Bundessozialgericht, Beschluss vom 02.04.2014, Az. B 6 KA 58/13 B

6. Senat | REWIS RS 2014, 6612

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Vertrags(zahn)ärztliche Versorgung - Zulassungsentziehung - gröbliche Pflichtverletzung - keine Relativierung durch lange Zeitdauer - Begriff des Wohlverhaltens - Sozialgericht - Verwertung bestandkräftiger Entscheidungen anderer Gerichte und Ergebnisse staatsanwaltlicher Ermittlungen


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 14. August 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 257 304 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.

2

Gegen den Kläger, der seit 1984 als Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, wurde seit etwa September 2000 wegen des Verdachts des Betruges ermittelt. Im Juni 2002 beantragte die zu 1. beigeladene [X.] ([X.]) bei dem Zulassungsausschuss die Entziehung der Zulassung des [X.]. In einem ebenfalls gegen den Kläger geführten Disziplinarverfahren beschloss der [X.] das Ruhen der klägerischen Zulassung für die Dauer von zwei Jahren und ordnete die sofortige Vollziehung seiner Entscheidung an. In einem dazu geführten sozialgerichtlichen Eilverfahren wurde die aufschiebende Wirkung der dagegen erhobenen Klage wiederhergestellt. Im Hinblick darauf führte der Zulassungsausschuss das Verfahren wegen der Entziehung der Zulassung auf Anregung der Beigeladenen zu 1. zunächst nicht weiter durch.

3

Mit Urteil des Amtsgerichts wurde der Kläger wegen Betruges in fünf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt. Dabei war das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger in den [X.]/1997 bis III/1998 tatsächlich nicht erbrachte Leistungen in Höhe von 2375,39 Euro für 78 sog "[X.]" abgerechnet habe und dass dieser darüber hinaus in den [X.] bis IV/1998 sonographische Leistungen nach [X.] Einheitlicher Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen in Höhe von 15 702,83 Euro abgerechnet habe, obwohl er die hierfür vorgeschriebene Bilddokumentation nicht erstellt habe. Auf die Berufung des [X.], die allein auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt war, änderte das [X.] mit Urteil vom [X.] ([X.][X.][X.]) das amtsgerichtliche Urteil insoweit ab, als der Kläger zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 80 Euro verurteilt wurde, von denen 10 Tagessätze als Entschädigung für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Dabei berücksichtigte das [X.] strafmildernd ua, dass der Kläger neben der Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch eine gewisse Einsicht und Reue in der Berufungsverhandlung habe erkennen lassen und dass er sich nach Beginn der letzten Tat vor mehr als elf Jahren straffrei verhalten habe.

4

Nach Kenntnis von dem landgerichtlichen Urteil nahm der Zulassungsausschuss das Verfahren wieder auf. Mit Beschluss vom 20.10.2010 wurde dem Kläger die Zulassung entzogen. Der beklagte Berufungsausschuss bestätigte diese Entscheidung (Beschluss vom 26.1.2011).

5

Das vom Kläger angerufene [X.] hat den Beschluss des Beklagten im Wesentlichen wegen des langen [X.]raums, der seit der Begehung der [X.] im Jahr 1998 vergangen war, aufgehoben. Das L[X.] hat das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat sich dabei maßgeblich auf Ermittlungsergebnisse aus dem Strafverfahren gestützt. Die dagegen vorgetragenen Einwände des [X.] seien nicht überzeugend. Für die Erstellung der Bilddokumentation seien auch nach Angaben des [X.] die Arzthelferinnen zuständig gewesen, die sich jedoch nicht daran erinnern konnten, Bilddokumentationen gefertigt zu haben. Damit bleibe unerfindlich, wer die Dokumentation gefertigt haben soll. Zudem hätten 78 der vom Amtsgericht vernommenen angeblichen Patienten ausgesagt, weder die Praxis des [X.] zu kennen noch durch diesen behandelt worden zu sein. Der vom [X.] offenbar vorgeschlagene "Deal" stehe einem Rückgriff auf die Feststellungen des Amtsgerichts nicht entgegen. Der erhebliche [X.]raum zwischen der letzten Pflichtverletzung des [X.] und dem streitgegenständlichen Beschluss des Beklagten schließe die Entziehung der Zulassung nicht aus, da es sich insbesondere bei der Abrechnung sog [X.] um ein besonders gravierendes Fehlverhalten gehandelt habe. Zudem verfüge der Kläger nicht über die gebotene Unrechtseinsicht, sondern leugne jedwedes Fehlverhalten. Er habe auch keinerlei Bemühungen zur Wiedergutmachung des entstandenen Schadens unternommen.

