Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.10.2004, Az. 5 StR 130/04

5. Strafsenat | REWIS RS 2004, 1007

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5 StR 130/04
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom 27. Oktober 2004 in der Strafsache gegen

wegen Vergewaltigung u. a.

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Hauptverhandlung vom 26. und 27. Oktober 2004, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende Richterin [X.],

[X.], Richterin [X.], [X.], [X.]

als [X.],

Staatsanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt [X.], Rechtsanwalt Dr. H

als Verteidiger,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 3 - in der Sitzung vom 27. Oktober 2004 für Recht erkannt:

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 21. Juli 2003 wird mit der [X.] verworfen, daß im Fall [X.] C der Urteilsgründe die tateinheitliche Verurteilung wegen vorsätzlicher Körper-verletzung entfällt. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch der Nebenklägerin ent-standenen notwendigen Auslagen zu tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das [X.] Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, so-weit von der Anordnung von Sicherungsverwahrung ab-gesehen worden ist und im gesamten Strafausspruch. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen.

[X.] Von Rechts wegen [X.]

G r ü n d e
I.

1. Die [X.] hat folgendes festgestellt:
- 4 - a) Der Angeklagte lockte am Abend des 14. Oktober 1995 die 17 [X.] alte Geschädigte [X.]unter einem Vorwand auf einen Waldweg und zwang sie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben un-ter anderem zum Oralverkehr (Fall [X.] B der Urteilsgründe). b) Weiterhin lockte der Angeklagte am Abend des 7. September 1996 die 16 Jahre alte Nebenklägerin [X.]unter demselben Vorwand in den Wald, wo er sie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter anderem zum außerehelichen Beischlaf zwang und mit einem Gürtel schlug (Fall [X.] C der Urteilsgründe).
2. Den ersten Fall hat die [X.] als sexuelle Nötigung gemäß § 178 Abs. 1 StGB a.F. gewertet. Hierfür hat sie eine Einzelstrafe von acht Jahren verhängt. Den zweiten Fall hat die [X.] als Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 177 Abs. 1 StGB a.F., § 223 StGB a.F., § 52 StGB gewertet und eine Strafe von neun Jahren und sechs Monaten verhängt. Aus den genannten Strafen ist eine Gesamtfrei-heitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten gebildet worden. Von [X.] der Besserung und Sicherung hat die [X.] abgesehen. 3. Gegen dieses Urteil richtet sich die unbeschränkt eingelegte [X.] des Angeklagten, die auf eine Reihe von Verfahrensrügen und die Sach-rüge gestützt ist.
Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestütz-ten Revision, die vom [X.] vertreten wird, nur dagegen, daß keine Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist.
Die Revision des Angeklagten hat teilweise, die der Staatsanwalt-schaft in vollem Umfang Erfolg. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zugleich dazu, daß der Strafausspruch zugunsten des Angeklagten aufzuhe-ben war. - 5 - [X.] Zur Revision des Angeklagten: 1. Hinsichtlich des im Fall [X.] C der Urteilsgründe tateinheitlich abgeur-teilten Vergehens nach § 223 StGB a.F. ist Verfolgungsverjährung eingetre-ten. Die Tat wurde am 7. September 1996 begangen. Eine verjährungsunter-brechende Handlung, der Erlaß eines Durchsuchungsbeschlusses für die Wohnung des Beschuldigten durch das [X.] in [X.] (vgl. § 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB), erfolgte erst am 18. Februar 2002 ([X.]. 129 d. A.). Zu diesem [X.]punkt war die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) bereits abgelaufen.
Dies führt zur Reduzierung des Schuldspruchs. 2. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch. a) Die nach § 338 Nr. 3 StPO erhobene Verfahrensrüge, die sich auf eine Mitwirkung [X.] an einer Haftentscheidung vom 22. Mai 2002 stützt, geht fehl. Die Ablehnung und die Entscheidung darüber geschahen vor Eröffnung des Hauptverfahrens. Das [X.] hat die sofortige Beschwerde, die sich gegen den die Ablehnung zurückweisenden Beschluß des [X.] richtete, verworfen. Der Beschwerdeführer kann sich nicht mit der Revision gegen den bereits rechtskräftigen Ablehnungs-beschluß der [X.] wenden (§ 336 StPO; [X.] in [X.]. § 28 [X.]. 7).
b) Die auf § 244 Abs. 2 und 4 StPO, § 338 Nr. 8 StPO gestützte [X.], zwei Beweisanträge zur Bestellung eines weiteren Sachverständigen seien zu Unrecht abgelehnt worden, ist unzulässig. Entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO werden die den Verfahrensmangel begründenden Tatsachen nur teil-weise mitgeteilt. So werden die Gutachten der Sachverständigen [X.]- 6 - vom 7. März 2003 und [X.]vom 13. September 2000 ebenso nur aus-zugsweise mitgeteilt wie der in bezug genommene Beweisantrag vom 22. Januar 2003.
