Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2004, Az. 4 StR 325/04

4. Strafsenat | REWIS RS 2004, 1053

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 [X.] vom 21. Oktober 2004 in der Strafsache gegen

wegen schweren Raubes u.a.
- 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 21. Oktober 2004, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in am [X.] [X.],

die [X.] am [X.] Maatz, Prof. Dr. [X.], die [X.]innen am [X.] [X.], [X.]

als beisitzende [X.],

[X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
- 3 - 1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 6. Januar 2004, soweit es den Angeklagten betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den Fest-stellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]. 3. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten des schweren Raubes in zwei Fäl-len sowie der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz und Führen von Schußwaffen, für schuldig befunden und ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren Revisionen. Während der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision [X.] Verurteilung insgesamt angreift, beanstandet die Staatsanwaltschaft mit - 4 - ihren wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten, mit der Sachrüge begründeten Revision insbesondere die [X.] der Sicherungsver-wahrung gegen den Angeklagten. Das - vom [X.] vertretene - Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg; dagegen bleibt der Revision des Angeklagten der Erfolg versagt.

[X.] Der Verurteilung des Angeklagten liegen folgende Feststellungen zugrunde: Der Angeklagte und der frühere Mitangeklagte [X.]

- beide erheb-lich, auch einschlägig, vorbestraft - faßten den Entschluß zu einem [X.] Banküberfall auf die Volksbank in [X.]-E.

, die der Angeklagte als geeignetes Tatobjekt ausgekundschaftet hatte. Um sich für die Durchführung der Tat ein Fluchtfahrzeug zu verschaffen, lauerten sie am Vorabend des ge-planten [X.] auf einem Parkplatz in [X.] einem ihnen geeignet er-scheinenden Opfer auf, wobei der Angeklagte eine ungeladene Schrotflinte und [X.] eine mit Gaspatronen geladene Pistole bei sich führte. Als der Geschädigte, [X.], erschien und gerade dabei war, den Pkw [X.]r Mutter zu beladen, zwangen ihn beide Täter unter Vorhalt der Waffen, sich auf den Boden zu legen, und entwendeten ihm die Geldbörse, sein Mobiltele-fon und die Fahrzeugschlüssel zu dem Pkw, mit dem sie sogleich den [X.] verließen (Fall I[X.] 1. der Urteilsgründe; [X.] sieben Jahre). Am nächsten Morgen (4. April 2003) fuhren der Angeklagte und [X.]

mit dem entwendeten Pkw nach [X.]-E. und überfielen, beide maskiert und bewaffnet mit schußbereiten Waffen, die dortige Volksbankfiliale. Während [X.] die 63jährige Kundin [X.]

- mit stillschweigender [X.] - zu Boden drückte und sie in Richtung des - 5 - gung des Angeklagten - zu Boden drückte und sie in Richtung des Heizkörpers warf, wodurch sie sich eine blutende Wunde am Handrücken zuzog, und sich aus [X.] Waffe ein Schuß löste, erzwang der Angeklagte von der Bankangestellten [X.]unter Vorhalt seiner Waffe Einlaß in die [X.], wo sich beide Täter das im [X.] und in einer Kassenschublade befindliche Geld in Höhe von 33.645 • in eine Geldtasche füllen ließen. Nach erfolgter Flucht mit dem gestohlenen Pkw setzten sie das Fahrzeug in Brand (Fall I[X.] 2. der Ur-teilsgründe; [X.] neun Jahre sechs Monate). In der Folgezeit faßten der Angeklagte und [X.]

den Entschluß zu einem weiteren Banküberfall. Dazu entwendeten beide in [X.] am 14. Mai 2003 wieder einen Pkw als Fluchtfahrzeug (insoweit nicht angeklagt). In der folgenden Nacht brachen sie in die Kreissparkasse in H.

-[X.] ein und warteten dort - bewaffnet mit geladenen Schußwaffen - auf das [X.], das gegen 8.00 Uhr erschien. Unter Vorhalt der Waffen erzwangen sie die Öffnung des [X.]s und entnahmen daraus 105.670 •, diri-gierten anschließend das Personal in die Toilette und flüchteten mit dem [X.] (Fall I[X.] 3. der Urteilsgründe; [X.] neun Jahre sechs Monate).

