Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.04.2011, Az. 6 AZR 726/09

6. Senat | REWIS RS 2011, 7498

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anspruch auf Strukturausgleich - Herabgruppierung


Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 10. September 2009 - 5 [X.]/09 - aufgehoben. Unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten gegen das Urteil des [X.] von 11. Dezember 2008 - 2 [X.]/08 - wird dieses zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 1. Oktober 2007 einen monatlichen Strukturausgleich gemäß § 12 [X.] [X.]. 50,00 Euro brutto nebst Zinsen [X.]. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem jeweils Ersten des darauf folgenden Kalendermonats zu zahlen.

2. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt vom Beklagten [X.] nach § 12 Abs. 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten des [X.] in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ([X.]) und zur Regelung des Übergangsrechts ([X.]) vom 13. September 2005.

2

Der am 23. Februar 1964 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 1. März 1997 bei dem Beklagten, einem von der [X.]republik Deutschland finanzierten Forschungszentrum, als Mitarbeiter im wissenschaftlichen Dienst beschäftigt. Im Arbeitsvertrag ist vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem Haustarifvertrag des [X.]. dem [X.]-Angestelltentarifvertrag ([X.]) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträgen bestimmt. Zu den Stufen des [X.] heißt es im [X.] ua.:

        

„§ 29 

        

[X.]

        

…       

        

B. Stufen des [X.]es

        

(1)     

Zur Stufe 1 gehören die ledigen und die geschiedenen Angestellten sowie Angestellte, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist.

        

(2)     

Zur Stufe 2 gehören

                 

1. verheiratete Angestellte,

                 

…       

        

(3)     

Zur Stufe 3 und den folgenden Stufen gehören die Angestellten der Stufe 2, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder nach dem [X.]kindergeldgesetz ([X.]) zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 EStG oder des § 3 oder § 4 [X.] zustehen würde. Die Stufe richtet sich nach der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder.

        

(4)     

Angestellte der Stufe 1, denen Kindergeld nach dem EStG oder nach dem [X.] zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 EStG oder des § 3 oder § 4 [X.] zustehen würde, erhalten zusätzlich zum [X.] der Stufe 1 den Unterschiedsbetrag zwischen Stufe 2 und der Stufe, die der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entspricht. Absatz 6 gilt entsprechend.

        

(5)     

Steht der Ehegatte eines Angestellten als Angestellter, Beamter, [X.] oder Soldat im öffentlichen Dienst oder ist er auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt und stünde ihm ebenfalls der Familienzuschlag der Stufe 1 oder einer der folgenden Stufen, der [X.] der Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte des Unterschiedsbetrages zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des [X.]es der höchsten Tarifklasse zu, erhält der Angestellte den Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des für ihn maßgebenden [X.]es zur Hälfte; dies gilt auch für die [X.], für die der Ehegatte Mutterschaftsgeld bezieht. …“

3

Der Beklagte zahlte dem Kläger ab Januar 2005 Grundgehalt gemäß der Vergütungsgruppe Ia, Fallgruppe 1a, Teil I der Anlage 1a zum [X.] und [X.] der Stufe 4. Seit dem 1. Oktober 2005 vergütet der Beklagte den Kläger nach dem [X.]. Zur Stufenzuordnung und zur Zahlung eines [X.]s regelt der [X.] ua.:

        

„§ 6   

        

Stufenzuordnung der Angestellten

        

(1)     

1Beschäftigte aus dem Geltungsbereich des [X.]/[X.]-O werden einer ihrem Vergleichsentgelt entsprechenden individuellen Zwischenstufe der gemäß § 4 bestimmten [X.] zugeordnet. 2Zum 1. Oktober 2007 steigen diese Beschäftigten in die dem Betrag nach nächsthöhere reguläre Stufe ihrer [X.] auf. 3Der weitere Stufenaufstieg richtet sich nach den Regelungen des TVöD.

        

(2)     

3Werden Beschäftigte vor dem 1. Oktober 2007 herabgruppiert, werden sie in der niedrigeren [X.] derjenigen individuellen Zwischenstufe zugeordnet, die sich bei [X.] im September 2005 ergeben hätte; der weitere Stufenaufstieg richtet sich nach Absatz 1 Satz 2 und 3.

        

…       

        
        

§ 12   

        

[X.]

