Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.10.2013, Az. XII ZB 176/12

12. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1926

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Gegenstand

Versorgungsausgleich: Anwendung des Verwirkungseinwandes unter tunesischen Ehegatten in Ansehung der kollisionsrechtlichen Härteklausel; Ausschlussgrund eines groben persönlichen Fehlverhaltens eines Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft


Leitsatz

1. Die Härteklausel des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz EGBGB steht einer Anwendung des Verwirkungseinwandes als eigenständigem Rechtsinstitut entgegen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 17. Januar 2007, XII ZB 168/01, FamRZ 2007, 996).

2. Das persönliche Fehlverhalten eines Ehegatten in der Zeit nach der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft rechtfertigt den Ausschluss des Versorgungsausgleichs, der die verfassungsrechtlich geschützte Teilhabe an dem während der Ehe gemeinsam geschaffenen Versorgungsvermögen gewährleisten soll, nur ausnahmsweise und nur dann, wenn das Fehlverhalten besonders krass ist oder sonst unter den Ehepartnern besonders belastenden Umständen geschieht und die Durchführung des Versorgungsausgleichs unerträglich erscheint (im Anschluss an Senatsurteil vom 28. März 1984, IVb ZR 64/82, FamRZ 1984, 662).

Tenor

Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird abgelehnt.

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Familiensenats des [X.] in [X.] vom 23. Februar 2012 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

[X.]: bis 2.000 €

Gründe

I.

1

Das Verfahren betrifft die nachträgliche Durchführung eines Versorgungsausgleichs unter regelwidriger Anwendung des [X.] Rechts (Art. 17 Abs. 3 EGBGB).

2

Die Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) und der Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) hatten am 27. Oktober 1979 in [X.] miteinander ihre Ehe geschlossen, aus der drei mittlerweile volljährige Kinder hervorgegangen sind. Während ihrer Ehe lebten die Ehegatten, die damals die [X.] Staatsangehörigkeit besaßen, in [X.]. Am 13. Februar 1992 wurde die Ehe in [X.] auf einen am 7. Oktober 1991 zugestellten Scheidungsantrag nach [X.]m Recht geschieden. Mit der Scheidung wurde der Ehemann zur Zahlung eines Unterhalts in monatlicher Höhe von 80 [X.]n Dinar (seinerzeit rund 67 €) sowie zu einer Einmalzahlung in Höhe von 2.500 [X.]n Dinar (seinerzeit [richtig:] rund 2.109 €) als Schadenersatz zum Ausgleich immaterieller Schäden an die Ehefrau verurteilt. Ein Versorgungsausgleich wurde nicht durchgeführt.

3

Nach der Scheidung erwarben beide Ehegatten die [X.] Staatsangehörigkeit. [X.] veröffentlichte die Ehefrau unter einem Pseudonym ein mit Unterstützung einer Journalistin verfasstes Buch, in dem sie im Stil einer Autobiographie ihre zwölfjährige Ehe mit dem Ehemann als Zwangsehe beschreibt, in deren Verlauf der Ehemann ihr die Kinder entzogen und sie laufend misshandelt und vergewaltigt habe. Für ihre schriftstellerische Tätigkeit erhielt die Ehefrau in den Jahren zwischen 2007 und 2009 Autorenhonorare in Gesamthöhe von rund 50.000 €, die sie nicht versteuert hat. Im November 2009 wurde über das Vermögen der Ehefrau das Insolvenzverfahren eröffnet.

4

Den im August 2006 bei Gericht angebrachten Antrag der Ehefrau auf nachträgliche Durchführung des Versorgungsausgleichs hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 4. Mai 2011 zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das [X.] den Versorgungsausgleich durchgeführt und Anrechte der Ehefrau bei der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege interner Teilung mit einem Ausgleichswert von 1,7334 Entgeltpunkten zugunsten des Ehemanns ausgeglichen. Umgekehrt hat es im Wege interner Teilung Anrechte des Ehemanns bei der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ausgleichswert von 7,1952 Entgeltpunkten sowie Anrechte der betrieblichen Altersversorgung mit einem Ausgleichswert von 11.184 € zugunsten der Ehefrau ausgeglichen.

