Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.12.2017, Az. 1 B 131/17

1. Senat | REWIS RS 2017, 1295

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gründe

1

Die [X.]eschwerde, mit der eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und ein Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend gemacht wird, bleibt ohne Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache zuzulassen.

3

1.1 Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen [X.]edeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlautes mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 1. April 2014 - 1 [X.] 1.15 - AuAS 2014, 110 und vom 10. März 2015 - 1 [X.] 7.15 - juris).

4

Für die Zulassung der Revision reicht, anders als für die Zulassung der [X.]erufung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO/§ 78 Abs. 3 Nr. 1 [X.] ([X.]VerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 [X.] 46.84 - [X.]VerwGE 70, 24 <26>), eine Tatsachenfrage grundsätzlicher [X.]edeutung nicht aus. Die Klärungsbedürftigkeit muss vielmehr in [X.]ezug auf den anzuwendenden rechtlichen Maßstab, nicht die richterliche Tatsachenwürdigung und -bewertung bestehen; auch der Umstand, dass das Ergebnis der zur Feststellung und Würdigung des [X.] berufenen Instanzgerichte für eine Vielzahl von Verfahren von [X.]edeutung ist, lässt für sich allein nach geltendem Revisionszulassungsrecht eine Zulassung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu. Der Gesetzgeber hat insoweit auch für das gerichtliche Asylverfahren an den allgemeinen Grundsätzen des [X.] festgehalten und für das [X.]undesverwaltungsgericht keine [X.]efugnis eröffnet, Tatsachen(würdigungs)fragen grundsätzlicher [X.]edeutung in "[X.]", wie sie etwa das [X.] Prozessrecht kennt, zu klären. Nach der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts ([X.]VerwG, Urteil vom 8. September 2011 - 10 [X.] 14.10 - [X.]VerwGE 140, 319 Rn. 28 - zur Feststellung einer extremen Gefahrenlage) haben sich allerdings die [X.]erufungsgerichte nach § 108 VwGO (erkennbar) mit abweichenden Tatsachen- und Lagebeurteilungen anderer Oberverwaltungsgerichte/[X.] auseinanderzusetzen.

5

Anderes folgt auch nicht aus dem Kammerbeschluss des [X.]undesverfassungsgerichts vom 14. November 2016 (2 [X.]vR 31/14 - [X.] 2017, 75). Das [X.]undesverfassungsgericht hat in diesem [X.]eschluss nicht entschieden, dass in Fällen, in denen Oberverwaltungsgerichte/[X.] auf der Grundlage (weitestgehend) identischer Tatsachenfeststellungen zu einer im Ergebnis abweichenden rechtlichen [X.]eurteilung kommen, stets und notwendig eine (klärungsbedürftige) Rechtsfrage des [X.]undesrechts vorliegt, welche eine Rechtsmittelzulassung gebietet, um den Zugang zur Rechtsmittelinstanz nicht in einer durch Sachkunde nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren. Das [X.]undesverfassungsgericht hat vielmehr als Grund der bei als identisch angenommener Tatsachengrundlage im Ergebnis unterschiedlichen Entscheidungen des [X.] für das [X.] einerseits, des Verwaltungsgerichtshofs [X.]aden-Württemberg andererseits eine unterschiedliche Rechtsauffassung zur Rechtsfrage bezeichnet, ob der Asylbewerber tatsächlich politisch aktiv war oder ob es ausreicht, dass die [X.]ehörden des Heimatstaates von einer solchen [X.]etätigung ausgingen. Für [X.] - und damit auch für Unterschiede bei der tatsächlichen [X.]ewertung identischer Tatsachengrundlagen - hat es vorab ausdrücklich bestätigt, dass wegen der [X.]indung des [X.] an die tatsächlichen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) eine weitergehende Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch das [X.]undesverwaltungsgericht ausscheidet. Auch in Fällen (weitgehend) identischer Tatsachengrundlagen ist für die Revisionszulassung mithin eine Darlegung erforderlich, dass die im Ergebnis abweichende [X.]ewertung der Tatsachengrundlage eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft und diese Frage hinreichend klar zu bezeichnen.