6

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde, zu deren Begründung er eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht.

7

II. Die Beschwerde des [X.] hat keinen Erfolg. Soweit sie den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G entspricht, ist sie jedenfalls unbegründet.

8

Die grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) setzt voraus, dass eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl B[X.] [X.]-1500 § 153 [X.] Rd[X.]3 mwN; B[X.] [X.]-1500 § 160 [X.] Rd[X.] ). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt (hierzu s zB B[X.] SozR 3-1500 § 146 [X.]; B[X.] SozR 3-2500 § 75 [X.]; B[X.] SozR 3-1500 § 160a [X.]; vgl auch B[X.] SozR 3-4100 § 111 [X.] f; s auch B[X.] SozR 3-2500 § 240 [X.]3 S 151 f mwN). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die [X.] in B[X.] [X.]-1500 § 153 [X.] Rd[X.]3 sowie [X.] [X.]-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 4 f; [X.] [X.]-1500 § 160a [X.] Rd[X.]).

9

Der Kläger hält für klärungsbedürftig,

        

ob bei der Frage der Störung des Vertrauensverhältnisses und der daraus folgenden Ungeeignetheit für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung außer Betracht bleiben könne, dass seit den vorgeworfenen Pflichtverletzungen bis zur letzten Entscheidung der Verwaltungsbehörde ein [X.]raum von mehr als elf Jahren vergangen sei, in denen der Vertragsarzt beanstandungsfrei mit den vertragsärztlichen Institutionen zusammengearbeitet habe.

Diese Frage ist bereits nicht klärungsfähig, weil es darauf für die Entscheidung in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht ankommt. Der von dem Kläger als klärungsbedürftig angesehenen Frage liegt die unzutreffende Annahme zugrunde, das L[X.] habe außer Betracht gelassen, dass der Kläger in der [X.] nach den vorgeworfenen Pflichtverletzungen und bis zur Entscheidung der Beklagten nicht mehr wegen der Verletzung vertragsärztlicher Pflichten auffällig geworden ist. Tatsächlich hat das L[X.] den erheblichen [X.]raum der zwischen der Pflichtverletzung und der Entscheidung der Beklagten vergangen ist, ausdrücklich berücksichtigt, daraus jedoch nicht gefolgert, dass der angefochtene Bescheid als rechtswidrig aufzuheben wäre.

Soweit die Frage des [X.] dahin zu verstehen ist, dass klärungsbedürftig sei, ob einem Vertragsarzt die Zulassung noch entzogen werden darf, wenn die ihm entgegengehaltene Pflichtverletzung bereits viele Jahre zurückliegt und der Arzt seitdem keinen Anlass zu Beanstandungen mehr gegeben hat, so wäre diese Frage zwar entscheidungserheblich. Sie ist jedoch nicht klärungsbedürftig, weil sie sich ohne Weiteres aus der vorliegenden Rechtsprechung beantworten lässt: Bereits in einer Entscheidung vom 19.7.2006 ([X.]-2500 § 95 [X.] Rd[X.]4; vgl auch B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] 32/09 B - [X.] 2011, 307 Rd[X.] 9), auf die das L[X.] in seiner Entscheidung ausdrücklich Bezug genommen hat, hat der Senat dargelegt, dass es keine "Verjährungsfrist" gibt, die die Zulassungsgremien daran hindern würde, bereits länger zurückliegende gröbliche Pflichtverletzungen zur Begründung einer Zulassungsentziehung heranzuziehen. Eine gröbliche Pflichtverletzung, die das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen so tiefgreifend und nachhaltig stört, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht mehr zugemutet werden kann, wird nicht bereits durch eine bloß lange [X.]dauer relativiert (B[X.]E 112, 90 = [X.]-2500 § 95 [X.], [X.]; B[X.] [X.]-5520 § 21 [X.]). Maßgeblich ist, ob das Vertrauensverhältnis im [X.]punkt der Entscheidung der Zulassungsgremien wiederhergestellt ist. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles und namentlich die Einsicht des Betroffenen in den Unrechtsgehalt seines Verhaltens und eine hieraus resultierende Einstellungs- und Verhaltensänderung sowie die Bereitschaft zur Wiedergutmachung des Schadens von Bedeutung (vgl B[X.]E 112, 90 = [X.]-2500 § 95 [X.], Rd[X.] 63 ff). Voraussetzung ist eine nachhaltige Verhaltensänderung während eines [X.]raums von mehreren Jahren, die eine zweifelsfreie Prognose künftig rechtmäßigen Verhaltens erlaubt (vgl B[X.]E 110, 269 = [X.]-2500 § 95 [X.], Rd[X.]5; B[X.] [X.]-5520 § 21 [X.] Rd[X.]9 mwN zum Erfordernis zweifelsfreier Prognose; ebenso B[X.] Beschluss vom 27.6.2007 - B 6 [X.] 20/07 B - Juris Rd[X.]3). Allerdings gebietet der zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Pflichtverletzungen, die länger als die übliche Bewährungszeit von fünf Jahren (vgl B[X.]E 112, 90 = [X.]-2500 § 95 [X.], Rd[X.]6; B[X.]E 110, 269 = [X.]-2500 § 95 [X.], Rd[X.]5; B[X.] Beschluss vom 15.8.2012 - B 6 [X.] 3/12 B - Juris Rd[X.]5; B[X.] Beschluss vom 27.6.2007 - B 6 [X.] 20/07 B - Juris Rd[X.]3) zurückliegen, nur noch dann zur Grundlage einer Zulassungsentziehung zu machen, wenn sie besonders gravierend sind oder wenn sie aus anderen Gründen fortwirken (B[X.] [X.]-2500 § 95 [X.] Rd[X.]4; B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] 32/09 B - [X.] 2011, 307 Rd[X.] 9).

