Bundessozialgericht, Urteil vom 12.10.2017, Az. B 4 AS 37/16 R

4. Senat | REWIS RS 2017, 4032

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Arbeitslosengeld II - Regelbedarf - Höhe bei gemischter Bedarfsgemeinschaft mit Leistungen nach dem AsylbLG beziehendem Ehegatten


Leitsatz

Lebt ein nach dem Sozialgesetzbuch II (juris: SGB 2) Leistungsberechtigter in Bedarfsgemeinschaft mit einer nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (juris: AsylbLG) leistungsberechtigten Person, steht ihm jedenfalls im Jahr 2014 der Regelbedarf für Personen in Bedarfsgemeinschaft zu.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des [X.] vom 19. September 2016 und des [X.] vom 8. Dezember 2015 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Rechtstreit geht um die Frage, ob dem Kläger als Leistungsberechtigtem nach dem [X.], der mit einer Leistungsberechtigten nach dem [X.] in Bedarfsgemeinschaft lebt, für September 2014 Leistungen in Höhe des Regelbedarfs für einen alleinstehenden Leistungsberechtigten (Regelbedarfsstufe 1: 391,00 Euro) oder in Höhe des Regelbedarfs für eine volljährige Person in Bedarfsgemeinschaft (Regelbedarfsstufe 2: 353,00 Euro) zustehen.

2

Der 1950 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und bezog bis 31.7.2012 Leistungen nach dem [X.]. Seit 1.8.2012 steht er im Bezug von Leistungen nach dem [X.]. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er wohnte 2014 mit der Familie in einem Übergangswohnheim. Die Ehefrau des [X.] besaß eine Duldung und bezog im September 2014 Leistungen nach § 3 [X.]. Die [X.] bewilligte ihr eine Grundleistung von 326,00 Euro zuzüglich Kosten der Unterkunft (Bescheid vom [X.]), hiervon sind ihr 126,00 Euro in bar ausbezahlt und im Übrigen Wertgutscheine ausgegeben worden.

3

Der Beklagte bewilligte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs von 353,00 Euro auch für September 2014 (Bescheid vom 10.7.2014). Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, die Zahlung der Leistung nach Regelbedarfsstufe 2 sei rechtswidrig, er habe Anspruch auf den Regelbedarf eines Alleinstehenden (§ 20 Abs 2 [X.] analog). Der Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 22.9.2014). Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die mit einer nach § 3 [X.] leistungsberechtigten Person in Bedarfsgemeinschaft lebten, sei der Regelbedarf für volljährige Partner in Bedarfsgemeinschaft zu leisten. Ausgelöst durch das Urteil des [X.] vom 18.7.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - [X.]E 132, 134 = [X.]-3520 § 3 [X.]) hätten Asylbewerber nach § 3 [X.] seit dem 1.1.2011 Anspruch auf Leistungen, die sich der Höhe nach nur unwesentlich von den Leistungen nach dem [X.] und dem [X.] unterschieden. Die Bedarfe seien nach den Vorschriften des § 20 Abs 2 Satz 1, Abs 5 [X.] aF iVm der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Abs 5 [X.] berechnet.

4

Das [X.] hat den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die [X.] vom 26.6.2014 bis zum 30.11.2014 weitere Leistungen nach dem [X.] in Höhe von 38,00 Euro monatlich zu zahlen (Urteil vom 8.12.2015). Der Kläger habe Anspruch auf die Gewährung des Regelbedarfs für Alleinstehende (§ 20 Abs 2 Satz 1 [X.] analog). Dem Kläger sei weder in direkter noch in analoger Anwendung von § 20 Abs 4 [X.] der Regelbedarf für Partner in Bedarfsgemeinschaft zu zahlen (unter Hinweis auf: Urteil vom 6.10.2011 - B 14 AS 171/10 R - B[X.]E 109, 176 = [X.]-4200 § 20 [X.] 16). Hieran habe sich durch die Entscheidung des [X.] vom 18.7.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - [X.]E 132, 134 = [X.]-3520 § 3 [X.]) nichts geändert.