6

1.2 Nach diesen Grundsätzen ist eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache hier schon nicht dargelegt.

7

a) Die [X.]eschwerde hält zunächst für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob bei der Prüfung, ob eine Furcht vor Verfolgung wegen eines Merkmals des § 3 Abs. 1 [X.] begründet ist, auch berücksichtigt werden muss, dass die [X.]egründetheit der Furcht von einer Vielzahl von Verwaltungsgerichten und einer Reihe von Oberverwaltungsgerichten bzw. [X.]n bejaht wird, während andere Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte bzw. [X.] sie bei im Wesentlichen gleicher Tatsachengrundlage verneinen."

8

Von einer grundsätzlichen [X.]edeutung ist regelmäßig auszugehen, wenn eine bundesrechtliche Rechtsfrage in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte/[X.] uneinheitlich beantwortet wird und es an einer Klärung des für die materiellrechtliche Subsumtion sowie die Tatsachenfeststellung und -würdigung heranzuziehenden rechtlichen Maßstabs durch das [X.]undesverwaltungsgericht fehlt. Dass sich vor diesem Hintergrund im vorliegenden Verfahren eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage stellt, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Es bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass ein [X.] nicht allein deshalb zu bejahen ist, weil - bei uneinheitlicher Rechtsprechung - eine "Vielzahl" von Gerichten hiervon ausgeht. Die Existenz einer solchen Rechtsprechung ist bei der vom erkennenden [X.] vorzunehmender Einschätzung, ob eine Verfolgung durch einen Grund im Sinne von § 3b [X.] motiviert ist, offenkundig auch nicht schon als solche ein Indiz für eine derartige Gerichtetheit. Hinweise für oder gegen das Vorliegen eines [X.]es kann vielmehr allein das [X.] bieten, das den jeweiligen Gerichtsentscheidungen zugrunde liegt. Inwieweit die [X.]e verpflichtet sind, sich mit abweichenden Würdigungen vergleichbarer Erkenntnisquellen durch andere Oberverwaltungsgerichte auseinanderzusetzen, ist in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts geklärt (siehe näher unten 2.1.a).

9

b) Die [X.]eschwerde hält weiter für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob es zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch in den Fällen des § 3a Abs. 2 Nr. 5 [X.] - Strafverfolgung oder [X.]estrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 [X.] fallen - einer Verknüpfung zu den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 3b [X.] genannten [X.] im Sinne des § 3a Abs. 3 [X.] bedarf."

Diese aufgeworfene Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung. Denn sie lässt sich ohne Weiteres aus dem Gesetz in dem vom [X.]erufungsgericht angenommenen Sinne beantworten. Aus der gesetzlichen [X.]estimmung des § 3a Abs. 3 [X.], der insoweit Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/[X.] ([X.]) umsetzt, ergibt sich, dass die Qualifizierung einer Handlung als Verfolgung im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 1 bis 6 [X.] noch nicht ausreicht, um eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahme zu begründen. Hinzukommen muss vielmehr eine "Verknüpfung" zwischen Handlung und [X.], d.h. die Verfolgung muss "wegen" bestimmter Verfolgungsgründe drohen. Das Urteil des [X.] vom 26. Februar 2015 - [X.] ([X.]) weist schon deswegen nicht auf eine klärungsbedürftige Zweifelsfrage zu Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/[X.], der die Fälle des Art. 9 Abs. 2 [X.]uchst. b) der Richtlinie 2011/95/[X.] gerade nicht von dem Verknüpfungserfordernis ausnimmt, weil es sich zur Auslegung dieser Regelung nicht zu verhalten hatte.