Diese Rechtsprechung zu den Maßstäben gerichtlicher Kontrolle von [X.] ist durch die Änderung der Rechtsprechung zum sog "Wohlverhalten" (B[X.]E 112, 90 = [X.]-2500 § 95 [X.]) nicht betroffen. "Wohlverhalten" in diesem Sinne betrifft das Verhalten des Arztes im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens, in dem die Entziehungsentscheidung des [X.] überprüft wird, und mittelbar die Frage, wann ein Arzt nach Bestandskraft der Entziehung erneut zugelassen werden kann. Alle Umstände aus der [X.] zwischen den Pflichtverletzungen und dem [X.]punkt der Entscheidung des [X.] muss dieser berücksichtigen; dazu gehört - wie aufgezeigt - auch die zwischen beiden [X.]punkten verstrichene [X.] und das Verhalten des Arztes in dieser [X.].

Die genannten Maßstäbe hat das L[X.] seiner Entscheidung im Übrigen auch zugrunde gelegt. Ferner ist das L[X.] in Übereinstimmung mit der geänderten neuen Rechtsprechung des Senats (B[X.]E 112, 90 = [X.]-2500 § 95 [X.]) davon ausgegangen, dass es auch bei noch nicht vollzogenen Entziehungsentscheidungen auf ein "Wohlverhalten" in der [X.] nach Erlass des Bescheides des [X.] für die Frage der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides nicht ankommt, sondern dass im Rahmen der gegen die Zulassungsentziehung gerichteten Anfechtungsklage die Sachlage zum [X.]punkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ist. Auch aus Gründen des Vertrauensschutzes sind hier keine davon abweichenden Maßstäbe anzulegen, weil die nach der früheren Rechtsprechung des Senats vorausgesetzte "Bewährungszeit" von fünf Jahren seit der Entscheidung des [X.] zum [X.]punkt der Entscheidung des L[X.] noch nicht abgelaufen war (vgl B[X.] aaO Rd[X.]6). Dies wird auch von dem Kläger nicht in Zweifel gezogen.

Im Übrigen führt auch die Kritik des [X.] an der Art und Weise, wie das L[X.] sein Verhalten in den Jahren zwischen dem Beginn der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen (2000) und der Entscheidung des [X.] (2010) gewürdigt hat, nicht auf eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Die auf den ersten Blick sehr lange [X.]spanne relativiert sich dadurch, dass der Kläger spätestens seit 2002 (Antrag der beigeladenen [X.]) wusste, dass er mit der Entziehung der Zulassung rechnen musste. Das Bemühen der [X.], die vertragsarztrechtliche Seite der Pflichtverletzungen des [X.] schon vor Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen durch ein Ruhen der Zulassung für die gesetzliche Höchstdauer vor zwei Jahren (§ 81 Abs 5 Satz 2 [X.]B V) zu ahnden, ist am Widerstand des [X.] gescheitert. Dass die Zulassungsgremien daraufhin ihrerseits den rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens abgewartet haben, ist nicht zu beanstanden. Andere Beweismittel als die Auswertung der Unterlagen der Arztpraxis und die Vernehmung der Zeugen standen dem Zulassungsausschuss nicht zur Verfügung. Die Vernehmung der Zeugen gegen deren Willen hätte nur im Wege des Ersuchens an das [X.] nach § 22 Abs 1 [X.]B X durchgesetzt werden können. Parallele Zeugenvernehmungen durch [X.] und Amtsgericht bzw [X.] hätten zudem zu weiteren Verzögerungen führen können. Weiterhin spricht nach dem Ablauf des Verfahrens viel dafür, dass der Kläger eine auf - aus seiner Sicht - unvollständige Sachaufklärung des [X.] beruhende Entziehung der Zulassung vor rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens angefochten hätte, schon um sich die Möglichkeit offenzuhalten, eine (unterstellt) für ihn günstige Beweiswürdigung durch die Strafgerichte in das [X.] einbringen zu können. Schließlich hat die lange Dauer des Strafverfahrens keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Zulassungsentziehung in der Sache selbst. Das ergibt sich aus einer Entscheidung des [X.] vom 28.1.2013 (2 BvR 1912/12 - NVwZ 2013, 788) zur Entfernung eines Beamten aus dem Dienst. Spätestens mit dem Inkrafttreten des [X.] bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24.11.2011 ([X.]) ist generell geklärt, dass grundsätzlich die unangemessen lange Dauer von Gerichtsverfahren Entschädigungsansprüche auslösen, aber nicht die Sachentscheidung beeinflussen kann.