5

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Ehemann die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

II.

6

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

7

Auf das Verfahren ist wegen Art. 111 Abs. 5 [X.] das seit dem 1. September 2009 geltende Verfahrensrecht anzuwenden, weil das Verfahren zwar vor dem 1. September 2009 eingeleitet worden ist, aber bis zum 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung ergangen war.

8

1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt aus Billigkeitsgründen ausgeschlossen sei, und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

9

Bei der Billigkeitsabwägung nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 EGBGB (aF) sei ein umfassender Vergleich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten vorzunehmen. Dabei sei die Billigkeitsprüfung nicht auf die [X.] bis zur Beendigung der Ehe beschränkt; vielmehr könnten auch Umstände berücksichtigt werden, die erst nach der Beendigung der Ehe eingetreten seien. Anhaltspunkte dafür, dass die Ehefrau über ein solches Vermögen verfügen könnte, dass sie nicht auf die anteiligen Versorgungsanrechte angewiesen wäre, seien nicht ersichtlich. Für die nicht näher substantiierte Behauptung des Ehemannes, wonach die Ehefrau seit 2008 Alleineigentümerin einer mit den Gewinnen aus ihrer Buchveröffentlichung finanzierten Eigentumswohnung in [X.] sei, ließen sich auch in den die Ehefrau betreffenden Insolvenzakten keine weiteren Anhaltspunkte finden. Die Ehefrau habe ihrerseits schlüssig vorgetragen, die Einkünfte aus der Buchveröffentlichung in die Ausbildung der gemeinsamen Kinder investiert zu haben. Im Übrigen seien die der Ehefrau 15 Jahre nach der Ehescheidung aus der Veröffentlichung ihres [X.] zugeflossenen Honorare ohnehin nicht so hoch, dass ihnen bei der Billigkeitsabwägung entscheidende Bedeutung zukäme.

Es könne deshalb auch dahinstehen, ob der Ehemann die ihm im Scheidungsurteil auferlegte Schadensersatzzahlung erfüllt habe. Bei dem ausgeurteilten Betrag, der bereits seiner Höhe nach keinen nennenswerten Beitrag zur Altersversorgung habe bieten können, habe es sich nach dem Wortlaut des Scheidungsurteils um einen Schadensersatz für moralischen Schaden und nicht um einen Beitrag zur Altersvorsorge gehandelt.

Auch die Härteklausel des neben dem Art. 17 Abs. 3 EGBGB zu prüfenden § 27 [X.] führe nicht zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Nach dem Prüfungsmaßstab des § 27 [X.] liege keine grobe Unbilligkeit vor, und zwar auch dann nicht, wenn die Schilderungen der Ehefrau über das Verhalten des Ehemanns während der Ehe tatsächlich unzutreffend sein sollten, wie es der Ehemann behaupte. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs könne zwar unbillig sein, wenn der [X.] ein Verbrechen oder ein schweres Vergehen zum Nachteil des [X.] begangen habe. Die Ehefrau habe sich aber, die Unrichtigkeit ihrer Schilderungen unterstellt, mit der Veröffentlichung ihres Buchs allenfalls einer Beleidigungstat im Sinne des vierzehnten Abschnitts des Strafgesetzbuchs (§§ 185 ff. [X.]) strafbar gemacht. Diese Tat weise jedoch keine solche Qualität auf, dass vor ihrem Hintergrund die Teilhabe der Ehefrau an den während der Ehe erwirtschafteten Versorgungsanrechten in einem unerträglichen Widerspruch zum Grundgedanken des Versorgungsausgleichs stünde. Entscheidend für diese Beurteilung sei, dass die Ehefrau durch die Verwendung eines Pseudonyms und die Veränderung ihrer persönlichen Daten eine eindeutige Zuordnung vermieden habe und eine Absicht, den Ehemann mit der Veröffentlichung des [X.] gezielt zu schaden, nicht ersichtlich sei. Das Buch vermittle vielmehr den Eindruck, einen literarischen Beitrag zur öffentlichen Diskussion über Zwangsehen leisten und diese öffentliche Debatte auch für den Erfolg des [X.] nutzen zu wollen. Die Behauptung des Ehemanns, er sei für die zahlenmäßig überschaubare "[X.] Community" in seiner Stadt eindeutig als der in dem Buch geschilderte Ehemann identifizierbar, lasse sich nur aus dem Umstand schlussfolgern, dass die Ehefrau auf dem Umschlag ihres [X.] abgebildet sei. Im Übrigen habe der Ehemann nach seinem eigenen Vorbringen selbst erst Jahre nach der Veröffentlichung von dem Buch Kenntnis erlangt.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.