c) Die [X.], das [X.] habe entgegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO einen Beweisantrag auf erneute Vernehmung der Geschädigten [X.]zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, die Beweisbehauptung sei bereits erwiesen, ist ebenfalls unzulässig. Die von der Revision in bezug [X.] polizeiliche Vernehmung der Geschädigten [X.]und die Einlassung des Angeklagten vom 27. August 2002 werden nur auszugsweise, das ebenfalls in bezug genommene Sachverständigengutachten von [X.]wird über-haupt nicht mitgeteilt.
d) Die [X.], das [X.] hätte Strafanzeigen und poli-zeiliche Vorgänge beiziehen müssen, weil nach deren Inhalten —eine sehr reale Möglichkeit bestand, daß der Angeklagte dort zu jener [X.] begegnet istfi, teilt entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO das erwartete [X.] nicht klar genug mit und ist damit nicht zulässig erhoben. Das genannte Vorbringen der Revision ist nicht anders zu bewerten als ein [X.], das ein bestimmtes Ergebnis nur als möglich bezeichnet oder das behauptet, weitere Ermittlungen hätten vielleicht ein anderes Beweisergebnis erbracht (vgl. hierzu nur [X.]R StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] 1; [X.], 71; [X.]. bei [X.] in [X.]. § 344 [X.]. 51).
e) Die weitere [X.] ist unbegründet, da sich die vermißte Beweiserhebung dem Gericht nicht aufdrängen mußte. Das [X.] war nicht gehalten, durch Einholung einer Auskunft aus der kriminalpolizeilichen personenbezogenen Sammlung und durch zeugenschaftliche Äußerung des Fachbeamten der Kriminalpolizei zu ermitteln, daß sich in [X.] durchschnitt-lich mindestens in einem Fall pro Jahr der Täter einer Vergewaltigung als Polizeibeamter ausgibt, der die Betroffene von einer Anzeigeerstattung mit - 7 - dem Hinweis darauf abzuhalten versucht, daß er über Dienstcomputer die Anzeigeerstattung erfahren und die Betroffene identifizieren könne. Das [X.] hatte zu dieser Frage zulässigerweise im Wege des [X.] eine Auskunft der Dienststellenleiterin eingeholt, wonach eine solche Sammlung nicht existiere, und zudem die Ermittlungsbeamten [X.]und [X.]nach ähnlichen Fällen befragt.
3. Die weitere Sachrüge bleibt erfolglos. Die Beweiswürdigung hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand. Es ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, die Beweise zu würdigen. Das Revisionsgericht kann die tatrichterliche Beweiswürdigung auf die Sach-beschwerde nur unter dem Gesichtspunkt würdigen, ob sie Rechtsfehler ent-hält. Dies ist dann der Fall, wenn die im Urteil mitgeteilten Überlegungen des Tatrichters in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar sind oder sie ge-gen Denkgesetze oder anerkannte Erfahrungssätze verstoßen (st. Rspr., vgl. nur [X.]R StPO § 261 Beweiswürdigung 2). Solches ist hier nicht gegeben. Das [X.] hat in seiner sehr sorgfältigen Beweiswürdigung sich im ersten Fall von der [X.]chaft des Angeklagten vor allem anhand der vom Angeklagten stammenden DNA-Spuren an der Kleidung des Opfers überzeugt. Im zweiten Fall hat es seine Überzeugung auf eine Vielzahl von Parallelen zum ersten Fall gestützt, die [X.] jedenfalls in ihrer Gesamtheit [X.] den Schluß zulassen, den Angeklagten als der Tat überführt anzusehen. Diese Wertung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, da sie keinen Rechts-fehler enthält.
Soweit sich die Revision gegen die Erwägungen der [X.] im Zusammenhang mit einer Kurzsichtigkeit des Angeklagten wendet, stützt sie sich im wesentlichen auf eigene, von den Urteilsgründen abweichende [X.] oder Feststellungen, mit denen sie im Revisionsverfahren nicht ge-- 8 - hört werden kann. Der Sachverständige Dr. K hat nicht festgestellt, der Angeklagte könne sich im Dunkeln im Wald nicht vorwärts bewegen, sondern er könne nicht schnell durch ein absolut dunkles Waldgebiet laufen; die [X.] hat nach den Urteilsfeststellungen nicht bekundet, der Täter ha-be mehrere Meter von ihr entfernt gestanden, als sie tanzen mußte. Die Er-wägung des Tatrichters, der Angeklagte könne bei der Tat [X.] verwendet haben, auch wenn er sie sonst in seinem privaten Umfeld nicht getragen habe, zeigt eine denkbare Möglichkeit auf, zumal sich der Ange-klagte auch einen künstlichen Vollbart besorgt hatte, den er sonst nicht ge-tragen hatte. Ein Erfahrungssatz, wonach es dem Angeklagten aus physi-schen oder psychischen Gründen unmöglich gewesen wäre, vorübergehend [X.] zu tragen, besteht nicht.
Hinsichtlich der Täterbeschreibung durch die Geschädigte F

