Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.01.2014, Az. X ZB 18/12

10. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8807

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Gegenstand

Sortenschutz: Voraussetzungen für die Neuheit der angemeldeten Sorte - Fond Memories


Leitsatz

Fond Memories

§ 6 Abs. 1 SortG ist mangels einer einheitlichen Regelung über eine kürzere Frist innerhalb der Europäischen Union dahin auszulegen, dass eine Sorte als neu gilt, wenn Pflanzen oder Pflanzenteile der Sorte mit Zustimmung des Berechtigten oder seines Rechtsvorgängers vor dem Antragstag nicht oder nur innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr im Inland oder von vier Jahren (bei Reben und Baumarten sechs Jahren) im Ausland zu gewerblichen Zwecken an andere abgegeben worden sind.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 36. Senats ([X.]) des [X.] vom 6. September 2012 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

A. Die Antragstellerin hat am 23. April 2008 Antrag auf Sortenschutz für die Waldrebsorte Clematis [X.] mit der Bezeichnung "Fond Memories" gestellt. Hierbei hat sie angegeben, dass Vermehrungsmaterial oder Erntegut der Sorte erstmals am 1. Juni 2004 in [X.] zu gewerblichen Zwecken an andere abgegeben worden sei. Das [X.]sortenamt hat den [X.] unter Hinweis auf §§ 1, 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.] mit der Begründung zurückgewiesen, die Sorte sei nicht neu, weil Pflanzen oder Pflanzenteile der Sorte mit Zustimmung des Berechtigten früher als ein Jahr vor dem [X.] innerhalb der [X.] zu gewerblichen Zwecken an andere abgegeben worden seien. Den Widerspruch der Antragstellerin hat der Widerspruchsausschuss des [X.] zurückgewiesen. Die Beschwerde der Antragstellerin zum Patentgericht ist erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die vom Patentgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht erstrebt.

2

B. Die [X.] Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

3

I. Das Patentgericht hat zur Begründung der angefochtenen Entscheidung (BPatGE 53, 277 = GRUR Int. 2013, 243) im Wesentlichen ausgeführt: Die Zurückweisung des [X.]s entspreche der am Anmeldetag geltenden Regelung des Sortenschutzgesetzes. Nach den Angaben der Antragstellerin sei Pflanzenmaterial der angemeldeten Sorte weit vor der einjährigen Neuheitsschonfrist nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.] in [X.] verbreitet worden. Sie gelte daher nicht mehr als neu. Die genannte gesetzliche Bestimmung sei rechtsgültig, obwohl sie gegen die völkerrechtliche Verpflichtung verstoße, die [X.] durch die Unterzeichnung und Ratifizierung des [X.] vom 2. Dezember 1961 ([X.]) und der Revisionen dieses Übereinkommens eingegangen sei.

4

Nach Art. 6 der am 19. März 1991 revidierten Fassung des [X.] ([X.] 1998, 232 ff., im Folgenden: Übereinkommen) stehe es der erforderlichen Neuheit einer Sorte entgegen, wenn sie zum Anmeldetag bereits mit Zustimmung des Züchters oder seines Rechtsnachfolgers seit mehr als einem Jahr im Hoheitsgebiet des [X.] oder seit mehr als vier Jahren - für langsam wachsende Pflanzen seit mehr als sechs Jahren - im Hoheitsgebiet eines anderen Staates feilgehalten oder gewerbsmäßig vertrieben worden sei. Mit der Möglichkeit, die Sorte vor der Anmeldung vier bzw. sechs Jahre im Ausland zu vertreiben, solle es dem Züchter ermöglicht werden, die Sorte zunächst im Ausland zu erproben und erst später im Inland anzumelden. An diesem Regelungsgefüge habe sich durch die seit dem Übereinkommen von 1991 bestehende Möglichkeit, dass eine zwischenstaatliche Organisation als Mitglied beitreten könne, nichts geändert. Dies habe lediglich eine Anpassung der Begriffsbestimmungen in Art. 1 des Übereinkommens erfordert, wonach als Hoheitsgebiet in einem solchen Fall das Gebiet anzusehen sei, in dem der diese zwischenstaatliche Organisation gründende Vertrag Anwendung finde. Art. 6 Abs. 3 des Übereinkommens sehe die Möglichkeit einer Gleichstellung von Handlungen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates mit Handlungen im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten derselben zwischenstaatlichen Organisation nur für den Fall vor, dass alle Mitgliedstaaten dieser Organisation gemeinsam handelten.