        

(1)     

1Aus dem Geltungsbereich des [X.]/[X.]-O übergeleitete Beschäftigte erhalten ausschließlich in den in Anlage 3 TVÜ-Bund aufgeführten Fällen zusätzlich zu ihrem monatlichen Entgelt einen nicht dynamischen [X.]. 2Maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen (Vergütungsgruppe, Lebensaltersstufe, [X.], [X.]) ist der 1. Oktober 2005, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist.

        

(2)     

Die Zahlung des [X.]s beginnt im Oktober 2007, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht etwas anderes bestimmt ist.

        

…       

        
        

(4)     

1Bei Teilzeitbeschäftigung steht der [X.] anteilig zu (§ 24 Abs. 2 TVöD). 2§ 5 Abs. 5 Satz 2 gilt entsprechend.

        

Protokollerklärung zu Absatz 4:

        

Bei späteren Veränderungen der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der/des Beschäftigten ändert sich der [X.] entsprechend.

                 
        

(5)     

Bei Höhergruppierungen wird der Unterschiedsbetrag zum bisherigen Entgelt auf den [X.] angerechnet.

        

…       

                 
        

Niederschriftserklärungen:

        

…       

        

6. zu § 12:

        

1.    

1Die Tarifvertragsparteien sind sich angesichts der Fülle der denkbaren Fallgestaltungen bewusst, dass die Festlegung der [X.]e je nach individueller Fallgestaltung in Einzelfällen sowohl zu überproportional positiven Folgen als auch zu Härten führen kann. 2Sie nehmen diese Verwerfungen im Interesse einer für eine Vielzahl von Fallgestaltungen angestrebten Abmilderung von Exspektanzverlusten hin.“

4

           

Anlage 3 TVÜ-Bund ([X.]stabelle) lautet auszugsweise:

        

        

Entgelt-gruppe

Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ

Aufstieg

Orts-Zuschlag Stufe 1, 2

Lebensaltersstufe

Höhe [X.]

Dauer 

        
                                            

bei In-Kraft-Treten TVÜ

                          
                 

…       

…       

…       

…       

…       

…       

…       

        
                 

14    

[X.]    

ohne   

[X.] 2   

41    

110 € 

dauerhaft

        
                 

…       

…       

…       

…       

…       

…       

…       

        
                 

15    

Ia    

ohne   

[X.] 2   

41    

50 €   

dauerhaft

        
                 

…       

…       

…       

…       

…       

…       

…       

        

5

Der Kläger wurde zum 1. Oktober 2005 der [X.] 15 [X.] und einer individuellen Zwischenstufe zugeordnet. Mit Wirkung zum 1. Juli 2007 wurde er versetzt und gleichzeitig in die Vergütungsgruppe [X.], Fallgruppe 1a, Teil I der Anlage 1a zum [X.] eingruppiert. Seit dieser [X.] vergütet der Beklagte den Kläger nach der [X.] 14, Stufe 4, [X.] und zahlt ihm eine widerrufliche monatliche Zulage. Ohne Erfolg hat der Kläger vom Beklagten die Zahlung von [X.] [X.]. monatlich 50,00 Euro brutto ab dem 1. Oktober 2007 verlangt.

6

Der Kläger ist der Auffassung, er habe am 1. Oktober 2005 und damit am maßgeblichen Stichtag die anspruchsbegründenden Voraussetzungen für den von ihm geltend gemachten [X.] [X.]. monatlich 50,00 Euro brutto erfüllt. Angesichts der Stichtagsregelung in § 12 Abs. 1 Satz 2 [X.] hindere die zum 1. Juli 2007 erfolgte [X.] seinen Anspruch auf [X.] nicht. Auch der Umstand, dass er beim [X.] zur Stufe 4 gehört habe, stehe seinem Anspruch nicht entgegen. Bei den Angestellten der Stufe 3 und der folgenden Stufen habe es sich um Angestellte der Stufe 2 mit berücksichtigungsfähigen Kindern im Sinne von § 29 Abschn. [X.] 3 [X.] gehandelt. [X.] verheiratete Beschäftigte aufgrund ihrer Verpflichtung, Kindern Unterhalt zu gewähren, vom Anspruch auf [X.] ausgenommen, verstieße dies gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und das Verbot der Benachteiligung von Familien in Art. 6 GG.

7

Der Kläger hat sinngemäß beantragt:

        

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 1. Oktober 2007 einen monatlichen [X.] gemäß § 12 TVÜ-Bund [X.]. 50,00 Euro brutto nebst Zinsen [X.]. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem jeweils Ersten des darauf folgenden Kalendermonats zu zahlen.

