Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.09.2020, Az. I R 80/16

1. Senat | REWIS RS 2020, 3386

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Gegenstand

Kein Veranlagungswahlrecht für Lohneinkünfte eines beschränkt steuerpflichtigen US-Amerikaners


Leitsatz

1. Einem in Deutschland beschränkt steuerpflichtigen US-amerikanischen Staatsangehörigen steht das Veranlagungswahlrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b i.V.m. Satz 7 EStG auch dann nicht zu, wenn er in einem EU- oder EWR-Staat (hier: Niederlande) wohnt. Aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 DBA-USA 1989/2008 ergibt sich insoweit kein Anspruch auf Gleichbehandlung mit einem beschränkt steuerpflichtigen deutschen Staatsangehörigen.

2. Im Rahmen der Prüfung der "gleichen Verhältnisse" i.S. von Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA-USA 1989/2008 sind nicht nur die tatsächlichen Umstände, sondern auch die rechtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, die für die jeweilige Besteuerung maßgeblich sind. Im Fall des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG sind dies die auf Unionsrecht (Arbeitnehmerfreizügigkeit) beruhende Verpflichtung Deutschlands zur Schaffung des Veranlagungswahlrechts und die Begrenzung der unionsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit auf Staatsangehörige der Mitgliedstaaten.

3. Eine abkommensdurchbrechende Wirkung eines Gesetzes ("Treaty override") kann nur angenommen werden, wenn der Wille zur Abkommensüberschreibung im Wortlaut der Norm zum Ausdruck kommt oder durch Auslegung zweifelsfrei zu ermitteln ist. Eine Rangfolge zwischen Normen des innerstaatlichen Steuerrechts und des Abkommensrechts kann daher nicht allein an der zeitlichen Reihenfolge ihres jeweiligen Inkrafttretens festgemacht werden.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 07.06.2016 - 6 K 1213/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Staatsangehöriger der [[X.].] ([[X.].]) und hatte im Streitjahr (2012) seinen alleinigen Wohnsitz in den [[X.].]; im Inland hatte er nach den vorinstanzlichen Feststellungen weder Wohnsitz noch dauernden Aufenthalt.

2

Vom 13.10. bis 31.12. 2012 erzielte der Kläger als Opernsänger in [X.] Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von … €, die sich wie folgt zusammensetzen:

Honorare als Opernsänger

… €

Erstattung von Fahrtkosten

… €

Vermittlungsprovision Künstleragentur ([X.])      

… €

Altersvorsorgeaufwendungen ([X.]) [X.]

… €

Steuerpflichtiger Bruttolohn

… €

3

Der Arbeitgeber des [X.] führte an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) Lohnsteuer in Höhe von … € sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von … € ab. Der Lohnsteuerabzug erfolgte nach Maßgabe des Schreibens des [X.] ([X.]) vom [X.] (BStBl I 2002, 707) zur Besteuerung der Einkünfte bei beschränkt einkommensteuerpflichtigen Künstlern pauschal mit einem Steuersatz von 25 %.

4

Im Februar/März 2014 beantragte der Kläger beim [X.] die Durchführung einer Veranlagung für beschränkt steuerpflichtige Personen. Darin erklärte er Einkünfte, die nicht der [X.] Einkommensteuer unterliegen, in Höhe von … € und Werbungskosten im Zusammenhang mit seinen inländischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von zusammen … €, die sich wie folgt zusammensetzen:

Kosten für Aufenthaltserlaubnis

… €

Vermittlungsprovision Künstleragentur      

… €

doppelte Haushaltsführung

… €

Kontoführungsgebühren

… €

5

Das [X.] lehnte den Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer ab. Die Regelung des § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) zur Veranlagung beschränkt Steuerpflichtiger finde nach Maßgabe von § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG auf den Kläger keine Anwendung, weil dieser weder Angehöriger eines Mitgliedstaats der [X.] ([X.]) noch eines anderen Staats sei, auf den das Abkommen über den [X.] (EWR) Anwendung finde.

6

Der Kläger beruft sich demgegenüber insbesondere auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 24 des Abkommens zwischen der [X.] und den [[X.].] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29.08.1989 i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung vom 04.06.2008 ([X.], 612, [X.], 784) --DBA-[[X.].] 1989/2008--.

