Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.04.2013, Az. IX ZB 179/10

9. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6199

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Gegenstand

Insolvenzrecht: Sofortige Beschwerde gegen die Überleitung des auf Eigenantrag eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahrens in ein Regelinsolvenzverfahren; Beschwerderecht des Gläubigers gegen die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens


Leitsatz

1. Wird das auf Antrag des Schuldners eröffnete Verbraucherinsolvenzverfahren in ein Regelinsolvenzverfahren übergeleitet, hat der Schuldner hiergegen das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde.

2. Wird das Verfahren auf Eigenantrag des Schuldners als Verbraucherinsolvenz eröffnet, steht hiergegen einem Gläubiger ein Beschwerderecht auch nicht mit dem Ziel zu, das Verfahren als Regelinsolvenzverfahren fortzuführen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der [X.] des [X.] vom 16. Juli 2010 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des [X.] vom 24. Juni 2009 wird als unzulässig verworfen.

Die weitere Beteiligte zu 2 trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Mit Eigenantrag vom 3. März 2009 beantragte der Schuldner beim [X.] die Durchführung eines Regelinsolvenzverfahrens. Mit Beschluss vom 30. März 2009 wurde für das Eröffnungsverfahren ein Gutachter bestellt. Der Schuldner nahm am 16. April 2009 seinen Eigenantrag zurück.

2

Auf weiteren Eigenantrag des Schuldners vom 2. März 2009 eröffnete das [X.] mit Beschluss vom 14. April 2009 über das Vermögen des Schuldners ein Verbraucherinsolvenzverfahren.

3

Mit Schriftsatz vom 6. Mai 2009 hat die weitere Beteiligte zu 2, ein Kreditinstitut, die als Gläubigerin eine Forderung in Höhe von 5.479.168 € verfolgt, beantragt, das Verfahren in ein Regelinsolvenzverfahren überzuleiten und das Verfahren an das für Regelinsolvenzverfahren zuständige [X.] zu verweisen. Mit Beschluss vom 24. Juni 2009 hat das [X.] diesen Antrag zurückgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 hat das [X.] mit Beschluss vom 16. Juli 2010 das Verfahren in ein Regelinsolvenzverfahren übergeleitet und das Verfahren an das für Regelinsolvenzverfahren zuständige [X.] verwiesen. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit der Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft.

5

Voraussetzung hierfür ist nach § 7 aF [X.], Art. 103f Satz 1 EG[X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, dass für den Rechtsbeschwerdeführer das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 6 Abs. 1 [X.] eröffnet war (vgl. [X.], Beschluss vom 6. März 2000 - [X.], [X.]Z 144, 78, 82; vom 4. März 2004 - [X.] 133/03, [X.]Z 158, 212, 214; vom 11. Januar 2007 - [X.] 10/05, [X.] 2007, 268 Rn. 4; vom 26. April 2007 - [X.] 221/04, [X.], 1074 Rn. 3). Dies gilt nicht nur dann, wenn er selbst die Beschwerde erhoben hatte, sondern auch, wenn diese von einem anderen Verfahrensbeteiligten eingelegt war. Auch in diesem Fall ist die Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung des [X.]s nur statthaft, wenn gegen eine entsprechende erstinstanzliche Entscheidung die sofortige Beschwerde nach § 6 [X.] eröffnet gewesen wäre (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Dezember 2005 - [X.] 54/04, [X.], 239 Rn. 4; vom 26. April 2007, aaO). Dies war hier der Fall.

6

1. Gegen die Zurückweisung des Antrags auf Eröffnung des [X.] steht dem Schuldner das Recht zur Beschwerde zu. Die für das allgemeine Verfahren maßgebliche Bestimmung des § 34 Abs. 1 [X.], welche für den Schuldner als Antragsteller die Beschwerdebefugnis gegen die Zurückweisung des [X.] einräumt, gilt aufgrund der Verweisung in § 304 Abs. 1 Satz 1 [X.] auch für das Verbraucherinsolvenzverfahren ([X.], Beschluss vom 22. Oktober 2009 - [X.] 195/08, Z[X.] 2009, 2262 Rn. 4; [X.], [X.], 802, 803; HK-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 304 Rn. 14; HmbKomm-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 304 Rn. 10).

7

2. Wird - wie im Streitfall - der Eröffnungsantrag des Schuldners nicht zurückgewiesen, sondern das Verfahren nach Eröffnung als Verbraucherinsolvenz in ein Regelinsolvenzverfahren übergeleitet, so ist für den Schuldner hiergegen das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eröffnet.