a) Das Beschwerdegericht ist zutreffend von der Anwendbarkeit des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EGBGB aF (d.h. in der bis zum 28. Januar 2013 geltenden Fassung, vgl. Art. 229 § 28 Abs. 2 EGBGB) ausgegangen. Ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken begegnet die vom Beschwerdegericht nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz EGBGB aF vorgenommene Billigkeitsabwägung, wonach der Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten weder herabzusetzen noch auszuschließen ist.

Die in Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz EGBGB aF vorgesehene Billigkeitsprüfung dient nach den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. auch BT-Drucks. 10/5632 S. 42 f.) dazu, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute zu berücksichtigen und internationalen Elementen des [X.] zu tragen. Vor allem sollen unbillige Ergebnisse vermieden werden, die sich dadurch ergeben könnten, dass ein Ehegatte inländische Anwartschaften abgeben muss, während der andere Ehegatte bereits seiner Alterssicherung dienende Vermögenswerte im Ausland besitzt, an denen der [X.] nicht partizipieren kann (Senatsbeschlüsse vom 23. Februar 1994 - [X.] 39/93 - FamRZ 1994, 825, 826 und vom 17. Januar 2007 - [X.] 168/01 - FamRZ 2007, 996 Rn. 10).

Die Anwendung einer derartigen [X.] und die Würdigung eines gefundenen Ergebnisses unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit sind in erster Linie dem Tatrichter vorbehalten. Die tatrichterliche Beurteilung ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde nur begrenzt nachprüfbar, insbesondere dahin, ob der Tatrichter die maßgeblichen Umstände ausreichend und umfassend in seine Abwägung einbezogen hat (st. Rspr; vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. November 1999 - [X.] 132/98 - [X.], 418, 419 und vom 20. Dezember 2006 - [X.] 64/03 - FamRZ 2007, 366, 367, jeweils mwN).

aa) Nicht zu beanstanden ist die Annahme des [X.], dass die Einnahmen der Ehefrau aus ihrer schriftstellerischen Tätigkeit zwischen den Jahren 2007 und 2009 für sich genommen der Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht entgegenstehen. Die Versorgungslage des Ehemannes wird sich bezüglich der gesamten - auch außerhalb der Ehezeit erworbenen - Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung und der betrieblichen Altersversorgung selbst nach Durchführung des Versorgungsausgleiches noch erheblich besser darstellen als die Versorgungslage der Ehefrau, so dass allein der nachehezeitliche Zufluss von 50.000 € eine Unbilligkeit im Sinne des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz EGBGB aF nicht zu begründen vermag.

bb) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde können dem Beschwerdegericht auch keine Verfahrensverstöße im Hinblick auf die Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehefrau, insbesondere im Hinblick auf die seit dem Jahre 2009 erzielten Einnahmen aus der Taschenbuchausgabe und den fremdsprachigen Ausgaben ihres [X.], angelastet werden.

Zwar sind die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen grundsätzlich von Amts wegen durchzuführen (§ 26 FamFG). Dieser allgemeine Grundsatz erfährt im [X.] allerdings eine Einschränkung dahingehend, dass es den Verfahrensbeteiligten überlassen ist, die ihnen vorteilhaften Umstände, die dem Gericht nicht ohne weiteres bekannt sein können, von sich aus vorzubringen und durch eingehende Tatsachendarstellung und geeigneten Beweisantritt an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2006 - [X.] 64/03 - FamRZ 2007, 366, 367 mwN). Bei der [X.] des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz EGBGB aF handelt es sich - wie bei § 27 [X.] - um eine anspruchsbegrenzende Norm mit Ausnahmecharakter. Für das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes muss der Beteiligte, der sich darauf beruft, dessen tatsächliche Voraussetzungen unter Berücksichtigung der allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln geltend machen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Mai 1990 - [X.] 58/89 - FamRZ 1990, 1341, 1342 und vom 20. Dezember 2006 - [X.] 64/03 - FamRZ 2007, 366, 367 mwN).

