Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.04.2021, Az. V ZR 248/19

5. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 6590

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Gegenstand

Erwerb ehemals volkseigener landwirtschaftlicher Fläche im Beitrittsgebiet: Rechtsnormcharakter und Außenwirkung der Privatisierungsgrundsätze der BVVG


Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 23. Zivilsenats des [X.] vom 19. September 2019 aufgehoben und das Urteil der [X.] des [X.] vom 25. April 2018 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist ein landwirtschaftliches Unternehmen, das seit langem ehemals volkseigene Flächen bewirtschaftet. Die Flächen gehörten zum weit überwiegenden Teil der verklagten [X.], einer Tochtergesellschaft der [X.] (fortan: [X.]), zu einem kleinen Teil auch dieser selbst. Im Frühjahr 2010 verständigten sich der [X.] und die [X.]esländer im Beitrittsgebiet, ausgenommen [X.], auf „Grundsätze für die weitere Privatisierung der Flächen der [X.]“ (veröffentlicht auf der Webseite der [X.]: https://www.bvvg.de/wp-content/uploads/2019/10/Privatisierungsgrundsaetze.pdf - fortan [X.] oder [X.] 2010), die in Nr. 2.2.3 Abs. 5 folgendes regeln:

„Die [X.] ermittelt den Kaufpreis entsprechend § 5 Abs. 1 FlErwV unter Berücksichtigung von Ausschreibungsergebnissen. Kommt eine Einigung über den Preis nicht zustande, kann ein Gutachten in Auftrag gegeben werden. Die [X.] wird die Gutachter mit dem als Anlage 2 beigefügten Schreiben beauftragen.“

2

Die Klägerin wandte sich im Februar 2010 an die [X.], um von dieser ihre Pachtflächen im Umfang von 346,2248 ha zu erwerben. Diese bot ihr im Oktober 2010 den Kauf der Flächen für 4.473.120 € an. Die Klägerin war der Meinung, dass der Kaufpreis über dem Verkehrswert lag, und beauftragte einen Grundstückssachverständigen. Die [X.] bestand auf ihrem Angebot, weigerte sich, einen Vorbehalt der [X.] in den Kaufvertrag aufzunehmen oder ein Wertermittlungsgutachten einzuholen, verlängerte aber die Frist zur Bindung an ihr Angebot bis zum 29. April 2011. Mit notariellem Vertrag vom 27. Juli 2011 kaufte die Klägerin von der [X.], die im Hinblick auf die der [X.] gehörenden Grundstücke für diese handelte, zum Preis von insgesamt 4.376.446 €. Nachdem der im Jahr 2010 von ihr beauftragte Sachverständige am 12. Dezember 2011 sein Wertermittlungsgutachten vorgelegt und einen Verkehrswert von 3.633.940 € ermittelt hatte, forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Rückzahlung des danach zu viel geleisteten Betrages auf.

3

Die Klägerin hat die zunächst auf Rückzahlung von 742.806 € gerichtete Klage nach Eingang des gerichtlichen Sachverständigengutachtens auf Zahlung von 771.814 € sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten erweitert. Das [X.] hat die [X.] unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 82.267,08 € nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] die [X.] unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels zur Zahlung weiterer 660.538,92 € nebst Zinsen, insgesamt also zur Zahlung von 742.806 € nebst Zinsen, verurteilt; die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die von dem Senat zugelassene Revision der [X.], mit welcher diese weiterhin die vollständige Abweisung der Klage anstrebt. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in [X.] 2020, 184 wiedergegeben wird, hält den Kaufvertrag für wirksam. Die [X.] habe zwar nicht im Einklang mit den [X.] gehandelt. Darin liege jedoch kein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB, weil ein Gesetzesverstoß im Sinne dieser Vorschrift nach Art. 2 EGBGB nur bei einem Verstoß gegen eine Rechtsnorm vorliege und die [X.] keinen Rechtsnormcharakter hätten. Die Klägerin könne von der [X.] aber nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Umfang der Verurteilung Erstattung des über dem Verkehrswert der Ackerflächen liegenden Teils des Kaufpreises verlangen. Diese sei bei der Ausgestaltung der Bedingungen der Kaufverträge zur Umsetzung der Erwerbsmöglichkeit nach den [X.] 2010 nicht frei. Hierbei handele es sich um eine öffentliche Aufgabe. In einem solchen Fall stünden dem Staat nur die privatrechtlichen Rechtsformen, nicht aber die Freiheiten und Möglichkeiten der Privatautonomie zu. Demgemäß könne sich die zuständige Verwaltungsbehörde - hier die Beklagte als Privatisierungsstelle des [X.] - den für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe bestehenden gesetzlichen Vorgaben nicht mit Hinweis auf die Grundsätze der Privatautonomie entziehen und die Bedingungen für die Gewährung von Subventionen und ähnlichen Vergünstigungen nicht abweichend von den Vorgaben bestimmen, die ihr für ihre Tätigkeit gesetzt seien. Zur Einhaltung der [X.] sei die [X.] nach Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet. Dafür genüge der Nachweis, dass eine gültige Verwaltungsvorschrift bestehe. Nicht erforderlich sei zusätzlich, dass eine entsprechende Verwaltungspraxis sich auch herausgebildet habe. Es könne nicht honoriert werden, dass eine Verwaltung die ihr gemachten Vorgaben ignoriere und dadurch verhindere, dass sich die Klägerin bei rechtskonformen Verhalten auf die Praxis berufen könne. Jedenfalls sei aber zu berücksichtigen, dass die [X.] 2010 veröffentlicht worden seien und gegenüber den betroffenen Kreisen ein Vertrauen auf ihre Einhaltung geweckt hätten.