8

Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag unter Hinweis auf ein Rundschreiben des [X.]ministeriums des Innern ([X.]) vom 10. August 2007 ([X.] 2-220 210 1/12) die Auffassung vertreten, § 12 [X.] finde nach der [X.] des [X.] keine Anwendung, weil der fiktive Verlauf des Arbeitsverhältnisses unterbrochen worden sei. Bei der gebotenen wertenden Betrachtung müssten die anspruchsbegründenden Voraussetzungen für den [X.] nicht nur am Stichtag 1. Oktober 2005, sondern darüber hinaus bis zum Beginn der Zahlung am 1. Oktober 2007 vorgelegen haben. Im Übrigen habe der Kläger das anspruchsbegründende Merkmal „[X.] Stufe 2 bei In-Kraft-Treten [X.]“ nicht erfüllt.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte beantragt, die Revision des [X.] zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] hat Erfolg. Das [X.] hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht der beanspruchte [X.] in rechnerisch unstreitiger Höhe von monatlich 50,00 Euro brutto zu.

I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Das angestrebte Urteil ist trotz seiner lediglich feststellenden und einer Vollstreckung nicht zugänglichen Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über den Anspruch des [X.] auf [X.] endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu verhindern (vgl. [X.] 18. Dezember 2008 - 6 [X.] - Rn. 11 mwN, [X.] 320 [X.] § 11 Abs. 1 Nr. 14). Der Beklagte lässt ebenso wie eine juristische Person des öffentlichen Rechts erwarten, dass er bereits auf ein der Klage stattgebendes [X.] hin dem Kläger den geltend gemachten [X.] in der beanspruchten Höhe zahlt, so dass eine erneute Inanspruchnahme der Gerichte zur Durchsetzung des Anspruchs ausgeschlossen werden kann (vgl. [X.]/[X.] ZPO 28. Aufl. § 256 Rn. 8; zum Feststellungsinteresse bei einem Streit mit einem privaten Arbeitgeber über Urlaubsfragen vgl. auch [X.] 5. November 1964 - 5 [X.] - [X.]E 16, 293, 296). Der teilweise Vergangenheitsbezug des [X.] steht dem Feststellungsinteresse nicht entgegen. Der von § 256 Abs. 1 ZPO verlangte Gegenwartsbezug wird dadurch hergestellt, dass der Kläger die Erfüllung konkreter Vergütungsansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden [X.]raum und damit einen gegenwärtigen rechtlichen Vorteil erstrebt (st. Rspr. Senat seit 13. August 2009 - 6 [X.] - Rn. 13, [X.]E 131, 325).

II. Die Klage ist begründet. Der Anspruch des [X.] auf monatlichen [X.] iHv. 50,00 Euro brutto folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 1 [X.] [X.]. Anlage 3 [X.]. Die Parteien sind sich einig, dass der Beklagte nach den getroffenen Vereinbarungen verpflichtet ist, den Kläger gemäß den Bestimmungen des [X.] und des [X.] zu vergüten. Entgegen der Annahme des [X.]s und der Ansicht des Beklagten hat der Kläger am maßgeblichen Stichtag alle anspruchsbegründenden Voraussetzungen für den von ihm geltend gemachten [X.] erfüllt.

1. Der am 23. Februar 1964 geborene Kläger war zum [X.]punkt des Inkrafttretens des [X.] in die Vergütungsgruppe Ia, Teil I der Anlage 1a zum [X.] eingruppiert und hatte Anspruch auf Grundgehalt nach der Lebensaltersstufe 41. Die zum 1. Juli 2007 erfolgte Versetzung des [X.] und seine damit verbundene Eingruppierung in die Vergütungsgruppe [X.], Teil I der Anlage 1a zum [X.] hat an der Erfüllung des auf die Vergütungsgruppe bezogenen anspruchsbegründenden Merkmals der Anlage 3 zum [X.] nichts geändert.

