4 2. Die Rechtsbeschwerde meint weiter, entgegen der Ansicht des [X.] könne die [X.]srechtsprechung dazu, dass der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH eine selbständige berufliche Tätigkeit ausübe ([X.], [X.]. v. 22. September 2005 [X.] [X.] ZB 55/04, [X.], 676 f), nicht auf den Schuldner angewandt werden, der nur 96 % der [X.] gehalten habe, dessen GmbH lediglich als Komplementärin einer GmbH & Co. fungiert habe, an welcher der Schuldner selbst nicht beteiligt gewesen sei, und der seine Geschäftsanteile überdies verpfändet gehabt habe. Einen [X.] Unterschied zwischen einem Alleingesellschafter und einem zu 96 % beteiligten Gesellschafter vermag der [X.] jedoch nicht zu erkennen (ebenso etwa [X.] 2008, 114, 115; FK-[X.]/Kohte, 5. Aufl. § 304 Rn 18 ff; Graf-Schlicker/Sabel, [X.] § 304 Rn. 9; [X.]/[X.], [X.] 12. Aufl. § 304 Rn. 13; [X.]/[X.], [X.] 3. Aufl. § 304 Rn. 17; HmbKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 304 Rn. 5; HK-[X.]/[X.], 5. Aufl. § 304 Rn. 6; [X.] in 5 - 5 - Kübler/[X.], [X.] § 304 Rn. 25; [X.], Insolvenzrecht 3. Aufl. Rn. 29.14). Die zitierte [X.]sentscheidung vom 22. September 2005 ist ver-einzelt kritisiert worden (vgl. etwa [X.] 2006, 83 f). Dass sie aus-schließlich Allein-, nicht jedoch Mehrheitsgesellschafter betreffe, wird [X.] soweit ersichtlich [X.] nirgends vertreten. Auf den Geschäftsgegenstand der GmbH kommt es ebenfalls nicht an. Ob ein Verbraucher- oder ein Regelinsolvenzver-fahren einzuleiten ist, muss anhand klarer und einfacher Abgrenzungskriterien zu entscheiden sein. Korrekturen erfolgen gegebenenfalls nach § 304 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Entspricht die Verschuldungsstruktur des Mehrheitsgesellschafters und Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH nicht derjenigen eines Selb-ständigen, gibt es insbesondere nicht mehr als 20 Gläubiger und bestehen [X.] Forderungen aus Arbeitsverhältnissen, finden die Regelungen des [X.]s Anwendung (§ 304 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 [X.]). 3. Das Beschwerdegericht hat die Vermögensverhältnisse des [X.] für unüberschaubar im Sinne von § 304 Abs. 1 Satz 2 [X.] gehalten. Zwar gebe es weniger als 20 Gläubiger. Es seien jedoch Anfechtungsansprüche zu prüfen und gegebenenfalls durchzusetzen. Das Insolvenzgericht, auf dessen Entscheidung das Beschwerdegericht Bezug genommen hat, hat ergänzend auf die verschiedenen vom Schuldner gehaltenen Gesellschaftsanteile, deren [X.] sowie die Abtretung von Gehalts- und Versicherungsansprüchen ver-wiesen. Die Rechtsbeschwerde hält demgegenüber die Rechtsfrage für grund-sätzlich, ob einer Überschaubarkeit der Vermögensverhältnisse des Schuldners bereits entgegensteht, dass streitige Forderungen vorhanden sind und/oder Anfechtungssachverhalte auftreten können, oder ob hierfür ein Bezug zwischen der Vermögensstruktur und den Aussichten auf einen erfolgreichen Abschluss des [X.] erforderlich ist. Auch diese Frage lässt sich jedoch unmittelbar aus dem Gesetz beantworten. § 304 [X.] verlangt keine 6 - 6 - detailierte Prüfung der Frage, ob im jeweils zu entscheidenden Fall ein konkre-ter Schuldenbereinigungsplan Aussicht auf Erfolg verspricht. Die Vorschrift [X.] vielmehr mit typisierten Annahmen (die Zahl der Gläubiger, die Existenz von Forderungen aus Arbeitsverhältnissen), welche das Verbraucherinsolvenz-verfahren ermöglichen oder ausschließen. Dadurch wollte der Gesetzgeber Rechtssicherheit schaffen und die Arbeit des Insolvenzgerichts erleichtern (BT-Drucks. 14/5680, [X.]). Im vorliegenden Fall geht es darüber hinaus nicht [X.] um die Schulden, sondern um die gesamten Vermögensverhältnisse des Schuldners. Nach der Begründung des [X.] soll auch dann, wenn bei einem ehemals unternehmerisch tätigen Schuldner weniger als 20 Gläubiger anzutreffen sind, das Regelinsolvenzverfahren eröffnet werden [X.], "wenn zahlreiche streitige Forderungen in nicht unbeträchtlicher Höhe in-volviert sind oder komplexe Anfechtungssachverhalte auftreten können". Genau das kennzeichnet den vorliegenden Fall. Im Zweifel sind die Vorschriften des Regelinsolvenzverfahrens anzuwenden ([X.], [X.]. v. 29. September 2008 [X.] [X.] ZB 233/07, Z[X.] 2008, 1324, 1325 Rn. 6). 