und die Nebenklägerin [X.] hat der Tatrichter dargelegt, daß die Angaben zu Alter, Staatszugehörigkeit, Frisur und Figur auf den Angeklagten zutreffen. Lediglich hinsichtlich der Körpergröße bestehe eine Abweichung von etwa 10 bis 12 Zentimetern, was damit erklärt wird, daß die Zeuginnen den Täter nur kurz gesehen haben, die Geschädigte [X.] Körpergrößen schlecht schät-zen könne und der Täter sich zuvor am Telefon selbst mit der von ihr ge-nannten Körpergröße beschrieben habe. Diese vom Tatrichter gezogenen Schlüsse sind möglich und deshalb vom Revisionsgericht hinzunehmen. Auch die weiteren Einzelausführungen der Revision zur Beweiswürdi-gung zeigen keinen Rechtsfehler auf.
Die Strafzumessungserwägungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
Im Fall [X.] B stellt sich bei der gebotenen konkreten Abwägung § 177 StGB gegenüber § 178 StGB a.F. nicht als das mildere Gesetz dar. Der er-zwungene Oralverkehr hätte nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB einen Strafrah-- 9 - men von zwei Jahren bis zu 15 Jahren eröffnet, während der Strafrahmen des § 178 Abs. 1 StGB a.F. nur ein Jahr bis zehn Jahre betrug. Der als [X.] gewertete Fall [X.] A ist in den Urteilsgründen nicht strafschärfend berücksichtigt worden. Im Fall [X.] C durfte die festgestellte tateinheitlich begangene Körperver-letzung, auch wenn sie verjährt ist, strafschärfend berücksichtigt werden (vgl. [X.]/[X.], StGB 52. Aufl. § 46 [X.]. [X.]). Mit einem zu hohen Gewicht hat die [X.] sie bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt. Soweit die Revision rügt, daß eine rechnerische Logik bei der Festset-zung der Einzelstrafen nicht zu erkennen sei, ist dieser Einwand unbegrün-det. Eine solche Mathematisierung widerspräche dem Wesen der Strafzu-messung. Auch ein Vergleich mit der Höhe der im Jahre 1986 verhängten Strafen kann die Revision nicht rechtfertigen. Der Tatrichter muß die im Ein-zelfall zu beurteilende Tat ohne Bindung an weitere Fixpunkte als die Ober- und Untergrenze des Strafrahmens in den gefundenen Strafrahmen einord-nen. Maßgeblich ist dabei das [X.] aller strafzumessungsrele-vanten Umstände [X.], Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. [X.]. 624, 625). Diesen Anforderungen genügt das Urteil. Unter Berücksichtigung der erheblichen einschlägigen Vorstrafen und der Tatbegehung während des [X.]s liegen die verhängten Strafen innerhalb des dem Tatrichter einge-räumten Beurteilungsrahmens (vgl. [X.]St 34, 345, 349).
I[X.] Zur Revision der Staatsanwaltschaft: 1. Das [X.] hat sowohl im Hinblick auf frühere Verurteilungen des Angeklagten als auch im Hinblick auf die hier abgeurteilten Taten die - 10 - formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 3 Satz 1 und 2 StGB, § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB bejaht.
Der Tatrichter hat dennoch die Voraussetzungen für die Verhängung von Sicherungsverwahrung verneint. Die hier zur Verurteilung stehenden Taten hätten zwar auf einem Hang des Angeklagten zu erheblichen Strafta-ten beruht. Auch vermöge —die Kammer eine Änderung der Persönlichkeit des Angeklagten bzw. einen therapeutischen Erfolg nicht zu erkennenfi und folge insofern den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. Bü . Jedoch sehe —sich die Kammer daran gehindert, derzeit einen bei dem Angeklagten noch vorliegenden Hang zu solchen Straftaten anzuneh-men, weil über einen [X.]raum von gut fünf Jahren, die der Angeklagte nach Begehung der (letzten) Tat in Freiheit gelebt habe, keine weiteren Straftaten [X.] geworden seien. Der Regelung des § 66 Abs. 4 Satz 3 und 4 StGB sei der Rechtsgedanke zu entnehmen, daß eine straffreie Führung über ei-nen [X.]raum von fünf Jahren von erheblicher Bedeutung sei. Wäre es zu einer zeitnahen Verurteilung gekommen, hätte —die Kammer das Vorliegen eines Hanges angenommen.fi
Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand: 2. Allerdings ergeben die Urteilsgründe nicht, daß die formalen Vor-aussetzungen von § 66 Abs. 3 StGB vorliegen. Die Vorschrift des § 66 Abs. 3 StGB i.d.[X.] von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 ([X.]) findet nur Anwendung, wenn der Täter eine der Straftaten der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art nach dem 31. Januar 1998 begangen hat ([X.] NStZ-RR 1999, 294; [X.]/[X.] aaO § 66 [X.]. 11), was hier nicht der Fall ist. 3. Unabhängig davon liegen aber jedenfalls die formalen Vorausset-zungen von § 66 Abs. 2 StGB vor. Neben den beiden der Verurteilung im hiesigen Verfahren zugrunde liegenden Taten sind die Taten heranzuziehen, - 11 - wegen derer der Angeklagte durch Urteil des [X.] vom 10. April 1986 wegen der Begehung von zwölf Sexualstraftaten (Vergewalti-gung in zehn Fällen, versuchte Vergewaltigung sowie versuchte sexuelle Nö-tigung) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren unter gleichzeitiger [X.] verurteilt worden ist. Wegen der dort zuletzt festgestellten Tat vom 4. Juni 1985 ist der Angeklagte zu einer Frei-heitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. [X.] gemäß § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB ist insoweit nicht eingetreten, weil sich der Angeklagte seit dieser Tat bis zum 20. August 1995 in Untersuchungs- und Strafhaft und hieran anschließend bis zum 26. Juni 1997 im [X.] befand und die [X.], die der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist, nach § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB in die Frist nicht eingerechnet wird. 4. Die Begründung des Tatrichters, mit der er einen Hang des Ange-klagten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verneint hat, begegnet rechtli-chen Bedenken. Das Merkmal "Hang" verlangt einen eingeschliffenen inne-ren Zustand des [X.], der ihn immer wieder neue Straftaten begehen läßt. [X.] ist danach derjenige, der dauernd zu Straftaten entschlossen ist oder der aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung, deren Ursache uner-heblich ist, immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit dazu bie-tet (vgl. u. a. [X.]R StGB § 66 Abs. 1 Hang 1). Das Vorliegen eines solchen Hanges hat der Tatrichter unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Persönlichkeit des [X.] und seiner Taten maßgebenden Umstände darzu-legen ([X.]R StGB § 66 Abs. 1 Hang 8). An dieser Rechtsprechung hat sich das [X.] nicht orientiert. Dem Hinweis auf die seit der letzten Tat ver-gangene [X.] kommt für sich allein genommen keine entscheidende Bedeu-tung zu. Der Tatrichter hätte sich in diesem Zusammenhang näher mit den Vorverurteilungen und den Umständen, unter denen es zu diesen wie auch zu den verfahrensgegenständlichen Taten kam, auseinandersetzen müssen. Der Umstand, daß der Angeklagte trotz langjähriger Strafverbüßung wegen Sexualdelikten und trotz gewährten [X.]s erneut zwei ihm völlig fremde Frauen gewaltsam zu sexuellen Handlungen gezwungen hat, läßt das Vor-- 12 - liegen einer Willensschwäche, die ein wesentliches Indiz für einen Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB sein kann ([X.] in [X.]. § 66 [X.]. 92), als naheliegend erscheinen. Der Tatrichter hätte deshalb die Ausführungen des Sachverständigen erkennbar berücksichtigen müssen, wonach —ein [X.]raum von gut fünf Jahren im Hinblick auf die Vortaten und die Persönlichkeit des Angeklagten nicht ausreichend sei, um davon ausge-hen zu können, es liege kein Hang mehr vorfi ([X.]) und der die früher mit dem Angeklagten durchgeführte Sexualstraftätertherapie —keinesfalls als geeignetfi ([X.]) bewertet hat.