5

Der Beklagte hat gegen das Urteil des [X.] Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, worauf das L[X.] die Berufung zugelassen und das Berufungsverfahren fortgeführt hat (Beschluss vom [X.]). In der mündlichen Verhandlung vor dem L[X.] hat der Kläger die Klage betreffend den Monat November 2014 zurückgenommen. Darüber hinaus haben die Beteiligten folgenden gerichtlichen Vergleich geschlossen:

"1.     

Der Beklagte verpflichtet sich, den Bescheid vom 10.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2014 betreffend den Leistungszeitraum vom 26.06.2014 bis zum 31.08.2014 und vom 01.10.2014 bis zum 31.10.2014 ohne Berufung auf die Präklusionsfrist der §§ 40 Abs. 1 S. 2 [X.], 44 [X.]B X zu überprüfen und bei der Überprüfung den im rechtskräftigen Urteil im Rechtsstreit L 19 AS 577/16 festgestellten Regelbedarf für September 2014 zugrunde zu legen.

2.    

[X.] folgt der Kostenentscheidung in dem rechtskräftigen Urteil.

3.    

Die Beteiligten betrachten damit den Rechtsstreit betreffend die Leistungszeiträume vom 26.06.2014 bis zum 31.08.2014 und vom 01.10.2014 bis zum 31.10.2014 als erledigt."

6

Im Übrigen, dh wegen der Leistung für September 2014, hat das L[X.] die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 19.9.2016). § 20 Abs 4 [X.] erfasse nur die Konstellation, dass beide volljährige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft dem Leistungssystem des [X.] unterfallen (vgl B[X.] vom 6.10.2011 - B 14 AS 171/10 R - B[X.]E 109, 176 = [X.]-4200 § 20 [X.] 16 zur Vorgängervorschrift). Eine Vergleichbarkeit zwischen den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem [X.] und den Grundleistungen nach dem [X.] bestehe weiterhin nicht.

7

Der Beklagte hat die vom L[X.] zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung von § 20 Abs 2 Satz 1 und Abs 4 [X.] aF. Unter Anwendung der vom [X.] angeordneten Übergangsregelung seien die Leistungen an [X.]-Berechtigte und [X.]-Berechtigte der Höhe nach vergleichbar. Daher sei es beim Zusammenleben von zwei Personen aus diesen Leistungsbereichen nicht mehr erforderlich, dem nach dem [X.] leistungsberechtigten Partner den Regelsatz für einen alleinstehenden Leistungsberechtigten zu zahlen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] vom 8.12.2015 und des [X.] vom 19.9.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er verteidigt die Urteile von [X.] und L[X.].

Entscheidungsgründe

1. Die Revision des Beklagten ist zulässig. Die Revisionsbegründung ist zwar nicht fristgerecht beim B[X.] eingegangen, der [X.] hat dem Beklagten aber Wiedereinsetzung in die [X.] gewährt (Beschluss vom 8.3.2017; vgl § 67 Abs 4 Satz 2 [X.]G).

2. Gegenstand der Revision ist nach dem vor dem [X.] geschlossenen Vergleich nur noch der Anspruch des [X.] auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] für September 2014.

Für die weiteren [X.]räume, die Gegenstand des Verfahrens gewesen sind, haben die Beteiligten vor dem [X.] einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, der prozessrechtlich und materiell wirksam ist. Es handelt sich bei dem geschlossenen Vergleich um einen sog [X.] (§ 54 Abs 1 [X.]). Ein solcher ist wirksam, wenn durch ihn ein Streit zwischen Beteiligten im Wege des gegenseitigen [X.] beseitigt wird. Vorliegend sind die Erklärungen der Beteiligten ua darauf gerichtet gewesen, die bestehende Ungewissheit über die Rechtslage ([X.] in von [X.]/Schütze, 8. Aufl 2014, [X.], § 54 Rd[X.] 10) - konkret über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen nach § 20 [X.] - teilweise beizulegen und das anhängige Gerichtsverfahren (überwiegend) zu beenden. Dies ist im Wege gegenseitigen [X.] geschehen.

