Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.08.2017, Az. 6 B 34/17

6. Senat | REWIS RS 2017, 6904

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Gegenstand

Heranziehung zu Dienstleistungen; einheitliches Wehrübungsrecht; Auswahlermessen


Gründe

I

1

Der Kläger, Professor für Öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik, wurde als Offizier der Reserve unter dem 31. März 2015 auf der Grundlage von § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1, §§ 59, 61 Abs. 1, §§ 72, 73 [X.] zu einer Einzelübung im Planungsamt der [X.] herangezogen. Er sollte in diesem Rahmen Probleme der Haushaltsplanung begutachten und gegebenenfalls Verbesserungsvorschläge unterbreiten. Die Heranziehung wurde mit Bescheid des [X.] [X.] der [X.] vom 10. April 2015 widerrufen. Der Kläger sei aus truppendienstlichen Gründen ausgeplant worden. Das Verwaltungsgericht hat die auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des [X.] gerichtete Klage abgewiesen. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Heranziehung sei § 49 Abs. 1 VwVfG. Die Beklagte habe im Rahmen ihres Widerrufsermessens mit Blick auf die in Aussicht genommene politiknahe Verwendung des [X.] darauf abstellen dürfen, dass dieser in einem Zeitungsinterview vom 9. April 2015 in Bezug auf eine konkrete rüstungspolitische Entscheidung dem [X.] mangelnde Kompetenz sowie der zuständigen Ministerin [X.] und Gesinnungslosigkeit attestiert habe. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Der Kläger erstrebt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision.

II

2

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

3

1. Die Revision kann nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 84 Satz 1 und 2 [X.], § 135 Satz 3 VwGO zugelassen werden. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den Darlegungen des [X.] in der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind.

4

Der Kläger sieht folgende Frage als grundsätzlich bedeutsam an:

"Darf die [X.], infolge unerwünschter Äußerungen eines Reserveoffiziers außerhalb seiner Dienstzeit, Sanktionsmaßnahmen ergreifen und damit dessen Grundrecht auf Meinungsfreiheit beschneiden?"

5

Der Kläger führt dazu aus, in dem den Widerrufsbescheid der Beklagten bestätigenden Urteil des [X.] werde kein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG aufgezeigt, das sein Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG in tragfähiger Weise beschränken könne. Zudem sei unberücksichtigt geblieben, dass er in Ausübung seines Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG am Diskurs über wehrpolitische Fragen teilnehme.

6

Die von dem Kläger aufgeworfene Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie in dem von dem Kläger umschriebenen allgemeinen Bezug nicht entscheidungserheblich und deshalb in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig ist. Die Frage der Grundrechtskonformität einer auf ein Wehrdienstverhältnis bezogenen Sanktionsmaßnahme - etwa einer an eine mündliche oder schriftliche Äußerung anknüpfenden Disziplinarmaßnahme - steht im vorliegenden Fall nicht inmitten. [X.] sind allein die Maßstäbe für die Berücksichtigung subjektiver Rechtspositionen bei der Heranziehung zu Dienstleistungen nach den Vorschriften der §§ 59 ff. [X.], die nach Aussetzung der Wehrpflicht durch § 2 [X.] den Charakter eines einheitlichen Wehrübungsrechts erlangt haben ([X.], in: [X.]/[X.]/Sohm , [X.], 3. Aufl. 2016, § 59 Rn. 17, 21, 26). Die besagten Maßstäbe sind in der Rechtsprechung des [X.] geklärt und einer weiteren revisionsgerichtlichen Klärung nicht bedürftig.

7

Die Heranziehung zu Dienstleistungen dient wie die Heranziehung zur Wehrdienstleistung allein dem öffentlichen Interesse an einer optimalen Personalbedarfsdeckung der [X.]. Der Leistungspflichtige hat kein Recht auf Heranziehung. Er kann allenfalls verlangen und - die Erfüllung der engen Voraussetzungen einer Klagebefugnis vorausgesetzt (dazu: [X.], Urteile vom 22. Januar 2003 - 6 C 18.02 - [X.] 448.0 § 48 [X.] Nr. 3 S. 3 und vom 17. September 2003 - 6 C 4.03 - [X.] 448.0 § 48 [X.] Nr. 4 S. 8) - gerichtlich nachprüfen lassen, dass die zuständige Behörde über seine Heranziehung oder Nichtheranziehung ohne die Absicht entscheidet, ihn in sachwidriger Weise zu benachteiligen (vgl. zum Ganzen: [X.], Urteile vom 26. Februar 1993 - 8 C 20.92 - [X.]E 92, 153 <156 f.>, vom 17. September 2003 - 6 C 4.03 - [X.] 448.0 § 48 [X.] Nr. 4 S. 8 f., vom 22. Januar 2003 - 6 C 18.02 - [X.] 448.0 § 48 [X.] Nr. 3 S. 5 und vom 28. Oktober 2015 - 2 C 23.14 [[X.]:[X.]:[X.]:2015:281015U2C23.14.0] - [X.] 449 § 59 [X.] Nr. 1 Rn. 8, 19 ff.; Beschluss vom 15. Juni 2011 - 6 B 8.11 - juris Rn. 7). Die Frage, ob dies nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls anzunehmen ist, ist wiederum einer allgemeinen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich. Dies gilt auch im Hinblick auf öffentliche Äußerungen, die ein Reservist vor einer in Aussicht genommenen Heranziehung zu einer Dienstleistung abgegeben hat.

8

2. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich ferner nicht, dass das angefochtene Urteil im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Satz 1 und 2 [X.], § 135 Satz 3 VwGO auf dem von dem Kläger behaupteten Verfahrensfehler beruhen kann.

9

Der Kläger rügt sinngemäß eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO. Er macht geltend, der Chef des [X.], Herr Generalleutnant [X.], habe sich ihm gegenüber am 10. April 2015 telefonisch dahingehend geäußert, dass er von einer Heranziehung des [X.] absehen müsse, weil er "keine Probleme mit der Verteidigungsministerin bekommen" wolle. Dass in diesem Sinne sachfremde Erwägungen in die Ermessensausübung der Beklagten eingeflossen seien, hätte die beantragte Vernehmung des Herrn [X.], die das Verwaltungsgericht abgelehnt habe, ergeben.

Mit diesen Darlegungen zeigt der Kläger einen erheblichen Verfahrensfehler des [X.] nicht auf. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung des [X.] vom 19. Januar 2017 ([X.]. 113 ff.) hat er einen Antrag auf Vernehmung des Herrn [X.] nicht gestellt. Dem Verwaltungsgericht musste sich diese Ermittlungsmaßnahme auch nicht von sich aus aufdrängen. Sie bezog sich im Ergebnis auf die Ursächlichkeit des [X.] des [X.] vom 9. April 2015 für den Widerruf der Heranziehung zu der Einzelübung im Planungsamt der [X.]. Von dieser Ursächlichkeit ist das Verwaltungsgericht ohnehin ausgegangen ([X.] 8).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

6 B 34/17

04.08.2017

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Berlin, 19. Januar 2017, Az: 23 K 304.15, Urteil

§ 59 SG, § 61 SG, § 72 SG, § 73 SG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.08.2017, Az. 6 B 34/17 (REWIS RS 2017, 6904)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6904


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 BvR 2019/17

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 2019/17, 08.12.2017.


Az. 6 B 34/17

Bundesverwaltungsgericht, 6 B 34/17, 04.08.2017.


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