c) Ferner rechtfertigt auch die weiter aufgeworfene Frage,

"ob eine eingehende [X.]efragung mit dem damit verbundenen und nicht hinreichend verlässlich auszuschließenden weiteren Risiko einer Verhaftung und/oder von Misshandlungen vom Schweregrad des § 3a [X.] 'wegen' einer unterstellten politischen Auffassung im Sinne des § 3a Abs. 3 [X.] geschieht, wenn sie zur Einschätzung, ob Verdachtsmomente für terroristische Aktivitäten - oder möglicherweise auch nur für eine regimegegnerische Haltung des [X.]etroffenen oder für Kenntnisse über oppositionelle Aktivitäten Dritter erfolgt,"

nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung. Denn die [X.]eschwerde zeigt insoweit keine einer grundsätzlichen Klärung bedürftige Maßstabsfrage zum Flüchtlingsrecht auf. Wie das [X.]undesverwaltungsgericht mit [X.]eschluss vom 24. April 2017 (1 [X.] 22.17 - juris Rn. 11) bekräftigt hat, reicht für die nach § 3a Abs. 3 [X.] geforderte Verknüpfung von (möglicher) Verfolgungshandlung mit dem [X.] aus, dass das Regime einem Rückkehrer eine bestimmte politische Überzeugung bzw. Regimegegnerschaft lediglich zuschreibt (§ 3b Abs. 2 [X.]), wie auch sonst "unerheblich ist, ob er aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist" (§ 3b Abs. 1 Nr. 5 [X.]). § 3b Abs. 2 [X.] stellt klar, dass es bei der [X.]ewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, unerheblich ist, ob er tatsächlich die Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen. Entscheidend ist die Kausalität im Sinne der erkennbaren Gerichtetheit der Verfolger. Anspruch auf Flüchtlingsschutz hat daher auch derjenige Ausländer, der die verfolgungsbegründenden Merkmale tatsächlich nicht aufweist, wenn sie ihm von den in § 3c [X.] aufgeführten Verfolgungsakteuren zugeschrieben werden. Diese Regelung entspricht der bisherigen Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts, wonach der (asylrelevante) Zugriff auf die vermutete politische Überzeugung ausreichend für den Nachweis der politischen Verfolgungsmotivation und eine daraus resultierende Verfolgungsgefahr ist ([X.]VerwG, Urteil vom 6. April 1992 - 9 [X.] 143.90 - [X.]VerwGE 90, 127 <134>). Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf hat die [X.]eschwerde nicht dargelegt. Unabhängig hiervon ist die Klärung der aufgeworfenen Frage für die Entscheidung in der Sache nicht erheblich und kann daher der Rechtssache auch aus diesem Grund keine grundsätzliche [X.]edeutung verleihen. Denn das [X.]erufungsgericht hat - wie sich aus der auf Seite 12 seines Urteils erfolgten [X.]ezugnahme auf sein Urteil vom 16. Dezember 2016 (1 A 10922/16 - juris Rn. 54 ff.) ergibt - angenommen, dass keine beachtlich wahrscheinliche Verknüpfung einer möglicherweise allein wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung sowie längerem Auslandsaufenthalt drohende Verfolgungshandlung mit [X.] im Sinne des § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3a Abs. 3 [X.] vorliegt.