II.

5

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Die Klägerin kann von der [X.] Erstattung der Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem von ihr behaupteten Verkehrswert der erworbenen Flächen nicht verlangen.

6

1. Eine solche Erstattung kann die Klägerin entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht als Schadensersatz wegen Verletzung einer vorvertraglichen Verpflichtung gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verlangen. Anders als die Klägerin meint, war die [X.] nach den [X.] 2010 nicht verpflichtet, auf Verlangen der Klägerin ein Gutachten über den Verkehrswert des Grundstücks einzuholen und ihr die verkauften Flächen zu dem in dem Gutachten ermittelten Preis zu verkaufen.

7

a) Die [X.] ist allerdings im Innenverhältnis zu der [X.]anstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben ([X.]) als ihrem Auftraggeber und gegenüber dem dieser gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] vorgesetzten [X.]ministerium der Finanzen zur Einhaltung der [X.] 2010 verpflichtet. Sie haben den Zweck, die Privatisierung der ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen im Beitrittsgebiet zu steuern. Diese Flächen sind der [X.] durch §§ 1 und 3 der 3. [X.] z. [X.] übertragen worden und nach § 4 der 3. [X.] z. [X.], § 1 Abs. 1 Satz 1 u. Abs. 6 [X.] so zu privatisieren, dass den ökonomischen, ökologischen, strukturellen und eigentumsrechtlichen Besonderheiten dieses Bereiches Rechnung getragen wird. Hierbei handelt es sich um gesetzliche Vorgaben, die die [X.] und die von ihr beauftragten Unternehmen, hier also die [X.] als Privatisierungsstelle des [X.], im Interesse der Allgemeinheit zu beachten haben. Was das praktisch bedeutet, wird durch die [X.] 2010 konkretisiert. Sie wirken wie eine [X.], die die [X.] als Privatisierungsstelle des [X.] im Innenverhältnis zur [X.] zu beachten hat (vgl. Senat, Urteil vom 14. September 2018 - [X.], [X.] 2018, 766 Rn. 14). Daran ändert es, wie es sich etwa der Regelung in Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG entnehmen lässt, nichts, dass das [X.]ministerium der Finanzen die Leitlinien mit den betroffenen [X.]ländern in dem in Art. 1 des Einigungsvertrages genannten Gebiet abgestimmt und darin die Mitwirkung dieser Länder bei der Umsetzung vorgesehen hat.

8

b) Ob und unter welchen Voraussetzungen dieser Bindung der [X.] im Innenverhältnis auch eine Verpflichtung gegenüber den Erwerbern im Außenverhältnis entspricht, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird eine solche Bindung unter Hinweis auf den internen Charakter der Leitlinien verneint (KG, 5. Zivilsenat, [X.] 2019, 217, Gegenstand des Parallelverfahrens V ZR 147/19 vor dem Senat; [X.], Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 U 21/12 [[X.]], unveröffentlicht, Umdruck S. 4). Teilweise wird sie mit dem Berufungsgericht (KG, Urteil vom 19. September 2019 - 23 U 76/18, unveröff., Umdruck S. 6/7, Wiedergabe in [X.] 2020, 184) mit unterschiedlicher Begründung bejaht (KG, [X.] 2013, 170 Rn. 12: § 242 BGB; [X.], NL-[X.] 2011, 354, 355 f.: ständige Praxis; [X.], [X.] 2013, 331, 333: angestrebte Rechtssicherheit; ebenso Fahje, [X.] 2019, 309 f.; [X.]/[X.], [X.] 2014, 402, 403: Gleichbehandlungsgrundsatz).