a) Die Herabgruppierung des [X.] erfolgte weder rückwirkend zum [X.]punkt des Inkrafttretens des [X.] noch mit Rückwirkung zu einem noch früheren [X.]punkt. In § 12 Abs. 1 Satz 2 [X.] und in der [X.]stabelle haben die Tarifvertragsparteien angeordnet, dass für die Frage, ob die anspruchsbegründenden Voraussetzungen erfüllt sind oder nicht, grundsätzlich die Verhältnisse bei Inkrafttreten des [X.] maßgebend sind. Die nach Auffassung des Beklagten gebotene wertende Betrachtung, dass die Anspruchsvoraussetzungen für den [X.] in der [X.] vom 1. Oktober 2005 bis zum 1. Oktober 2007 vorgelegen haben müssen, lässt der Wortlaut „Maßgeblicher Stichtag … ist der 1. Oktober 2005 …“ nicht zu.

b) Allerdings haben die Tarifvertragsparteien von dem Grundsatz in § 12 Abs. 1 Satz 2 [X.], dass für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen der 1. Oktober 2005 maßgebend ist, abweichende Ausnahmen geregelt. In der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 4 [X.] haben sie angeordnet, dass bei späteren Veränderungen der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit des Beschäftigten sich der [X.] entsprechend ändert. In § 12 Abs. 5 [X.] haben sie bestimmt, dass bei [X.] der Unterschiedsbetrag zum bisherigen Entgelt auf den [X.] angerechnet wird. Damit haben die Tarifvertragsparteien festgelegt, dass bei einer späteren Veränderung der Arbeitszeit oder einer nachfolgenden Höhergruppierung der Anspruch auf [X.] zwar bestehen bleibt, die Höhe des [X.] sich jedoch ändert. Wenn sie keine von dem in § 12 Abs. 1 Satz 2 [X.] aufgestellten Grundsatz abweichende Ausnahme bei [X.] geregelt haben, wird daraus ihr Wille deutlich, dass sie bei [X.] keine Ausnahmeregelung wollten und damit der Anspruch auf [X.] weder entfallen noch sich die Höhe des [X.] ändern sollte. Mit [X.] nach dem maßgeblichen Stichtag haben die Tarifvertragsparteien auch gerechnet. Sie sind bei der [X.] der Beschäftigten in § 6 Abs. 2 Satz 3 [X.] ausdrücklich davon ausgegangen, dass Beschäftigte vor dem 1. Oktober 2007 herabgruppiert werden. Wenn sie gleichwohl nur für nach dem Stichtag 1. Oktober 2005 erfolgte [X.] eine Ausnahmeregelung bezüglich der Höhe des [X.]s getroffen haben, zwingt dies im Umkehrschluss zu der Auslegung, dass eine nach dem Stichtag wirksam gewordene Herabgruppierung für den Anspruch des Beschäftigten auf [X.] und die Höhe des [X.] ohne Bedeutung sein, es also bei dem in § 12 Abs. 1 Satz 2 [X.] aufgestellten Grundsatz bleiben sollte. Dafür spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien in § 12 Abs. 1 Satz 2 [X.] mit der Formulierung „sofern in Anlage 3 [X.] nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist“ hervorgehoben haben, dass Ausnahmen einer ausdrücklichen Regelung bedürfen.

c) Die Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 3 [X.] stellt das Auslegungsergebnis nicht in Frage. Die Bestimmung regelt die [X.] bei einer Herabgruppierung des Beschäftigten in der [X.] nach der Überleitung bis zum 30. September 2007. Darin erschöpft sich die Vorschrift. Zum Anspruch auf [X.] bei einer Herabgruppierung des Beschäftigten nach dem Inkrafttreten des [X.] und vor dem 1. Oktober 2007 verhält sie sich nicht. Wenn für die [X.] bei einer vor dem 1. Oktober 2007 wirksam gewordenen Herabgruppierung des Beschäftigten fiktiv auf eine im September 2005 erfolgte Herabgruppierung abzustellen ist, ändert dies nichts daran, dass es für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen für den [X.] auf den [X.]punkt des Inkrafttretens des [X.] ankommt. Deshalb führt eine nach dem Stichtag wirksam gewordene Herabgruppierung des Beschäftigten auch nicht dazu, dass durch die Herabgruppierung ein Anspruch auf [X.] oder einen höheren Ausgleichsbetrag begründet wird, wenn der Beschäftigte am Stichtag die anspruchsbegründenden Voraussetzungen noch nicht erfüllt hat.

d) Soweit der Beklagte unter Hinweis auf das Rundschreiben des [X.] ([X.]) vom 10. August 2007 ([X.] 2-220 210 1/12) meint, bei einer Herabgruppierung werde der fiktive Verlauf des Arbeitsverhältnisses unterbrochen, trägt dieses Argument nicht.