5

Vor diesem Hintergrund entspreche § 6 Abs. 1 [X.] in der zum Zeitpunkt der Anmeldung geltenden, durch das Gesetz zur Änderung des Sortenschutzgesetzes vom 17. Juli 1997 eingeführten Fassung nicht den vom [X.] Gesetzgeber zu beachtenden Vorgaben des Übereinkommens. Entgegen Art. 6 Abs. 1 dieses Übereinkommens stelle § 6 Abs. 1 [X.] für die nationale Anmeldung bezüglich des Hoheitsgebiets nicht mehr auf [X.], sondern auf das Gebiet der [X.] ab. Die Bestimmung führe damit zu einer Benachteiligung von [X.], die - wie im vorliegenden Fall - nationalen Schutz für eine Sorte in [X.] begehrten und die Sorte innerhalb von vier (bzw. sechs) Jahren im Gebiet der [X.] abgegeben hätten. Sie könne weder auf Art. 6 des Übereinkommens gestützt noch mit einem Hinweis auf die Regelungen in der Verordnung ([X.]) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz ([X.], [X.] L 227 vom 1. September 1994) begründet werden. Durch die dargestellte Fassung von § 6 Abs. 1 [X.] verstoße [X.] gegen seine völkerrechtliche Verpflichtung, als Mitgliedstaat des [X.] einen denselben Kriterien wie in den übrigen Vertragsstaaten unterliegenden Sortenschutz zur Verfügung zu stellen.

6

Dies habe allerdings nicht zur Folge, dass Art. 6 Abs. 1 des Übereinkommens unmittelbar anzuwenden sei und § 6 Abs. 1 [X.] verdränge. Es handele sich nicht um eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne von Art. 25 Abs. 2 GG. Der Norm komme auch kein Anwendungsvorrang zu, wie er den Vorschriften der [X.] zuerkannt werde. Daran habe der Beitritt der [X.] zu dem Übereinkommen nichts geändert. Aus Art. 59 Abs. 2 GG ergebe sich vielmehr, dass das Übereinkommen den Regelungen des Sortenschutzgesetzes gleichrangig sei.

7

Der Widerspruch zwischen der völkerrechtlichen Verpflichtung [X.]s und § 6 Abs. 1 [X.] lasse sich auch nicht im Wege einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung oder durch Anwendung der allgemeinen Kollisionsregeln lösen. Für eine korrigierende Auslegung sei angesichts des klaren Wortlauts von § 6 Abs. 1 [X.] und des erklärten Willens des Gesetzgebers kein Raum. Aus den allgemeinen Kollisionsregeln ergebe sich nichts anderes. Es sei bereits zweifelhaft, ob ein echter Normenkonflikt zwischen § 6 [X.] und Art. 6 des Übereinkommens vorliege, weil letzterer keine national unmittelbar anwendbare Regelung enthalte, sondern nur den Staat als Völkerrechtssubjekt verpflichte. Auch wenn das Übereinkommen durch das Zustimmungsgesetz vom 25. März 1998 ([X.] II 1998, [X.]) in [X.] getreten und damit jünger als § 6 [X.] in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sortenschutzgesetzes vom 17. Juli 1997 sei, sei jedenfalls § 6 [X.] als lex specialis und deshalb als vorrangig anzusehen. Der Verstoß des [X.] Gesetzgebers gegen seine völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem Übereinkommen begründe lediglich einen Anspruch der übrigen Vertragsparteien auf Erfüllung der Umsetzungspflicht, ermögliche dem nationalen Gericht jedoch keine Auslegung gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes. Eine Vorlage an das [X.] nach Art. 100 Abs. 1 GG scheide aus, da ein Verfassungsverstoß weder geltend gemacht noch ersichtlich sei.

