Bundessozialgericht, Beschluss vom 05.07.2018, Az. B 9 SB 26/18 B

9. Senat | REWIS RS 2018, 6520

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - rechtliches Gehör - Recht auf Fragen an einen medizinischen Sachverständigen - hinreichend konkrete Bezeichnung der noch erläuterungsbedürftigen Punkte - Anforderungen an die Antragstellung einer rechtskundig vertretenen Partei


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 7. Februar 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich in der Hauptsache gegen die Herabsetzung seines Grades der Behinderung (GdB) von 50 auf 30. Das [X.] hat diese Herabsetzung gemäß § 48 Abs 2 S 1 [X.]B X für rechtmäßig erachtet (Urteil vom 7.2.2018). Beim Kläger lägen zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids des Beklagten am 28.11.2012 folgende [X.] vor: 1. Morbus Crohn, chronische Darmstörung nach [X.] des Darmes, Bauchfellverwachsung, Fettleber (Funktionssystem Verdauung); 2. psychische Störung (Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche); 3. Eisenmangelanämie (Funktionssystem Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem). Für die Teilbehinderung [X.] sei ein GdB von 30 (statt wie zuvor mit 50) anzusetzen. Die diesbezüglichen Gesundheitsstörungen und das Ausmaß der darauf resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen ergäben sich aus den insoweit im Wesentlichen übereinstimmenden internistisch-gastroenterologischen Gutachten von Privatdozent ([X.]) Dr. M. vom 19.12.2013 und [X.] vom 18.8.2014. Ergänzende Stellungnahmen der internistischen Sachverständigen zu der von deren Gutachten abweichenden Bemessung des Einzel-GdB für das Funktionssystem Verdauung seien nicht einzuholen, weil die Anwendung der [X.] ([X.]) durch Vergabe von [X.] auf die von den Sachverständigen übereinstimmend festgestellten Gesundheitsstörungen Aufgabe des Gerichts sei. Die psychische Störung sei nur leichtgradig. Diese Feststellung beruhe auf dem nervenärztlichen Gutachten des im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr. W. vom 3.10.2016 nebst ergänzenden Stellungnahmen vom 19.11.2016 und 26.5.2017 in Verbindung mit dem vom [X.] eingeholten Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 23.10.2014 sowie den im gesamten [X.] eingeholten ärztlichen Unterlagen zum Gesundheitszustand des [X.]. Dem Gutachten der Ärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. G. vom 16.2.2014 nebst dem Zusatzgutachten des Diplompsychologen G. vom 11.2.2014 sei hingegen nicht zu folgen. Es mangele hiernach an belastbaren Tatsachen dafür, dass beim Kläger eine mehr als nur geringfügige psychische Störung vorliege. Für die Teilbehinderung [X.] sei ein weiterer Einzel-GdB von 10 anzusetzen. Ein Ausnahmefall, in dem eine Erhöhung des höchsten Einzel-GdB von 30 wegen der [X.] von 10 gerechtfertigt sei, liege nicht vor. Die [X.] würden nicht isoliert und sich verstärkend nebeneinander stehen, sondern sich jedenfalls hinsichtlich der psychischen Belastungen des [X.] durch die Durchfallerkrankung überschneiden. Dieser Umstand sei als solcher hinreichend durch den fachlich hierzu berufenen nervenärztlichen Gutachter Dr. S. sachverständig aufgeklärt, sodass es keiner ergänzenden Anhörung des Internisten [X.] Dr. M. bedürfe. Außerdem sei die abschließende Bemessung des [X.] Aufgabe des Gerichts, nicht der Sachverständigen.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim B[X.] eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensmängel.

3

II. Die Beschwerde des [X.] ist unzulässig. Seine Begründung vom [X.] genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des [X.] nicht in der hierfür erforderlichen Weise bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]G).

4

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel im Sinne von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]G) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des [X.] - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.]G kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

5

Der Kläger rügt, das [X.] sei ausgehend von seiner Rechtsauffassung zu Unrecht seinem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag nicht gefolgt, "den Sachverständigen [X.] Dr. M. ergänzend zu folgenden Fragen zu hören:
a) zur abweichenden Bewertung im Gutachten von [X.] und seinen eigenen Feststellungen,
b) zur negativen Wechselwirkung der Erkrankung des [X.] mit der psychischen Erkrankung."

6

Denn maßgeblich sei auch nach der Rechtsauffassung des [X.] die vollständige Feststellung der einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die Bewertung der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB und ob - zumindest ausnahmsweise - dieser unter Berücksichtigung der anderen Behinderungen zu erhöhen sei.

7

a) Soweit der Kläger darin eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 [X.]G, Art 103 Abs 1 GG) in Form des Fragerechts nach § 116 [X.], § 118 Abs 1 S 1 [X.]G iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO geltend machen will, hat er einen solchen Verfahrensmangel nicht in gebotenem Maße dargetan (s hierzu allgemein Senatsbeschluss vom 15.5.2017 - [X.] SB 85/16 B - Juris RdNr 7 bis 8).

8

Der Kläger verkennt bereits, dass das Recht eines Beteiligten, Fragen an einen Sachverständigen zu stellen, grundsätzlich nur mit Blick auf solche Gutachten besteht, die im selben Rechtszug erstattet worden sind (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 12.10.2017 - [X.] V 32/17 B - Juris Rd[X.]6; Senatsbeschluss vom 24.4.2008 - [X.] SB 58/07 B - [X.] 4-1500 § 116 [X.] RdNr 9). Er hat nicht dargelegt, warum dennoch vor dem [X.] ein Recht auf Befragung des erstinstanzlich gehörten Sachverständigen [X.] Dr. M. bestanden haben könnte.