Wegen der Kosten der Unterkunft und Heizung haben die Beteiligten in einem gesondert geschlossenen Vergleichsvertrag (§ 54 Abs 1 [X.]) prozessrechtlich und materiell wirksam eine nochmalige Überprüfung und Entscheidung vereinbart. Damit haben sie über diesen abtrennbaren Streitgegenstand (B[X.] vom 16.6.2015 - B 4 [X.]/14 R - [X.] 4-4200 § 27 [X.] Rd[X.] 12 mwN) eine abschließende Regelung getroffen, sodass auch dieser nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist.

3. Die Revision des Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 [X.]G). Die angefochtenen Urteile des [X.] und des [X.] sind aufzuheben. Die auf die Zahlung von weiteren 38,00 [X.] für September 2014 gerichtete Anfechtungs- und Leistungsklage ist unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] nach einem Regelbedarf für alleinstehende Leistungsberechtigte (Regelbedarfsstufe 1: 391,00 [X.]) hat.

Zwar hat der Kläger auch im September 2014 dem Grunde nach die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen nach dem [X.] erfüllt 7 Abs 1 Satz 1 [X.] 1, 2 und 4 [X.]), denn er hat das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a [X.] noch nicht erreicht und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der [X.]. Er ist erwerbsfähig (§ 8 [X.]) und hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 Satz 1 [X.], § 9 [X.]), da weder er noch seine Familienangehörigen im September 2014 über anrechenbares Einkommen oder zu berücksichtigendes Vermögen verfügten. Leistungsausschlüsse greifen zu Lasten des [X.] nicht ein.

Damit hat der Kläger Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 [X.], während die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf (§ 21 [X.]) nach den bindenden Feststellungen des [X.] nicht vorgelegen haben. Der Kläger hat analog § 20 Abs 4 und 5 [X.] iVm der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Abs 5 [X.] für die [X.] ab 1.1.2014 ([X.], 3857; im Folgenden Bekanntmachung 2014) Anspruch auf eine Regelleistung nach Regelbedarfsstufe 2, also auf Zahlung von 353,00 [X.].

Denn wie das [X.] festgestellt hat, lebt er mit seiner Ehefrau und den minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft. Eine solche bilden gemäß § 7 Abs 3 [X.]a [X.] Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben (vgl zur Heranziehung des § 7 [X.] auch im Kontext des § 20 [X.]: Behrend in jurisPK-[X.], 4. Aufl 2015, § 20 Rd[X.] 100). Der Kläger ist volljährig und mit einer ebenfalls volljährigen Frau verheiratet. Er lebt von ihr nicht dauernd getrennt und führt mit ihr einen gemeinsamen Haushalt (vgl § 8 Abs 1 [X.] [X.]).

Zwar hat das B[X.] § 20 Abs 3 [X.] (in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, das ist die unmittelbare Vorgängerregelung zu § 20 Abs 4 [X.]) dahingehend ausgelegt, dass die Vorschrift nur die Konstellation erfasse, in denen beide volljährigen Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft dem Leistungssystem des [X.] unterfallen (B[X.] vom 6.10.2011 - [X.] AS 171/10 R - B[X.]E 109, 176 = [X.] 4-4200 § 20 [X.] 16; aA [X.] in Gagel, [X.]/[X.]II, § 20 Rd[X.] 121, 124a, Stand Juni 2017). § 20 Abs 3 [X.] aF sei auf eine Bedarfsgemeinschaft aus [X.]- und [X.] weder unmittelbar noch analog anwendbar (B[X.] aaO; kritisch hierzu [X.], jurisPR-[X.] 23/2012 [X.] 2). Der Gesetzgeber habe mit einem Regelsatz von [X.] für Partner in Bedarfsgemeinschaft nach dem [X.] Haushaltsersparnisse berücksichtigen wollen. Das Urteil des B[X.] vom 6.10.2011 ist zur Rechtslage des Jahres 2006 ergangen, in der die Partner der gemischten Bedarfsgemeinschaft "ungleich wertige Existenzsicherungsleistungen erhalten" haben (so [X.] in [X.], [X.]/ [X.]II/[X.] § 20 [X.] Rd[X.] 88, Stand Januar 2017).