Ferner hält der Kläger für klärungsbedürftig,

        

ob bei einem Verfahren nach § 257c StPO für das Vorliegen gröblicher Pflichtverstöße nur das in der Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch liegende Geständnis oder aber auch und insbesondere die Höhe der Strafe maßgeblich ist.

Die Klärungsfähigkeit dieser Frage würde voraussetzen, dass im Strafverfahren eine Verständigung nach § 257c StPO zustande gekommen ist. Davon ist nach dem Inhalt des Urteils des L[X.] sowie des in Bezug genommenen Urteils des [X.]s Berlin nicht auszugehen. Zwar hat das L[X.] im Hinblick auf das entsprechende Vorbringen des [X.] ausgeführt, dass der vom [X.] "offensichtlich vorgeschlagene 'Deal'" einem Rückgriff auf Feststellungen des Amtsgerichts nicht entgegenstehe. Damit hat das L[X.] aber nicht unterstellt, dass eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO stattgefunden hat, sondern lediglich berücksichtigt, dass das [X.] - wie sich auch aus dessen Urteil ergibt - die Beschränkung der Berufung des [X.] auf das Strafmaß strafmildernd berücksichtigt und dies dem Kläger offenbar auch in Aussicht gestellt hat. Vom Vorliegen eines Geständnisses - das gemäß § 257c Abs 2 Satz 2 StPO Bestandteil jeder Verständigung sein soll - geht das Urteil des [X.]s nicht aus, und auch das L[X.] hat sich mit seinen Feststellungen nicht auf den Inhalt eines Geständnisses im strafgerichtlichen Verfahren, sondern auf das Ergebnis einer umfangreichen Beweisaufnahme im Verfahren vor dem Amtsgericht mit der Vernehmung einer großen Zahl von Zeugen - einschließlich zahlreicher angeblicher Patienten des [X.] - gestützt. Deshalb stellt sich auch nicht die Frage, ob Feststellungen in einem strafgerichtlichen Urteil verwertet werden können, wenn diesen ein inhaltsleeres "Formalgeständnis" zugrunde liegt. Zum einen dürfte ein solches "Formalgeständnis" ohnehin nicht zur Grundlage einer Verständigung nach § 257c StPO und einer darauf aufbauenden Verurteilung gemacht werden, weil die Möglichkeit einer Verständigung das Gericht nicht von der Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen enthebt (vgl [X.] 19.3.2013 - 2 BvR 2628/10 ua, Juris Rd[X.]05, 110, 129) und zum anderen hat das L[X.] seiner Entscheidung die Feststellungen aus dem Urteil des [X.]s Berlin nicht ungeprüft zugrunde gelegt, sondern sich mit den Einwänden des [X.], die sich auf die Richtigkeit der Feststellungen beziehen, auseinandergesetzt und im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen diese nicht überzeugen können.