Das Beschwerdegericht war auch nach dem Vortrag des Ehemanns, die Ehefrau habe fortlaufend Einkünfte aus der Vermarktung ihres [X.] erzielt, nicht gehalten, die Einkommenssituation der Ehefrau von Amts wegen weiter aufzuklären. Denn es hat festgestellt, dass auf Antrag der Ehefrau am 19. November 2009 das Verbraucherinsolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet worden war und nach dem Schlussbericht des Treuhänders vom 11. Mai 2010 kein verwertbares Vermögen der Antragstellerin ermittelt werden konnte. Anhaltspunkte für die Annahme, die Ehefrau werde während der sechsjährigen Wohlverhaltensphase ihre pfändbaren Einkünfte aus der Vermarktung des [X.] nicht an den Treuhänder weiterleiten, sondern für sich selbst verbrauchen oder auf die Seite schaffen, sind vom Ehemann dagegen nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr durfte das Beschwerdegericht davon ausgehen, dass die Ehefrau während der Wohlverhaltensphase sämtliches pfändbares Einkommen zur Rückführung ihrer Schulden an den Treuhänder weiterleiten wird. Damit stehen die Einkünfte der Ehefrau aber gerade nicht für die eigene Altersvorsorge zur Verfügung.

cc) Die Billigkeitsentscheidung des [X.] wird auch durch den [X.]ablauf zwischen dem Scheidungsausspruch und dem Antrag auf nachträgliche Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht in Frage gestellt.

Die Härteklausel nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz EGBGB aF steht einer Anwendung des Verwirkungseinwandes als eigenständigem Rechtsinstitut entgegen. Denn sie setzt gegenüber § 242 BGB andere und - vor allem durch das Merkmal der Unbilligkeit - strengere Maßstäbe und verdrängt daher im Bereich des Versorgungsausgleichs die allgemeinen Grundsätze über die Verwirkung von Rechten (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Januar 2007 - [X.] 168/01 - FamRZ 2007, 996 Rn. 26). Besondere Umstände, die dem [X.]ablauf im Rahmen der Billigkeitsabwägung ausnahmsweise ein entscheidendes Gewicht verleihen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit die Rechtsbeschwerde auf das Alter des Ehemannes abstellen will, ist bereits darauf hinzuweisen, dass dieser bei Antragstellung im Jahre 2006 erst 53 Jahre alt und es dementsprechend nicht ausgeschlossen gewesen ist, den Verlust von Anrechten bei Durchführung des Versorgungsausgleiches bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze durch verstärkte Vorsorgeanstrengungen wenigstens teilweise wieder kompensieren zu können. Im Übrigen konnte sich der Ehemann grundsätzlich nicht darauf einstellen, dass sich die lebensjüngere Ehefrau bereits abschließend mit ihrer Altersvorsorge befasst hatte (vgl. auch Senatsbeschluss vom 17. Januar 2007 - [X.] 168/01 - FamRZ 2007, 996 Rn. 29).

b) Es ist ebenfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht keinen Härtefall nach § 27 [X.] angenommen hat.

