Bundessozialgericht, Beschluss vom 05.06.2013, Az. B 6 KA 4/13 B

6. Senat | REWIS RS 2013, 5311

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Gegenstand

Vertragsarztrecht - Status-Erteilungen und -Aufhebungen (hier: Zulassungsentziehung) wirken nur ex nunc und nicht ex tunc - effektiver Rechtsschutz - Kompetenz des Zulassungsausschusses zum Erlass einer Anordnung der sofortigen Vollziehung


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 19. September 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Streitig ist das Verlangen des [X.] nach Honorierung von Leistungen, die er in der [X.] nach der Anordnung der sofortigen Vollziehung ([X.]) der Zulassungsentziehung durch den Zulassungsausschuss ([X.]) am [X.] bis zur Aufhebung dieser [X.] durch das [X.] erbracht hatte.

2

Der Kläger war seit 1997 als Allgemeinarzt tätig; er führte [X.] durch. Gegründet auf den Vorwurf jahrelanger sexueller Übergriffe gegen - teils minderjährige - Patientinnen entzog der [X.] dem Kläger die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung; die vom Kläger dagegen eingelegten Rechtsbehelfe hatten keinen Erfolg (Beschluss/Bescheid vom 14.8./5.11.2007 sowie anschließendes erfolgloses Klage- und Berufungsverfahren).

3

Der [X.] ordnete zugleich mit der Zulassungsentziehung auch deren sofortige Vollziehung an (Beschluss/Bescheid vom 18.4./[X.]). Ungeachtet dieser [X.] erbrachte der Kläger über den [X.] hinaus weiterhin Leistungen und brachte diese auch in seiner späteren [X.] vom Juli 2007 gegenüber der beklagten [X.] ([X.]) in Ansatz. Die Beklagte versagte dem Kläger indessen das Honorar für die Leistungen, die er nach dem [X.] (bis zur Aufhebung der [X.] durch das [X.]) erbracht hatte (sog quartalsgleiche sachlich-rechnerische Richtigstellung vom 10.10.2007).

4

Am 9.7.2007 hob das [X.] die [X.] des [X.] vom 18.4./[X.] auf; das L[X.] wies die Beschwerde des [X.] ([X.]) zurück; [X.] und L[X.] führten zur Begründung aus, dass für Anordnungen der sofortigen Vollziehung nicht die Zulassungs-, sondern nur die [X.] zuständig seien (Beschluss des [X.] vom 9.7.2007 und Zurückweisung der Beschwerde des [X.] durch Beschluss des L[X.] vom 22.8.2008). Eine [X.] des [X.] vom 14.8./5.11.2007 ist demgegenüber vom [X.] und vom L[X.] bestätigt worden (Beschlüsse vom 7.12.2007 und vom 14.8.2008).

5

Den Widerspruch des [X.] gegen die Honorarversagung - der sich auf die von ihm beim [X.] erreichte gerichtliche Aufhebung der [X.] des [X.] berief - hat die Beklagte zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom [X.]). Anders als das [X.] (Urteil vom [X.]) hat das L[X.] die Klage abgewiesen (Urteil vom 19.9.2012). In dessen Urteil ist ausgeführt, dass die sachlich-rechnerische Richtigstellung zu Recht erfolgt sei. Der Kläger habe über den [X.] hinaus keine Leistungen erbringen dürfen; er hätte die [X.] des [X.] beachten müssen, ungeachtet der Frage, ob dieser - oder nur der [X.] - für die [X.] zuständig gewesen sei. Die spätere gerichtliche Aufhebung der [X.] habe keine Rückwirkung entfalten können. Im Übrigen hätten die [X.] die Kompetenz für Anordnungen sofortiger Vollziehung; die frühere gegenteilige Auffassung, die noch dem Beschluss vom 22.8.2008 zugrunde gelegen habe, werde aufgegeben.

6

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, die Frage der Rückwirkung gerichtlicher Aufhebungen von [X.] und die Frage der Zuständigkeit der [X.] für [X.] hätten grundsätzliche Bedeutung. Ferner liege ein Verfahrensverstoß in Gestalt der Missachtung der Bindungswirkungen des früheren L[X.]-Beschlusses vom 22.8.2008 vor.

7

II. Die Beschwerde des [X.] ist unbegründet. Er hat weder mit der Geltendmachung grundsätzlicher Bedeutung noch mit der von ihm erhobenen Verfahrensrüge Erfolg.