aa) Die in § 12 [X.] für den [X.] getroffenen Regelungen finden unter den in § 1 Abs. 1 [X.] genannten Voraussetzungen für die Dauer des ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses Anwendung. Diese Voraussetzungen sind auch nach der Versetzung und Herabgruppierung des [X.] erfüllt. Die Parteien haben im Zusammenhang mit der Versetzung des [X.] kein neues Arbeitsverhältnis begründet. Auf einen fiktiven Verlauf des Arbeitsverhältnisses stellt § 1 Abs. 1 [X.] für die Anwendung der Vorschriften dieses Tarifvertrags nicht ab. Das sieht auch die [X.] [X.] so, wenn sie der Auffassung ist, dass bei einer Herabgruppierung der Anspruch auf [X.] nicht entfällt (vgl. [X.] Berichtet Nr. 055/2007 vom 9. November 2007), so dass ein übereinstimmender Regelungswille der Tarifvertragsparteien dazu fehlt, ob und gegebenenfalls wie sich eine nach dem Inkrafttreten des [X.] wirksam gewordene Herabgruppierung auf den [X.] auswirkt.

bb) Wäre entsprechend der Rechtsauffassung des Beklagten der fiktive Verlauf des Arbeitsverhältnisses maßgebend, wäre die Stichtagsregelung weitgehend sinnentleert. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] sind [X.] Typisierungen in der [X.], die Ausdruck einer pauschalisierenden Betrachtung sind, ohne die eine Umstellung von Vergütungssystemen nicht durchführbar wäre und die aus Gründen der Praktikabilität ungeachtet der damit verbundenen Härten zur Abgrenzung des begünstigten Personenkreises sachlich gerechtfertigt sind, wenn sich die Wahl des Stichtags am gegebenen Sachverhalt orientiert (vgl. [X.] 15. September 2009 - 9 [X.] - Rn. 30, [X.] § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 186; 13. August 2009 - 6 [X.]/08 - Rn. 22, [X.] § 6 Nr. 1 = [X.] 320 [X.] § 6 Nr. 1; 18. Dezember 2008 - 6 [X.] - Rn. 22, [X.]E 129, 93; 25. April 2007 - 6 [X.] - Rn. 31, [X.]E 122, 215; 11. Dezember 2003 - 6 [X.] - [X.]E 109, 110, 120). Dass [X.] je nach individueller Fallgestaltung in Einzelfällen sowohl zu überproportional positiven Folgen als auch zu Härten führen können, war den Tarifvertragsparteien bei der Regelung der Anspruchsvoraussetzungen für den [X.] bewusst (Nr. 1 Satz 1 der [X.] zu § 12 [X.]). Im Interesse einer für eine Vielzahl von Fallgestaltungen angestrebten Abmilderung von Exspektanzverlusten haben sie Verwerfungen in Einzelfällen ausdrücklich hingenommen (Nr. 1 Satz 2 der [X.] zu § 12 [X.]). Wenn die Tarifvertragsparteien trotz möglicher überproportional positiver Folgen oder Härten grundsätzlich an der Stichtagsregelung festgehalten und nur bei späteren Veränderungen der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit und bei nachfolgenden [X.] bestimmt haben, dass und wie sich die Höhe des [X.] ändert, zeigt dies, dass andere Änderungen nach dem Inkrafttreten des [X.] für den Anspruch auf [X.] und die Höhe des [X.] auch dann ohne Bedeutung sein sollen, wenn sie zu den in Kauf genommenen überproportional positiven Folgen oder Härten führen.

2. Entgegen der Annahme des [X.]s und der Ansicht des Beklagten steht dem Anspruch des [X.] auf [X.] nicht entgegen, dass diesem zum [X.]punkt des Inkrafttretens des [X.] der [X.] der Stufe 4 zustand. Wenn in der Spalte 4 der [X.]stabelle beim [X.] neben der Stufe 1 nur die (volle) Stufe 2 ausgewiesen ist, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass [X.] nur den Beschäftigten zusteht, die bei Inkrafttreten des [X.] [X.] der Stufe 1 (§ 29 Abschn. [X.] 1 [X.]/[X.]-O) oder der Stufe 2 (§ 29 Abschn. [X.] 2 [X.]/[X.]-O) erhalten haben.