Gemäß § 27 [X.] findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen. Ob und in welchem Umfang die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig erscheint, unterliegt grundsätzlich der tatrichterlichen Beurteilung. Diese ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde nur daraufhin zu überprüfen, ob alle wesentlichen Umstände berücksichtigt wurden und das Ermessen in einer dem Gesetzeszweck entsprechenden Weise ausgeübt worden ist (Senatsbeschluss vom 19. September 2012 - [X.] 649/11 - FamRZ 2013, 106 Rn. 16 mwN). Nach diesen eingeschränkten Prüfungsmaßstäben halten die Erwägungen, mit denen das Beschwerdegericht das Vorliegen eines Härtefalls nach § 27 [X.] im Ergebnis verneint hat, den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.

aa) Aus Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 GG folgt, dass beide Eheleute gleichermaßen an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen berechtigt sind. Die Leistungen, die von den Ehegatten im Rahmen der ehelichen Rollenverteilung erbracht werden, sind als grundsätzlich gleichwertig anzusehen; die Leistungen desjenigen Ehegatten, der - wie hier die Ehefrau - Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernommen hat, haben für das gemeinsame Leben der Ehepartner keinen geringeren Wert als das Erwerbseinkommen des berufstätigen Ehegatten. Der Versorgungsausgleich dient insoweit der Aufteilung von gemeinsam erwirtschaftetem Vermögen der Eheleute, welches nur wegen der in der Ehe gewählten Aufgabenverteilung einem der beiden Ehegatten rechtlich zugeordnet war (vgl. [X.] FamRZ 1984, 653, 654 und [X.], 1173; vgl. auch Senatsbeschluss vom 9. Mai 1990 - [X.] 76/89 - FamRZ 1990, 985, 986 f.).

In diesem Zusammenhang hat die Härtefallklausel des § 27 [X.] die Funktion eines Gerechtigkeitskorrektivs. Sie soll als Ausnahmeregelung eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Entscheidung in solchen Fällen ermöglichen, in denen die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs zur "Prämierung" einer groben Verletzung der aus der ehelichen Gemeinschaft folgenden Pflichten führen oder gegen die tragenden Prinzipien des Versorgungsausgleichs verstoßen würde. Die Auslegung des § 27 [X.] hat sich indessen stets an der gesetzgeberischen Zielsetzung des Versorgungsausgleichs zu orientieren, nämlich die gleichberechtigte Teilhabe der Eheleute an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen zu verwirklichen und dem Ehegatten, der in der Ehezeit wegen der Aufteilung von Erwerbstätigkeit und Familienarbeit keine eigenen Versorgungsanwartschaften hat aufbauen können, eine eigene Versorgung zu verschaffen ([X.] [X.], 1173 f.).

bb) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass eine grobe Unbilligkeit des Versorgungsausgleichs nicht nur durch wirtschaftlich relevante Verhältnisse begründet werden, sondern sich auch aus einem Fehlverhalten eines Ehegatten im persönlichen Bereich ergeben kann (vgl. bereits Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 1982 - [X.] - FamRZ 1983, 32, 33 und vom 12. November 1986 - [X.] - FamRZ 1987, 362, 363). Beim Vorliegen eines solchen Fehlverhaltens, das erst die [X.] nach der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft betrifft, kann der ausgleichsberechtigte Ehegatte von der Teilhabe an dem in der Ehezeit gemeinsam erwirtschafteten Versorgungsvermögen nur dann ausgeschlossen werden, wenn das Fehlverhalten besonders krass ist oder sonst unter den Ehepartnern besonders belastenden Umständen geschieht und die Durchführung des Versorgungsausgleichs deshalb unerträglich erscheint (vgl. Senatsurteil vom 28. März 1984 - [X.] - FamRZ 1984, 662, 665). Nachdem der Ehefrau im vorliegenden Fall zu keinem [X.]punkt der Vorwurf gemacht wurde, während der Ehe ihre Pflichten in der Familie verletzt zu haben, hat das Beschwerdegericht zu Recht besonders strenge Anforderungen an ein den Versorgungsausgleich ausschließendes Fehlverhalten der Ehefrau gestellt.

cc) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht bei seiner Billigkeitsabwägung nicht die Bedeutung des durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Ehemanns grundsätzlich verkannt.