Diese Entscheidung des B[X.] kann auf die hier zu beurteilende Sach- und [X.] des Jahres 2014 keine Anwendung mehr finden; vielmehr ist im vorliegenden Fall der Regelsatz des [X.] durch analoge Anwendung des § 20 Abs 4 [X.] zu ermitteln. Denn die Leistungen in den beiden hier fraglichen existenzsichernden Leistungssystemen sind nach dem Urteil des B[X.] vom 6.10.2011 einander weitgehend angeglichen worden. Insoweit hat das [X.] mit Urteil vom 18.7.2012 entschieden (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - [X.]E 132, 134 = [X.] 4-3520 § 3 [X.]), dass die bestehenden Leistungsunterschiede zwischen [X.] und [X.], die 2012 [X.] betragen haben (das [X.] 2012 sah für den Haushaltsvorstand 224,97 [X.] vor, während ein [X.]- oder [X.]II-Leistungsempfänger nach Regelbedarfsstufe 1 einen Anspruch in Höhe von 374,00 [X.] hatte), nicht (mehr) mit dem [X.] vereinbar sind. Das [X.] hat deshalb übergangsweise und rückwirkend ab 1.1.2011 angeordnet, dass Leistungen für Asylbewerber auf das Niveau anzuheben sind, das sich aus § 20 Abs 5 [X.] und § 27a Abs 3, § 28 [X.]II iVm den Regelbedarfsstufen des jeweils gültigen Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes ([X.]) ergibt. Durch diese Entscheidung, die Gesetzeskraft hat (§ 31 [X.]G), ist das Leistungsniveau des [X.] demjenigen der anderen Bereiche der Existenzsicherung weitgehend angeglichen worden (vgl [X.] in Münder LPK-[X.], 6. Aufl 2017, § 20 Rd[X.]7).

Allerdings existieren auch im hier zu beurteilenden [X.]raum Unterschiede. So werden bei der Höhe der Leistungen nach § 3 [X.] die Verbrauchsausgaben für die Abteilung 5 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und Haushaltsgegenstände; das sind Stand 2012: 27,41 [X.]) nicht berücksichtigt ([X.], aaO, [X.]E 132, 134 Rd[X.] 103 = [X.] 4-3520 § 3 [X.] Rd[X.] 129). Berechtigten, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, werden diese nach der speziellen Regelung des § 3 Abs 2 Satz 4 [X.] gesondert erbracht, sodass der Unterschied in der Leistungshöhe ausgeglichen wird. Das [X.] hat die Entscheidung des Gesetzgebers in § 3 Abs 2 Satz 1 [X.] gebilligt und insoweit angeordnet, die Regelung werde durch die Übergangsregelung nicht berührt. § 3 Abs 2 Satz 1 [X.] (in der ab 8.11.2006 geltenden Fassung) schreibt vor, dass die Leistungen des [X.] als Sachleistung, oder - soweit erforderlich - als Wertgutschein, als vergleichbare unbare Abrechnungsart oder durch Geldleistung im gleichen Wert erbracht werden können. Bereits zuvor ist durch das [X.] schon klargestellt worden, dass der Gesetzgeber bei der Regelung von Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums einen Gestaltungsspielraum hat (vgl [X.] vom [X.] - 1 BvL 1/09, 1 [X.], 1 [X.] - [X.]E 125, 175, 224 = [X.] 4-4200 § 20 [X.] 12 Rd[X.] 138). Er ist ohne Verletzung von Verfassungsrecht ermächtigt zu bestimmen, ob er das Existenzminimum durch Geld- oder Sachleistungen sichert.