Auch wenn die Frage des [X.] allgemeiner dahin verstanden würde, dass er für klärungsbedürftig hält, ob ein - nach seiner Auffassung in der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch liegendes - Geständnis oder aber die Höhe der Strafe im Verfahren um die Entziehung der Zulassung maßgeblich ist, wird damit keine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage formuliert. In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass die Sozialgerichte bei ihrer Feststellung, ob der Arzt bzw Zahnarzt ein Delikt begangen und damit seine vertrags(zahn)ärztlichen Pflichten gröblich verletzt und sich als ungeeignet für die vertrags(zahn)ärztliche Tätigkeit erwiesen hat, vorliegende bestandskräftige Entscheidungen anderer Gerichte und auch die Ergebnisse staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen verwerten dürfen (B[X.] Beschluss vom 27.6.2007 - B 6 [X.] 20/07 B - Juris Rd[X.]; B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] 32/09 B - [X.] 2011, 307 Rd[X.] 9; B[X.] Beschluss vom 31.8.1990 - 6 [X.] - Juris Rd[X.]; B[X.] Beschluss vom 27.2.1992 - 6 [X.] - Juris Rd[X.] 27). Auch können in Zulassungsentziehungsverfahren, die auf ständig wiederkehrendes unwirtschaftliches Behandlungs- oder Verordnungsverhalten gestützt werden, bestandskräftige Entscheidungen über Honorarkürzungen wegen Unwirtschaftlichkeit verwertet werden (stRspr, vgl zB B[X.]E 34, 252, 253 = SozR [X.]6 zu § 368a RVO; B[X.] Urteil vom [X.] - 6 [X.] 10/92 - USK 93142 [X.] f; ebenso betr Disziplinarverfahren zB B[X.] SozR 3-2500 § 81 [X.] 6 S 22 und B[X.] Beschluss vom 9.12.2004 - B 6 [X.] 70/04 B - Juris; ebenso zur Bestandskraft aufgrund gerichtlichen Vergleichs B[X.] Beschlüsse vom 28.8.1996 - 6 [X.] - Juris Rd[X.], und vom 9.12.2004 - B 6 [X.] 70/04 B - Juris Rd[X.] 8). Dagegen kann die Höhe der Strafe für die Entscheidung über die Entziehung der Zulassung bereits deshalb nicht unmittelbar herangezogen werden, weil es sich bei der Entziehung der Zulassung nicht um eine Strafe, sondern um eine Verwaltungsmaßnahme handelt, die dem verloren gegangenen Vertrauen in die Einhaltung der vertragsarztrechtlichen Pflichten Rechnung trägt und der Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung dient (vgl B[X.] Beschluss vom 9.2.2011 - B 6 [X.] 49/10 B - Juris Rd[X.] 20; B[X.] Urteil vom 8.7.1981 - 6 [X.] 17/80 - USK 81172 [X.], 709). Die Höhe der Strafe kann daher allenfalls Hinweise für die Beurteilung der Schwere der Pflichtverletzung geben. Letztlich ist aber auch diese Frage von den Zulassungsgremien und den Gerichten eigenständig zu beurteilen. Im Übrigen kann ein geringeres Strafmaß, dem ein kooperatives Verhalten des Angeklagten im Strafprozess zugrunde liegt, im sozialgerichtlichen Verfahren keine Berücksichtigung finden, wenn sich dieses Verhalten im sozialgerichtlichen Verfahren nicht fortsetzt und wenn - wie vorliegend - die Prognose eines künftig pflichtgemäßen Verhaltens auch aufgrund der fehlenden Einsicht des Arztes in sein Fehlverhalten nicht gestellt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Meta

B 6 KA 58/13 B

02.04.2014

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Berlin, 25. Januar 2012, Az: S 79 KA 168/11, Urteil

§ 95 Abs 6 SGB 5, § 27 Ärzte-ZV, § 27 Zahnärzte-ZV

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 02.04.2014, Az. B 6 KA 58/13 B (REWIS RS 2014, 6612)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6612

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 6 KA 36/15 B (Bundessozialgericht)

Vertragsarzt - Zulassungsentziehung wegen Verletzung der Fortbildungspflicht - gröbliche Pflichtverletzung - kein Verschuldenserfordernis - Berücksichtigung …


B 6 KA 37/14 B (Bundessozialgericht)

Vertragsärztliche Versorgung - Zulassungsentziehung wegen Verletzung der Fortbildungspflicht - Vorliegen einer gröblichen Pflichtverletzung - nachträgliche …


B 6 KA 20/18 B (Bundessozialgericht)

Vertragsärztliche Versorgung - Zulassungsentzug wegen Verletzung der Fortbildungspflicht - Verfassungsmäßigkeit


B 6 KA 69/15 B (Bundessozialgericht)

Vertragsarzt - Zulassungsentziehung - Wohlverhalten - Fehlen jeglicher Unrechtseinsicht


B 6 KA 19/12 B (Bundessozialgericht)

(Vertragsärztliche Versorgung - Zulassungsentziehung wegen betrügerischer Abrechnung - keine nur zeitanteilige Störung des Vertrauensverhältnisses zur …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 BvR 1912/12

2 BvR 2628/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.