8

II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

9

Das Patentgericht hat zutreffend zugrunde gelegt, dass der Antrag auf Erteilung von Sortenschutz nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung keinen Erfolg haben könnte. Die Erteilung von Sortenschutz setzt nach § 1 Abs. 1 [X.] voraus, dass die Sorte neu ist. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.] gilt eine Sorte nur dann als neu, wenn Pflanzen oder Pflanzenteile mit Zustimmung des Berechtigten oder seines Rechtsvorgängers vor dem [X.] nicht oder nur innerhalb eines Jahres innerhalb der [X.] zu gewerblichen Zwecken an andere abgegeben worden sind. Nachdem Vermehrungsmaterial oder Erntegut der Sorte bereits am 1. Juni 2004 in [X.] zu gewerblichen Zwecken an andere abgegeben worden ist, war die Sorte am [X.] in diesem Sinne nicht neu. Aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt sich jedoch unter Berücksichtigung des Gebots der völkerrechtskonformen Auslegung, dass § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.] enger zu verstehen ist, als dies der Wortlaut vorzugeben scheint.

1. Die Neufassung von § 6 Abs. 1 [X.] durch das Gesetz zur Änderung des Sortenschutzgesetzes vom 17. Juli 1997 ([X.] I 1997, [X.]854) sollte, wie sich aus der Begründung des Gesetzesentwurfs ergibt, der Anpassung des Sortenschutzgesetzes an die neuen Regelungen des [X.] revidierten Übereinkommens dienen (BT-Drucks. 13/7038, [X.], 10).

a) Nach Art. 6 Abs. 1 des Übereinkommens wird eine Sorte als neu angesehen, wenn am [X.] eines Züchterrechts Vermehrungsmaterial oder Erntegut der Sorte im Hoheitsgebiet der Vertragspartei, in der der Antrag eingereicht worden ist, nicht früher als ein Jahr und im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei nicht früher als vier Jahre oder im Fall von Bäumen und Reben nicht früher als sechs Jahre durch den Züchter oder mit seiner Zustimmung zum Zwecke der Auswertung der Sorte verkauft oder auf andere Weise an andere abgegeben wurde. Vertragspartei ist nach Art. 1 vii des Übereinkommens ein Vertragsstaat oder eine zwischenstaatliche Organisation, die eine Vertragsorganisation dieses Übereinkommens ist. Unter dem Hoheitsgebiet ist nach Art. 1 viii des Übereinkommens das Hoheitsgebiet eines Staates zu verstehen, wenn dieser Vertragspartei ist. Handelt es sich bei der Vertragspartei um eine zwischenstaatliche Organisation, ist damit das Hoheitsgebiet gemeint, in dem der diese zwischenstaatliche Organisation gründende Vertrag Anwendung findet. Danach ergibt sich, dass bei Einreichung eines Antrags auf Erteilung nationalen Sortenschutzes als neuheitsschädlich nach Art. 6 Abs. 1 des Übereinkommens nur Handlungen in Betracht kommen, die vor mehr als einem Jahr im Hoheitsgebiet des betreffenden Staates stattgefunden haben. Dem Übereinkommen lässt sich nicht entnehmen, dass das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates des Übereinkommens, der zugleich Mitglied einer zwischenstaatlichen Organisation ist, die dem Übereinkommen ebenfalls beigetreten ist, abweichend von Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 viii zu bestimmen ist.

b) Das revidierte Übereinkommen eröffnet in Art. 6 Abs. 3 und in Art. 16 Abs. 3 die Möglichkeit, dass Vertragsparteien, die Mitgliedstaaten derselben zwischenstaatlichen Organisation sind, gemeinsam vorgehen, um hinsichtlich der Regelungen über die Neuheit einer Sorte (Art. 6 Abs. 1) oder über die [X.] (Art. 16 Abs. 1) Handlungen in Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten dieser zwischenstaatlichen Organisation mit Handlungen in ihrem jeweiligen eigenen Hoheitsgebiet gleichzustellen, sofern dies die Vorschriften dieser Organisation erfordern. Diese Regelung wurde vorsorglich für den Fall in das Übereinkommen aufgenommen, dass eine zwischenstaatliche Organisation, etwa die [X.], eine entsprechende Harmonisierung beschließt.