Ihr lassen sich insbesondere keine tragfähigen Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, dass die in den Fragen bezeichnete [X.]ehandlung von Rückkehrern auf einem [X.] (in Form der zugeschriebenen oppositionellen Haltung) beruht, wenn diese - wie das [X.]erufungsgericht angenommen hat - wahllosroutinemäßig alle Rückkehrer betrifft und erst der Einschätzung dienen soll, ob Verdachtsmomente für eine regimekritische Haltung oder für Kenntnisse über oppositionelle Aktivitäten Dritter bestehen. Das von der [X.]eschwerde herangezogene Urteil des [X.] vom 2. Mai 2017 - [X.]/17 - (juris Rn. 64) gibt einen so weitreichenden Schluss nicht her. Denn die dortigen (auf Wehrpflichtige bezogenen) Ausführungen gehen von der Annahme eines bereits bestehenden Verdachts der Regimegegnerschaft aus, dessen Aufklärung die Maßnahmen bei der Einreise dienen sollen. Dass die [X.] Machthaber generell jeden Rückkehrer - oder auch nur jeden, der sich dem Wehrdienst entzogen hat - bis zum [X.]eweis des Gegenteils der Regimegegnerschaft oder der Kenntnis bedeutsamer Informationen über die [X.] verdächtigen, hat das [X.]erufungsgericht vorliegend aber in Ausübung der den [X.]en vorbehaltenen Tatsachenwürdigung gerade nicht festgestellt. Dies ergibt sich insbesondere nicht schon aus der Formulierung "bloß potentielle Gegner und bloß potentielle Informationsquellen" in dem in [X.]ezug genommenen Urteil vom 16. Dezember 2016 - 1 A 10922/16 - (vgl. dazu bereits [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 24. April 2017 - 1 [X.] 22.17 - Rn. 11). Der in [X.]ezug auf diesen [X.]eschluss geltend gemachte Überprüfungsbedarf besteht auch in Ansehung des [X.]eschwerdevorbringens im Ergebnis nicht und rechtfertigt jedenfalls nicht die Revisionszulassung.

d) Schließlich wird eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache auch nicht hinsichtlich der aufgeworfenen Frage aufgezeigt,

"ob eine Verfolgung im Rahmen eines wahllos routinemäßigen Zugriffs auf Personen, die als bloße Gegner und potentielle Informationsquelle angesehen werden, um unter Umständen Hinweise auf Terroristen oder Oppositionelle zu gewinnen, eine zielgerichtete Verfolgung 'wegen einer unterstellten politischen Überzeugung im Sinne des § 3a Abs. 3 [X.] darstellt.'"

Der aufgeworfenen Frage fehlt die Entscheidungserheblichkeit. Entgegen der Annahme der [X.]eschwerde hat das [X.]erufungsgericht nicht den Rechtssatz aufgestellt, dass eine Verfolgung im Rahmen eines wahllos routinemäßigen Zugriffs auf Personen, die als bloße potenzielle Informationsquelle angesehen werden, keine Verfolgung wegen einer unterstellten politischen Überzeugung darstelle. Vielmehr hat es angenommen, dass [X.] nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müssten, als potenzielle Gegner und potenzielle Informationsquelle angesehen zu werden, und daher nicht von einer beachtlich wahrscheinlichen Verknüpfung zwischen einer möglichen Verfolgungshandlung (§ 3a Abs. 3 [X.]) und [X.] im Sinne des § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3b [X.] auszugehen ist.

2. Die geltend gemachte Rüge eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greift ebenfalls nicht durch.

2.1 Soweit die [X.]eschwerde geltend macht, dass der angegriffene [X.]eschluss entgegen § 108 VwGO auf zu schmaler Tatsachenbasis beruhe, ist ein Verfahrensmangel nicht hinreichend dargelegt worden.

a) Die [X.]eschwerde hält zum einen in diesem Zusammenhang für verfahrensfehlerhaft, dass das [X.]erufungsgericht auf eine Reihe von [X.] neueren Datums nicht eingegangen und keine Auseinandersetzung mit den Urteilen des Verwaltungsgerichts [X.]aden-Württemberg vom 2. Mai 2017 - [X.]/17 - und vom 14. Juni 2017 - [X.]/17 -, dem Urteil des [X.] vom 6. Juni 2017 - 3 A 3040/16.A sowie dem Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2015 (Nr. 40081/14, 40088/14 und 40127/14, [X.] u.a./Russland) erfolgt sei.

Mit dieser Rüge wendet sich die [X.]eschwerde in der Sache gegen die Tatsachen- und [X.]eweiswürdigung des [X.]s.