Weiterhin ist die Ansicht des [X.], der Angeklagte habe seit der letzten Tat gut fünf Jahre in Freiheit gelebt und wegen des Rechtsgedan-kens des § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB sei ein Hang nunmehr zu verneinen, unzu-treffend.
Zum einen befand sich der Angeklagte, der am 12. Februar 2002 er-neut inhaftiert worden ist, weniger als fünf Jahre in Freiheit. Der bis zum 26. Juni 1997 gewährte [X.] ist als Verwahrung in einer Anstalt im Sinne des § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB anzusehen. Freiheitsstrafe soll nach Maßgabe von § 10 Abs. 1 [X.] in der Form des offenen Vollzuges durchgeführt werden. Daneben gibt es [X.], die zu einer Verminderung der Kontrolle über den Gefangenen führen, nämlich Außenbeschäftigung, [X.] und Ausgang (§ 11 Abs. 1 [X.]) sowie Urlaub aus der Haft (§ 13 [X.]). Der Umstand, daß hierbei planmäßig lediglich [X.] oder nur zeitweise bzw. punktuell vorgenommene Maßnahmen zur Überwachung der Bewegungsfreiheit des Betroffenen vorgenommen werden, führt nicht zu einer Beendigung oder Unterbrechung der Verwahrung in einer Anstalt. Demgemäß ist es in der Rechtsprechung anerkannt, daß [X.], jedenfalls wenn die tägliche Rückkehr des Betroffenen an den Verwahrungsort vorgesehen ist und dies kontrolliert wird, die [X.] des Betroffenen im Sinne des § 120 StGB nicht entfallen läßt (vgl. [X.]St 37, 388, 392; [X.]/[X.] aaO § 66 [X.]. 15 i.V.m. § 120 [X.]. 4). - 13 - Auch der der Vorschrift des § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB zugrunde liegende Ge-danke, daß in die [X.] die [X.] nicht eingerechnet werden soll, in der der Täter keine Gelegenheit hat, sich in der Freiheit zu bewähren (vgl. [X.] NJW 1969, 1678, 1679), spricht für die hier vorgenommene Auslegung. Wer kontrolliert wird, ist nicht frei. Darüber hinaus erfordert die Verjährungs-regelung des § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB eine Sicherheit bei der [X.]. Dies gebietet es ebenfalls, als Verwahrungszeit auch die [X.] anzusehen, in der solche Formen der Vollzugslockerung gewährt werden. Zum anderen hindert § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB nicht, im Rahmen der Prüfung, ob beim Angeklagten ein Hang vorliegt, alle Vorverurteilungen des Angeklagten in die erforderliche Gesamtwürdigung einzubeziehen. Der Um-stand, daß Vortaten wegen Eintritts der [X.] nicht mehr als Symptomtaten herangezogen werden können, hindert nicht ihre Verwertung als sonstiges Beweisanzeichen für die [X.]schaft im Rahmen der [X.] der Persönlichkeit des Angeklagten (vgl. [X.] NStZ 1999, 502). 5. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils, soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist. Dies zieht die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs [X.] insoweit aller-dings nur zugunsten des Angeklagten [X.] nach sich; es ist nicht mit der erfor-- 14 - derlichen Sicherheit auszuschließen, daß die Strafe [X.] wäre zugleich auf Si-cherungsverwahrung erkannt worden [X.] niedriger ausgefallen wäre. [X.] Häger Gerhardt Brause [X.]

Meta

5 StR 130/04

27.10.2004

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.10.2004, Az. 5 StR 130/04 (REWIS RS 2004, 1007)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1007

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