9

c) Ob die [X.] im Außenverhältnis zu den Erwerbern verpflichtet ist, entsprechend den [X.] vorzugehen, lässt sich weder uneingeschränkt bejahen noch uneingeschränkt verneinen. Entscheidend ist vielmehr, wie die [X.] die [X.] im maßgeblichen Zeitpunkt - hier also bei Abschluss des Kaufvertrages - in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen als Privatisierungsstelle des [X.] (vgl. Senat, Urteil vom 25. September 2009 - [X.], [X.] 2010, 69 Rn. 8), der auch die [X.] nach § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 [X.] übertragen worden ist, aufgrund des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) gebunden ist.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]verwaltungsgerichts begründen ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen schon durch ihr Vorhandensein Rechte des Bürgers. Entscheidend ist vielmehr, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang diese infolgedessen durch den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebunden sind ([X.]E 34, 278, 281; 36, 323, 327; 44, 136, 138; 52, 193, 199; 58, 45, 51; 152, 211 Rn. 24; NVwZ-RR 1996, 47, 48; NJW 1996, 1766, 1767; [X.], 2122 Rn. 6 f.). Dem entspricht die Rechtsprechung der mit verwaltungsähnlichen Materien befassten Senate des [X.]gerichtshofs (Beschlüsse vom 11. Dezember 2018 - [X.] 48/17, [X.], 1126 Rn. 21 und vom 20. Juli 2020 - [X.] [[X.]] 5/19, [X.] 2020, 480 Rn. 4). Auch der erkennende Senat geht davon aus, dass eine interne Leitlinie nur durch eine entsprechende Praxis der adressierten Stelle und die an eine solche Praxis anknüpfende Verpflichtung zur Gleichbehandlung Außenwirkung erlangen kann.

bb) Deshalb erlangen die zur Umsetzung von § 1 Abs. 6 [X.] erlassenen [X.] 2010, anders als das Berufungsgericht meint, nicht schon durch ihre Veröffentlichung, sondern nur durch eine entsprechende ständige Praxis der [X.] i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und nur in deren Rahmen Außenwirkung (vgl. [X.], 211 Rn. 24 und [X.], [X.], 2122 Rn. 6; ebenso KG, 5. Zivilsenat, [X.] 2019, 217, Gegenstand des Parallelverfahrens V ZR 147/19 vor dem Senat). Daran ändert es nichts, dass die [X.] auf Außenwirkung angelegt waren ([X.], [X.] 2013, 331, 333) und den Pächtern der [X.] den für die Erhaltung ihrer Betriebe notwendigen sog. Direkterwerb ermöglichen sollten ([X.], [X.] 2014, 139). Diese Zielsetzung besagt nämlich nichts über die Bedingungen, unter denen die Regelungen der [X.] einklagbare Rechte der Erwerber begründen. Verwaltungsvorschriften werden regelmäßig erlassen, um die Praxis nachgeordneter Behörden zu vereinheitlichen und ggf. auch, um sie - wie hier - im Rahmen der Gesetze in eine bestimmte Richtung zu lenken (vgl. [X.]E 100, 335, 339). Die öffentliche Bekanntgabe entsprechender Verwaltungsvorschriften führt auch dazu, dass diejenigen, die mit den adressierten Stellen der Verwaltung zu tun haben, deren zu erwartende Verwaltungspraxis besser überblicken und einschätzen können. Das ändert aber nichts an der Natur der Verwaltungsvorschrift als interner Regelung mit unmittelbarer Bindungswirkung nur für die mit den Vorschriften adressierten Stellen (vgl. [X.], [X.], 110 Rn. 39). Die Entscheidung für eine Steuerung der Verwaltungspraxis durch Verwaltungsvorschriften ist regelmäßig auch eine Entscheidung dafür, diese Vorschriften bei Bedarf flexibel ändern zu können (vgl. dazu [X.], 211 Rn. 25) und den Betroffenen nicht unmittelbar Ansprüche einzuräumen. Das ändert sich nur und erst, wenn die Verwaltungsvorschriften in ständiger Praxis umgesetzt werden und dadurch unter dem Gesichtspunkt einer Verpflichtung zur Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG Rechte der Betroffenen gegenüber der Verwaltungsbehörde entstehen.