8

1. Eine grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) setzt voraus, dass eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl B[X.] [X.]-1500 § 153 [X.] Rd[X.]3 mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt insbesondere dann, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt (hierzu siehe zB B[X.] [X.]-1500 § 146 [X.]; B[X.] [X.]-2500 § 75 [X.]; B[X.] [X.]-1500 § 160a [X.]; vgl auch B[X.] [X.]-4100 § 111 [X.] f; siehe auch B[X.] [X.]-2500 § 240 [X.]3 S 151 f mwN). Die Klärungsfähigkeit ist nicht gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage nicht im Revisionsverfahren zur Entscheidung anstehen würde (Entscheidungserheblichkeit). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (siehe die [X.] in B[X.] [X.]-1500 § 153 [X.] Rd[X.]3 sowie [X.] [X.]-1500 § 160a [X.] RdNr 4 f).

9

Nach diesen Maßstäben sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nicht gegeben. Die - hier sinngemäß wiedergegebenen - Rechtsfragen,

        

-       

ob die Aufhebung einer [X.] durch ein [X.] Wirkung ex nunc oder ex tunc hat

        

-       

ob die Aufhebung der [X.] grundsätzlich ex nunc wirkt oder ob insoweit eine Ausnahme gelten muss, als die Aufhebung der [X.] des [X.] wegen dessen Unzuständigkeit ex tunc anzuordnen ist,

sind unter Heranziehung der bereits vorliegenden Rechtsprechung des B[X.] dahin zu beantworten, dass eine [X.] durch das [X.] nur Wirkung ex nunc entfaltet; der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf es insoweit nicht.

a) Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung herausgestellt hat, kann ein vertragsärztlicher Status nicht rückwirkend zuerkannt oder aberkannt werden, sondern im vertragsärztlichen System "muss zu jedem [X.]punkt klar sein, welcher Arzt Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen ([X.]) zu deren Lasten behandeln und Leistungen verordnen darf und ob insoweit ein Anspruch des Arztes besteht, wegen der von ihm erbrachten Leistungen an der Verteilung des Honorars durch die [X.] beteiligt zu werden" (Zitat aus B[X.]E 110, 269 = [X.]-2500 § 95 [X.], Rd[X.]4 iVm 36 iVm 28, mit zahlreichen weiteren B[X.]-Angaben wie zB B[X.]E 99, 218 = [X.]-2500 § 103 [X.], Rd[X.]5; B[X.] [X.]-2500 § 96 [X.] Rd[X.]5 f iVm 22; B[X.]E 110, 43 = [X.]-2500 § 103 [X.], Rd[X.]7). [X.] und [X.] wirken nur ex nunc und nicht ex tunc (so zB B[X.] [X.]-5520 § 24 [X.] Rd[X.]0 ff zur Genehmigung einer Praxisverlegung; B[X.] [X.]-2500 § 96 [X.] Rd[X.]2 zur aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen eine Ermächtigung; vgl auch schon früher zB B[X.]E 80, 48, 50 = [X.]-2500 § 85 [X.]9 S 119/120 betr [X.]).

Wie sich aus der Rechtsprechung ergibt, gilt dieser allgemeine Grundsatz nicht nur für den Status selbst, sondern auch für die im Zusammenhang mit einem Status stehende aufschiebende Wirkung und deren Fortfall durch Einlegung von Rechtsbehelfen und Anordnungen der sofortigen Vollziehung. So hat der Senat im Urteil vom [X.] zu einer Drittanfechtungskonstellation ausgeführt, dass die aufschiebende Wirkung nicht ex tunc eintreten kann (B[X.] [X.]-2500 § 96 [X.] Rd[X.]1), und als zweifelhaft bezeichnet, dass eine [X.] den Wegfall der aufschiebenden Wirkung rückwirkend bewirken könne (aaO Rd[X.]8). Er hat hervorgehoben, dass "ein … ex tunc … zurückbezogener Eintritt der aufschiebenden Wirkung … gerade zu der in der Senatsrechtsprechung hervorgehobenen (als nicht tragbar erachteten) Unsicherheit führen" würde (aaO Rd[X.]2). Der Senat hat dargelegt, dass bis zur Einlegung des Widerspruchs der Ermächtigte Leistungen erbringen darf und dafür Honorar beanspruchen kann; dies kann nicht etwa rückwirkend in Frage gestellt werden, wenn später Widerspruch eingelegt wird; die Widerspruchseinlegung wirkt nur ex nunc (vgl B[X.] aaO Rd[X.]1-29).

