Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.10.2013, Az. 4 BN 10/13

4. Senat | REWIS RS 2013, 2291

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Gegenstand

Immissionswirksame flächenbezogene Schallleistungspegel als Emissionsgrenzwerte; Festsetzung von Summenpegeln


Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] für das [X.] vom 9. November 2012 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

2

Für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beschwerde die Frage,

ob aus dem der [X.] zugrunde liegenden Gebot der anlagenbezogenen Typisierung folge, dass bei der Festsetzung von [X.] auf Teilflächen der in einem Angebotsbebauungsplan ausgewiesenen Sondergebiete für den großflächigen Einzelhandel, welche ihrerseits den zulässigen Anlagentyp mittels einer Begrenzung der Verkaufsfläche bestimmen, die für bestimmte Teilflächen des Plangebiets festgesetzten Lärmemissionskontingente stets die Grenzen der jeweiligen Sondergebiete für die großflächigen Einzelhandelsvorhaben nachvollziehen müssen, da die Festsetzung der Teilflächen andernfalls wegen eines fehlenden Vorhabenbezugs keine Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 2 Satz 1 [X.] findet und städtebaulich nicht erforderlich i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist.

3

Entgegen den seitens der Beschwerdegegnerin vorgetragenen Bedenken genügt die Beschwerde den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 BauGB. Ihr geht es - kurz formuliert - darum, ob in einem Angebotsbebauungsplan, der Sondergebiete für den großflächigen Einzelhandel ausweist, diejenigen Teilflächen des Plangebiets, für die Lärmemissionskontingente festgesetzt sind, sich mit den einzelnen [X.] decken müssen.

4

Die Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Soweit die Beschwerde klären lassen möchte, ob die festgesetzten Lärmemissionskontingente die Grenzen der einzelnen Sondergebiete überschreiten dürfen, ist die Frage nicht klärungsbedürftig; insoweit lässt sie sich auf der Grundlage vorhandener [X.]srechtsprechung mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres im Sinne des [X.] beantworten (vgl. z.B. Beschluss vom 28. Mai 1997 - BVerwG 4 B 91.97 - NVwZ 1998, 172). Im Übrigen ist die Frage nicht entscheidungserheblich.

5

In der Rechtsprechung des [X.]s ist geklärt, dass zur Gliederung der in §§ 4 bis 9 [X.] bezeichneten Baugebiete gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.] auch Emissionsgrenzwerte nach dem Modell der sog. [X.]n flächenbezogenen Schallleistungspegel festgesetzt werden können (Beschluss vom 27. Januar 1998 - BVerwG 4 NB 3.97 - [X.] 406.12 § 1 [X.] Nr. 24 ). Der [X.] flächenbezogene Schallleistungspegel ist ein zulässiger Maßstab für das Emissionsverhalten eines Betriebes oder einer Anlage, der als deren "Eigenschaft" im Sinne von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.] festgesetzt werden kann. Die Festsetzung setzt allerdings voraus, dass die Emissionsgrenzwerte das Emissionsverhalten jedes einzelnen Betriebes und jeder einzelnen Anlage in dem betreffenden Gebiet verbindlich regeln. Ein [X.] für mehrere Betriebe oder Anlagen ist unzulässig, weil mit ihm keine Nutzungsart, insbesondere nicht das Emissionsverhalten als "Eigenschaft" von Anlagen und Betrieben im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.] festgesetzt, sondern nur ein Immissionsgeschehen gekennzeichnet wird, das von unterschiedlichen Betrieben und Anlagen gemeinsam bestimmt wird und deshalb für das Emissionsverhalten einer bestimmten Anlage für sich genommen letztlich unbeachtlich ist (Urteil vom 16. Dezember 1999 - BVerwG 4 CN 7.98 - BVerwGE 110, 193 ). Die durch § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.] eröffnete Möglichkeit der Gliederung von Baugebieten folgt damit dem Gedanken der anlagen- und betriebsbezogenen Typisierung, der den [X.] der §§ 2 bis 9 [X.] insgesamt zugrunde liegt (Urteil vom 3. April 2008 - BVerwG 4 CN 3.07 - BVerwGE 131, 86 Rn. 15).

6

Es bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um entscheiden zu können, dass [X.] auch in [X.] für den großflächigen Einzelhandel festgesetzt werden können. Diese Festsetzungsmöglichkeit setzt aber entsprechend dem Gedanken der anlagen- und betriebsbezogene Typisierung dort ebenfalls voraus, dass damit das Emissionsverhalten jedes einzelnen Betriebes und jeder einzelnen Anlage in dem betreffenden Gebiet verbindlich geregelt wird.