Unter Hinweis auf diese Möglichkeit hat sich der Gesetzgeber zu einer Änderung von § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] veranlasst gesehen. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sortenschutzgesetzes heißt es dazu (BT-Drucks. 13/7038, [X.]2):

"Für den räumlichen Bereich des neuheitsschädlichen Abgebens wird im Hinblick auf Artikel 6 Abs. 3 des Übereinkommens und Artikel 10 Abs. 1 der [X.]-Verordnung künftig statt auf das Inland auf das Gebiet der [X.] abgestellt."

c) Die hierfür nach dem revidierten Übereinkommen erforderlichen Voraussetzungen liegen jedoch derzeit nicht vor. Die unionsrechtlichen Bestimmungen enthalten derzeit keine Bestimmung, wonach bei der nationalen Anmeldung einer Sorte Handlungen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der [X.] in Bezug auf die Neuheit Handlungen im Gebiet der [X.] gleichzustellen sind. Das Übereinkommen eröffnet zudem nicht die Möglichkeit, dass einzelne Mitgliedstaaten einer zwischenstaatlichen Organisation das Gebiet, das für neuheitsschädliche Handlungen maßgeblich ist, abweichend bestimmen. Nach den nationalen Sortenschutzgesetzen der anderen Mitgliedstaaten der [X.] stehen - soweit dem Senat bekannt - nur Handlungen im Hoheitsgebiet des jeweiligen Staates, die vor mehr als einem Jahr erfolgten, der Neuheit der Sorte entgegen.

Nach den Vorgaben des Übereinkommens steht daher bislang eine Abgabe von Pflanzen oder Pflanzenteilen einer Sorte deren Neuheit nur dann entgegen, wenn diese Handlungen innerhalb eines Jahres vor dem [X.] im Inland stattgefunden haben. Würde die gesetzliche Regelung in § 6 Abs. 1 [X.] nach ihrem Wortlaut angewendet, hätte das eine Schlechterstellung des Züchters zur Folge, weil er in der [X.]republik [X.], anders als in anderen [X.] der [X.], keinen nationalen Sortenschutz erlangen könnte, wenn Vermehrungsmaterial oder Erntegut innerhalb eines Zeitraums von mehr als einem Jahr in einem anderen Staat der [X.] durch ihn oder mit seiner Zustimmung verkauft oder in anderer Weise an andere abgegeben worden wären.

2. Die in dieser Fassung von § 6 Abs. 1 [X.] liegende Abweichung vom Übereinkommen beruht ersichtlich auf einem Versehen des Gesetzgebers.

a) Aus den Materialien zum Gesetz zur Änderung des Sortenschutzgesetzes ergibt sich, dass der Gesetzgeber in der Absicht handelte, das Sortenschutzgesetz den Regelungen des revidierten Übereinkommens anzupassen (BT-Drucks. 13/7038, [X.], 10). Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber sich bewusst dafür entschieden haben könnte, von den Regelungen des Übereinkommens abzuweichen.