Damit vermag sie eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO schon deshalb nicht zu erreichen, weil die Grundsätze der [X.]eweiswürdigung nach ständiger Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen sind. Ein Verfahrensfehler kann ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn die [X.]eweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 23. September 2011 - 1 [X.] 19.11 - juris Rn. 4 m.w.N.). Die Auseinandersetzung mit der abweichenden Würdigung verallgemeinerungsfähiger Tatsachen im Asylrechtsstreit durch andere Oberverwaltungsgerichte/[X.] ist ebenfalls grundsätzlich Teil der dem materiellen Recht zuzuordnenden Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung, so dass eine fehlende Auseinandersetzung mit abweichender obergerichtlicher Rechtsprechung als solche in aller Regel nicht als Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügt werden kann. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn sich ein [X.]eteiligter einzelne tatrichterliche Feststellungen eines [X.]/Verwaltungsgerichtshofs als Parteivortrag zu eigen macht und es sich dabei um ein zentrales und entscheidungserhebliches Vorbringen handelt ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 20. Dezember 2007 - 10 [X.] 75.07 - juris Rn. 4). Die [X.]eschwerde hat indes insoweit nicht dargelegt, dass sich der Kläger einzelne tatrichterliche Feststellungen als Parteivortrag in diesem Sinne zu eigen gemacht hat; für diesen Verfahrensmangel hat das [X.]undesverwaltungsgericht die Obliegenheit, dass sich ein [X.]eteiligter die entgegenstehende Rechtsprechung auch als relevant zu eigen gemacht hat, nicht "erstmals" in seinem [X.]eschluss vom 25. Juli 2017 - 1 [X.] 70.17 - aufgestellt. Mangels durch entsprechenden Vortrag ausgelöster [X.]efassungspflicht gilt Entsprechendes, soweit die [X.]eschwerde eine mangelnde [X.]erücksichtigung von im Einzelnen aufgeführten aktuellen Erkenntnisquellen rügt. Im Übrigen kann aus der Nichterwähnung einzelner Erkenntnisquellen regelmäßig nicht geschlossen werden, das Gericht habe diese bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht seiner Pflicht aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO genügt und seiner Entscheidung das Vorbringen der [X.]eteiligten sowie den festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde gelegt hat. Nur wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, dass ein Gericht seine Pflicht zur richtigen und vollständigen [X.]erücksichtigung des entscheidungserheblichen, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens geschöpften Tatsachenstoffs verletzt hat, kann ein Verstoß im Einzelfall festgestellt werden ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 20. August 2003 - 1 [X.] 463.02 - [X.]uchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 275 S. 99 f.). Dies ist hier jedoch nicht der Fall, zumal die [X.]eschwerde nicht einmal ansatzweise darlegt, dass die von der [X.]eschwerde benannten Entscheidungen anderer nationaler Obergerichte dem [X.]erufungsgericht im Entscheidungszeitpunkt bereits vorlagen und aus welchen Gründen davon abgesehen worden ist, sich deren tatrichterliche Feststellungen zu eigen zu machen.

b) Soweit die [X.]eschwerde auf eine Reihe von aktuelleren [X.] (siehe [X.]latt 26 bis 33 der [X.]eschwerdeschrift) verweist, die das [X.]erufungsgericht nicht in der angefochtenen Entscheidung "vermerkt" habe, kann sie den Mangel einer unvollständigen und selektiven, nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens wiedergebenden [X.]eweiswürdigung damit von vornherein nicht begründen. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht wird von der [X.]eschwerde nicht geltend gemacht und dargetan. Der Sache nach wendet sich die [X.]eschwerde insoweit gegen die von ihr als falsch angesehene Lageeinschätzung und Gefährdungsprognose und setzt diesen ihre eigene Würdigung entgegen. Damit lässt sich ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO indes nicht begründen. [X.]ei den von der [X.]eschwerde aufgeführten, von den Klägern nicht durchweg in das [X.]erufungsverfahren eingeführten Erkenntnisquellen handelt es sich im Übrigen auch nicht - wie bei den Lageberichten des [X.] - um solche Quellen, die für die richterliche Aufklärung der maßgeblichen politischen Verhältnisse in den Herkunftsstaaten von zentraler [X.]edeutung sind, und bei deren Nichtheranziehung deshalb ein Aufklärungsmangel naheliegt (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 9. Mai 2003 - 1 [X.] 217.02 - juris).