Der Aussagekraft dieser Entscheidung und ihre Anwendbarkeit auf die vorliegende Konstellation steht nicht entgegen, dass der Senat seine Ausführungen anhand einer sog Drittanfechtung und damit in einem Fall "mehrpoliger Rechtsbeziehungen" formuliert hat (vgl hierzu B[X.] aaO Rd[X.]2). So wie der Senat zur damaligen Konstellation ausgeführt hat, dass die Widerspruchseinlegung nur ex nunc aufschiebende Wirkung entfaltet und eine [X.] die aufschiebende Wirkung nur ex nunc wegfallen lässt, so wirken in einem Fall der vorliegenden Art die [X.] und deren spätere Aufhebung durch das [X.] auch jeweils nur ex nunc. Die später erfolgte Aufhebung der [X.] durch das [X.] konnte das als Folge der [X.] zunächst bestehende Verbot der Leistungserbringung also nur ex nunc und nicht rückwirkend aufheben.

Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung und des von ihr herausgestellten allgemeinen Grundsatzes ist die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage dahin zu beantworten, dass der betroffene Arzt die [X.] sofort ab ihrem Ergehen - ex nunc - beachten muss, dh dass er ab der [X.] keine vertragsärztlichen Leistungen mehr erbringen darf und kein Honorar für dennoch erbrachte Leistungen beanspruchen kann, sowie dass er ab der Aufhebung der [X.] erneut Leistungen erbringen darf und für diese Honorar beanspruchen kann, dies aber nur ex nunc. Schon vorher - ungeachtet der [X.] - erbrachte Leistungen werden nicht rückwirkend legal mit der Folge, dass die [X.] sie honorieren müsste.

aa) Diesem aus der Senatsrechtsprechung abzuleitenden Ergebnis steht nicht entgegen, dass andere Gerichte und das Schrifttum vielfach abstrakt formulieren, die gerichtliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wirke auf den [X.]punkt der [X.] zurück (zum Streitstand vgl zB [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 10. Aufl 2012, § 86b Rd[X.]9 ; [X.]/[X.], VwGO, 19. Aufl 2013, § 80 Rd[X.]71; vgl auch B[X.] [X.]-2500 § 96 [X.] Rd[X.]8 mwN). Dies kann jedenfalls angesichts der unter a) dargestellten besonderen vertragsarztrechtlichen Rechtslage nicht für vertragsarztrechtliche Konstellationen der vorliegenden Art gelten. Auch in zahlreichen anderen Fällen sind Abweichungen von allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen aufgrund von Besonderheiten des vertragsarztrechtlichen Systems akzeptiert; dies beruht auf § 37 Satz 1 [X.]B I ("soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt"), wie der Senat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl dazu zB B[X.]E 96, 1 = [X.]-2500 § 85 [X.]2, Rd[X.]1 mwN; B[X.] [X.]-1500 § 54 [X.]5 Rd[X.]3, 45; B[X.] vom [X.] - B 6 [X.]/12 R - Rd[X.]). Ein Bedarf nach grundsätzlicher Klärung besteht insoweit nicht.

bb) Im Übrigen liefe es der Funktion der nach der Rechtsprechung des [X.] ohnehin nur in Ausnahmefällen zulässigen Anordnung des Sofortvollzugs einer Zulassungsentziehung zuwider, wenn der Betroffene seine Tätigkeit ungeachtet der [X.] fortsetzen und daraus Vergütungsansprüche generieren könnte. Gerade wenn die [X.] dem Schutz der Patienten dient - hier war der Kläger dringend verdächtig, sexuelle Übergriffe gegenüber minderjährigen Mädchen im Zusammenhang mit Substitutionsbehandlungen begangen zu haben und nach dem L[X.]-Beschluss vom 14.8.2008 - L 12 [X.]/08 KA ER - Seite 11, stand zumal [X.] in Frage -, müssen alle Anreize zum Unterlaufen der Anordnung ausgeschlossen sein (vgl B[X.] [X.]-2500 § 96 [X.] Rd[X.]7, 19, 21 zur Ausrichtung "auf die konkrete Rechtsfolge und deren Ordnungsfunktion").