7

Die Klage blieb jedoch ohne Erfolg; das Finanzgericht ([X.]) [X.] hat sie mit Urteil vom 07.06.2016 - 6 K 1213/14 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2016, 1980), berichtigt durch Senatsbeschluss vom 03.09.2020 - I R 80/16, als unbegründet abgewiesen.

8

Hiergegen richtet sich die auf Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des [X.].

9

Der Kläger beantragt, das [X.]-Urteil sowie den Ablehnungsbescheid des [X.] aufzuheben und das [X.] zu verpflichten, den Kläger als beschränkt steuerpflichtig unter Berücksichtigung eines Bruttolohns von … €, Werbungskosten von … € sowie Altersvorsorgeaufwendungen von … € und weiteren … € als Sonderausgaben zu veranlagen.

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Während des Revisionsverfahrens ist das [X.] dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) beigetreten. Es unterstützt in der Sache die Rechtsauffassung des [X.], stellt jedoch keinen förmlichen Antrag.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass der Kläger mit seinen inländischen [X.]n nicht zur Einkommensteuer zu veranlagen ist. Der Lohnsteuerabzug hat abgeltende Wirkung.

1. Da der Kläger im Streitjahr weder Wohnsitz noch ständigen Aufenthalt im Inland gehabt hat, ist er in der [X.] ([X.]) gemäß § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG mit seinen Einkünften aus im Inland verrichteter nichtselbständiger Arbeit beschränkt steuerpflichtig.

2. Gemäß § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG gilt die Einkommensteuer u.a. für Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterliegen, bei beschränkt Steuerpflichtigen durch den Steuerabzug als abgegolten. Die [X.] des [X.] greift zwar nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b EStG u.a. dann nicht, wenn die Veranlagung zur Einkommensteuer beantragt wird. § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG bestimmt aber wiederum, dass das vorgenannte Veranlagungswahlrecht nur für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der [X.] oder eines anderen Staates gilt, auf den das EWR-Abkommen Anwendung findet, die im Hoheitsgebiet eines dieser [X.] ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG sind im Streitfall nicht gegeben; der Lohnsteuerabzug entfaltet damit abgeltende Wirkung. Der Kläger hatte zwar im Streitjahr seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der [X.] ([X.]); jedoch war er Staatsangehöriger der [X.] und nicht (auch) Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der [X.] oder eines anderen Staates, auf den das EWR-Abkommen anwendbar ist.

3. Aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 [X.]-[X.] 1989/2008 lässt sich ein Anspruch des [X.] auf Veranlagung wie ein beschränkt steuerpflichtiger [X.] Staatsangehöriger --der wegen der [X.]-Mitgliedschaft [X.]s zu dem von § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG privilegierten Personenkreis gehört-- nicht ableiten. Gemäß Art. 24 Abs. 1 [X.]-[X.] 1989/2008 dürfen Staatsangehörige eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen Staatsangehörige des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen unterworfen sind oder unterworfen werden können (Satz 1). Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift ungeachtet des Art. 1 [X.]-[X.] 1989/2008 auch für Personen, die in keinem Vertragsstaat ansässig sind.

a) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz wird die Anwendbarkeit des Art. 24 [X.]-[X.] 1989/2008 allerdings nicht durch § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG ausgeschlossen. § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG kommt eine abkommensdurchbrechende Wirkung ("Treaty override") im Hinblick auf die abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbote nicht zu.

aa) Nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) ist der Gesetzgeber nicht von [X.] wegen gehindert, unter Verstoß gegen das [X.] von Regelungen eines in das innerstaatliche Recht überführten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ([X.]) abzuweichen ([X.]-Beschluss vom 15.12.2015 - 2 BvL 1/12, [X.]E 141, 1). Ob einer Gesetzesbestimmung die Wirkung beikommt, [X.]-Regelungen zu durchbrechen, ist durch Auslegung der betreffenden Norm zu ermitteln und mithin keine verfassungsrechtliche, sondern eine einfachrechtliche Frage, deren Prüfung den Fachgerichten obliegt.