Als Schutzgüter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind in der Rechtsprechung des [X.] unter anderem die Privat-, Geheim- und Intimsphäre ([X.] NJW 1969, 1707; NJW 1978, 807, 809), die persönliche Ehre und das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person ([X.] NJW 1973, 1226, 1227 f.) anerkannt. Das Recht auf Achtung der Privatsphäre gesteht dabei jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zu, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Zum Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre gehören der familiäre Bereich und die persönlichen, auch die geschlechtlichen Beziehungen zu einem Partner ([X.] NJW 1997, 1769 mwN). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt darüber hinaus insbesondere auch die [X.] Anerkennung des Einzelnen; daher umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken. Ohne dass es dem Einzelnen einen Anspruch darauf verliehe, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist, schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht ihn doch jedenfalls vor [X.] oder entstellenden Darstellungen seiner Person und Beeinträchtigungen seiner Persönlichkeit ([X.] NJW 1998, 1381, 1383).

Nach diesen Grundsätzen sind die in dem Buch geschilderten Umstände der Ehe zwischen dem Ehemann und der Ehefrau durchaus geeignet, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Ehemanns zu beeinträchtigen. Der Ehemann hat ein allgemeines Interesse daran, dass Einzelheiten des Zusammenlebens der Ehegatten nicht gegen oder ohne seinen Willen in der Öffentlichkeit ausgebreitet werden, sondern innerhalb der Abgeschlossenheit der Ehe verbleiben. Dabei käme es nicht einmal darauf an, ob die von der Ehefrau geschilderten Verhaltensweisen des Ehemanns zutreffend geschildert wurden oder nicht. Geht man mangels entgegenstehender Feststellungen des [X.] für das Rechtsbeschwerdeverfahren davon aus, dass die Schilderungen der Ehefrau in ihrem Buch zu den Verhältnissen in der Ehe der Beteiligten tatsächlich unzutreffend sind, so ergibt sich auch hieraus eine (weitere) Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Ehemanns; denn die dem Ehemann in dem Buch vorgeworfenen Verhaltensweisen sind zweifellos geeignet, ihn in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen und sein [X.]s Ansehen zu schmälern.

Indem das Beschwerdegericht die Veröffentlichung des [X.] an den Tatbeständen einer Beleidigungstat nach den §§ 185 ff. [X.] gemessen hat, hat es das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Ehemanns jedenfalls im Hinblick auf den Schutz des Einzelnen vor unwahren Darstellungen seiner Person in seine Abwägung mit aufgenommen. Denn geschütztes Rechtsgut der §§ 185 ff. [X.] ist die persönliche Ehre als ein Aspekt der Personenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Auch nach der strafrechtlichen Definition handelt es sich bei der persönlichen Ehre um ein Verfassungsrechtsgut von hohem Rang (vgl. MünchKomm[X.]/[X.] Vor §§ 185 Rn. 9).

dd) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist das Beschwerdegericht nicht von der "Esra"-Entscheidung des [X.] ([X.] NJW 2008, 39 ff.) abgewichen und hat auch nicht die Auffassung vertreten, dass ein mit der Veröffentlichung des [X.] verbundene Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Ehemannes durch die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG gedeckt sei. Vielmehr hat das Beschwerdegericht die Frage nach der Erkennbarkeit der Person des Ehemanns und der Intention der Ehefrau bei der Veröffentlichung des [X.] lediglich als einen Gesichtspunkt in die umfassende Billigkeitsabwägung gemäß § 27 [X.] eingestellt. In seine Würdigung hat das Beschwerdegericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise den Umstand einbezogen, dass die Ehefrau das Buch unter einem Pseudonym veröffentlicht und die Namen von Ehemann und Ehefrau in dem Buch nicht genannt werden. Es hat sich - in verfassungsrechtlich gebotener Weise (vgl. [X.] [X.], 1173, 1174) - auch davon leiten lassen, welche Auswirkungen die Veröffentlichung des [X.] im konkreten Einzelfall auf die Person des Ehemanns hatte und die insoweit für maßgebend erachteten Umstände (die Auflösung des Pseudonyms ist allenfalls für einen sehr begrenzten Personenkreis möglich, der Ehemann hat trotz der Publizität des [X.] selbst erst nach drei Jahren von dessen Veröffentlichung erfahren) in tatrichterlicher Verantwortung gewürdigt.