b) Auch die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) fordert nicht, dass ein von einer [X.] betroffener Arzt seine vertragsärztliche Tätigkeit zunächst fortsetzen darf, bis ein Gericht im Eilverfahren über die Rechtmäßigkeit entschieden hat. Auch wenn der Arzt unmittelbar nach der [X.] das [X.] angerufen und seinerseits alles Erforderliche veranlasst hat, um dem [X.] eine schnelle Entscheidung zu ermöglichen, darf er seine vertragsärztliche Tätigkeit zunächst nicht weiterführen. Hierzu wird im Schrifttum darauf hingewiesen, dass bei den Gerichten die Praxis verbreitet ist, im Falle nicht sogleich möglicher Entscheidung gemäß § 80 Abs 5 VwGO, § 86b Abs 1 [X.]G, § 32 [X.]G - bei drohendem existentiellen oder sonstwie erheblichen Eingriff - einen sog "Hängebeschluss" (auch "Zwischenregelung" genannt) zu erlassen (hierzu ausführlich [X.], Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 3. Aufl 2012, RdNr 461-472 ; kurz gefasst auch zB [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 10. Aufl 2012, § 86b Rd[X.]4; [X.] in [X.], [X.]G, 4. Aufl 2012, § 86b [X.]; [X.]/[X.], VwGO, 19. Aufl 2013, § 80 Rd[X.]70). Damit wird den Erfordernissen des Art 19 Abs 4 GG Rechnung getragen. Sollte sich nachträglich herausstellen, dass dem betroffenen Arzt die Zulassung nicht hätte entzogen werden dürfen, können Amtshaftungsansprüche bestehen, soweit ein Arzt durch bindende, aber rechtswidrige [X.] an seiner Tätigkeit gehindert worden sein sollte (zur Verfassungsmäßigkeit der Verweisung auf Sekundäransprüche vgl zB B[X.]E 99, 218 = [X.]-2500 § 103 [X.], Rd[X.]1; B[X.]E 110, 43 = [X.]-2500 § 103 [X.], Rd[X.]3 mwN).

c) Der Grundsatz der Verbindlichkeit von [X.] bis zu ihrer etwaigen gerichtlichen Aufhebung gilt auch dann, wenn das Gericht die [X.] allein mit der Begründung aufgehoben hat, der [X.] sei insoweit nicht zuständig. Die Verbindlichkeit könnte nur dann nachträglich-rückwirkend zweifelhaft sein, wenn das [X.] ausdrücklich ausgesprochen hätte, die Aufhebung der [X.] erfolge rückwirkend ab deren Erlass. Hierfür kann der Aufhebung durch das [X.] im vorliegenden Fall aber nichts entnommen werden; dazu wäre das [X.] in einer Konstellation wie hier auch nicht berechtigt gewesen.

d) Eine grundsätzliche Bedeutung ergibt sich ferner nicht aus der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage,

        

ob der [X.] die Kompetenz hat, die sofortige Vollziehbarkeit der Zulassungsentziehung anzuordnen.

Diese Frage ist nach dem Kontext des L[X.]-Urteils schon nicht entscheidungserheblich, also nicht klärungsfähig. Auf die Frage der Kompetenz des [X.] könnte es nur ankommen, wenn ein etwaiger Kompetenzmangel die Nichtigkeit der [X.] begründen würde und dadurch die weitere Leistungserbringung durch den Kläger berechtigt gewesen wäre mit der Folge des Entstehens von [X.]. Indessen steht eine Nichtigkeit nicht in Rede; ein etwaiges Zuständigkeitsdefizit des [X.] ergäbe keinen evidenten schwerwiegenden Rechtsfehler der [X.] im Sinne des § 40 Abs 1 [X.]B X. Eine sog absolute Unzuständigkeit kann nicht in Betracht gezogen werden, weil eine [X.]-Befugnis des [X.] einen sachlichen Bezug zu dessen Aufgabenbereich hat.

Ungeachtet des Fehlens der Entscheidungserheblichkeit weist der Senat aus Gründen der Klarstellung daraufhin, dass auch der [X.] - und nicht erst nur der [X.] - als Behörde im Sinne des § 86a Abs 2 [X.] [X.]G die Kompetenz hat, eine [X.] zu erlassen (so auch BayL[X.] vom 19.9.2012 - L 12 KA 59/11 - in Abkehr von BayL[X.] vom 22.8.2008 - L 12 [X.]/07 KA ER - [X.], 565; vgl auch zB [X.] in: [X.]/[X.], juris-PK [X.]B V, 2. Aufl 2012, § 97 RdNr 70; [X.], Entscheidungsanmerkung [X.], 566 f; [X.], Aufschiebende Wirkung und sofortige Vollziehbarkeit, in: [X.] , Festschrift 10 Jahre [X.] im [X.], 2008, [X.]; offengelassen in B[X.] [X.]-2500 § 96 [X.] Rd[X.]0 mwN). Danach kann Sinn und Funktion des § 97 Abs 4 [X.]G, der mit der Einführung des § 86a Abs 2 [X.] [X.]G bestehen blieb, darin gesehen werden klarzustellen, dass der Berufungsausschuss ungeachtet der abweichenden Terminologie des § 86 Abs 2 [X.] [X.]G ("Stelle, die … über den Widerspruch zu entscheiden hat"; anders § 96 Abs 4 [X.]B V: "den Berufungsausschuss anrufen ") die Kompetenz zum Erlass einer [X.] behalten hat.