d) Auf dieser Grundlage hat die Klägerin die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung vorvertraglicher Pflichten gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB schon nicht dargelegt. Die [X.] wendet zwar die [X.] 2010 an. Hier kommt es aber darauf an, ob die [X.] gegenüber einem Erwerber auch verpflichtet war, auf dessen Verlangen ein Verkehrswertgutachten für die anzukaufenden Flächen einzuholen und ihm die Flächen zu dem in dem eingeholten Gutachten ermittelten Wert zu verkaufen. Das wäre nur der Fall, wenn die [X.] Nr. 2.2.3 Abs. 5 PG 2010 bei Abschluss des Vertrags in ständiger Praxis so gehandhabt hätte. So liegt es hier jedoch nicht.

aa) In Nr. 2.2.3 Abs. 5 PG 2010 ist eine entsprechende Verpflichtung schon nicht klar und eindeutig geregelt. Danach ermittelt die [X.] den Kaufpreis entsprechend § 5 Abs. 1 FlErwV unter Berücksichtigung von [X.]. In dieser Vorschrift sind die inhaltlichen Vorgaben für die Ermittlung des Verkehrswerts, zu dem die Flächen verkauft werden sollen, geregelt. Sie sieht in Satz 4 zwar die Möglichkeit vor, eine abweichende Bestimmung durch ein Verkehrswertgutachten des [X.] zu verlangen, aber nur für den - hier nicht gegebenen - Fall, dass von regionalen [X.] abgewichen werden soll. In Nr. 2.2.3 Abs. 5 Satz 2 PG 2010 ist zudem kein Anspruch auf Einholung eines Gutachtens, sondern nur bestimmt, dass dies geschehen kann. Ob sich das damit eingeräumte Ermessen, wie das Berufungsgericht meint, in solchen Erwerbsfällen stets auf null reduziert, muss hier nicht geklärt werden.

bb) Eine Verwaltungsvorschrift unterliegt nämlich keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie eine Rechtsnorm. Maßgeblich ist gerade auch in Fällen, in denen der Wortlaut in einer Verwaltungsvorschrift - wie hier - unklar und darum auslegungsbedürftig ist, wie die zuständigen Stellen die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben ([X.], NJW 1996, 1766, 1767). Für die Pflichtverletzung kommt es deshalb entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts entscheidend darauf an, ob die [X.] in dem Zeitraum, in dem der [X.] geschlossen wurde - Juli 2011 -, in ständiger Praxis auf Verlangen des Erwerbers ein Verkehrswertgutachten eingeholt und dem Erwerber die Flächen zu dem Wert verkauft hat, den das Gutachten ergab. Eine solche Praxis hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Klägerin behauptet eine solche Praxis nicht. Sie stellt sich im Gegenteil auf den auch von dem Berufungsgericht eingenommenen Standpunkt, die Bindung folge allein aus dem Erlass der Verwaltungsvorschriften. Wird aber für den maßgeblichen Zeitraum Juli 2011 eine entsprechende ständige Praxis der [X.], auf Verlangen des Erwerbers ein Gutachten einzuholen und die Flächen zu einem Kaufpreis in Höhe des in dem Gutachten festgestellten Werts zu verkaufen, nicht behauptet (vgl. zu dem Bestehen einer solchen Praxis auch [X.]/[X.], [X.] 2014, 402), ist die Verletzung einer dem entsprechenden Schutzpflicht der [X.] gegenüber der Klägerin nach § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB nicht dargelegt.