7

Die in § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.] eröffnete Möglichkeit, Baugebiete nach den besonderen "Eigenschaften" von Betrieben und Anlagen zu gliedern, findet nach der ausdrücklichen Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 [X.] bei der Festsetzung von [X.] zwar keine Anwendung. Andererseits bestimmt § 1 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 [X.], dass nach den §§ 10 und 11 [X.] besondere Festsetzungen über die "Art der Nutzung" getroffen werden können. Mit dieser Vorschrift wollte der Verordnungsgeber "in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht klarstellen, dass besondere Festsetzungen, wie sie für die Baugebiete nach den §§ 2 bis 9 in § 1 Abs. 4 bis 10 gelten, in [X.] aufgrund der §§ 10 und 11 erfolgen" ([X.] 354/89 S. 40). Angesichts dieses klar formulierten Willens steht außer Frage, dass hierunter auch Festsetzungen nach dem Vorbild des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.] fallen (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013 - BVerwG 4 CN 7.12 - juris Rn. 16 zu § 1 Abs. 10 [X.]), auch wenn § 11 Abs. 2 Satz 1 [X.] nicht ausdrücklich zur Gliederung nach den besonderen "Eigenschaften" von Betrieben und Anlagen, sondern nur zur Festsetzung der "Art der Nutzung" ermächtigt.

8

Dass der planenden Gemeinde die Festsetzung von [X.]n, die sich auf mehrere im Plangebiet ansässige Betriebe oder Anlagen beziehen, auch im Sondergebiet verwehrt ist, hat der [X.] bereits entschieden (Beschluss vom 10. August 1993 - BVerwG 4 NB 2.93 - [X.] 406.12 § 1 [X.] Nr. 18 S. 43; vgl. auch Urteil vom 3. April 2008 a.a.[X.] m.w.N. zur Unzulässigkeit vorhabenunabhängiger Verkaufsflächenobergrenzen). § 11 Abs. 2 Satz 1 [X.] setzt die anlagen- und betriebsbezogene Typisierung, die den §§ 2 bis 10 [X.] zugrunde liegt, fort (Urteil vom 3. April 2008 a.a.[X.]). Auch auf der Grundlage des § 11 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist die Festsetzung [X.]r flächenbezogener Schallleistungspegel deshalb nur zulässig, wenn diese das Emissionsverhalten jedes einzelnen von der Festsetzung betroffenen Betriebes und jeder einzelnen Anlage verbindlich regeln. [X.] können gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 [X.] im Sondergebiet mithin ebenso wenig festgesetzt werden wie gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.] in den Baugebieten nach §§ 4 bis 9 [X.]. Auf der Grundlage seiner Feststellung, dass die festgesetzten Lärmemissionskontingente zum Teil über die [X.] hinausragten und deshalb das Emissionsverhalten von Betrieben nicht definierten, ist das Oberverwaltungsgericht deshalb zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kontingente mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig und unwirksam sind. Auf die weitere Begründung, die Kontingente würden ohne erkennbaren städtebaulichen Grund auf die [X.] keine Rücksicht nehmen, kommt es deshalb nicht mehr an.

9

Offenbleiben kann vorliegend auch, ob eine grenzüberschreitende Lärmemissionskontingentierung ausnahmsweise dann auf § 11 Abs. 2 Satz 1 [X.] gestützt werden kann, wenn nach den Festsetzungen des Bebauungsplans auf den betreffenden Flächen nur ein einziger Betrieb oder eine einzige Anlage zulässig ist (vgl. Urteile vom 24. März 2010 - BVerwG 4 CN 3.09 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 178 Rn. 24 und vom 3. April 2008 a.a.[X.], jeweils zur Kontingentierung von Verkaufsflächen). Denn hiervon ist das Oberverwaltungsgericht nicht ausgegangen. Es hat im Gegenteil ausdrücklich festgestellt, dass in den drei [X.] - SO 1 "Möbelhandel - Möbelhaus", [X.] "Möbelhandel - Möbeldiscounter" und [X.] "Gartencenter" - drei selbständige Nutzungen zugelassen seien, deren einheitliche Verwirklichung planungsrechtlich nicht zwingend sei.

Sollte die allgemein formulierte Frage, ob Lärmemissionskontingente "stets" die Grenzen der jeweiligen Sondergebiete nachvollziehen müssen, schließlich dahin zu verstehen sein, dass die Beschwerde auch geklärt wissen möchte, ob die [X.] gegebenenfalls auch unterschritten werden dürfen, wäre diese Frage nicht entscheidungserheblich. Denn die festgesetzten Kontingente überschreiten nach den Feststellungen des [X.] die [X.] zumindest teilweise und bleiben nicht hinter diesen zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 10/13

02.10.2013

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 9. November 2012, Az: 2 D 63/11.NE, Urteil

§ 1 Abs 4 S 1 Nr 2 BauNVO, § 4 BauNVO, § 5 BauNVO, § 6 BauNVO, § 7 BauNVO, § 8 BauNVO, § 9 BauNVO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.10.2013, Az. 4 BN 10/13 (REWIS RS 2013, 2291)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2291

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

22 ZB 18.893

15 N 12.2636

2 K 1905/16

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