b) Gegen eine solche Intention spricht insbesondere, dass in einer solchen Regelung zugleich eine Verletzung der von der [X.]republik [X.] eingegangenen völkervertragsrechtlichen Pflicht zur Umsetzung des Übereinkommens läge. Durch den Abschluss des Übereinkommens ist die [X.]republik [X.] die Verpflichtung eingegangen, Züchterrechte zu erteilen und zu schützen und dabei die Vorgaben des Übereinkommens zu beachten. Der [X.] hat dem revidierten Übereinkommen durch Gesetz vom 25. März 1998 zugestimmt ([X.] I 1998, [X.]). Dadurch hat das Übereinkommen innerstaatlich den Rang eines einfachen [X.]gesetzes erhalten. Das Übereinkommen räumt den Vertragsparteien zwar teilweise Spielräume bei der Umsetzung ein, etwa in Art. 15 Abs. 2 hinsichtlich der Möglichkeit der Verwendung von Erntegut durch Landwirte. Überwiegend enthält es jedoch bindende Vorgaben, die einen einheitlichen Standard hinsichtlich der Züchterrechte in den beteiligten [X.] gewährleisten sollen. Eine solche bindende Vorgabe enthält auch Art. 6 Abs. 1 des Übereinkommens hinsichtlich der Anforderungen an die Neuheit einer Sorte. Bei der Umsetzung des Übereinkommens in das nationale Recht dürfen die Vertragsparteien weder geringere noch höhere Anforderungen an die Neuheit einer Sorte stellen. Die Voraussetzungen, unter denen eine abweichende Bestimmung des Hoheitsgebiets nach Art. 6 Abs. 3 des Übereinkommens zulässig ist, liegen - wie ausgeführt - derzeit nicht vor.

3. Vor diesem Hintergrund kann dem Wortlaut von § 6 Abs. 1 [X.] keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden, vielmehr ist eine völkerrechtskonforme Auslegung der Norm geboten.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.]s folgt aus der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, das die Betätigung staatlicher Souveränität durch [X.] und internationale Zusammenarbeit fördert, die Verpflichtung der staatlichen Organe, das nationale Recht so anzuwenden, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der [X.]republik [X.] nicht entsteht. Nachdem völkerrechtliche Verträge, denen der Gesetzgeber zugestimmt hat, im Range eines [X.]gesetzes stehen, haben die Gerichte das anwendbare [X.] wie anderes Gesetzesrecht des [X.] im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden ([X.], Beschluss vom 26. März 1987 - 2 BvR 589/79 u.a., [X.]E 74, 358, 379; Beschluss vom 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04, [X.]E 111, 307, 317 f.; Beschluss vom 19. September 2006 - 2 BvR 2115/01 u.a., NJW 2007, 499, 501).

b) Die Möglichkeiten einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung enden allerdings dort, wo diese nach anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation nicht mehr vertretbar erscheint ([X.]E 111, 307, 329; [X.], Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08 u.a., [X.]E 128, 326, 371). Eine völkerrechtskonforme Auslegung ist insbesondere dann nicht möglich, wenn ihr der Wortlaut und der klare Wille des Gesetzgebers entgegenstehen ([X.] in Festschrift für [X.], 2002, [X.], 392). Eine solche Konstellation liegt hier jedoch nicht vor, weil der Gesetzgeber, wie dargelegt, die Absicht hatte, das Sortenschutzgesetz an die Regelungen des revidierten Übereinkommens anzupassen.

4. § 6 Abs. 1 [X.] ist mithin - solange die in Art. 6 Abs. 3 des Übereinkommens aufgestellten Voraussetzungen für eine abweichende Bestimmung des Hoheitsgebiets noch nicht vorliegen - dahin auszulegen, dass eine Sorte als neu gilt, wenn Pflanzen oder Pflanzenteile der Sorte mit Zustimmung des Berechtigten oder seines Rechtsvorgängers vor dem [X.] nicht oder nur innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr im Inland oder von vier Jahren (bei Reben und Baumarten sechs Jahren) im Ausland zu gewerblichen Zwecken an andere abgegeben worden sind.

III. Der angefochtene Beschluss ist demnach aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Patentgericht zurück zu verweisen.

Meier-Beck                     Bacher                           Hoffmann

                   Deichfuß                  [X.]

Meta

X ZB 18/12

13.01.2014

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BPatG München, 6. September 2012, Az: 36 W (pat) 1/10, Beschluss

§ 6 Abs 1 SortSchG, Art 6 Abs 3 PflZSchÜbk

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.01.2014, Az. X ZB 18/12 (REWIS RS 2014, 8807)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8807


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 36 W (pat) 1/10

Bundespatentgericht, 36 W (pat) 1/10, 05.09.2014.

Bundespatentgericht, 36 W (pat) 1/10, 06.09.2012.


Az. X ZB 18/12

Bundesgerichtshof, X ZB 18/12, 13.01.2014.


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