a) Als verheirateter Angestellter gehörte der Kläger gemäß § 29 Abschn. [X.] 2 Nr. 1 [X.] zur Stufe 2. Der Umstand, dass er aufgrund von zwei gemäß § 29 Abschn. [X.] 3 [X.] zu berücksichtigenden Kindern [X.] der Stufe 4 erhalten hat, schließt diese Annahme nicht aus (vgl. [X.] in [X.] Bd. IV Stand April 2011 [X.]/[X.] § 12 Rn. 15). Dies zeigt schon die Formulierung in § 29 Abschn. [X.] 3 Satz 1 [X.]: „Zur Stufe 3 und den folgenden Stufen gehören die Angestellten der Stufe 2, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder nach dem Bundeskindergeldgesetz ([X.]) zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 EStG oder des § 3 oder § 4 [X.] zustehen würde“. Dass der Anspruch des Angestellten auf Kindergeld und damit auf kinderbezogenen [X.] nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien des [X.] an seiner Zuordnung zur Stufe 1 oder 2 des [X.]s nichts geändert hat, wird darüber hinaus auch aus der Regelung in § 29 Abschn. [X.] 4 Satz 1 [X.] deutlich. Nach dieser Vorschrift erhielten Angestellte der Stufe 1, denen Kindergeld nach dem EStG oder nach dem [X.] zustand oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 EStG oder des § 3 oder § 4 [X.] zugestanden hätte, zusätzlich zum [X.] der Stufe 1 den Unterschiedsbetrag zwischen Stufe 2 und der Stufe, die der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entsprach.

b) Wenn in Abs. 1 der Vorbemerkungen zur [X.]stabelle geregelt ist, dass Angestellte, deren [X.] sich nach § 29 Abschn. [X.] 5 [X.]/[X.]-O bemisst, den entsprechenden Anteil erhalten, in jedem Fall aber die Hälfte des [X.]s für Verheiratete, zeigt dies, dass die Tarifvertragsparteien auch die Angestellten in die Gruppe der Anspruchsberechtigten einbezogen haben, denen bei Inkrafttreten des [X.] nicht nur der [X.] der Stufe 1, sondern darüber hinaus der Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 zugestanden hat. Mit der Formulierung in Abs. 1 der Vorbemerkungen zur [X.]stabelle „Angestellte, deren [X.] sich nach § 29 Abschn. [X.] 5 [X.]/[X.]-O bemisst“ haben die Tarifvertragsparteien im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausdrücklich klargestellt, dass allen Angestellten, die bei Inkrafttreten des [X.] nach § 29 Abschn. [X.] 5 [X.]/[X.]-O Anspruch auf [X.] hatten, grundsätzlich [X.] zustehen kann. Denn § 29 Abschn. [X.] 5 [X.]/[X.]-O erfasst nicht nur Angestellte der Stufen 1 und 2 des [X.]s. Die Vorschrift stellt auf den für den Angestellten maßgebenden [X.] ab und spricht vom [X.] der Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen.

c) Aus dem Wort „ausschließlich“ in § 12 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann zwar abgeleitet werden, dass die Zahlung von [X.] Ausnahmecharakter hat ([X.] 22. April 2010 - 6 [X.] - Rn. 22, [X.] 300 [X.] § 12 Nr. 1). Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass das Merkmal „Orts-Zuschlag Stufe 1, 2“ die Beschäftigten vom [X.] ausschließen soll, die Anspruch auf [X.] der Stufe 3 oder einer der nachfolgenden Stufen hatten. Ob es nach dem Willen der Tarifvertragsparteien mehr oder weniger Ausnahmefälle geben soll, in denen [X.] zu zahlen ist, erschließt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht ([X.] 22. April 2010 - 6 [X.] - Rn. 22, aaO).

d) Auch Sinn und Zweck des [X.]s geben das Auslegungsergebnis vor.

aa) Mit dem [X.] wollten die Tarifvertragsparteien Erwartungen auf zukünftige Entgeltsteigerungen nach dem bisherigen Tarifsystem Rechnung tragen. Bei der Ermittlung der begünstigten Personengruppen war entscheidend, welche Einkommensentwicklung bei der bisher erreichten Vergütungsgruppe oder Lebensaltersstufe sowie dem jeweiligen Familienstand ([X.] der Stufe 1 oder Stufe 2) noch möglich gewesen wäre. Dies erklärt, warum die [X.]sbeträge innerhalb einer Vergütungsgruppe bei verschiedenen [X.] nicht stets gleich hoch sind ([X.] 22. April 2010 - 6 [X.] - Rn. 25, [X.] 300 [X.] § 12 Nr. 1).