bb) Eine abkommensdurchbrechende Wirkung eines Gesetzes kann nur angenommen werden, wenn der Wille zur Abkommensüberschreibung im Wortlaut der Norm zum Ausdruck kommt (z.B. durch eine Formulierung wie "ungeachtet des Abkommens", vgl. z.B. § 50d Abs. 1 Satz 1, Abs. 8 Satz 1, Abs. 9 Satz 1, Abs. 10 Satz 3, Abs. 11 Satz 1 EStG) oder durch Auslegung zweifelsfrei zu ermitteln ist (vgl. Senatsurteile vom 13.07.1994 - I R 120/93, [X.], 351, [X.] 1995, 129; vom 20.03.2002 - I R 38/00, [X.], 514, [X.] 2002, 819; vom 14.01.2009 - I R 47/08, [X.], 126, [X.] 2011, 131; vom 25.05.2016 - I R 64/13, [X.], 33, [X.] 2017, 1185; Senatsbeschluss vom 17.05.1995 - I B 183/94, [X.], 59, [X.] 1995, 781; [X.] in Tipke/[X.], § 2 [X.] Rz 6b; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 2 [X.] Rz 207; Oellerich in [X.], [X.] § 2 Rz 75; [X.], Internationales Steuerrecht, 4. Aufl., Rz 3.24; [X.]/Gersch, [X.], 14. Aufl., § 2 Rz 3; [X.], [X.], 2221, 2226). Diese Anforderungen tragen dem Bedeutungsgehalt von § 2 Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.]) Rechnung. Dieser Bestimmung zufolge gehen Verträge mit anderen [X.] [X.]. 59 des Grundgesetzes (GG) über die Besteuerung --mithin auch [X.]--, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den Steuergesetzen vor. Damit soll erreicht werden, dass die völkerrechtlichen Verträge vor einem unbeabsichtigten Überschreiben durch spätere Steuergesetze geschützt sind ([X.], ebenda; vgl. auch BTDrucks 7/4292, S. 15).

cc) Nach diesen Maßgaben kann § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG keine abkommensdurchbrechende Wirkung beigemessen werden (ebenso [X.], Internationales Steuerrecht --[X.]-- 2017, 289, 293 f.; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., Art. 24 [X.] Rz 69). Der Norm ist weder aufgrund ihres Wortlauts noch nach ihrem Sinn und Zweck ein zweifelsfreier Bezug zur [X.] und insbesondere den abkommensrechtlichen Diskriminierungsverboten zu entnehmen.

[X.]) Das Veranlagungswahlrecht für [X.] beschränkt steuerpflichtiger Staatsangehöriger von [X.]- und EWR-[X.] wurde mit dem Jahressteuergesetz 1996 ([X.] 1996) vom 11.10.1995 ([X.] 1995, 1250, [X.], 438) eingeführt (§ 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 EStG i.d.F. des [X.] 1996). Dazu heißt es in der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des [X.] (BTDrucks 13/1558, S. 158), es werde damit der dritte Leitsatz des [X.] des [X.] (heute [X.]) --EuGH-- vom [X.] - [X.]/93 ([X.]:[X.], Slg. 1995, [X.]) umgesetzt. Diesem zufolge hätten beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer, die "[X.]-Bürger" seien und im [X.]-Ausland wohnten, einen Anspruch auf eine Veranlagung zur Einkommensteuer. Die für das Streitjahr anzuwendende Fassung des § 50 EStG beruht auf der Neuregelung durch das Jahressteuergesetz 2009 ([X.] 2009) vom 19.12.2008 ([X.] 2008, 2794, [X.], 74). In der Begründung des Entwurfs des [X.] 2009 wird ausgeführt, die Neuregelung des § 50 EStG trage zu wesentlichen Teilen europarechtlichen Bedenken an der Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger Rechnung; die Zahl der Ausnahmen von der [X.] werde erweitert (BTDrucks 16/10189, S. 59).

bbb) Demnach handelt sich bei § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG um eine Begünstigungsvorschrift für beschränkt steuerpflichtige Staatsangehörige von [X.]- und EWR-[X.] (einschließlich [X.] Staatsangehöriger), denen im Hinblick u.a. auf [X.] ein Veranlagungswahlrecht eröffnet wird. Ein Veranlagungswahlrecht für Staatsangehörige von [X.]en gewährt die Regelung ausdrücklich nicht ("nur"). Letzteres lässt indessen keinen zweifelsfreien Schluss darauf zu, dass der Gesetzgeber dabei [X.] im Blick gehabt und Angehörige von [X.]en auch für den Fall von der Begünstigung hat ausschließen wollen, dass [X.] sich im Rahmen eines [X.] mit dem betreffenden [X.] verpflichtet hat, die Begünstigung auf dessen Staatsangehörige zu erstrecken.