8

a) Nach ganz überwiegender Ansicht ist das Insolvenzgericht an die vom Schuldner gewählte Verfahrensart gebunden; es darf das Verfahren nicht in einer anderen als der beantragten Verfahrensart eröffnen ([X.], Z[X.] 2000, 612, 613; [X.], Z[X.] 2007, 166, 167; MünchKomm-[X.]/Ganter, 2. Aufl., § 5 Rn. 6; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 304 Rn. [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 304 Rn. 17; FK-[X.]/[X.]/[X.], 7. Aufl., § 304 Rn. 53; HK-[X.]/[X.], aaO Rn. 14; HK-[X.]/Kirchhof, aaO § 14 Rn. 5; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 304 Rn. 56; [X.] in Kübler/[X.], [X.], 2013, § 304 Rn. 7; [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 304 Rn. 14; [X.]/[X.], [X.] 4. Aufl., § 9 Rn. 9; Mohrbutter/[X.]/[X.]/Sietz, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., § 16 Rn. 22; [X.], [X.], 2045, 2052). Bei einem Verstoß gegen diese Bindung ist für den Schuldner, der an seiner Antragstellung im Verbraucherinsolvenzverfahren festhalten will, nach ganz überwiegender Ansicht auch das Rechtsmittel der Beschwerde eröffnet ([X.], [X.], 802, 803; [X.], [X.], 164; [X.], aaO; noch offengelassen von [X.], Beschluss vom 21. Februar 2008 - [X.] 62/05, [X.]Z 175, 307 Rn. 16; HK-[X.]/[X.], aaO Rn. 14; FK-[X.]/[X.]/[X.], aaO; HK-[X.]/Kirchhof, aaO, § 34 Rn. 8; HmbKomm-[X.]/[X.], aaO Rn. 10; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], aaO Rn. 56; Graf-Schlicker/Sabel, [X.], 3. Aufl., § 304 Rn. 4; [X.] in Kübler/[X.], [X.], 2009, § 34 Rn. 51; [X.] in Kübler/[X.], aaO Rn. 8; Mohrbutter/[X.]/[X.]/Sietz, aaO Rn. 22; aA MünchKomm-[X.]/[X.], aaO, § 34 Rn. 67). Nur vereinzelt wird die Auffassung vertreten, das Insolvenzgericht müsse in einem solchen Fall den Antrag von Amts wegen analog § 17a [X.] in das als zulässig erachtete Regelinsolvenzverfahren überführen ([X.], [X.], 301, 303; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2011, § 304 Rn. 26).

9

b) Die erstgenannte Auffassung ist zutreffend. Die Eröffnung in der anderen Verfahrensart beschwert den antragstellenden Schuldner ebenso wie die Überleitung des antragsgemäß eröffneten [X.] in ein Regelinsolvenzverfahren im Hinblick auf die strukturellen Unterschiede zwischen beiden Verfahrensarten.

aa) Die Einführung des [X.] beruht auf der Erwägung, für Kleininsolvenzen ein vereinfachtes, flexibles und nicht zuletzt kostensparendes Verfahren zu schaffen ([X.], Beschluss vom 21. Februar 2008 - [X.] 62/05, [X.]Z 175, 307 Rn. 15; FK-[X.]/[X.]/[X.], aaO Rn. 2). Im Gegensatz zum Regelinsolvenzverfahren zeichnet sich das Verbraucherinsolvenzverfahren dadurch aus, dass ihm ein gerichtliches Schuldenbereinigungsplanverfahren vorgeschaltet ist, das gegebenenfalls auch im eröffneten Verfahren fortgesetzt werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 25. September 2008 - [X.] 233/07, Z[X.] 2008, 1324 Rn. 9). Bei der Eröffnung eines vereinfachten Verfahrens ist anstelle eines Insolvenzverwalters (§ 27 Abs. 1 Satz 1 [X.]) ein Treuhänder zu ernennen (§ 313 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.]). Ihm obliegen allerdings grundsätzlich die im Regelinsolvenzverfahren von dem Insolvenzverwalter wahrzunehmenden Aufgaben (§ 313 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Ebenso wie der Insolvenzverwalter hat er die Insolvenzmasse einschließlich des Neuerwerbs in Besitz zu nehmen, zu sichern und im Interesse der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung zu verwerten (§ 159 [X.]). Eine wesentliche Begrenzung der [X.] des Treuhänders im Vergleich zu einem Insolvenzverwalter sieht dagegen § 313 Abs. 2 und 3 [X.] bei der Durchsetzung von [X.] und bei der Verwertung mit [X.] belasteter Gegenstände vor. Das Regelinsolvenzverfahren und das Verbraucherinsolvenzverfahren bilden daher einander ausschließende, unterschiedlich strukturierte Verfahrensarten ([X.], Beschluss vom 21. Februar 2008, aaO Rn. 16; FK-[X.]/[X.], aaO § 304 Rn. 50; HmbKomm-[X.]/[X.], aaO § 304 Rn. 9; [X.]/[X.], aaO § 304 Rn. 6). Liegen die Voraussetzungen eines Regelinsolvenzverfahrens vor, darf kein Verbraucherinsolvenzverfahren und umgekehrt unter den Voraussetzungen eines [X.] kein Regelinsolvenzverfahren eröffnet werden.