bb) Mit diesem Ziel, nach dem bisherigen Tarifsystem bestehenden Exspektanzen im Hinblick auf eine Höhergruppierung Rechnung zu tragen und Exspektanzverluste aufgrund der Beseitigung des Aufstiegs nach dem Lebensalter abzumildern, wäre es nicht zu vereinbaren, verheiratete Beschäftigte vom [X.] nur deshalb auszuschließen, weil ihnen kinderbezogene Bestandteile des [X.]s zustanden. Das Kriterium, ob ein verheirateter Angestellter Kindern Unterhalt geleistet hat oder nicht, ist ohne jede Bedeutung sowohl für auf die Karriere als auch auf den Aufstieg nach [X.] bezogene Exspektanzen.

e) Ein Verständnis, dass nur ledigen Angestellten der Stufe 1 mit Anspruch auf kinderbezogenen [X.] (§ 29 Abschn. [X.] 4 [X.]), nicht jedoch verheirateten Angestellten der Stufe 3 oder einer der folgenden Stufen (§ 29 Abschn. [X.] 3 [X.]) [X.] zustehen kann, wäre nicht mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren und ließe die durch Art. 6 GG geschützten Belange von Ehe und Familie sachwidrig außer Betracht. Zwar sind die Tarifvertragsparteien nicht unmittelbar grundrechtsgebunden ([X.] 27. Mai 2004 - 6 [X.] - [X.]E 111, 8, 15) und deshalb verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, familienbezogene Vergütungsbestandteile zu vereinbaren ([X.] 30. Oktober 2008 - 6 [X.] - Rn. 28, [X.]E 128, 210). Bei der Regelung familienbezogener Vergütungsbestandteile müssen sie jedoch gemessen am [X.] gleichheitswidrige Differenzierungen vermeiden und bei der Ausgestaltung die Wertentscheidung des Art. 6 GG hinreichend beachten ([X.] 18. Dezember 2008 - 6 [X.] - Rn. 22 ff., [X.] 320 [X.] § 11 Abs. 1 Nr. 14; 30. Oktober 2008 - 6 [X.] - Rn. 28, [X.]E 128, 210; [X.]/[X.] 11. Aufl. Art. 6 GG Rn. 16). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Rechtsauffassung des Beklagten verheiratete Beschäftigte mit Kindern vom Anspruch auf [X.] ausnehmen wollen, hätten sie aufgrund der sachlich nicht zu rechtfertigenden Benachteiligung gegenüber ledigen Beschäftigten mit Kindern und verheirateten Beschäftigten ohne Kinder die Grenzen ihrer Regelungsbefugnis überschritten.

3. Nach § 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB [X.]. § 24 Abs. 1 Satz 2 [X.] und § 288 Abs. 1 BGB stehen dem Kläger die beanspruchten Zinsen zu.

III. Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO hat der Beklagte auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Sieberts    

        

    Spiekermann    

                 

Meta

6 AZR 726/09

14.04.2011

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Göttingen, 11. Dezember 2008, Az: 2 Ca 410/08, Urteil

§ 12 Abs 1 S 2 TVÜ-Bund, § 12 Abs 1 S 3 TVÜ-Bund, § 29 Abschn B Abs 2 Nr 1 BAT, Anl 3 TVÜ-Bund

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.04.2011, Az. 6 AZR 726/09 (REWIS RS 2011, 7498)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7498

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

6 AZR 962/08 (Bundesarbeitsgericht)

Strukturausgleich nach § 12 Abs 1 S 2 TVÜ-Bund - Tarifauslegung


6 AZR 261/11 (Bundesarbeitsgericht)

Strukturausgleich nach § 12 Abs 1 TVÜ-L - Merkmal "Aufstieg - ohne" - Auslegung


6 AZR 558/11 (Bundesarbeitsgericht)

Berechnung des Strukturausgleichs für Angestellte nach § 12 Abs 1 S 1 iVm. Anlage 3 …


6 AZR 809/08 (Bundesarbeitsgericht)

Anspruch auf kinderbezogenen Ortszuschlag bei Teilzeitarbeit


6 AZR 877/08 (Bundesarbeitsgericht)

Anspruch auf kinderbezogenen Ortszuschlag bei Teilzeitarbeit


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.