e) Eine Verletzung von Schutzpflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB kann auch nicht darin gesehen werden, dass die [X.] der Klägerin keine Nachberechnungsklausel angeboten oder nachvollziehbare Einwände der Klägerin gegen den Kaufpreis unberücksichtigt gelassen hätte. Die [X.] war nicht verpflichtet, der Klägerin eine Nachberechnungsklausel anzubieten oder eine solche zu akzeptieren. Solche Klauseln wurden zwar in [X.] über den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen durch Pächter der [X.] nach § 3 [X.] häufig vorgesehen (vgl. Senat, Urteil vom 12. Dezember 2014 - [X.], NJW-RR 2015, 1008 Rn. 12). In den [X.] 2010 sind solche Klauseln aber nicht (mehr) vorgesehen; dass sie dennoch in ständiger Praxis vorgesehen worden sein sollen, behauptet die Klägerin nicht (vgl. dazu auch [X.]/[X.], [X.] 2014, 402 f.). Ob die [X.], worauf die von den [X.]ministerien der Finanzen und für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 26. April 2013 veröffentlichten Protokollnotizen (Abdruck in [X.] 2013, 242) schließen lassen, auf Grund einer ständigen Praxis i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet war, konkrete, etwa anhand eines bereits eingeholten Verkehrswertgutachtens nachvollziehbare Einwände gegen ihren Kaufpreisvorschlag zu berücksichtigen, bedarf keiner Entscheidung. Die Klägerin behauptet nicht, sie habe solche Einwände vor Abschluss des Kaufvertrags geltend gemacht, sondern nur, sie habe sich um die Möglichkeit einer nachträglichen Überprüfung bemüht. Zur Einräumung einer solche Möglichkeit war die [X.] nicht verpflichtet. Das von der Klägerin eingeholte Gutachten ist am 12. Dezember 2011, mithin nach Abschluss des Kaufvertrags, vorgelegt worden.

f) Es bedarf keiner Entscheidung darüber, ob behördeninternen Leitlinien ausnahmsweise dann Außenwirkung zukommen kann, wenn die Entscheidung der Stelle, an die sich die Leitlinien richten, unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr vertretbar oder in sonstiger Weise willkürlich ist (vgl. [X.], DVBl 2019, 383 Rn. 76, 77). Dass die [X.] seit 2011 auch bei einem entsprechenden Verlangen des Erwerbers keine Gutachten mehr einholt, kann angesichts der Unschärfe der Formulierung in Nr. 2.2.3 Abs. 5 PG 2010 und des Umstands nicht als willkürlich angesehen werden, dass die erwähnten Protokollnotizen zu den [X.] 2010 festhalten, dass „die [X.] [...] den Marktwert der Flächen im Rahmen des Direkterwerbs weiterhin [Hervorhebung nur hier] auf der Grundlage ihres Vergleichspreissystems ermitteln [wird].“

2. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als richtig (§ 561 ZPO). Auch der von dem [X.] angenommenen Erstattungsanspruch der Klägerin aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB besteht nicht, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat. Der Kaufvertrag der Parteien ist weder insgesamt noch in Bezug auf die [X.] wegen eines Gesetzesverstoßes nach § 134 BGB oder nach § 138 BGB nichtig.

a) Die Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit des Kaufvertrages wegen eines Gesetzesverstoßes nach § 134 BGB scheidet aus. Die [X.] 2010 sind kein Gesetz (vgl. Art. 2 EGBGB). Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG führte nur dann zur Nichtigkeit des Kaufvertrages oder der [X.], wenn Art. 3 Abs. 1 GG den Vertrag oder die [X.] eindeutig nicht zuließe (vgl. [X.], Urteil vom 5. Mai 2015 - [X.], [X.]Z 205, 220 Rn. 12 für die willkürliche Kündigung eines Girovertrags). Das ist nicht der Fall. Der geltend gemachte Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG betrifft nicht den Inhalt des Kaufvertrages, sondern das Vorgehen der [X.] bei der Vorbereitung des Vertrages. Es kommt deshalb insoweit nur ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten in Betracht.

b) Eine Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit des Kaufvertrages gemäß § 138 Abs. 1 oder 2 BGB liegt nicht vor, weil zwischen dem von den Klägern behaupteten Wert der Grundstücke und dem vereinbarten Kaufpreis schon kein auffälliges Missverhältnis besteht; die Differenz beträgt nur etwa 20 %.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Stresemann     

        

Schmidt-Räntsch     

        

Göbel 

        

Haberkamp     

        

[X.]     

        

Meta

V ZR 248/19

23.04.2021

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 19. September 2019, Az: 23 U 76/18

§ 5 Abs 1 FlErwV, § 1 Abs 6 TreuhG, Art 2 BGBEG, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.04.2021, Az. V ZR 248/19 (REWIS RS 2021, 6590)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 6590

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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