bb) Wird ein auf Eröffnung des [X.] gerichteter Antrag mit der Begründung abgewiesen, es lägen die Voraussetzungen eines Regelinsolvenzverfahrens vor, ist der Schuldner gemäß § 34 Abs. 1 [X.] beschwerdeberechtigt. Aus welchem Grund die [X.] erfolgt, ist für die Frage der Beschwerdebefugnis unerheblich.

Wird nicht die Verfahrenseröffnung abgelehnt, sondern nach Eröffnung des [X.] die Überleitung in das Regelinsolvenzverfahren ausgesprochen, ist die Beschwerdeberechtigung des Schuldners ebenfalls zu bejahen. Nach der Eröffnung des [X.] ist eine Überleitung in das Regelinsolvenzverfahren nach der Systematik des Gesetzes ausgeschlossen, sobald die im Eröffnungsbeschluss getroffene Entscheidung, welche Verfahrensart eingreift, mit Ablauf der Beschwerdefrist unanfechtbar geworden ist (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Februar 2008, aaO Rn. 16; vom 24. März 2011 - [X.] 80/11, Z[X.] 2011, 932 Rn. 8). Verstößt das Insolvenzgericht oder - wie hier - das an seine Stelle tretende Beschwerdegericht gegen diesen Grundsatz, so kann der Schuldner sein Beschwerderecht auch gegen die verfahrenswidrige Überleitung ausüben.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil das vom [X.] geübte Verfahren an einem Fehler leidet.

1. In der [X.] ist die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde von Amts wegen zu prüfen ([X.], Beschluss vom 23. Oktober 2003 - [X.] 369/02, [X.], 166; vom 6. Mai 2004 - [X.] 104/04, [X.], 447; vom 21. Dezember 2006 - [X.] 81/06, [X.] 2007, 90 Rn. 6; vom 25. Juni 2009 - [X.] 161/08, [X.], 1495 Rn. 8). War die sofortige Beschwerde statthaft, aber unzulässig, hat das Beschwerdegericht sie jedoch sachlich beschieden, und sei es durch Zurückweisung, ist diese Entscheidung auf eine zulässige Rechtsbeschwerde hin aufzuheben und die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Mai 2004, aaO; vom 21. Dezember 2006, aaO; vom 25. Juni 2009, aaO Rn. 7).

2. Die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2. war unstatthaft. Dieser stand als Gläubigerin kein Beschwerderecht gegen die Eröffnung des [X.] zu. Das Verfahren wurde auf Eigenantrag des Schuldners eröffnet; mithin war die weitere Beteiligte keine Antragstellerin im Sinne des § 34 Abs. 1 [X.]. Nach unanfechtbarer Eröffnung des Verfahrens als Verbraucherinsolvenzverfahren bestand, worauf das Amtsgericht zu Recht hingewiesen hat, ohnehin kein Beschwerderecht zu Gunsten der Gläubigerin. Damit ist die angefochtene Entscheidung des [X.]s auf die zulässige Rechtsbeschwerde hin aufzuheben und die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Juni 2009, aaO Rn. 6).

Kayser                        [X.]                        Vill

              Lohmann                        Fischer

Meta

IX ZB 179/10

25.04.2013

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Berlin, 16. Juli 2010, Az: 85 T 130/09

§ 34 Abs 1 InsO, § 304 Abs 1 S 1 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.04.2013, Az. IX ZB 179/10 (REWIS RS 2013, 6199)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6199

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