I[X.] Revision der Staatsanwaltschaft. 1. Das [X.] hat bei dem Angeklagten ohne nähere Ausführungen ("ohne weiteres") das Vorliegen der formellen Voraussetzungen für die Anord-nung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB bejaht. Zum Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB hat es die Sachverständige Dr. Sch. gehört, die dem Angeklagten "ein hohes destruktives Potential" attestiert hat und "[X.] 6 - gesamt zu dem Ergebnis (gelangt ist), daß insbesondere infolge der impulsiven Belastung des Angeklagten, gepaart mit Substanzmißbrauch, bei ihm ein sehr hohes Risiko für erneute schwere Straftaten und damit ein Hang im Sinne der oben genannten Vorschrift vorliegt". Gleichwohl konnte sich das [X.] "nicht dazu durchringen, das Merkmal des Hanges – zu bejahen und die [X.] der Sicherungsverwahrung bei ihm anzuordnen". 2. Die [X.] der Sicherungsverwahrung gegen den Angeklag-ten hält der rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Erwägungen der [X.] hierzu durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen. Zwar ist der Tatrichter nicht gehindert, von dem Gutachten eines vernommenen Sachver-ständigen abzuweichen; denn dieses kann stets nur eine Grundlage der eige-nen Überzeugungsbildung sein. [X.] der Tatrichter jedoch eine Frage, zu der er einen Sachverständigen gehört hat, im Widerspruch zu dessen Gutachten lö-sen, muß er sich in einer Weise mit den Darlegungen des Sachverständigen auseinandersetzen, die erkennen läßt, daß er mit Recht eigene Sachkunde in Anspruch genommen hat (vgl. [X.], 234; [X.] § 261 Rdn. 33 m.w.Nachw.). Demgegenüber beanstandet die Revision mit Recht, daß das Urteil hier die nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB gebotene Gesamtwürdigung des [X.] und seiner Taten vermissen läßt. In diese hätte die Persönlichkeit des Angeklagten mit allen kriminologisch wichtigen Tatsachen einschließlich der Vorstrafen und Vortaten einbezogen werden müssen; die Würdigung der Taten durfte sich nicht auf die abzuurteilenden Taten und das Einlassungsverhalten des Angeklagten in der Hauptverhandlung beschränken, sondern mußte insbe-sondere auch die die formellen Voraussetzungen nach § 66 Abs. 1 StGB be-gründenden Symptomtaten umfassen (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlich-keit 2). Daran fehlt es. - 7 - Der Umstand, daß der zur Tatzeit 40-jährige Angeklagte [X.] wie das [X.] meint [X.] —bis zum Alter von 20 Jahren einen straffreien Lebenswandel geführt [X.], hat angesichts der anschließenden wiederholten massiven ein-schlägigen Straffälligkeit keine Bedeutung, die die Beurteilung der vom [X.] gehörten Sachverständigen ernsthaft in Frage stellt. Die Erwägung des [X.]s, dieser Umstand sei "für einen Hangtäter durchaus ungewöhnlich" und ein Indiz dafür, "daß für seine kriminelle Karriere möglicherweise nicht ein Hang im Sinne des § 66 StGB, sondern von außen wirkende Faktoren bestim-mend gewesen sind", ist ohne entsprechende Anknüpfungstatsachen rein theo-retischer Natur. Insoweit hätte es näherer Auseinandersetzung mit den Um-ständen bedurft, die insbesondere zu der 1984 einsetzenden massiven Straf-fälligkeit geführt haben. Im übrigen trifft es ausweislich des mitgeteilten [X.] aus dem Bundeszentralregister auch nicht zu, daß der Angeklagte erst im Alter von 20 Jahren straffällig geworden ist. Ebensowenig deutet das Geständnis, das ersichtlich nicht den Charakter einer —[X.] hat, auf eine verläßliche Abkehr des Angeklagten von seinem kriminellen Verhalten hin. Vielmehr läßt der Hinweis im Urteil, der [X.] habe sein Geständnis "erst im Rahmen der Hauptverhandlung und aufgrund einer Verfahrensabsprache abgegeben", einen Zusammenhang der Entscheidung über die [X.] der Sicherungsverwahrung mit dieser "Verständigung im Strafprozeß" besorgen. Die Frage der Anordnung der Siche-rungsverwahrung ist aber, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Maßregel vorliegen, ebensowenig wie die rechtliche Beurteilung der Tat einer Vereinbarung zugänglich (vgl. [X.]surteil vom 28. Mai 1998 [X.] 4 StR 17/98, in BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 6 nicht mit abge-druckt; [X.]sbeschluß vom 6. August 1998 - 4 [X.]). - 8 - Über die Anordnung der Sicherungsverwahrung ist deshalb neu zu [X.]. Sofern der neue Tatrichter zu der Anordnung dieser Maßregel gelangt, wird er das Vorliegen der formellen Voraussetzungen unter Darstellung der wesentlichen Sachverhalte der den früheren Verurteilungen zugrunde liegen-den Symptomtaten und der [X.] in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise im Urteil darzulegen haben (vgl. BGHR StGB § 66 Dar-stellung 1). 3. Der [X.] hebt zugleich den Strafausspruch auf. Zwar weist die Straf-zumessung für sich keinen Rechtsfehler zugunsten oder - was der [X.] ge-mäß § 301 StPO zu beachten hat - zulasten des Angeklagten auf. Der [X.] kann jedoch nicht ausschließen, daß die Strafen niedriger ausgefallen wären, wenn der Tatrichter die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsver-wahrung angeordnet hätte.

II[X.] Revision des Angeklagten. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben. Insoweit verweist der [X.] auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des [X.]s vom 28. Juli 2004. Tepperwien

Maatz [X.]

[X.]

[X.]

Meta

4 StR 325/04

21.10.2004

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2004, Az. 4 StR 325/04 (REWIS RS 2004, 1053)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1053

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