2.2 Soweit die [X.]eschwerde des Weiteren eine Verletzung eines allgemeinen Erfahrungssatzes rügt, kann auch dies nicht zur Zulassung der Revision führen. Das Ergebnis der gerichtlichen [X.]eweiswürdigung ist vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüfbar, ob es gegen die allgemeinen [X.]eweiswürdigungsgrundsätze verstößt, zu denen Verstöße gegen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze, die allgemeinen Erfahrungssätze und die Denkgesetze gehören ([X.]VerwG, Urteile vom 6. Februar 1975 - 2 [X.] 68.73 - [X.]VerwGE 47, 330 <361>; vom 31. Januar 1989 - 9 [X.] 54.88 - [X.]uchholz 310 § 108 VwGO Nr. 213 S. 57 f. und vom 3. Mai 2007 - 2 [X.] 30.05 - [X.]uchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16). Die Kritik der Kläger an der [X.]eweiswürdigung des [X.]erufungsgerichts lässt nicht erkennen, dass diejenigen Tatsachenfeststellungen, die für das angefochtene Urteil tragend geworden sind, die Grenzen einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschreiten. Das [X.]erufungsgericht hat bereits nicht, wie von den Klägern behauptet (Seite 42 der [X.]eschwerdeschrift), einen allgemeinen Erfahrungssatz im Sinne der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts, d.h. einen jedermann zugänglichen, nach allgemeiner Erfahrung unzweifelhaft geltenden und durch keine Ausnahme durchbrochenen Satz (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 22. März 1983 - 9 [X.] 860.82 - [X.]VerwGE 67, 83 <84> und vom 15. Oktober 1991 - 1 [X.] 24.90 - [X.]VerwGE 89, 110 <117>) des Inhalts aufgestellt, "dass diktatorische Regime, die mit militärischen Mitteln um die Macht im Staat kämpfen, [X.] selbst dann nicht als politische Gegner betrachten, wenn sie ansonsten (vermeintliche) politische Gegner politisch verfolgen und mit brutaler Härte dabei offensichtlich (...) Opfer unter der Zivilbevölkerung zumindest billigend in Kauf nehmen." Vielmehr hat es unter [X.]erücksichtigung mehrerer Erkenntnisquellen angenommen, dass es keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür gibt, dass die [X.] Sicherheitsbehörden nach [X.] zurückkehrende Männer, die sich dem Wehrdienst in [X.] selbst oder durch Flucht ins Ausland entzogen haben, allein aufgrund dieser Wehrdienstentziehung eine regimefeindliche Handlung unterstellen. Dabei hat das [X.]erufungsgericht insbesondere berücksichtigt, dass fast 5 Millionen Menschen und damit knapp ein Viertel der [X.]evölkerung aus [X.] geflohen ist. Insoweit sei auch dem [X.] Staat bekannt, dass die Flucht aus [X.] in aller Regel nicht Ausdruck politischer Gegnerschaft zum [X.] Regime, sondern aus Angst vor dem Krieg erfolgt sei.

3. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § [X.] [X.] nicht erhoben. Der Gegenstandwert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Meta

1 B 131/17

05.12.2017

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 29. Juni 2017, Az: 1 A 11459/16, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.12.2017, Az. 1 B 131/17 (REWIS RS 2017, 1295)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1295

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen
Referenzen
Wird zitiert von

2 LB 172/18

2 LB 101/18

Zitiert

2 BvR 31/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.