dd) Das [X.] hat die von ihm angenommene Nachrangigkeit des Art. 24 [X.]-[X.] 1989/2008 denn auch nicht mit einem auf Abkommensüberschreibung gerichteten Gesetzeszweck des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG, sondern damit begründet, dass die auf das [X.] 1996 zurückgehende Bestimmung des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG im Vergleich zu Art. 24 [X.]-[X.] 1989/2008 die "jüngere" und speziellere Regelung sei; sie verdränge Art. 24 [X.]-[X.] 1989/2008 daher nach dem Grundsatz "lex posterior derogat legi priori". Dem ist jedoch nicht zu folgen.

Bei der Anwendung des "lex posterior"-Grundsatzes im Verhältnis zwischen den Normen des innerstaatlichen Steuerrechts einerseits und des [X.]s andererseits ist zu beachten, dass das [X.] von seiner Grundfunktion her darauf angelegt ist, die nach innerstaatlichem Recht bestehenden Besteuerungsansprüche zu beschränken oder auszuschließen (vgl. [X.], [X.] 2017, 289, 292). Aus diesem Grund kann eine Rangfolge zwischen Normen des innerstaatlichen Steuerrechts und des [X.]s nicht allein an der zeitlichen Reihenfolge ihres jeweiligen Inkrafttretens festgemacht werden (vgl. Senatsurteil in [X.], 33, [X.] 2017, 1185, nach dem ein zeitlich älteres "Treaty override" Vorrang vor einer jüngeren Abkommensbestimmung haben kann). Vielmehr muss für eine Abkommensüberschreibung --wie oben ausgeführt-- der gesetzgeberische Wille erkennbar sein, mit einer Norm des innerstaatlichen Steuerrechts gegenläufige abkommensrechtliche Regelungen gegebenenfalls überschreiben zu wollen.

b) Indes sind in der Konstellation des Streitfalls nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 [X.]-[X.] 1989/2008 gegeben.

aa) Zwar hätte ein Staatsangehöriger der [X.], der im Inland [X.] bezieht, hier jedoch weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt hat, sondern in den [X.]n wohnt, nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. [X.]. Satz 7 EStG das Recht, die [X.] des [X.] durch einen Antrag auf Veranlagung abzuwenden. Der Kläger wird anders (belastender) behandelt, weil er weder die [X.] noch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats der [X.] oder eines [X.] innehat. Somit liegt eine an dessen Staatsbürgerschaft anknüpfende Ungleichbehandlung des [X.] im Vergleich zu einem beschränkt steuerpflichtigen [X.]n Staatsangehörigen vor.

bb) Der Anspruch auf steuerliche Gleichbehandlung mit dem gedachten Staatsangehörigen des Anwenderstaats setzt gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 [X.]-[X.] 1989/2008 aber zusätzlich voraus, dass sich der Angehörige des anderen Vertragsstaats und die hypothetische inländische Vergleichsperson in "gleichen Verhältnissen" befinden. Eine ungleiche Besteuerung [X.] Staatsangehöriger bleibt hingegen erlaubt, wenn sie sich aus Gründen ergibt, die außerhalb gleicher Verhältnisse liegen (vgl. Senatsurteil vom 14.03.1989 - I R 20/87, [X.], 77, [X.] 1989, 649 zum vergleichbaren Diskriminierungsverbot in dem mit den [X.]n bestehenden [X.]). Im Streitfall fehlt es an den gleichen Verhältnissen i.S. von Art. 24 Abs. 1 Satz 1 [X.]-[X.] 1989/2008, weil die Eröffnung des Veranlagungswahlrechts für beschränkt steuerpflichtige Lohnempfänger durch [X.] der unionsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit geschuldet ist, die nicht für [X.] Staatsangehörige gilt. Der vom [X.] (in Anlehnung an [X.]/[X.]/[X.], Meistbegünstigung im Steuerrecht der [X.]-[X.], [X.] Schriften zum [X.], Heft 26 [2006], S. 77, 90 ff.; derselbe in [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., Art. 24 Rz 53) vorgenommenen teleologischen Reduktion des Art. 24 Abs. 1 [X.]-[X.] 1989/2008 bedarf es daher nicht.