Trotz der aufgezeigten Unterschiede ist während der Geltungsdauer der vom [X.] getroffenen Übergangsregelung die wesentliche Voraussetzung für einen geminderten Regelbedarf für erwachsene Leistungsberechtigte, die in Bedarfsgemeinschaft leben, erfüllt. Denn § 20 Abs 4 [X.] nimmt für Bedarfsgemeinschaften nach dem [X.] typisierend an, dass die betreffenden Personen durch gemeinsames Wirtschaften (aus einem Topf) Haushaltsersparnisse erzielen können (dazu [X.] vom [X.] - 1 BvL 1/09 ua - [X.]E 125, 175, 230 = [X.] 4-4200 § 20 [X.] 12 Rd[X.] 154; [X.] vom [X.] - 1 BvR 371/11 - [X.]E 142, 353 Rd[X.] 53 ff mwN; B[X.] vom 11.2.2015 - B 4 AS 27/14 R - B[X.]E 118, 82 = [X.] 4-4200 § 21 [X.]1 mwN).

Da für gemischte Bedarfsgemeinschaften keine ausdrückliche Regelung besteht (B[X.] vom 6.10.2011 - [X.] AS 171/10 R - B[X.]E 109, 176 = [X.] 4-4200 § 20 [X.] 16), ist die Regelungslücke für den hier streitigen [X.]raum durch eine entsprechende Anwendung des § 20 Abs 4 [X.] zu schließen. Denn wie für Bedarfsgemeinschaften von [X.]-Leistungsberechtigten ist das Erzielen von [X.] auch solchen Personen möglich, die in gemischter Bedarfsgemeinschaft von [X.]- und [X.]-Berechtigten leben (so auch [X.] in jurisPR-[X.] 23/2012 [X.] 2). Das Erzielen von Einsparungen im gemeinsamen Haushalt ist insbesondere nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein Teil des Bedarfs der Partnerin oder des Partners als Sachleistung erbracht wird. Auch bei der Erbringung von Sachleistungen kann die Bedarfsgemeinschaft in den meisten regelbedarfsrelevanten Verbrauchen - wie zB Ernährung, Verkehr, Freizeit usw - gemeinsam wirtschaften und so Einsparungen erzielen. Werden die Sachleistungen - wie hier - durch Wertgutscheine, unbare Abrechnungsarten oder ersetzende Geldmittel erbracht, können diese ohnehin weitgehend wie Geldleistungen eingesetzt werden. Für die analoge Anwendung des § 20 Abs 4 [X.] spricht zudem der Umstand, dass die Bedarfslage von Personen in Bedarfsgemeinschaft aus einem [X.]-Leistungsberechtigten und einer nach § 3 [X.] berechtigten Person eher der in § 20 Abs 4 [X.] geregelten Situation als derjenigen nach § 20 Abs 2 Satz 1 [X.] vergleichbar ist. Dies entspricht auch der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl [X.] in Gagel, [X.]/[X.]I, § 20 Rd[X.] 124 mwN, Stand Juni 2017; [X.] in jurisPR-[X.] 23/2012 [X.] 2; [X.] in Eicher, [X.], 3. Aufl 2013, § 20 Rd[X.] 18, 24; [X.] in [X.], [X.]/[X.]II/[X.], § 20 [X.], Rd[X.] 88, Stand Januar 2017; ähnlich [X.] Bremen vom 17.11.2016 - [X.]/14 - juris; aA die Vorinstanzen; [X.] Berlin vom [X.] AS 26515/13 - juris).

Der [X.] hat bei seiner Entscheidung weiter zu berücksichtigen, dass im Fall der Zuerkennung der Regelbedarfsstufe 1 an Personen wie den Kläger, die gemischten Bedarfsgemeinschaften aus [X.]- und [X.]-Berechtigten besser stünden, als Bedarfsgemeinschaften bestehend aus zwei Leistungsberechtigten nach dem [X.] oder dem [X.]II oder gemischt aus diesen Gruppen. Schließlich kann die hier zu entscheidende Rechtsfrage nicht differenzierend danach beantwortet werden, ob und in welchem Umfang der nach dem [X.] leistungsberechtigte Partner Sachleistungen, Wertgutscheine oder andere Arten von unbaren Zuwendungen erhält.