4. Die Vorinstanzen haben den auf die Eröffnung des Verbraucherinsol-venzverfahrens gerichteten Antrag des Schuldners für unzulässig gehalten. Die Rechtsbeschwerde beanstandet nunmehr unter Hinweis auf die Entscheidung [X.] 164, 166, 172 f, dass der Schuldner keine Gelegenheit erhalten habe, seinen Antrag umzustellen. Ein entsprechender Hinweis der Vorinstanzen sei jedenfalls nicht aktenkundig. Diese Rüge ist unverständlich. Im Eröffnungsbe-schluss vom 17. Oktober 2007 hat das Insolvenzgericht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es die Voraussetzungen eines Verbraucherinsol-venzverfahrens nicht für gegeben erachtete. Der aufhebende [X.]uss des [X.] vom 28. Januar 2008 enthielt klare Hinweise für das nunmehr ein-zuschlagende Verfahren. Der Antrag auf Eröffnung des [X.] - 7 - verfahrens sei zu prüfen und dann, wenn die Voraussetzungen nicht gegeben seien, als unzulässig abzuweisen. Spätestens jetzt hätte der [X.] anwaltlich vertre-tene [X.] Schuldner Veranlassung gehabt, mindestens hilfsweise die Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens zu beantragen, wenn er erreichen wollte, dass das Insolvenzverfahren über sein Vermögen in jedem Fall, also unabhängig von der Verfahrensart, eröffnet wurde. Einen entsprechenden Antrag hat er jedoch weder nach der Zurückverweisung an das Insolvenzgericht noch im zweiten Beschwerdeverfahren gestellt. 5. Die Prüfung der weiteren von der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfrage, ob ein ausdrücklich auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzver-fahrens gerichteter Antrag eines Schuldners als Minus den Antrag auf Eröff-nung eines Regelinsolvenzverfahrens enthalte und das Insolvenzgericht nach einem entsprechenden Hinweis mit Fristsetzung das Insolvenzverfahrens zu-mindest als Regelinsolvenzverfahren eröffnen könne, ist dem [X.] wegen der Bindungswirkung der ersten Beschwerdeentscheidung vom 28. Januar 2008 verwehrt. 8 a) Hebt das Beschwerdegericht einen mit der sofortigen Beschwerde angefochtenen [X.]uss auf und verweist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Ausgangsgericht zurück, ist dieses an die vom Beschwerdegericht vertretene Rechtsansicht, welche der Aufhebung zugrunde lag, gebunden (§ 563 Abs. 2, § 577 Abs. 4 Satz 4 ZPO analog). [X.] gilt diese Bindungswirkung auch für ein zweites Beschwerde- und ein sich etwa anschließendes Rechtsbeschwerdeverfahren (sog. Rückbindung). Entscheidet das Ausgangsgericht entsprechend, ist seine Entscheidung (insoweit) rechtmäßig. Das Beschwerdegericht kann seiner zweiten Entscheidung deshalb nicht eine andere Rechtsauffassung zugrunde legen als die, auf der sein zurückverweisender 9 - 8 - [X.]uss beruhte ([X.] 159, 122, 127). In dem Umfang, in welchem das Beschwerdegericht an seine aufhebende Entscheidung gebunden ist, ist auch das Rechtsbeschwerdegericht gebunden. [X.] sich das Beschwerdegericht an die Bindung, die durch seinen früheren (zurückverweisenden) [X.]uss entstanden ist, kann darin keine Rechtsverletzung liegen. Der frühere [X.]uss steht nicht zur Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Eine Rechtsbeschwerde kann also nicht darauf gestützt werden, dass die dem zurückverweisenden und damit auch dem zweiten [X.]uss des [X.] zugrunde liegende Rechtsauffassung unrichtig sei. b) Das Beschwerdegericht hatte den Eröffnungsbeschluss des [X.] vom 17. Oktober 2008 aufgehoben, weil ein Antrag auf Eröffnung des [X.] nicht zur Eröffnung des Regelinsolvenz-verfahrens führen könne. An diese Rechtsauffassung war das Insolvenzgericht entsprechend § 563 Abs. 2, § 577 Abs. 4 Satz 4 ZPO gebunden (vgl. [X.] 159, 122, 127 zu § 565 Abs. 2 ZPO a.F.). 10 6. Soweit die Rechtsbeschwerde erstmals die Eröffnung des [X.] beantragt, ist sie unzuläs-sig. Beantragt ein Schuldner ausschließlich die Eröffnung des [X.], ist er dadurch, dass das Insolvenzgericht von einer Überfüh- 11 - 9 - rung in das Regelinsolvenzverfahren abgesehen hat, nicht beschwert ([X.], [X.]. v. 25. September 2008, aaO Rn. 9). [X.] [X.]

[X.] Pape
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 08.05.2008 - 172 IN 630/07 - [X.], Entscheidung vom 15.08.2008 - 1 T 355/08 -

Meta

IX ZB 215/08

12.02.2009

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2009, Az. IX ZB 215/08 (REWIS RS 2009, 5085)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 5085

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