[X.]) Vor den Änderungen des [X.] 1996 bestand auch für [X.] Staatsangehörige, die aus dem Inland [X.] bezogen, hier aber weder Wohnsitz noch ständigen Aufenthalt hatten, kein Recht auf Veranlagung zur Einkommensteuer. Der Grund für die Einführung des Veranlagungswahlrechts für [X.] beschränkt steuerpflichtiger Staatsangehöriger von [X.]- und EWR-[X.] durch das [X.] 1996 war ausweislich der Gesetzesmaterialien (BTDrucks 13/1558, S. 158) --wie oben ausgeführt-- das EuGH-Urteil Schumacker ([X.]:[X.], Slg. 1995, [X.]). Diesem zufolge verstößt die Regelung eines [X.]-Mitgliedstaats, die die Einkommensteuerveranlagung nur für Gebietsansässige vorsieht, sie aber natürlichen Personen verweigert, die im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen, dort jedoch weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, gegen die Grundfreiheit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 48 des [X.] [X.] i.d.F. des [X.] über die [X.] [Amtsblatt der [X.]en 1992, Nr. [X.] 191,1], jetzt Art. 45 des [X.] Arbeitsweise der [X.] i.d.[X.] zur Änderung des [X.] [X.] und des [X.] [X.] [Amtsblatt der [X.] 2008, Nr. [X.] 115, 47] --A[X.]V--).

Das Recht der Freizügigkeit der Arbeitnehmer steht nach allgemeiner Auffassung allen Personen zu, die Staatsangehörige eines [X.]-Mitgliedstaats sind und gilt mithin nicht für Staatsangehörige von [X.]en wie den Kläger (vgl. [X.] vom 05.07.1984 - 238/83, [X.]:[X.]:1984:250, Slg. 1984, 2631; [X.] vom 29.10.1998 - [X.]-230/97, [X.]:[X.]:1998:521, Slg. 1998, [X.]; [X.] in [X.], [X.]V/A[X.]V, 3. Aufl., Art. 45 A[X.]V Rz 37, 41; [X.] in [X.]/Hilf/[X.], Das Recht der [X.], Art. 45 A[X.]V Rz 15; [X.] in [X.]alliess/[X.], [X.]V/A[X.]V, 5. Aufl., Art. 45 A[X.]V Rz 25).

bbb) Der Umstand, dass die Einführung des Veranlagungswahlrechts für beschränkt steuerpflichtige Lohnempfänger auf einer unionsrechtlichen Verpflichtung [X.]s beruht und der Kläger --anders als ein in [X.] beschränkt steuerpflichtiger [X.] [X.] nicht in den Schutzbereich der unionsrechtlichen Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit fällt, ist im Rahmen der Vergleichbarkeitsprüfung nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 [X.]-[X.] 1989/2008 zu berücksichtigen (ebenso [X.] in [X.]/[X.], a.a.[X.], Art. 24 [X.] Rz 69; ähnlich [X.] in [X.]/[X.]/Grotherr/[X.], [X.], Art. 24 [X.] Rz 45; a.A. [X.], [X.] 2017, 289, 295 ff., sowie --im Ergebnis-- [X.] in [X.], Doppelbesteuerung, Festgabe zum 75. Geburtstag von Franz [X.], 2015, S. 121, 125 Rz 11; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 50 EStG Rz 340; [X.] in [X.], EStG, 19. Aufl., § 50 Rz 24; [X.]/[X.], § 50 EStG Rz 82; [X.]/[X.], EStG, 39. Aufl., § 50 Rz 41; [X.]. Loose in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 50 Rz 41).