9

Unabhängig davon erfordert die Ausübung des Fragerechts stets eine hinreichend konkrete Bezeichnung der noch erläuterungsbedürftigen Punkte (Senatsbeschluss vom 15.5.2017 - [X.] SB 85/16 B - Juris RdNr 7; Senatsbeschluss vom 24.4.2008 - [X.] SB 58/07 B - [X.] 4-1500 § 116 [X.] RdNr 5; B[X.] Beschluss vom 7.8.2014 - B 13 R 439/13 B - Juris Rd[X.]0; B[X.] Beschluss vom 9.12.2010 - B 13 R 170/10 B - Juris Rd[X.]1, jeweils mwN). Auch hieran fehlt es. Der Kläger hat - anders als notwendig - mit den in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebenen Fragestellungen gegenüber dem Berufungsgericht nicht in gebotenem Maße aufgezeigt, welche konkreten Punkte er noch für erläuterungsbedürftig gehalten habe. Es reicht nicht aus, entsprechende Ausführungen erst im [X.] "nachzuholen". Mit seinem in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gestellten Antrag hat der Kläger lediglich pauschal Fragen an den [X.] Dr. M."zur abweichenden Bewertung im Gutachten von [X.] und seinen eigenen Feststellungen" und "zur negativen Wechselwirkung der Erkrankung des [X.] mit der psychischen Erkrankung" angekündigt. Dies genügt für die notwendige konkrete Bezeichnung von noch erläuterungsbedürftigen Punkten nicht. Der rechtskundig vertretene Kläger hat weder die in dem Verfahren auf Grundlage der aktenkundigen medizinischen Sachverständigengutachten und Berichte zu diesen Fragen bereits getroffenen oder in Zusammenhang mit diesen Fragen stehenden medizinischen Feststellungen auf [X.] und - bezogen auf die zweite Fragestellung - neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet näher benannt, noch hat er auf dieser Grundlage auf insoweit bestehende Lücken, Widersprüche oder Unklarheiten hingewiesen und hiervon ausgehend die konkret - aus seiner Sicht - noch erläuterungsbedürftigen Punkte formuliert. Dies ist aber erforderlich. Denn nur dann kann überhaupt erst beurteilt werden, ob und inwieweit die (angekündigten) Fragen - wie zwingend notwendig - auch objektiv sachdienlich sind (vgl B[X.] Beschluss vom 7.8.2014 - B 13 R 439/13 B - Juris Rd[X.]0 mwN).

b) Soweit der Kläger darüber hinaus noch eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das [X.] rügen will, erfüllt sein Vorbringen nicht die [X.] an eine Sachaufklärungsrüge (s hierzu allgemein Senatsbeschluss vom 21.12.2017 - [X.] SB 70/17 B - Juris Rd[X.]). Es fehlt bereits an der Bezeichnung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags im Sinne des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G iVm § 118 Abs 1 S 1 [X.]G, § 403 ZPO. Merkmal eines Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (Senatsbeschluss vom 29.1.2018 - [X.] V 39/17 B - Juris Rd[X.]1 mwN). Bei dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag fehlt die Angabe der zu begutachtenden Punkte im Sinne des § 403 ZPO. Um in der aktuellen Prozesssituation ein Beweisthema für das [X.] hinreichend genau zu bezeichnen, hätte der Kläger substantiiert und präzise angeben müssen, welche konkreten (entscheidungserheblichen) Punkte - ausgehend von der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts - durch die beantragte ergänzende Anhörung von [X.] Dr. M. trotz der nachfolgend im Laufe des Verfahrens eingeholten medizinischen Berichte und Sachverständigengutachten noch hätten geklärt werden können (vgl Senatsbeschluss vom 28.9.2015 - [X.] SB 41/15 B - Juris RdNr 6 mwN). Dies ist jedoch nicht erfolgt.

c) Im Übrigen hat das [X.] genau das getan, was seine Aufgabe ist, nämlich ausgehend von einem bestimmten Rechtsstandpunkt eine Beweiswürdigung anhand der festgestellten medizinischen Tatsachen vorzunehmen und die Einzel-GdB sowie den [X.] anhand der [X.] selbst zu beurteilen (vgl Senatsbeschluss vom 27.6.2016 - [X.] SB 18/16 B - Juris RdNr 6 mwN). Soweit der Kläger mit der Beweiswürdigung des [X.] nicht einverstanden ist, kann er hiermit im [X.] von vornherein nicht gehört werden. Denn gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.]G kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 [X.]G (Grundsatz der freien Beweiswürdigung) gestützt werden.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 [X.] Halbs 2 [X.]G).

3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 [X.] und 3 [X.]G durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

4. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 9 SB 26/18 B

05.07.2018

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Koblenz, 16. Januar 2015, Az: S 7 SB 837/12, Urteil

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 62 SGG, § 116 S 2 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 397 ZPO, § 402 ZPO, § 403 ZPO, § 411 Abs 4 ZPO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 05.07.2018, Az. B 9 SB 26/18 B (REWIS RS 2018, 6520)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6520

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 9 SB 34/20 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - rechtliches Gehör - Überraschungsentscheidung - Sachverständigengutachten - Feststellung …


B 9 SB 67/18 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - Schwerbehindertenrecht - Bewertung eines Einzel-GdB - erforderliche Darlegung …


B 9 SB 55/21 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Tatsachendarstellung - Amtsermittlungspflicht - sozialgerichtliches Verfahren - Schwerbehindertenrecht - GdB-Feststellung - …


B 9 SB 73/18 B (Bundessozialgericht)


B 9 SB 18/16 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - rechtliches Gehör - Überraschungsentscheidung - Schwerbehindertenrecht - GdB-Feststellung - Beweiswürdigung ohne …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.