ee) Ferner hat das Beschwerdegericht mit Recht in die Billigkeitsabwägung einfließen lassen, dass die Ehefrau während der mehr als zwölfjährigen Ehe unter Verzicht auf eine eigene Berufstätigkeit drei gemeinsame Kinder erzogen, den Haushalt geführt und dadurch einen gleichwertigen Beitrag zum gemeinsam erwirtschafteten Versorgungsvermögen geleistet hat (vgl. [X.] [X.], 1173, 1174). Wenn das Beschwerdegericht bei der Gesamtabwägung aller genannten Umstände zu dem Ergebnis gelangt, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs zum Nachteil des Ehemanns nicht unerträglich erscheint, ist gegen diese tatrichterliche Entscheidung aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.

c) Das [X.] hat auch nicht den Anspruch des Ehemanns auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem es ohne vorherigen rechtlichen Hinweis von der Entscheidung in erster Instanz abgewichen ist.

Zwar darf ein in erster Instanz obsiegender Beteiligter grundsätzlich darauf vertrauen, vom Rechtsmittelgericht rechtzeitig einen solchen Hinweis zu erhalten, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und insbesondere auf Grund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (Senatsbeschluss vom 4. Mai 2011 - [X.]/10 - NJW-RR 2011, 1009 f.). Dies gilt aber nicht, wenn die dem in erster Instanz erfolgreichen Beteiligten günstige Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts als zentraler Streitpunkt zur Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht gestellt wird. Denn in diesem Fall müssen die Beteiligten von vornherein damit rechnen, dass das Rechtsmittelgericht anderer Auffassung sein könnte; seine dementsprechende Entscheidung kann im Grundsatz nicht überraschend sein ([X.] Urteil vom 21. Oktober 2005 - [X.] - NJW-RR 2006, 235, 236 und Beschluss vom 20. Dezember 2007 - [X.] - NJW-RR 2008, 581).

So liegt der Fall hier. Die Frage nach dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs aus Billigkeitsgründen war zentraler Gegenstand des Verfahrens. Das Amtsgericht hatte seine Billigkeitsentscheidung zum Nachteil der Ehefrau in der ersten Instanz damit begründet, dass die Ehefrau mit der Vermarktung ihres [X.] voraussichtlich Gewinne in einer Höhe erzielt habe, die der Höhe der im Versorgungsausgleich zu übertragenden Kapitalwerte entspräche. Der Ehemann konnte nicht davon ausgehen, dass sich das Beschwerdegericht von den gleichen Erwägungen leiten lassen würde. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Ehemann bei einem rechtzeitigen richterlichen Hinweis seinen Sachvortrag, das Eheleben der Beteiligten sei in dem Buch gänzlich falsch und verleumderisch dargestellt, unter Beweis gestellt hätte. Denn die Billigkeitsentscheidung des [X.] beruht gerade nicht darauf, dass der Ehemann die Unwahrheit der in dem Buch der Ehefrau geschilderten Ereignisse nicht habe beweisen können.

III.

Dem Ehemann konnte die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe nicht bewilligt werden. Die Sache hat keine - über die Anwendung von Art. 17 Abs. 3 EGBGB und § 27 [X.] auf den Einzelfall hinausgehende - grundsätzliche Bedeutung, denn sie wirft in diesem Zusammenhang keine Rechtsfragen auf, die noch einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen. Fehlt es an der grundsätzlichen Bedeutung der Sache, kommt es für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe in der [X.] allein auf die Erfolgsaussichten an (Senatsbeschluss vom 24. April 2013 - [X.] - FamRZ 2013, 1199 Rn. 14). Diese bestehen im vorliegenden Fall nicht.

[X.]                     Schilling                       Günter

                         Botur                       Guhling

Meta

XII ZB 176/12

16.10.2013

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 23. Februar 2012, Az: 10 UF 65/11

Art 17 Abs 3 S 2 BGBEG vom 03.04.2009, Art 229 § 28 Abs 2 BGBEG, § 27 VersAusglG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.10.2013, Az. XII ZB 176/12 (REWIS RS 2013, 1926)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1926

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