Denn das Erfordernis der gleichen Verhältnisse betrifft nicht nur die rein tatsächlichen Umstände, sondern bezieht auch die rechtlichen Verhältnisse mit ein, die für die jeweilige Besteuerung maßgeblich sind ([X.]/Schwenke in [X.], [X.] Art. 24 Rz 22; [X.] in [X.], [X.] Art. 24 Rz 36; Rust in [X.]/[X.], a.a.[X.], Art. 24 Rz 59; [X.] in [X.]/[X.], a.a.[X.], Art. 24 [X.] Rz 57 f.; [X.] in [X.]/[X.]/Grotherr/[X.], a.a.[X.], Art. 24 [X.] Rz 51). Auch nach § 1 Nr. 7 des [X.] ([X.]) der Organisation for Economic [X.]ooperation and Development (OE[X.]D) zu Art. 24 Abs. 1 des OE[X.]D-Musterabkommens --[X.]-- (i.d.F. vom 23.07.1992, umnummeriert am 18.07.2008, abgedruckt in [X.], [X.] Art. 24 [X.] Nr. 7), bezieht sich der Ausdruck "unter den gleichen Verhältnissen" ("in the same circumstances") in Art. 24 Abs. 1 Satz 1 [X.] --der im Wesentlichen Art. 24 Abs. 1 Satz 1 [X.]-[X.] 1989/2008 entspricht-- auf Steuerpflichtige, die sich im Hinblick auf die Anwendung der allgemeinen Steuergesetze und -vorschriften in rechtlich und faktisch ("both in law and in fact") im Wesentlichen ähnlichen Situationen befinden. Soweit das Senatsurteil in [X.], 77, [X.] 1989, 649 dahin verstanden wird, es dürften im Rahmen der Vergleichbarkeitsprüfung ausschließlich tatsächliche, nicht aber rechtliche Umstände berücksichtigt werden (z.B. [X.] in [X.]/[X.], a.a.[X.], Art. 24 [X.] Rz 57, Fußnote 6), hält der Senat daran nicht fest.

4. Aus Art. XI Abs. 3 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags vom 29.10.1954 zwischen der [X.] und den Vereinigten [X.] von Amerika --Freundschaftsvertrag-- ([X.]I 1956, 488) kann der Kläger im Hinblick auf § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit einem Staatsangehörigen eines [X.]/[X.] ableiten. Danach unterliegen die Staatsangehörigen und Gesellschaften eines Vertragsteils in dem Gebiet des anderen Vertragsteils hinsichtlich der Zahlung von Steuern, Gebühren oder Abgaben, die auf Einkommen, Kapital, Umsatz, Betätigungen oder andere Steuergegenstände erhoben werden, oder hinsichtlich ihrer Erhebung und Einziehung keinesfalls einer stärkeren Belastung als unter gleichartigen Voraussetzungen die Staatsangehörigen, Einwohner (residents) und Gesellschaften irgendeines dritten Landes.

Der Anwendung dieser Regelung auf den Streitfall steht bereits entgegen, dass nach Art. 1 Abs. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb [X.]-[X.] 1989/2008 die Bestimmungen eines anderen Abkommens nur dann für eine Besteuerungsmaßnahme gelten, wenn die zuständigen Behörden übereinkommen, dass die Maßnahme nicht in den Geltungsbereich von Art. 24 (Gleichbehandlung) [X.]-[X.] 1989/2008 fällt. Demnach bildet Art. 24 [X.]-[X.] 1989/2008 im Verhältnis der Vertragsstaaten untereinander die einzige Rechtsgrundlage für die Geltendmachung von Ansprüchen auf diskriminierungsfreie Behandlung im Anwendungsbereich des [X.]-[X.] 1989/2008 ([X.] in [X.], [X.] Art. 24 Rz 6; [X.] in [X.], [X.] Art. 1 Rz 32; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/Grotherr/[X.], a.a.[X.], Art. 1 [X.]-[X.] Rz 37).

Im Übrigen werden die Regelungen des Art. XI Abs. 1 bis 4 des [X.] gemäß Abs. 5 Buchst. a dieser Bestimmung insoweit eingeschränkt, als jeder Vertragsteil sich das Recht vorbehält, bestimmte Steuervorteile auf der Grundlage der Gegenseitigkeit einzuräumen. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 30.03.2011 - I R 63/10, [X.], 198, [X.] 2011, 747, und vom 19.07.2017 - I R 87/15, [X.], 435, [X.] 2020, 237) handelt es sich bei den im Unionsrecht verankerten Grundfreiheiten --mithin auch bei der hier in Rede stehenden Arbeitnehmerfreizügigkeit, die mit der Regelung des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG verwirklicht werden soll-- um "Steuervorteile auf der Grundlage der Gegenseitigkeit" [X.]. XI Abs. 5 Buchst. a des [X.].

5. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich der Kläger für sein Begehren überdies auf das in Art. 26 des [X.] vom 19.12.1966 über bürgerliche und politische Rechte ([X.]I 1973, 1533) niedergelegte Diskriminierungsverbot gestützt. Nach dessen Satz 1 sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich und haben ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz; nach Satz 2 der Bestimmung hat das Gesetz allen Menschen wirksamen Schutz gegen jede Diskriminierung, u.a. wegen der nationalen Herkunft, zu gewährleisten. Aus der zuvor geschilderten, von den Vertragsstaaten in Art. 1 Abs. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb [X.]-[X.] 1989/2008 vereinbarten ausschließenden Wirkung des Art. 24 [X.]-[X.] 1989/2008 gegenüber anderen (bi- oder multilateralen, vgl. [X.] in [X.], [X.] Art. 24 Rz 6) Abkommen ergibt sich indessen, dass aus dem [X.] über bürgerliche und politische Rechte im Hinblick auf das Veranlagungswahlrecht nach § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG kein Anspruch des [X.] auf steuerliche Gleichbehandlung mit [X.]n Staatsangehörigen oder mit Staatsangehörigen von [X.]/EWR-[X.] abgeleitet werden kann.

6. Schließlich liegen im Streitfall nicht die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Entscheidung des [X.] über die [X.]mäßigkeit des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG vor (Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 13 Nr. 1 des Gesetzes über das [X.]). Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass der Ausschluss der [X.]sangehörigen vom Veranlagungswahlrecht nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b EStG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt (vgl. auch [X.]/[X.], § 50 EStG Rz 82; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 50 Rz 41; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 50 Rz 24). Der Gesetzgeber ist unter dem Aspekt der Gleichbehandlung nicht gehalten, bei der Verankerung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten im nationalen Recht über die Vorgaben des Unionsrechts hinauszugehen und die in den Grundfreiheiten wurzelnden steuerlichen Begünstigungen auf Personen auszudehnen, die nicht in den Schutzbereich der jeweiligen Grundfreiheit fallen. Das Unionsrecht bietet somit im Fall des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG einen hinreichenden sachlichen Grund für die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit.

Auch soweit der Kläger --abseits der [X.] die [X.] des [X.] bei beschränkt Steuerpflichtigen unter dem Aspekt der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit prinzipiell infrage stellt, hält der Senat einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht für gegeben (ebenso --zu § 1 der vormaligen Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich-- Urteil des [X.] vom 14.02.1975 - VI R 210/72, [X.], 319, [X.] 1975, 497, bestätigt durch [X.]-Beschluss vom 05.09.1975 - 1 BvR 219/75, [X.] 1975, 540). Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere, dass Werbungskosten, Sonderausgaben und sonstige Ausgaben grundsätzlich durch Geltendmachung entsprechender Lohnsteuerfreibeträge vom Lohnsteuerabzug ausgenommen werden können (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 50 EStG Rz 121).

7. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I R 80/16

03.09.2020

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 7. Juni 2016, Az: 6 K 1213/14, Urteil

§ 50 Abs 2 S 2 Nr 4 Buchst b EStG 2009, § 50 Abs 2 S 7 EStG 2009, Art 24 Abs 1 S 1 DBA USA 1989/2008, § 2 AO, § 1 Abs 4 EStG 2009, § 49 Abs 1 Nr 4 Buchst a EStG 2009, EStG VZ 2012, Art 45 AEUV, Art 24 Abs 1 S 1 OECDMustAbk, Art 11 Abs 3 FreundschVtr USA, Art 1 Abs 3 Buchst a DBuchst bb DBA USA 1989/2008, Art 3 Abs 1 GG, Art 26 BürgPoRPakt, Art 100 Abs 1 GG, Art 24 Abs 1 S 1 OECD-MA

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.09.2020, Az. I R 80/16 (REWIS RS 2020, 3386)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3386

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