2. Erfolglos ist schließlich auch die vom Kläger erhobene Verfahrensrüge (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G), die er unter dem Gesichtspunkt der Missachtung der Bindungswirkungen des früheren L[X.]-Beschlusses vom 22.8.2008 erhebt.

Die Missachtung einer Bindungswirkung würde einen Verfahrensmangel darstellen (unstreitig, vgl zB [X.] in: [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 10. Aufl 2012, § 141 Rd[X.]3). Das ist bei Urteilen für Fälle der Nichtbeachtung der [X.] gemäß § 141 Abs 1 [X.]G anerkannt und gilt entsprechend für Beschlüsse in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (unstreitig, vgl zB [X.] aaO § 141 Rd[X.] und 5). In der vorliegenden Konstellation steht aber keine Bindungswirkung in Frage, deren Missachtung mit der Nichtbeachtung der [X.] bei Urteilen vergleichbar wäre. Voraussetzung für eine verfahrensmäßig beachtliche Bindungswirkung ist, dass sie (a) zwischen denselben Prozessparteien (sog inter-partes-Bindung) und (b) auf der sog [X.] besteht:

a) Bedenken ergeben sich hier nicht daraus, dass vorliegend ein Streit zwischen Kläger und [X.] betroffen ist, während der L[X.]-Beschluss vom 22.8.2008 einen Streit zwischen dem Kläger und dem [X.] betraf; denn jener L[X.]-Beschluss entfaltet Bindungswirkung auch im Verhältnis zwischen Kläger und [X.], weil diese damals beigeladen war.

b) Einer Bindungswirkung im Sinne des § 141 Abs 1 [X.]G steht aber entgegen, dass Gegenstand des L[X.]-Beschlusses vom 22.8.2008 auf der sog [X.] allein die gerichtliche Aufhebung der [X.] des [X.] war. Zu dessen Streitgegenstand im prozessrechtlichen Sinne gehörte weder die Aussage des L[X.] dazu, warum die [X.] aufgehoben wurde, noch, ob die Aufhebung ex tunc oder nur ex nunc auszusprechen war. Die Auffassung des L[X.], die [X.] sei rechtswidrig gewesen, weil der [X.] dafür nicht zuständig sei, betraf im Rahmen des L[X.]-Beschlusses vom 22.8.2008 nur die Begründung = Vorfrageebene, sodass keine Bindungswirkung für die hier vom L[X.] zu treffende Entscheidung ausging. Auch die Frage der ex tunc- oder ex nunc-Wirkung war nicht Gegenstand des L[X.]-Beschlusses vom 22.8.2008; das L[X.] hatte damals keinen Anlass, zur ex tunc- oder ex nunc-Wirkung Stellung zu nehmen, und hat dies auch nicht getan.

Dementsprechend konnte das L[X.] im Urteil vom 19.9.2012, ohne eine Bindungswirkung des früheren L[X.]-Beschlusses vom 22.8.2008 beachten zu müssen, frei darüber entscheiden, ob es nur von einer ex nunc-Wirkung ausgehe und ob es auch den [X.] als befugt zur Anordnung einer sofortigen Vollziehbarkeit erachte. Im Übrigen hat das L[X.] zur Zuständigkeit des [X.], eine sofortige Vollziehung anzuordnen, nur im Rahmen eines obiter dictum Stellung genommen; auch aus diesem Grund gibt es keine "Entscheidungskollision", und somit kann insoweit kein Verfahrensmangel vorliegen.

3. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Die Bemessung erfolgt entsprechend der Festsetzung der Vorinstanzen auf den sog [X.] von 5000 Euro, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist.

Meta

B 6 KA 4/13 B

05.06.2013

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG München, 28. Januar 2011, Az: S 21 KA 788/09, Urteil

§ 95 Abs 6 SGB 5, § 86a Abs 2 Nr 5 SGG, Art 19 Abs 4 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 05.06.2013, Az. B 6 KA 4/13 B (REWIS RS 2013, 5311)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5311

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