Auch in Bezug auf die absolute Höhe der dem Kläger zustehenden Regelleistung sieht der [X.] keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insoweit hat das [X.] bereits entschieden, dass die ab 1.1.2011 nach dem [X.] iVm dem [X.] zu berechnenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Bezug auf ihre Höhe verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind ([X.] vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - [X.]E 137, 34).

Der [X.] lässt dahinstehen, ob diese Entscheidung auch für spätere [X.]räume, insbesondere nach Inkrafttreten weiterer Gesetzesänderungen, Geltung beanspruchen kann. Insofern sind durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016 ([X.]; sog [X.]) die Leistungen nach dem [X.] wieder unter das Niveau des [X.] und des [X.]II abgesenkt worden (vgl dazu [X.], [X.] 2016, 329, 331 f). Weitere für die hier vorliegende Konstellation wesentliche Änderungen dürften durch das Gesetz zur Änderung des [X.] sowie zur Änderung des [X.] und [X.]II vom 22.12.2016 ([X.] 3159) eingetreten sein. Damit hat der Gesetzgeber zum 1.1.2017 auf die Rechtsprechung des B[X.] (zB B[X.] vom 23.7.2014 - B 8 [X.] 12/13 R - FEVS 68, 107) reagiert und in § 8 [X.] geregelt, dass die Regelbedarfsstufe 2 auf "jede erwachsene Person" Anwendung findet, "wenn sie in einer Wohnung mit einem Ehegatten, Lebenspartner, in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft mit einem Partner zusammenlebt" (dazu [X.] in Jahrbuch des Sozialrechts, Band 38 <2017>, 311, 312, 319).

Jedenfalls für den hier zu beurteilenden [X.]raum, in dem aufgrund der Übergangsregelung des [X.] eine weitgehende Angleichung der Höhe von Leistungen nach dem [X.] und dem [X.] gegolten hat, ist § 20 Abs 4 [X.] auf gemischte Bedarfsgemeinschaften analog anzuwenden. Hiermit weicht der [X.] nicht von der Entscheidung des B[X.] vom 6.10.2011 ([X.] AS 171/10 R - B[X.]E 109, 176 = [X.] 4-4200 § 20 [X.] 16) ab. Diese bezog sich auf die bis Ende 2010 geltende abweichende Rechtslage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 4 AS 37/16 R

12.10.2017

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Duisburg, 8. Dezember 2015, Az: S 45 AS 4249/14, Urteil

§ 20 Abs 2 S 1 SGB 2 vom 13.05.2011, § 20 Abs 4 SGB 2 vom 13.05.2011, § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a SGB 2, § 3 Abs 2 S 1 AsylbLG vom 26.05.1997

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 12.10.2017, Az. B 4 AS 37/16 R (REWIS RS 2017, 4032)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4032

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 4 AS 23/17 R (Bundessozialgericht)

Arbeitslosengeld II - kein Regelbedarf für Alleinstehende bei Zusammenleben mit der mittellosen keine Leistungen beziehenden …


B 14 AS 17/14 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Nichtberücksichtigung der Nachzahlung von Asylbewerberleistungen - verfassungskonforme Auslegung


B 14 AS 171/10 R (Bundessozialgericht)

(Arbeitslosengeld II - Höhe der Regelleistung - gemischte Bedarfsgemeinschaft mit volljährigem Bezieher von Grundleistungen nach …


B 14 AS 28/17 R (Bundessozialgericht)

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss für Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG - Vereinbarkeit mit EGRL …


B 14 AS 71/12 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Hilfebedürftigkeit - Berücksichtigung von Partnereinkommen - Leistungsausschluss des Partners wegen stationärer …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvL 1/09

1 BvL 10/10

1 BvR 371/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.